Von Gespenstern bis zum Kasperl

Theaterstücke für Kinder

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Erste Auflage 2014

© Coverbild: Sandra Braun

Covergestaltung, Korrektorat

und Layout: net-Verlag

Auswahl der Geschichten:

Lysann Rößler & Leserteam

© Illustrationen:

Kerstin Paul (S. 39)

Jochen Hübbe (S. 57)

Monika Piller (S. 108)

Bernd Daschek (S. 214)

Nadine Langohr (S. 227)

Dina Lobas (S. 228; 249)

Bruna Häcker (S. 306; 311; 313)

© net-Verlag, Tangerhütte

1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2015

ISBN 978-3-95720-040-2

Von Gespenstern bis zum Kasperl

Was lassen sich denn Gespenster so alles einfallen?

Oder wie will der Kasper das Krokodil retten, das von der Hexe entführt wurde?

Das alles und noch viel mehr erfahrt ihr hier in den wunderschönen Theaterstücken für Kinder, die ganz leicht nachgespielt werden können.

Wir wünschen allen Lesern

einige unterhaltsame Stunden!

Ihr net-Verlag-Team

Inhaltsverzeichnis

Cover

Titel

Impressum

Vorwort

Kerstin Paul - Das Fünf- Sterne- GESPENSTER-Hotel

Jochen Hübbe - Die Eierzauberkiste

Helmut Glatz - Das fliegende Schiff

Monika Piller - Pia reist ins Land der Märchen

Roswitha Gruler - Der magische Hexenkessel

Britta Ahrens - Das Schulmonster

Vera C. Koin - Mary Maus und die Müllbande

Bernd Daschek - Prinzessin Rattenschlau

Nadine Langohr - In der Weihnachtswerkstatt

Dina Lobas - Ein geheimnisvolles Testament

Katharina Stein - Weiße Weihnacht

Laura Baltz - Die Suche nach der fliegenden Untertasse

Bruna Häcker - Kasperle im Buchstabenmüsliwald

Simon Käßheimer - Kasperl und Seppl

Autorenbiografien

Illustratorenbiografien

Buchempfehlungen

Kerstin Paul

Das Fünf- Sterne- GESPENSTER-Hotel

Personen:

Mindestanzahl von Akteuren (bei Übernahme mehrerer Rollen): 12

1 - 5

die Gespenster

6

Erzähler – älterer Herr

7

Graf – Reisekaufmann

8

junger Mann – Vater

9

junge Frau – Mutter

10

Lisa – amerikanisches Kind

11

Lucas – amerikanisches Kind

12

Lili – ältere Dame – Gräfin

Requisiten:

1. Bild: Im Schloss

Der Erzähler steht vor der Stellwand mit Schlossmauer-Motiv, die ganz links auf oder vor der Bühne platziert ist.

Erzähler:

Hoch oben auf der Klippe liegt ein altes Schloss. Hier wohnt der Graf mit seiner Frau und seinen drei Kindern. Oh, und natürlich mit den fünf kleinen Gespenstern! Wie konnte ich die nur vergessen? So ein Schlossgespenst hat schließlich nicht jeder. Und wenn man gleich fünf davon hat, dann hat man … tja – lasst es mich so ausdrücken: Langweilig wird es hier bestimmt niemandem! Denn dafür sorgen schon Tom, Tim, Till, Tiffy und Toby.

Es ist Abend. Der Raum befindet sich im Halbdunkeln. Hinten rechts, wo die Kinderzimmer-Szene aufgebaut ist, ist es etwas heller. Dort stehen drei Betten. Schrank, Regal und Spielzeug runden die Szenerie ab. Halb links befindet sich ein Schreibtisch mit Stuhl, auf dem Tisch sitzt ein großer Teddybär. Die drei Kinder toben in ihren Schlafanzügen durchs Kinderzimmer und spielen mit den Gespenstern Verstecken. Sie lachen und freuen sich. Die Gespenster sind zwischen weißen Gardinen und unter weißen Tischdecken nur schwer zu finden. Aber sie finden die Kinder ganz leicht!

Lisa:

Oh, ich gebe auf! Ihr habt gewonnen!

