Buchcover

Auguste Groner

Das Herz siegt

Saga Egmont




I.

Konrad Puffan, der Wirt der Schenke „Zum roten Dachl“ am Hafnersteig, zündete etliche Öllampen an, denn es war trotz der weit hinstrahlenden Glut des Ofens nicht mehr so hell in der gewölbten, niedrigen Gaststube, daß die paar Spieler, die darinnen sich zusammengefunden hatten, Schellen und Laub auf ihren Karten hätten unterscheiden können.

Draußen war ein stürmischer Novembertag. Wer in die Schenke trat, war fröstelnd durchnäßt und ließ sich recht nahe dem Ofen nieder. Die Stimmung war, trotz Wirtshaus und Wein, nicht sonderlich froh. Es war das Jahr 1682 und man sprach wieder von Türkengefahr und seiner Not.

Vom Turm des nahen Klosters schlug es fünf. Als der Klang der Uhr verstummt war, begann in einer Ecke der Schenke eine Sackpfeife in hellen Tönen zu quieken. „Wer ist denn dieser Dudelsackpfeifer?“ fragte in fremdklingendem Deutsch ein junger Mann in der Tracht der Scholaren. Er war ein Italiener und kam von Paduas altberühmter Universität, um in Wien die Rechtslehre weiterzustudieren. Er hatte sich mit dieser Frage an die hübsche Tochter des Wirtes gewendet, vielleicht weniger aus Neugier, wer der Musikant sei, als das Mädchen bei sich aufzuhalten.

Und Susl gab sichtlich gerne Auskunft. „An Eurer Frage merkt man‘s, daß Ihr noch nicht lange in unserer Stadt seid“, lächelte sie; „denn sonst müßtet Ihr es wissen, wie unser Pfeifer heißt. ,s ist der Marx Augustin, den jedes Kind hier kennt.“

„Ist er vielleicht gar ein richtiger Künstler?“ erkundigte sich der Paduaner, und es war ein wenig Spott dabei.

Das Mädchen zuckte die Schultern. „Ich weiß nicht, ob er ein richtiger Künstler ist. Ich weiß nur, daß jeder den Liedern, die der Augustin selber dichtet, gerne zuhört.“ „Und du bist dem Pfeifer gut?“ „Weil ich Mitleid mit ihm habe.“ „Ah! Mitleid. Warum?“ „Weil er schon einmal im Grab gelegen ist. Denkt nur, in eine Pestgrube ist er gefallen! Eine ganze Nacht lag er bei den Toten.“

„Greulich!“

„Und Gott hat ihn dennoch vor der schrecklichen Krankheit behütet. Aber jetzt laßt mich gehen“, bat Susl, zur Tür schauend. „Da kommt der Baron Zwiefel. Er will immer von mir bedient sein.“

„Baron Zwiefel?“ lachte der Paduaner. „Zwiefel, das ist kein adeliger Name!“

Auch Susl lachte. „Er heißt Thanon und ist Franzose“, erklärte sie; „und weil er, wenn er nicht gerade bei Reichen schmarotzt, oft nur von Zwiebeln lebt, haben ihm die Leute den Spitznamen gegeben.“ Damit ging sie durch die Wirtsstube, um ein wenig später vor Thanon, der sich gravitätisch niedergelassen, einen Krug Bier hinzustellen.

Marx Augustin sang jetzt. Seine Stimme hatte, trotzdem sie noch müde klang, noch immer etwas recht angenehmes, und dazu merkte man, daß Seele in seinem Lied war.

Der Paduaner begriff, daß die liederfrohen Wiener diesem Manne trotz seiner Verkommenheit gut sein mußten. Wie still sie geworden waren, die da alle soeben noch eifrig geredet oder gespielt hatten! Der Schneider im blauen Wams und der in Scharlach gekleidete Sänftenträger, sie verloren kein Wort mehr. Ihre Blicke waren gerade so, wie die der beiden Gerber, deren braune Röcke ihr Gewerbe verrieten, wie es auch von ihren verfärbten Händen verraten wurde, schier begeistert auf Augustin gerichtet. Und die Bäcker im hechtgrauen Kleide, die vom Basiliskenhaus in der Schönlaterngasse herübergekommen waren, sangen sogar leise mit.

Nicht weniger freuten sich die behäbigen Bürger, die an ihrem gemütlichen Stammtisch sich versammelt hatten. Und höflich verwundert lauschten auch die türkischen Handelsleute, die in Gesellschaft eines Persers recht vergnüglich den noch nicht völlig ausgegorenen Rebensaft schlürften, den ihnen der Wirt in niedrigen Schalen kredenzte. Wohl war es ihnen verboten, Wein zu trinken; was aber da vor ihnen perlte, das war ja noch kein Wein, so sagten sie sich und waren mit sich und dem duftigen Tranke zufrieden.

Zwei Schiffsleute und ein Döblinger Winzer kamen und ließen sich im warmen Winkel nieder und ihnen folgten etliche Läufer, die, in die Farben ihrer Herrschaften gekleidet, ein recht hübsches Bild boten.