Till (schaut hinter der Gardine hervor):

Ehrlich?

Lucas:

Ja, lasst uns etwas anderes spielen!

Lili:

Hüpfekästchen! Ich will Hüpfekästchen spielen! Auf den Steinfliesen kann man gut Himmel und Hölle spielen. Ich fange an!

(Sie hüpft geschickt, ihre Geschwister machen es ihr nach.)

Tiffy:

Jetzt bin ich dran!

Toby:

Ich auch!

(Sie hüpfen direkt hintereinander. Dabei tritt Toby Tiffy auf das weiße Gewand, und beide fallen zu Boden. Tim fällt über beide, und Till hüpft so im Kreis, dass er Tom in die Arme läuft und auch ihn zu Boden wirft.)

Lisa:

Hurra, gewonnen!

Die Kinder jubeln.

Der Graf (kommt von links ins Zimmer):

Was ist denn hier los? Marsch, ab ins Bett!

Die Kinder schlüpfen in ihre Betten. Der Graf deckt jedes Kind noch zu, streicht ihm über den Kopf oder gibt ihm einen Kuss, dann geht er nach links von der Bühne. Die Gespenster beobachten die Szene von Weitem, d. h. sie stehen auf der Bühne vorne rechts und sehen zu.

Toby (bekümmert):

Unser Graf guckt in letzter Zeit so traurig. Aber ich weiß gar nicht warum.

Tom:

Das ist mir auch schon aufgefallen.

Tiffy:

Ob der Graf böse ist, weil ich Kamillentee in die Kaffeekanne getan habe?

Tim:

Oder weil ich die Zahnpasta mit der Senftube vertauscht habe?

Tom:

Kommt, wir schauen mal nach! Vielleicht erfahren wir etwas. Aber seid leise!

Die Gespenster schauen zum Schreibtisch, der jetzt das Arbeitszimmer darstellt. Der Teddybär ist durch Aktenorder ersetzt worden. Der Graf sitzt am Schreibtisch. Die Gespenster verstecken sich. Tiffy schaut über Toms Schulter. Toby spielt mit seinem Gewand.

Der Graf:

So viele Rechnungen! Die Borkenkäfer haben in diesem Jahr unseren Wald ganz schlimm zugerichtet. Ich konnte kaum Holz verkaufen. Wie soll ich bloß alles bezahlen? Ich kann doch nicht unsere Köchin entlassen! Wo sollte sie dann arbeiten?

Er seufzt. Dann schreibt er einige Überweisungen aus und klappt schließlich seine Bücher zu.

Der Graf:

Aber jetzt habe ich kein Geld mehr. Und dabei haben die Zwillinge Lucas und Lisa in schon zwei Wochen Geburtstag, und unsere Lili zehn Tage später! Und das alles kurz vor Weihnachten, wo wir für die Feiertage einkaufen müssen! Wie soll ich nun den Kindern etwas Schönes schenken?

Das Dach müsste auch dringend repariert werden. Es regnet schon durch! Wenn ich wenigstens meine Frau um Rat fragen könnte! Ihr würde bestimmt etwas einfallen … Aber sie freut sich schon so auf das Wochenende bei ihrer Schwester und dem neuen Baby. Gleich morgen früh fährt sie mit den Kindern dorthin, und ich möchte ihr nicht die Freude auf ihre Familie mit meinen Sorgen verderben. Nein, das möchte ich wirklich nicht.

Der Graf verlässt den Raum nach links. Die Gespenster stecken die Köpfe zusammen und beraten sich.

Tom (nachdenklich):

Der Graf braucht dringend Geld! Sonst gibt es keine Geburtstagsgeschenke für die Kinder!

Tim (überlegt):

Ach. Das ist wirklich ein großes Problem!

Toby:

Und wir? Bekommen wir dann auch keine Geschenke?

Tiffy (staunend):

Du willst Geburtstagsgeschenke haben? Ja, weißt du denn überhaupt, wann du geboren worden bist?

Toby:

Weiß ich genau, das war der 35. Dezember!

Till:

Den 35. Dezember gibt es überhaupt nicht.

Toby:

Na, dann feiere ich eben meinen Geburtstag an Silvester, da bekomme ich gleich ein großes Feuerwerk zu meinen Ehren! Und am nächsten Tag kann ich lange ausschlafen, das passt doch! Und ihr dürft übrigens auch an Silvester Geburtstag haben, bin ich nicht großzügig?

Tiffy:

Äh … ja. Und was wünschst du dir so zu deinem Geburtstag?

Toby:

Na ja, zum Beispiel ein Skateboard, um damit durch das Schloss zu rasen. Das geht viel schneller, als nur zu schweben, und macht auch viel mehr Krach!

Till:

Damit würdest du bestimmt nur die Treppe runterfallen! Nein, ich würde mir ein Smartphone wünschen. Und dann mache ich jede Menge Selfies!

Tim:

Du machst was?

Till:

Fotos von mir selbst, beim Spuken, beim Erschrecken oder …

Tom:

Du weißt aber schon, dass du auf den Fotos gar nicht zu sehen sein wirst? Gespenster kann man nicht fotografieren!

Tim:

Ich hätte gern ein Batman-Kostüm. Diese ewigen Bettlaken hängen mir zum Hals raus!

Tilly:

Jetzt hört endlich auf herumzuspinnen und fangt an zu überlegen! Wie können wir dem Grafen nur helfen?

Alle denken nach.

Till (begeistert):

Ich weiß was! Wir könnten den Schulkindern im Dorf Nachhilfe geben … in Geschichte! Da sind wir wirklich gut!

Tiffy (skeptisch):

Aber wer lässt sich von einem Gespenst Nachhilfe geben?

Toby:

Oder Hunde ausführen … nein, das geht auch nicht. Ich kenne keinen Hund, der Gespenster mag. Schade!

Tim:

Autos waschen?

Till:

Schnee wegräumen?

Tiffy:

Für alte Menschen einkaufen gehen?

Die Gespenster überlegen angestrengt.

Toby (begeistert):

Ich hab’s! Wir machen ein Hotel in unserem Schloss auf!

Alle Gespenster reden aufgeregt durcheinander.

Tom:

Die Turmzimmer sind nicht mehr bewohnt. Man könnte darin die Gäste beherbergen. Aber die Zimmer müssen sauber gemacht werden. Sie sind ganz staubig.

Tiffy:

Und das Reisebüro in der Stadt muss einen Brief bekommen, damit es uns Gäste schickt.

Alle rennen durcheinander. Tom und Tiffy holen Briefpapier und einen großen Füllfederhalter.

Tom schreibt und liest dabei laut vor:

Tom:

Das Fünf-Sterne-Hotel.

Till:

Aber wir sind doch nicht fünf Sterne, Tom! Wir sind fünf Gespenster!

Tom (streicht mit ausladender Bewegung »Sterne« durch und schreibt »Gespenster«):

Also gut: Das Fünf-Gespenster-Hotel.

Neu! Nur dieses Wochenende! Übernachtung mit Frühstück in echtem Gespenster-Hotel!

Tiffy (kichert):

Schreib: Sie werden be-GEIST-ert sein!

Tim:

Oh ja! Also weiter: Mit Spuk um Mitternacht!

Tom:

Nur 50 Euro pro Person. Meint ihr, das ist zu viel für eine Übernachtung mit Frühstück?

Tiffy:

Ich glaube, das passt. Aber schreib dazu: Zahlbar bei Ankunft! Vielleicht reisen sonst ängstliche Gäste mitten in der Nacht ab, ohne zu bezahlen. Wer weiß …

(Tom schreibt den letzten Satz dazu.)

Tom:

So, fertig. Ich bringe den Brief gleich heute Nacht zum Reisebüro.

Das Fünf-Sterne GESPENSTER-Hotel

Neu! Nur dieses Wochenende! Übernachtung mit Frühstück im echten Gespenster-Hotel!

Sie werden be-geist-ert sein! Mit Spuk um Mitternacht! Nur 50 Euro pro Person, bei Ankunft zu zahlen.

(Vorhang)

Erzähler:

Na, ich bin ja gespannt, ob Tom mit seinem Brief tatsächlich beim Reisebüro ankommt. Ob der Brief dann auch gelesen wird? Und will denn heutzutage wirklich noch jemand in einem alten, zugigen Schloss übernachten, in dem es auch noch spukt?