Alles schaute auf Marx Augustin hin, der in einer Fensternische stehend bald sang, bald seinen Dudelsack quietschen ließ. Plötzlich aber ist nicht er mehr der Mittelpunkt aller Aufmerksamkeit. Wieder waren neue Gäste gekommen. Zwei Männer, die recht kriegerisch aussehen und deren Amt ja schließlich auch immerhin ein kriegerisches ist, insofern sie sozusagen den bewaffneten Frieden vorstellen und es ihr Geschäft ist, in Milde oder Strenge dafür zu sorgen, daß die alte Kaiserstadt der Ruhe und Sicherheit nicht entbehre. Die Männer gehören der Stadtguardia an.

Puffan bewillkommt sie mit großer Artigkeit, und die Bürger rücken an ihren Tisch zusammen, um den beiden Platz zu machen.

„Sebald, ich schau’ es Euch an, daß Ihr wieder schlechte Neuigkeiten bringt“, ruft einer der Bürger, es ist der Schwertfeger Veit Trauner, dem älteren Soldaten zu.

„Ihr habt es erraten, Trauner. Ich fürchte mehr als je, daß wir bald schlimme Gäste haben werden.“

„Ho! Ho!“ wirft ein anderer Bürger ein, „was hat sich denn neuerdings ereignet, das Euch so reden läßt?“

Sebald hat aber gerade den Thanon und die ausländischen Kaufleute erblickt und antwortete nicht; redete wenigstens nicht, wie er hat reden wollen, sondern wirft den beiden Fragern einen Blick zu, dessen Bedeutung sie sofort verstehen: „Wir sind nicht allein“, sagte er.

Sie fragten nun nicht mehr, schauten nur mit düsteren Blicken nach den Fremdlingen und redeten dann von gleichgültigen Dingen.

Aber Gleichgültiges hält dermalen in Wien die Gemüter nicht lange fest und weil man von dem Schrecklichen, das vielleicht kommen wird, augenblicklich nicht reden kann, redet man von dem Schrecklichen, das man noch nicht lange überstanden hat. Von der Pest, die vom Herbst 1678 bis zum Frühling des Jahres 1679 in Wien gewütet hatte.

Am Bürgertisch reden sie davon und auch an dem langen Tisch, an dem die Zünftler sitzen, und an dem anderen, an dem sich die Läufer, der Sänftenträger und der Döblinger Winzer zusammengefunden haben.

Der Winzer ist ein alter Mann mit scharf geschnittenem Gesicht und ernsten Augen, die jetzt recht nachdenklich schauen.

„Woran denkst du denn?“ fragte ihn der Sänftenträger, weil der Alte ganz still geworden war.

Der erhebt den Kopf und fährt sich mit der rauhen Hand über die Stirne. „Gestern hab’ ich’s wieder geseh’n“, sagte er, wie aus einem Traum erwachend.

„Was hast du wieder geseh’n?“ erkundigte sich der Wirt, der einen Weinkrug auf den Tisch stellte.

„Geträumt hat er, der alte Härtel“, antwortete statt des Angesprochenen der Sänftenträger. Er ist ein robuster, junger Mensch von leichtsinniger Gemütsart, das sieht man ihm an, das erkennt man auch an der spöttischen Rede, die er seinen ersten Worten folgen läßt.

„Ihr wißt es doch, Puffan, daß der Härtel gerne mehr sieht als andere Leute.“

Der Wirt schaut den Burschen ernst an. „Mehr als du sieht er ganz sicher“, sagte er wegwerfend, und der Alte bescheiden darauf: „Nicht ich allein hab’s damals gewußt, daß uns Schlimmes bevorsteht und nicht ich allein hab’s heute Nacht gewahrt, daß Wien wieder in Not kommen wird.“

„Was hast du denn geseh’n?“ ruft der Schwertfeger herüber, und nun ist die Aufmerksamkeit auf den Alten gerichtet. In diese horchende Stille hinein redet die müde Stimme des Alten: „Gestern war ich gegen Abend in meinem Weingarten, um nach den edelreifen Trauben zu sehen, die, noch von Stroh geschützt, auf den Stöcken hängen. Froh ging ich heim, denn schönere Trauben hab’ ich noch nicht gekeltert. Ganz munter war ich und hellauf und hab’ mir noch ein’s gepfiffen. Da seh ich plötzlich, wie ein dunkler Nebel über unsre Stadt zieht. Also das ist nichts besonderes, aber in dem Nebel wird’s mit einemmal lebendig und ich seh’ rote Reiter drin mitten im Kampf. Und das war keine Täuschung! Wahrhaftig! Denn wie ich noch so steh’ wie angewurzelt, kommt meine Schwester schon angelaufen und keucht: ,Hast du sie geseh’n, Ohm! Die Reiter?’ …“

„Seltsam!“ Irgend einer in der Stube hat es gesagt.

„Das zeigt eine Gefahr an für unsere Stadt“, meint ein anderer: es war Vinzenz, der Fischer.

„Lächerlicher Aberglauben!“ ruft Thanon dazwischen. „Woher soll denn für Wien eine Gefahr kommen?“

Da stand der alte Winzer auf und langte nach seiner Otterfellmütze. „Ich weiß es nicht“, murmelte er, „aber ich habe die roten Reiter gesehen.“

Gleich nach ihm verließen auch der Perser und auch seine Bekannten, die türkischen Kaufleute, die Schenke.