2. Bild: Im Reisebüro

Am nächsten Vormittag. Ein Zimmer mit Tisch und drei Stühlen. Im Hintergrund Schrank und Regal aus der ersten Szene, nur die Betten und das Spielzeug sind weggeräumt bzw. von Paravents verdeckt. Ein Globus steht auf dem Tisch, Urlaubsprospekte liegen herum. An den Wänden hängen Urlaubsplakate mit großen Sonnen, weißen Stränden, der Skyline von Manhattan …

Hinter dem Tisch sitzt der Reisebürokaufmann in tadelloser Kleidung, z. B. Hemd, Sakko, dunkle Hose. Auf einem Namensschild steht groß »Herr Brandt«. Ihm gegenüber sitzt ein junger Mann.

Junger Mann:

Morgen ist der Geburtstag meiner Frau. Ich möchte etwas ganz Besonderes. Es soll eine Überraschung werden!

Reisekaufmann:

Da sollte sich etwas machen lassen. Wie wäre es mit einem Wochenende in London oder Paris? (Er blättert in den Prospekten, stutzt) Was ist das denn? (zieht einen Zettel zwischen den Prospekten hervor) Gespensterhotel … eigenartig, das lag gestern noch nicht hier … Übernachtung im echten Gespenster-Hotel … mit Spuk um Mitternacht! Ich glaube, hier habe ich etwas für Sie!

Junger Mann:

Oh, das klingt aber gut! Ja, das würde meiner Frau bestimmt Spaß machen. Und mir natürlich auch!

Reisekaufmann:

Warten Sie, ich mache Ihnen gleich eine Fotokopie. Hier, bitte. (überreicht einen Zettel)

Junger Mann:

Oh, vielen Dank! Und preiswert ist es auch noch. Das wird sicherlich eine ganz wundervolle Geburtstagsüberraschung! (steht auf und geht)

Reisekaufmann:

Na bitte! Schon ein glücklicher Kunde heute Vormittag! Ich kann wirklich zufrieden sein!

(ein älteres Ehepaar kommt herein)

Älterer Herr:

Guten Tag, wir würden gern übers Wochenende verreisen. Wir feiern nämlich unseren vierzigsten Hochzeitstag, und es wäre so schön, wieder einmal etwa anderes zu sehen. Aber es sollte nicht so weit weg sein.

Ältere Dame:

Ja, aber wir kennen schon fast alles in der Umgebung. (Ein bisschen traurig:) Wenn man so alt ist wie wir, hält das Leben gar keine Überraschungen mehr bereit.

Reisekaufmann:

Ach, ich glaube, da hätte ich etwas für Sie! Waren Sie schon einmal in einem echten Gespensterhotel?

Älterer Herr:

Junger Mann, Sie denken doch wohl nicht, dass wir an solchen Blödsinn glauben?

Ältere Dame:

Glauben Sie mir, wenn mein Hubert nachts schnarcht, laufen alle Gespenster vor Schreck davon! (zu ihrem Mann gewandt:) Aber Bärchen, sieh doch mal, ein altes Schloss. Weißt du noch, wie wir damals auf unserer ersten gemeinsamen Reise auf einer Burg übernachtet haben und du mir auf dem Burgfried einen Heiratsantrag gemacht hast? Das war so romantisch!

Älterer Herr:

Na ja, wenn du meinst, Häschen, dann fahren wir eben zu diesem Schloss. Aber ich glaube trotzdem nicht an Gespenster!

Sie lassen sich vom Reisekaufmann einen Zettel aushändigen und gehen.

Das Telefon klingelt.

Reisekaufmann:

Hallo? Hier Brandt, Reisebüro »Sonnen-Brandt«. Was kann ich für Sie tun? (lauscht) Oh, sie kommen aus Amerika! Und Sie wollen etwas ganz Besonderes erleben, etwas, was es in den USA nicht gibt! (lauscht)

»Good Old Germany«, sagen Sie? Wie wäre es mit einer Übernachtung in einem echten Gespenster-Schloss? (lauscht)»Ghosts«, ja, ganz recht. Real ghosts. Mit viel »Hu-huuu« und »Klirr-schepper-bumm« Oder so ähnlich. (lauscht) Ja? Perfekt! (tupft sich den Schweiß von der Stirn:) Was für ein Tag!

(Vorhang)

Erzähler:

Da ist ja ganz schön was los heute im Reisebüro! Ob das den ganzen Tag über so weiter geht? Und ob die Gäste wirklich alle kommen? Na, der Turm ist ja groß genug. Hoffentlich haben die Gespenster auch an alles gedacht!

3. Bild: Willkommen im Hotel!

Die Stellwand mit der Außenmauer des Schlosses steht vorne links auf der Bühne. Überall hängen schön gemalte Schilder: »Hier geht’s lang«, »Nur noch wenige Stufen«, »Willkommen im Gespenster-Schloss!«

Autohupen.

Erzähler (steht vor der Stellwand):

Was ist denn hier los? Ach, so! Das werden die Gäste sein. Aber das sind ja … mindestens sechs Autos!

Er geht ein Stück zur Seite und schaut von Weitem zu. Die Gäste kommen mit viel Uff! und Ohhh! und »schweren« Taschen und Koffern von links auf die Bühne. Der Erzähler verschwindet unauffällig hinter der Stellwand. Kurz darauf erscheint der Graf. Er staunt, als ihm die Gäste das Geld in die Hand drücken. Einer nach dem anderen verschwinden die Gäste mit ihren Koffern hinter der Stellwand (einige der Gäste mit verschiedenen Mänteln, Hüten oder Taschen doppelt laufen lassen, um mehr Gäste vorzutäuschen).

Junger Mann (zum Grafen):

Tolle Idee, diese Übernachtung im Spukschloss. Hoffentlich kommen heute Nacht auch ganz viele Gespenster, meine Frau und ich freuen uns schon den ganzen Tag darauf!

Der Graf (schaut verwundert auf das Geld in seiner Hand):

Ja, selbstverständlich sind hier jede Nacht die Geister unterwegs. Sie werden nicht enttäuscht werden. (Der junge Mann geht. Der Graf schaut ihm nach.) Merkwürdig. Aber sie scheinen wirklich alle wegen der Gespenster hier zu sein. Wahrscheinlich hat sich meine Frau das ausgedacht und vergessen, mir Bescheid zu sagen.

Die Beleuchtung wechselt und erhellt die Betten im hinteren Teil der Bühne. Verschiedene »Turmzimmer« sind mit Betten hergerichtet und evtl. mit Paravents voneinander getrennt (zum Zuschauerraum stehen die Paravents natürlich offen). An den Wänden hängen glitzernde Spinnweben. Die Gäste freuen sich über ihre Zimmer, schauen sich um, packen ihre Wäsche aus …

Ältere Dame:

Schau nur, Hubert! Genau solch eine Spitzen-Bettwäsche hatten wir auch bei unserer ersten gemeinsamen Reise! Ist das nicht reizend?

Älterer Herr:

Ich weiß nicht, hier sind ja lauter Löcher drin! (guckt durch ein Loch in einem Laken.) Wie uralt ist das denn?

Ältere Dame:

Ach, sei doch nicht so grantig, Bärchen! Das ist antik!

Und antik ist jetzt wieder hochmodern!

Die Gespenster stehen vorne rechts auf der Bühne und schauen von Weitem auf das Treiben.

Tiffy (stolz):

Habt ihr die Spinnweben gesehen? Die haben unsere Schloss-Spinnen heute Morgen ganz frisch für unsere Gäste gewebt!

Tom:

Sehr hübsch. (Zu Tim:) Hast du das Spinett gefunden?

Toby (entsetzt):

Spinat? Aber ich dachte, morgen früh gibt es Brötchen!

Tim:

Du meinst den alten Holzkasten, der so aussieht wie ein Klavier, aber viel dünner klingt?

Ja, den habe ich gefunden. Das Ding ist völlig verstimmt und klingt ganz schrecklich. Aber ich habe ein anderes Instrument gefunden.

Tiffy:

Schrecklich ist doch gut, oder nicht?