Thanon aber fühlte sich plötzlich sehr wichtig. Er wies in gespreizter Rede darauf hin, daß am 3. Februar des nun zu Ende gehenden Jahres der Internuntius Caprara mit großem Gepränge nach Belgrad gefahren sei, um den mit den Türken abgeschlossenen Frieden für weiterhin zu sichern, welche Bestrebung ganz sicher gelingen mußte, da ja die Türken keine feindlichen Absichten bekundeten.

Da ließ sich plötzlich ein bis jetzt ganz unbeachtet gebliebener Mann, der in einem Winkel saß, vernehmen. „Der Baron Zwiefel“, sagte er nicht ohne leichten Spott, „weiß vielleicht mehr von Wien und was unserer Stadt schaden kann als mancher Wiener. Das hat er soeben bewiesen, indem er just von den Türken zu reden anfing. Der Herr hat Capraras Abfahrt von hier wie ein richtiger Augenzeuge geschildert. Das kann ich bezeugen, denn auch ich war Zeuge der Abreise unseres Gesandten. Ich habe nämlich Abschied nehmen müssen von meinem Bruder, der als Kurier unserem Internuntius gefolgt ist. Was aber der Baron Zwiefel nicht zu wissen scheint, ist die Tatsache, daß da unten in Ungarn, in Ofen, wo ja die Türken herrschen, jedermann vom Krieg gegen uns redet und daß ein Stallmeister des Sultans dem Wesir von Ofen den Befehl überbracht hat, ein mächtiges Kriegsheer zu sammeln und es gegen Wien zu führen. Diese Kunde hat Caprara, der am 22. Februar noch in Ofen war, durch meinen Bruder nach Wien gelangen lassen. Dies weiß Baron Zwiefel vielleicht nicht“, sagte der Mann weiter und blickte bei dem Worte „vielleicht“ scharf nach dem merklich unruhig gewordenen Franzosen. „Baron Zwiefel weiß es vielleicht auch nicht, daß Caprara heute ein Gefangener der Türken ist, daß diese also ganz offen Feindseligkeit gegen uns zeigen. Herr Thanon — wisset Ihr auch nicht, daß just in letzter Zeit einige Fremde in Wien sich zeigten, die sich in ganz merkwürdiger Weise für die Anlagen unserer Stadt interessieren? Für die Basteien und Tore und was sonst unsere Befestigung ausmacht?“ Damit stand er vor dem Franzosen, der seinen ernsten Blick nicht zu ertragen vermochte.

„Was wollt Ihr von mir?“ raunzte er, indessen seine Augen unstet umherfuhren. „Und warum nennt ihr meinen Spitznamen?“

„Ein Spitzname! Ein Spitzname! wie gut ist es, wenn man nur so einen führt. Gebt acht, Herr Thanon, daß Ihr nie etwas Schlimmeres genannt werdet als ,Baron Zwiefel‘.“

Im nächsten Augenblick hatte sich die Türe hinter dem Unbekannten geschlossen.

Thanon atmete erleichtert auf. Aber er fühlte sich zu früh sicher, denn Vinzenz, der sich von Thanon beleidigt fühlte, erhob sich plötzlich und trat auf ihn zu: „Abergläubisch ist seine Gnaden, der Herr Baron, vielleicht nicht“, knurrte er den Franzosen an, „aber vielleicht hat seine Herrlichkeit Sinn für Spionieren?’s sieht ganz so aus, nach dem, was sich der Herr soeben hat sagen lassen müssen.“

Thanon war bleich geworden. Er war ein Feigling und als er sah, daß auch nicht einer in der Wirtsstube sich an seine Seite stellen würde, langte er schnell in die Tasche, legte eine Münze auf den Tisch und griff nach seinem Hut und seiner Laterne. Irgend etwas auf Französisch murmelnd, ging er schnell fort.

Während die Gäste im „Roten Dachl“ über Thanon redeten und ihre Meinungen untereinander austauschten, schlich dieser zornerfüllt durch die krummen Gassen, in denen hie und da der Schein der Laterne eines Heimgehenden auftauchte. Einmal aber blieb er stehen und lachte höhnisch: „In Bälde werden es hier die Vornehmen und Geringen wissen, was ich jetzt schon weiß, den sie den ,Baron Zwiefel‘ heißen. Und wenn sie tot oder türkische Sklaven sein werden, dann werde ich lachen und reich werde ich dann sein, reich!“

II.

Der Freisingerhof mit all seinen mannigfaltigen Anbauten, seinen massigen Toren und seinen schwarzvergitterten Fenstern, dem unregelmäßigen Zickzack seiner steilen Backstühle und seinem dunklen Mauerwerk, lag, gleich der alten Kaiserstadt, noch in der tiefen Dämmerung eines nebelreichen Novembermorgens da, als ein Reicher hier vom Pferde stieg und mit dem schweißbedeckten Falben im finsteren Flur verschwand.

Innerhalb des weitläufigen Baues gab es im großen, winkelreichen Hofraume etliche Ställe. In einem brachte der Angekommene sein Roß unter, versorgte es getreulich und stieg dann zwei Treppen aufwärts.