Tim:

Lass mich nur machen, du wirst schon sehen … na ja, hören.

Die Gäste gehen schlafen. Sie steigen in ihre Betten und decken sich mit großen weißen Laken oder bunten Bettdecken zu. Die Glocke schlägt Mitternacht.

Tim:

Kommt, es wird Zeit. Lasst uns anfangen! Und denkt daran: Wir müssen richtig gruselig sein! Menschen mögen es, wenn sie sich fürchten! Wir müssen sie so erschrecken, dass ihnen die Haare zu Berge stehen!

Toby:

Ja, lasst uns im hintersten Turmzimmer beginnen! Dort schlafen der junge Mann und seine Frau, die heute Geburtstag hat.

Tom und Toby gehen zu dem Bett mit dem jungen Paar. Toby macht Schranktüren auf und zu - heftig quietschende Geräusche - und singt sehr schräg dazu. Tom rasselt mit einem alten Schlüsselbund und Metallketten - passende Geräusche einspielen. Und dann kommt Tim: mit einer Elektrogitarre! Tom und Toby starren ihn mit offenen Mündern an.

Tim:

Die habe ich im Kinderzimmer gefunden!

Tom (stöhnt):

Oh je! Gespenst mit Elektrogitarre, das ist doch wohl nicht dein Ernst!

Das Pärchen gähnt, reckt sich, setzt sich auf, reibt sich die Augen. Mit großen Augen schauen sie den Gespenstern zu. Nach ein paar schrägen Akkorden hört sich Tims Gitarrenspiel richtig gut an. Schließlich klettert der junge Mann aus seinem Bett und greift selbst zur Gitarre. Nach ein paar Akkorden intoniert er »Happy Birthday to you!«

Junge Frau (applaudiert):

Oh, wie schön! Jetzt fehlt mir nur noch der Sekt zum Anstoßen!

Toby kommt mit einem Tablett, auf dem zwei gefüllte Gläser stehen.

Tom:

Hast du Sekt hineingefüllt?

Toby:

Sekt? Ich dachte, die trinken Apfelsaft!

Tom:

Nein, Sekt, du weißt schon, das Getränk mit den Blubberblasen!

Toby:

Blubberblasen? Warum hast du das nicht gleich gesagt? (Er holt einen dicken Strohhalm aus seinem Gewand und pustet wild und mit vielen Geräuschen in den Apfelsaft hinein. Dann reicht er den Gästen die Gläser.) Bitte sehr! Echter Gespensterschorle-Sekt!

Das junge Paar stößt mit den Gläsern an.

Alle:

Cheers!

Das nächste Zimmer: Das ältere Paar liegt in den Betten, er schnarcht.

Till und Tiffy schleichen sich ins Zimmer. Dünne Walzermusik wie von einem Spinett ertönt, erst leise, dann lauter.

Ältere Dame (empört):

Jetzt schnarcht er auch noch Walzermusik!

Sie zieht sich die Bettdecke über die Ohren und schläft weiter.

Tiffy:

Was machen wir denn jetzt?

Till geht zum Bett und zieht energisch an der Decke.

Ältere Dame:

Hubert! Zieh mir nicht die Decke weg! Mir wird kalt!

Sie ringt im Halbschlaf mit Till um ihre Decke. Schließlich gibt sie es auf, rollt sich zusammen und schläft wieder ein.

Tiffy:

So eine verschlafene Gesellschaft! Komm, lass uns trotzdem tanzen, vielleicht wachen sie ja davon auf!

Till hält die Arme auf in Tanzhaltung, bereit zum Wiener Walzer. Tiffy kommt auf ihn zu und - geht im letzten Moment an ihm vorbei. Till schaut ihr verwundert hinterher. Tiffy fängt an, Bauchtanz zu tanzen. Zumindest versucht sie es. Sie rollt wild mit dem Bauch, wedelt mit den Armen, sodass sie Till fast mit ihrer ausgestreckten Hand ohrfeigt, und wackelt die ganze Zeit mit dem Kopf. Inzwischen wird das ältere Paar wach. Sie reiben sich die Augen, gähnen (leise) und schauen dem Treiben zu.