Ein kurzer Gang nahm ihn auf, dessen Dunkelheit ein wenig vom Schein einer Lampe erhellt war, die hinter einem Fenster brannte, welches die Innenwand des düsteren Ganges unterbrach. An dieses Fenster pochte der Angekommene. Drinnen erhob sich jemand, der an einem Tisch gesessen und geschmaust hatte. Rasch öffnete er und empfing den Gast mit Verwunderung. „Jetzt kommst du schon?“ sagte er. „Der Graf erwartet dich erst heute Abend. Du kannst ja kaum aus dem Sattel gekommen sein!“

„Fast hast du recht“, entgegnete der Heimgekommene, dessen flotte Jugendlichkeit übrigens wenig Müdigkeit verriet. „In Kapyvar hat man mir die größte Eile anbefohlen. So hab’ ich also auf dem Herweg nur die allernotwendigsten Rasten gemacht.“

„Und auf dem Hinweg hast du erst recht nicht gerastet, denn da hat dich das Herz zur Eile getrieben“, meinte der andere spöttisch.

„Laß mein Herz in Frieden, Andreas. Ich liebe solche Scherze nicht. Ilona Tököli steht hoch. Ihr kann deine Zunge freilich nichts anhaben, aber ich ärgere mich über deine Albernheit.“

„Aber Ferencz! Ist es denn albern, wenn man annimmt, daß ein so schöner, junger Mensch, wie du einer bist, ein schönes, junges Weib liebt?“

„Das meine Milchschwester ist, aber auch meine Gebieterin!“ sagte der junge Mann. „Siehst du, Andreas, das begreifst du nicht, daß einer zu stolz sein kann, um zu lieben, wo ihn nur Demütigung erwarten würde. Aber wozu sage ich dir das? Du verstehst ja doch nur eines: Deinem Gaumen wohl zu tun; geh, gib mir auch zu essen. Ich habe Hunger und der nächtliche Ritt hat mich durchkältet.“

Während dieser Rede waren die Beiden in die niedrige, aber ziemlich weitläufige Stube getreten, darin ein mächtiger großer Ofen mollige Wärme und eine große Kanne einen wohligen Duft ausströmte.

Andreas, ein kleiner, rundlicher, nicht mehr ganz junger Mann, faßte den Krug, der stark gewürzten, warmen Wein enthielt, und reichte ihn dem anderen hin, wobei er lachend sagte: „Sollst samt deinem Stolz leben. Mir aber laß die Freuden, die ich mir da in aller Stille zu schaffen weiß. So! und nun sitz und iß!“

Ferencz ließ sich das nicht zweimal sagen. Nach einer Weile aber seufzte er und schob Krug und Teller von sich: „Ich fürchte, daß es so nimmer lang weitergehen kann!“ sagte er.

Der andere beugte sich weit vor. „Woran denkst Du?“

„Nur an unseren Herrn und an Ilona Tököli.“

„Was ist denn geschehen?“

„Es geschieht eben nichts, gar nichts und das ist es, was meine stolze Gebieterin quält.“

„Weiberlaunen.“

„Meinst du, daß ihre Unruhe nur Weiberlaune ist? Seit dem Sommer war Graf Lascienski nicht bei ihr.“

„Ich denke, wir zwei wissen es, warum er sich hier in Wien so still verhält.“

„Er muß ja nicht mit Trompeten und Pauken aus der Stadt gehen. Könnte er es nicht heimlich tun? — Wie er uns heimlich. schickt! O — wenn sein Herz ihn nach Kapyvar zöge, er hätte längst schon wieder den Weg dahin gefunden. Aber —?“

„Nun — aber?“

„Die Frauen hier sind lieblich und manche findet, daß es unterhaltlich ist, mit dem elegantesten Kavalier, der derzeit in Wien lebt, verliebte Blicke zu tauschen.“

„Ich meine, du bist statt der schönen Ilona eifersüchtig auf unsere Erlaucht.“

„O! sie ist schon selber eifersüchtig genug. Sie spürt es nur zu deutlich, daß nicht die Politik es ist, die ihren Verlobten so lange an Wien bindet. Wer ihn nur warnen könnte!“

„Wovor? Vor ihrer Liebe?“

„Vor ihrem Zorn, vor ihrem Haß. Hast du’s nicht erlebt, daß aus Liebe Haß geworden ist?“

„So weit wäre Ilonka Tököli schon? Du kannst recht haben. Als ich vor einigen Wochen in Kapyvar war, habe ich auch gemerkt, daß die Gnädige einigermaßen gereizt war und sich oft nach dem Lebenswandel unseres Grafen erkundigte. Freilich, mir gegenüber wird sie nicht so offen gewesen sein, wie gegen dich, ihrem Vertrauten. Und — soeben denke ich zum erstenmal daran — vielleicht hat sie dich ihrem Verlobten nur deshalb mitgegeben, weil er bewacht werden soll, weil sie genauen Bericht von dir will.“ Andreas, seinem Herrn so ergeben, als er eben jemandem ergeben sein konnte, schaute seinen Genossen lauernd an.

Ferencz lächelte verächtlich. „Meinst du wirklich, daß ich für jemanden anderen noch als für das Vaterland Späherdienste leiste?“ entgegnete er stolz und dann, jäh sich erhebend: „Ich ruhe jetzt ein wenig. Weck mich, wenn seine Erlaucht munter sein werden.“

Just an der Tür traf er mit einem schnell Eintretenden zusammen: „Ihr, Herr Thanon, schon so zeitlich auf dem Weg?“ fragte Ferencz und trat viel weiter zurück, als nötig gewesen wäre, um das magere Männchen an sich vorbeigehen zu lassen.

Thanon riß den Dreispitz vom Kopfe und wischte sich die Stirn ab. „Bin von meiner Wohnung bis hieher gelaufen“, murmelte er. „Der Wind hat mir ebenso heiß als kalt gemacht.“ Dabei schielte er nach dem Tisch hinüber, auf dem noch Reste des Frühmahles sichtbar waren.

Ferencz drehte ihm den Rücken zu und ging. Andreas aber lud den Schmarotzer mit einer übertriebenen Gebärde ein, sich zu Tisch zu setzen und Thanon ging und aß und trank mit großer Gier und dann, als nichts Genießbares mehr da war, erhob er sich gravitätisch, wischte sich mit einem nicht mehr ganz sauberen Tüchlein die Lippen ab und fragte: „Erlaucht haben sich noch nicht vom Lager erhoben?“

Andreas, seine gezierte Sprechweise nachahmend, antwortete: „Erlaucht geruhen noch zu schlummern. Monsieur Thanon wird sich also gedulden müssen.“

Dann wurde der Franzose ganz plötzlich ein anderer. Den Kopf stolz zurückwerfend, bemerkte er: „Merk er es sich, Bediente müssen warten. Ich verkehre mit dem Grafen Lascienski zu jeder Zeit, in der es mir. beliebt.“ Und an dem erstaunten Andreas vorübergehend, begab er sich, einen zweiten Raum durchschreitend, nach dem Schlafgemache des Grafen.

Andreas wagte es nicht, Thanon zu folgen, so herrisch hatte sich dieser plötzlich gegeben. Er wartete aber. Er wartete, den Frechen schnell zurückkehren zu sehen. Allein Thanon blieb lange aus.

Er konnte also tatsächlich zu dem Grafen kommen, sobald es ihm beliebte.

Andreas war sehr verwundert und nachdenklich. Plötzlich stieß er einen leisen Pfiff aus. Es war, als habe sich damit seine Verwunderung entladen.

Als Peter Thanon die Tür zu des Grafen Schlafzimmer öffnete, schlug ihm eine unangenehme Luft entgegen durch künstlichen Wohlgeruch und Öllampenduft. Leise schloß der Franzose die Tür und überblickte den vornehm ausgestatteten Raum. Dunkles Getäfel bedeckte bis weit hinauf die Wände und wo es endete, war hellroter Seidenstoff gespannt und die gleiche Seide umhing in reichen Falten das schön geschnitzte Himmelbett, in dem Graf Lascienski noch im tiefen Schlaf lag.

Dicht neben ihm stand auf einem Tischchen das noch brennende Nachtlicht, dessen Schein durch ein rötliches Glas auf das Gesicht des Schläfers fiel.

Eine Weile betrachtete Thanon den Grafen; dann fiel sein Blick auf den Toilettentisch und dessen überreiche Ausstattung. Thanon fand dafür keinen Spott. Er seufzte vielmehr neidisch darüber, daß diesem, von der Natur ohnehin schon so bevorzugten Manne, so viel Hilfsmittel zu Gebote standen, um sich noch besser pflegen zu können.

Geärgert von diesen Gedanken, trat er rasch an das Bett heran und legte seine Hand auf Lascienskis Schultern.

Da fuhr der Graf cmpor und crkannte Thanon. „Ach, Ihr seid es? Thanon!“ sagte er gähnend.

Der Franzose nickte spöttisch. „Ja, Erlaucht. Ich bin es. Nur ich, Euer gehorsamster Diener und Geheimsekretär, der kommt, Euer Erlaucht Wichtiges zu melden.“

„Wichtiges?“ Lascienski lächelte spöttisch. „Ihr bauscht nur Unwichtiges auf, um Euch selber wichtig zu machen. Also laßt hören, warum Ihr diesmal gar in nachtschlafender Zeit kommt.“

„Weil es erstens nicht jeder mit anzusehen braucht, daß ich den Herrn Grafen besuche und zweitens, weil ich endlich den Überrumpelungsplan fertig habe.“ Thanons Gesicht, das soeben noch voll Verdrossenheit gewesen, zeigte jetzt einen triumphierenden Ausdruck.

Lascienski wurde lebhaft. Rasch, sich völlig aufrichitend, sagte er: „Den Plan — laßt ihn sehen. Ihr habt ihn doch mitgebracht?“

„Hier ist er.“

„Gebt her. So und jetzt zündet die Wachskerzen an.“

Thanon tat, wie ihm geheißen worden war. Als er den Armleuchter mit den beiden brennenden Kerzen auf das Tischchen gestellt hatte, zog er sich einen Stuhl an das Bett heran und ließ sich darauf nieder. Der Graf hatte die Rolle, welche Thanon ihm gereicht, schon auseinander getan und schaute interessiert auf die Zeichnung.