Till (schaut Tiffy stirnrunzelnd an):

Was soll das denn sein?

Tiffy:

Na, Bauchtanz natürlich. Das siehst du doch!

Till:

Da wird einem ja schon vom Zugucken ganz schlecht!

Tiffy (beleidigt):

Dir kann gar nicht schlecht werden, du bist ein Gespenst, und Gespenster haben nichts im Magen, weil sie nichts essen! Und außerdem macht man das so. Das habe ich im Fernsehen gesehen!

Till:

Im Fernsehen? Du guckst Fernsehen? Welches anständige Gespenst guckt Fernsehen?

Tiffy:

Na, ich! Superstar zum Beispiel, und Topmodel. Und jetzt kannst du sehen, dass man das wirklich brauchen kann!

Sie wackelt weiter vor sich hin und schubst dabei Till fast um.

Älterer Herr:

Na, mein junges Fräulein, das sieht ja schrecklich aus! Ganz schrecklich! Da muss ich Ihnen doch gleich mal ein paar Tanzstunden geben. Sonst läuft Ihnen Ihr Freund noch davon!

Ältere Dame:

Aber Hubert! Du kannst doch nicht einem Gespenst das Tanzen beibringen!

Älterer Herr:

Was hast du gegen meine Tanzkünste? Du hast immer gesagt, ich könne sehr gut führen!

Ältere Dame:

Aber Bärchen!

Älterer Herr:

Und du tanzt derweilen mit dem jungen Herrn, damit er nicht so einsam herumstehen muss. (Zu Till:) Wissen Sie, mein Häschen ist eine ganz ausgezeichnete Tänzerin!

Die ältere Dame beginnt, mit Till zu tanzen, der ältere Herr dreht sich ein paar Runden mit Tiffy im Kreis. Dann verneigt er sich vor ihr und gibt ihr zum Abschied einem Handkuss. Die Gespenster verabschieden sich winkend. Das Ehepaar schlüpft wieder in die Betten.

Älterer Herr:

Na, das war ja mal eine nette Überraschung. Aber die junge Dame muss entsetzlich gefroren haben, ihre Hände waren ganz kalt. Und dieses Kleid erst! Das sah aus wie ein Bettlaken! Nein, du bist doch die beste Frau von allen! Und die hübscheste noch dazu. (Er gibt ihr einen Gute-Nacht-Kuss auf die Wange.) Gute Nacht, mein Häschen!

Ältere Dame:

Gute Nacht, Bärchen!

Im dritten Zimmer. Dort übernachtet das amerikanische Ehepaar mit seinen beiden Kindern.

Tim und Tom schleichen sich an. Da kommt Toby, der einen großen, weißen Luftballon mit aufgemaltem Gesicht unter dem Arm geklemmt hat.

Tom:

Was ist das denn?

Toby:

Ich habe gelesen, dass es Gespenster gibt, die den Kopf abnehmen und unter dem Arm tragen können. Davor scheinen sich die Menschen besonders zu fürchten!

Tim:

Aber du kannst doch deinen Kopf gar nicht abnehmen!

Toby:

Darum habe ich ja auch einen großen, weißen Luftballon aufgepustet und bemalt. Da, schaut! (Er hält den Ballon hoch in die Luft.) Sieht doch richtig gruselig aus, oder? Und ich kann ihn mir sogar aufsetzen, seht ihr? (Er hält den Luftballon über seinen Kopf.)

Tom:

Jetzt hast du einen Kopf auf dem Kopf!

Toby:

Ja, richtig gruselig, nicht? Oder meinst du, zwei Köpfe sind zu wenig? Ich habe mal eine griechische Sage von einem dreiköpfigen Hund gelesen. Meinst du, ich soll noch Lucas’ Fussball dazuholen?

Tom:

Neeeiiiin! (stutzt) Und übrigens, Tim, was hast du da hinter deinem Rücken?

Tim:

Na ja, ich dachte, wo du doch wolltest, dass den Gästen die Haare zu Berge stehen und wir im letzten Zimmer nicht so viel Erfolg damit hatten … da habe ich eine Tube Haargel aus dem Badezimmer geklaut – äh, geborgt.