„Erlaucht sollten, ehe Ihr darüber Erklärung fordert, noch nach anderem fragen“, sagte der Franzose nicht ohne Ironie.

Lascienski schaute auf. „Wonach soll ich fragen? Ob die guten Wiener noch immer keine ernsten Sorgen haben? oder ob man im Kriegsrat endlich nachdenklich zu werden beginnt? Ich meine, zwischen gestern und heute wird sich da nichts geändert haben. Das Volk erfreut sich des trefflichen Weines und hört nach wie vor vergnügt seinen Bänkelsängern zu und die Hohen, die da die Augen am weitesten offen haben sollten, die haben sie nach wie vor fest geschlossen, und so hört kaiserliche Majestät wohl auch heute noch gemütsruhig die drei gewohnten Messen und nach wie vor wird seitens der hohen Räte nichts geredet noch getan werden, das die spanische Etikette, so hier am Hofe herrscht, irgendwie irritieren könnte. Wonach also, mein lieber Thanon, soll ich denn fragen? Oder doch! Nach dem Wetter frage ich. Denn für heute bin ich zur Jagd eingeladen.“

„Ich meine, Erlaucht werden heute nicht jagen.“

Der Graf schaute den Franzosen forschend an.

„Denn Ihr werdet Besuch erhalten.“

„Ah!“ machte Lascienski und nun saß er ganz aufrecht da. „Heute morgen nämlich, vor etwa einer Stunde, habe ich Besuch erhalten. Achmed ist eingetroffen und — ich glaube, Euer Diener Ferencz, der ebenfalls schon angekommen ist — wird dieselbe Neuigkeit mitgebracht haben, die Achmed mir mitteilte. Er sagte mir, daß untertags Tökölis Gesandte, Szirmay und Janski, sich bei Hofe anmelden werden, was Erlaucht und mich allerdings wenig interessiert.“

„So ist es, Thanon. Uns interessiert von allen Personen dieser Gesandtschaft nur Achmed, der für ein Anhängsel gehalten wird und welcher doch der Wichtigste darunter ist. Wo hält er sich derzeit auf?“

„In meinem Bette. Er ist viele Stunden im Sattel gewesen, um den anderen voranzueilen. So wie das Kärntnertor aufgetan worden, ist er in die Stadt gekommen.“

„Ohne viel befragt zu werden?“

„Er ist in der Tracht des Ordens gekommen, dem er dereinst angehört hat.“

Der Graf lachte. „Ei, freilich hat man ihm da keine Ungelegenheiten bereitet“, sagte er, „Eine Kutte und wäre es nur die eines Kapuziners, ist hier eine gute Empfehlung.“

„Außerdem kennt Achmed hier jeden Winkel und jeden Brauch. Wer sollte also Verdacht gegen ihn schöpfen?“ warf Thanon ein und fuhr dann fort: „Wenn Tökölis Gesandtschaft nur auch ihren Zweck erreicht!“

„Weshalb soll sie ihn denn nicht erreichen? Achmed wird das Gesehene und Gemerkte bald aufgezeichnet haben.“

„Falls man ihn nicht erkennt. Er hat doch bis vor etlichen Jahren hier gelebt, ist dann seinem Orden entflohen und man weiß hier, daß er zum Islam übergetreten ist. Wird er erkannt …“

„Das wäre freilich schlimm.“

„Und man ist nicht mehr so sorglos, als Erlaucht meinen. Man hat plötzlich Heimlichkeiten. Selbst Frankreichs Botschafter und mit ihm Erlaucht sind so ziemlich im Dunkeln darüber, wie man im Hofkriegsrat über die Türkengefahr denkt und was die Herren diesbezüglich beabsichtigen.“

„Leider bin ich in der Tat recht mangelhaft unterrichtet“, gab Lascienski ärgerlich zu. „Na, mein künftiger Verwandter, der Tököli, wird noch manchen Dukaten springen lassen müssen, bis ich ihn über die hiesige Politik werde orientieren können. Denn just jene Häuser, in denen ich das Richtige erfahren könnte, haben sich mir noch immer nicht geöffnet. Borgomanero zum Beispiel, scheint nicht übermäßig viel an meiner Gesellschaft zu liegen, denn bis heute hat dieser steife Gesandte Spaniens mir keine Einladung zukommen lassen und eben in seinem Hause dürfte so manches Wort verloren werden, das aufzuheben für die Freunde der Türken wertvoll wäre. Woran denkt Ihr? Thanon!“

„An den spanischen Gesandten, den ich nicht kenne und an einen anderen, den ich nur wenig kenne, jedoch immerhin genug kenne, um zu wissen, was Euer Erlaucht jetzt nützlich werden kann.“

„Wer ist dieser andere?“

„Bauernfeind, Ambrosius Bauernfeind, derzeit der angesehenste Baumeister Wiens.“

„Was soll er mir?“

„Er wird Euer Erlaucht vielleicht unbewußt dienen können.“

„Inwiefern?“

„Er ist ein Eitelkeitsnarr. Ein sonst mit Recht geehrter Mann … aber einer, der gern mit seinem Reichtum, noch lieber jedoch mit seinen vornehmen Bekanntschaften protzt. Wenn der einen Grafen in sein Haus bekäme, ich glaube, er gäbe seine Seele dafür.“

„Was soll mir der Mann, Thanon? Redet doch deutlicher!“ mahnte Lascienski ungeduldig.

„Vor wenigen Tagen“, erklärte das Männchen, nicht ohne ebenfalls deutliche Anzeichen von Eitelkeit, „war ich bei einem meiner Gönner, dem Baron Wehrtenstein zu Tisch geladen und auch Bauernfeind war da und sichtlich sehr geehrt durch die Vertraulichkeit, mit welcher ihn die Herrschaften des Hauses behandelten. Ich habe mich an seiner Geziertheit ergötzt. Unter anderem protzte er mit einem Auftrag, den Borgomanero ihm gegeben. Es handelt sich um ein Sommerhaus für die Frau des Gesandten. Bauernfeind redete jedoch nicht nur davon, er deutete auch an, daß er durch Borgomanero und andere seiner hohen Bekannten genau eingeweiht sei in das Vorhaben unseres Kriegshofrates.“

„Ah! … Aber er deutete nur an!“

„Ich meine, daß es nicht viel brauchte, auch noch mehr als nur eine Andeutung durch ihn zu erhalten. Erlaucht können ihm ja auch einen Auftrag geben. Dadurch ist der Kontakt mit ihm hergestellt und es steht dann nur im Belieben des Herrn Grafen, wie weit Erlaucht mit dem Manne kommen wollen, der überdies eine schöne und ebenso eitle Tochter hat“, setzte Thanon langsam hinzu.

„Eine schöne Tochter und ein eitler Vater“, faßte der Graf die Haupteindrücke zusammen. Er strich sich über das feine, spitze Kinnbärtchen: „Ich werde diesem Ambrosius Bauernfeind einen Auftrag geben.“ Nach diesen Worten lehnte er sich faul in die Pölster zurück und schaute vergnüglich lächelnd vor sich hin. Er hatte über der Aussicht auf ein neues Liebesverhältnis offenbar alles andere vergessen.

Thanon betrachtete ihn mit einem verächtlichen Lächeln. In dir hat Tököli keine gute Wahl getroffen, dachte er, denn du kennst nicht Haß noch Liebe und bist nichts als ein Weiberheld. Laut und scheinbar unterwürfig aber sagte er: „Erlaucht geruhen vielleicht jetzt den Plan zu betrachten. Er hat mich viel Studium gekostet und es war nicht ohne Gefahr, sich über Verschiedenes, das darin vorkommt, Gewißheit zu verschaffen.“

„Ja, richtig, der Plan!“ sagte Lascienski, sich wieder aufrichtend und langte nach dem dicken Papier, das auf der Seidendecke lag. „Also was sagen diese Striche?“ fragte er leichthin.

„Diese Striche“, wiederholte der Franzose, nun doch ein wenig seine Verletztheit zeigend, „bezeichnen den Weg, der die Türken, ohne daß sie einen Säbelhieb zu tun brauchen, mitten ins Herz der Stadt führt.‘

Der Graf war jetzt völlig beherrscht.

„Thanon! Ihr sprecht da etwas Großes aus! Ich kann es nicht glauben. Ihr geltet für einen Phantasten. Ist …“

„Ich weiß, daß man mich sogar für einen Halbnarren hält, der gerade zum Lustigmachen gut genug ist“, unterbrach Thanon; „aber … mindestens dort, wo ich hasse, sind meine Gedanken sehr wohl geordnet und ich weiß genau, was ich will. Schmarotzer nennen sie mich und denken nicht daran, daß meine Ohren an manchem Tisch, an dem der Wein schon Redselige gemacht hat, mehr bekommen haben als mein Mund. O … Graf Lascienski … mein Plan ist gut. Der, den ich im Kopfe habe, und der, den Erlaucht da auf dem Papier vor sich sehen. Ehe ich diesen erkläre, mache ich Erlaucht, zum wiederholtenmale schon, auf einen Irrtum aufmerksam. Gar so sicher, wie Erlaucht meinen, fühlt man sich hier nimmer. Das Volk hat schon gewaltiges Bangen vor dem, was kommen wird, und auch die ganz oben stecken schon die Köpfe zusammen. Des Grafen Caprara Gefangenhaltung bewies es ihnen endlich, daß die Türken wieder zu fürchten seien. Man redet davon, daß die hiesigen Festungswerke, die man unbegreiflicherweise so lange verfallen sein ließ, bis zum Februar wieder hergestellt werden sollen. Man erwartet also eine abermalige Belagerung der Stadt. Der Kaiser, der sich ja doch immer mehr bewußt werden wird, daß alles auf dem Spiele steht, wird alle erreichbaren Verteidigungskräfte zusammenziehen und auch alle waffenfähigen Wiener werden sich um ihn scharen. Es wird auch manches deutsche Aufgebot in Wien sein, ehe noch Mustapha hier eintreffen kann. Und so wird es den Türken nicht so leicht werden, Wien einzunehmen, wie sie selber und … wie ihre Freunde glauben. Aber“, Thanon richtete sich stolz auf, „ich bin auch noch da und habe in aller Stille geforscht und ich habe einen Weg in die Stadt gefunden, an den hier keiner denkt.“