Tom (laut und etwas genervt):

Marsch auf eure Plätze, ihr zwei! Jetzt wird gespukt!

Von Toms Gebrüll wird die amerikanische Familie endlich wach. Die Kinder jubeln.

Vater:

Well, das müssen sein die German ghosts, die sie uns versprochen haben im Reisebüro.

Mutter:

Darling, glaubst du, wir müssen anbieten etwas American Fastfood? Die Ärmsten sehen so verhungert aus. Und so blass! Die haben bestimmt ganz lange nichts zu essen bekommen!

Vater:

Sagen Sie mal, Herr Ghost, haben Sie hier keine Gewerkschaft, die sich um Sie kümmert? Wann haben Sie das letzte Mal eine Gehaltserhöhung bekommen?

Tim (verwundert):

Gewerkschaft?

Tom (fassungslos):

Gehaltserhöhung?

Toby (jubelnd):

Fastfood!

Tim und Tom gucken Toby böse an.

Kind 1:

Ist das ein Luftballon?

Kind 2:

Oh ja, lasst uns Fußball spielen!

Sie klettern aus den Betten.

Vater:

No, no! So geht das doch nicht! Wir können doch nicht mit dem Kopf von Herrn Ghost Fußball spielen, das gehört sich doch nicht!

Toby (hoffnungsvoll):

Ich könnte stattdessen einen Hamburger unter dem Arm tragen?

Tim und Tom:

Toby!

Kind 1 (hat den Luftballon ergattert und schubst ihn wild durch die Gegend):

Tor!

Kind 2:

Gar nicht! Das Tor ist hier! Und ich hätte den Ball gehalten! (holt den Luftballon)

Mutter:

Kinder, please! Wir sind eine zivilisierte Nation. Zeigt den Herrn Ghosts, wie sich Amerikaner benehmen!

Kind 1:

Oh ja, Entschuldigung, wir spielen natürlich Rugby!

Kind 2 (jubelt):

Goal!

Toby:

Mein Kopf tut weh!

Tom:

Das ist gar nicht dein Kopf!

Die Kinder rangeln. Der Luftballon platzt.

Toby:

Mein Kopf! Jetzt ist er auch noch geplatzt!

Tim:

Das ist nicht dein Kopf!

Toby:

Jedes anständige Gespenst sollte zwei Köpfe haben! (Er verschränkt die Arme und dreht sich weg.)

Mutter:

Das tut mir so leid, Herr Ghost. Bestimmt man kann kaufen neuen Kopf bei ebay im Internet.

Tom:

Jetzt habe ich Kopfschmerzen.

Kind 1:

Wir sind auch ghosts! (wirft sich die Bettdecke über.) Huh-huh!

Toby (dreht sich wieder zum Geschehen; erschrickt):

Aaaaah!

Kind 1 (kommt mit dem Kopf unter der Decke hervor):

Huh?

Die Gespenster treffen sich vorne am Bühnenrand.

Tiffy:

Na, habt ihr eure Gäste richtig erschreckt?

Tim, Tom und Toby (wie aus einem Munde):

Ja, klar!

Tim (angebermäßig):

Sie waren richtig verängstigt! Eins der Kinder ist sogar unter der Bettdecke verschwunden!

Till:

Unsere Gäste haben wir auch das Fürchten gelehrt! Der ältere Herr fand dich total schrecklich, nicht wahr, Tiffy?

Tiffy (nickt ernsthaft):

Ja, das hat er gesagt! »Ganz schrecklich«, hat er gesagt!

Tom:

Na, dann auf ins nächste Stockwerk! Wir haben heute Nacht noch eine Menge zu tun!

(Vorhang)

4. Bild: Am Morgen

Erzähler:

Oh, wie das duftet! Wer hat denn heute Morgen schon Kaffee gekocht? Und ich rieche frische Brötchen! Na, unsere Gäste werden ja richtig verwöhnt. Und sehe ich dort hinten auf dem Parkplatz frisch gewaschene Autos? Unsere Gespenster haben sich ja richtig ins Zeug gelegt.

Die Gespenster stehen vorne rechts auf der Bühne und unterhalten sich.

Tom (zu Tim):