„Und Ihr — der Fremde — habt an ihn gedacht?“

Thanon lächelte. Geheimnisvoll beugte er sich näher zu Lascienski und flüsterte: „Einer der treuesten und besten Männer dieser Stadt hat ihn mir gewiesen.“

„Ihr sprecht in Rätseln.“

„Der Provinzial der Augustinermönche, Pater Alexius, hat mir den vortrefflichen Gedanken eingegeben.“

„Thanon! Ihr phantasiert!“

„Hat mir durch ein gelehrtes Gespräch, das er mit seinen Tischgenossen führte und dem ich still und bescheiden am untersten Ende der Tafel zuhörte, die Möglichkeit in die Hand gegeben, die Feinde ungesehen bis in den Mittelpunkt der Stadt zu bringen.“

„Mann, werdet endlich deutlich!“ rief Lascienski erregt. Der Franzose erhob sich, huschte zur Tür und schob den Riegel vor; dann ließ er sich wieder neben dem Grafen nieder und wies auf den Plan. „Noch sind das für Erlaucht Striche, noch ist das Geheimnis mein. Wie viel wird mir Mustapha geben, wenn ich ihm den fast unblutigen Sieg verschaffe? Ich will nicht nur meinen Haß gegen diese Stadt voll Spötter sättigen. Ich will auch reich werden, reicher als irgend einer von denen, die mich jetzt an ihrem Tische dulden. Ungeheuer reich will ich werden!“ Ganz heiser war seine Stimme geworden, Lascienski kam die Furcht an. Es war immerhin möglich, daß dieser Mensch, der sich seit etlichen Wochen so an ihn drängte und den ganz Wien für einen Halbnarren hielt, ein ganzer Narr war. In letzter Zeit hatte er schon immer seltsame Reden geführt. Solche Unwahrscheinlichkeiten aber, wie er sie soeben vorgebracht, deuteten erst recht auf Verrücktheit. Dem Grafen war also bang geworden. Er stieg aus dem Bett und kleidete sich eilig an. „Wir wollen sofort über all dies Wichtige reden“, sagte er dabei in beruhigendem Tone. „Selbstverständlich wird Mustapha Euch mit Geld überschütten, wenn Euer Plan etwas wert ist. Stellt den Leuchter auf den Tisch da und dann wollen wir uns zusammensetzen und Ihr werdet mir alles sagen.“

„Ja, aber erst, nachdem Erlaucht mir volle Sicherheit gegeben hat“, warf Thanon kurz ein.

„Natürlich werde ich Euch vorerst mit meinem und Emerich Tökölis Namen Bürgschaft leisten dafür, daß Eueren gerechten Forderungen volle Erfüllung werden wird.“

„Schriftlich müßten Erlaucht mir dies geben.“

„Gut: Ihr sollt es schriftlich haben.“

Lascienski war bereits in den Kleidern. Jetzt fürchtete er sich nicht mehr, denn jetzt konnte er sofort seine Diener an seiner Seite haben. Er öffnete die Tür und rief Andreas herbei. Diesem befahl er, das Frühmahl zu bringen, dann nahm er selber den Leuchter und stellte ihn auf den massigen Eichentisch, an welchem er zu essen pflegte und rückte zwei Stühle zurecht. Thanon war ihm mit dem Plane gefolgt.

Vor den Fenstern des Gemaches, in welchem sie sich nun befanden, konnte man auf den weiten Platz, „Graben“ geheißen, schauen. Es war nicht anzunehmen, daß aus den gegenüberliegenden Häusern jemand sehen konnte, was man in diesem Zimmer trieb. Dennoch schloß der Graf die Fensterladen, so daß die Dämmerung, welche sich schon zu verbreiten begann, ausgeschlossen war.

Lascienski schrieb, indes man auf Andreas’ Wiederkommen wartete, einige Zeilen auf ein Papier und drückte daneben in rotes Wachs seinen Siegelring. Dann reichte er es dem Franzosen hin.

Der las sehr langsam und aufmerksam, faltete dann den Bogen und steckte ihn ein.

Lascienski beobachtete ihn und ein häßliches Lächeln umspielte dabei seinen hübschen Mund. „Seid Ihr nun zufrieden?“ erkundigte er sich und sah wieder wie ein ganz ehrlicher Mensch aus.

Thanon verbeugte sich tief. „Erlaucht haben Tökölis und Ihre Ehre mir zum Pfand gegeben.“

Im selben Augenblick kam Andreas herein und stellte eine Platte auf den Tisch, darauf sich eine Karaffe mit Wein und weißes Brot sowie zwei Gläser befanden. Er schenkte die Gläser voll und entfernte sich dann auf einen Wink seines Gebieters.

„Trinkt vorläufig nicht zu viel“, warnte Lascienski, „es ist stark gewürzter Wein. Die Klarheit Eures Denkens könnte darunter leiden. Im übrigen: Auf das Gelingen Eures Planes!“

Die beiden stießen an und Thanon begann: „Ich habe bis vor kurzem nicht viel von der Gelehrtheit gehalten, nun aber bin ich anderer Meinung, denke, daß man nie zu viel lernen kann.“

„Ihr holt weit aus, Thanon! Wollt Ihr nicht sogleich zur Sache kommen?“