Mit dem falschen Bruder Im Bett

Mit dem falschen Bruder Im Bett

Mit den Junggesellen im Bett 1

Virna DePaul

Inhalt

Klappentext

BÜCHER von VIRNA DEPAUL

Prolog

Kapitel Eins

Kapitel Zwei

Kapitel Drei

Kapitel Vier

Kapitel Fünf

Kapitel Sechs

Kapitel Sieben

Kapitel Acht

Kapitel Neun

Kapitel Zehn

Kapitel Elf

Kapitel Zwölf

Kapitel Dreizehn

Epilog

Mit dem schlimmen Zwilling im Bett

BÜCHER von VIRNA DEPAUL

Über den Autor

Klappentext

Nach dem Zerbrechen einer Beziehung gelingt es Melina, ihren Kumpel Max aus Kindertagen zu überreden, sie in der Kunst der Leidenschaft zu unterweisen. Doch Melina erlebt eine Überraschung, als Max’ Zwillingsbruder Rhys unerwartet auftaucht und diese Herausforderung annimmt.


Da die Geschichte, die in Kalifornien spielt, sowohl heiß und hitzig als auch herzerfrischend zur Sache geht, wird sie mit HHH (Heat & Heart & HEA = Happily Ever After) bewertet, das heißt, sie garantiert auch ein glückliches Ende. Die vor Erotik knisternde Verwechslung im Bett umfasst charmante eineiige Zwillingsbrüder, frivole Lehrstunden, freche Wortspielereien, leichte Fesselungen, eine anziehende, jedoch schüchterne Hauptperson, die irrtümlich meint, langweilig zu sein, und einen Zauberer als Hauptfigur, der entschlossen ist, zu beweisen, dass das Mädchen seiner Träume alles hat, was er jemals brauchen wird.Klappentext

BÜCHER von VIRNA DEPAUL

DIE SERIE ,MIT DEN JUNGGESELLEN IM BETT‘


DIE SERIE, LIEBE AM SPIELFELDRAND


DIE SERIE, KISS TALENTAGENTUR


DIE SERIE, ROCK’N’ROLL CANDY


DIE SERIE, HEIMKEHR NACH GREEN VALLEY


DIE SERIE, ÄRZTE ZUM VERLIEBEN


DIE SERIE, HART WIE STAHL


DIE SERIE, GLÜHEND HEIßE COPS REIHE


DIE SERIE, SEXUALKUNDEROMANE


DIE SERIE, BILLIONAIRE BAY


NAGELPROFIS


ABENTEUER SEX(T)


EIN BILD VON EINEM MANN


SEAL – EIN LEBEN LANG


DER COWBOY, DER MICH LIEBT


VERRÜCKT NACH DEM VERKEHRTEN KERL


Erlösung für einen Vampir


Nacktfotos senden/ löschen

Prolog

Daltons Zauberregel Nr.1:

Gib niemals deine Geheimnisse preis!


„Hey, Marienkäferchen!“

Die vierzehnjährige Melina Parker zuckte beim Klang von Rhys Daltons Stimme so zusammen, dass die Eidechse auf ihrer Hand sich eilig davonmachte. Als Melina aufstand, runzelte sie die Stirn, um zu verbergen, dass sie plötzlich das Gefühl von Schmetterlingen im Bauch hatte. „Mensch, Rhys! Es hat mich beinahe eine Stunde gekostet bis ich sie soweit hatte, dass sie zu mir kam.“

Rhys, der mit seinen 16 Jahren Melinas kleine Gestalt deutlich überragte, rollte mit den Augen. Er war einer der beiden eineiigen Zwillinge, und Melina konnte kaum glauben, dass gleich zwei solch tolle Typen mit dem gleichen honigfarbenen Haar und den hellen, grünlichen Augen die Welt unsicher machten.

„Deine Mutter hat mir aufgetragen, dir zu sagen, dass du dich nicht schmutzig machen sollst.“ Sein linker Mundwinkel zuckte leicht nach oben und offenbarte die Andeutung eines Grübchens. „Vermute, dafür ist es jetzt bereits zu spät!“

Melina sah an sich hinunter und entdeckte Staub auf ihrer Jeans. Mit einer Grimasse klopfte sie den Dreck ab und stöhnte: „Sie wird mich töten! Sie ist jetzt schon verrückt wegen des Kleides, das sie mir gekauft hat, weil ich es nicht anziehen will. Du hättest es sehen sollen, Rhys. Es ist getupft. Ich und Tupfen. Kannst du dir das vorstellen?“

„Na, komm schon, das ergibt doch Sinn. Außerdem glaube ich, dass du in einem Kleid cool aussehen würdest.“

Bei den leisen, fast verschwörerisch gesprochenen Worten schnellte Melinas Kopf hoch. Er konnte doch nicht meinen, dass …

Nein, natürlich nicht. In letzter Zeit war er so distanziert, er sah sie nicht einmal an. Stattdessen schaute er auf eine Spielkarte in seinen Händen und faltete sie. Da war nichts Seltsames dabei. Rhys und sein Zwillingsbruder Max beschäftigten sich so wie ihre Eltern immer mit irgendwelchen Zaubertricks. Besonders gerne ließ Rhys Münzen verschwinden.

Manchmal wünschte Melina, er könnte ihre Schwärmerei für ihn genauso leicht verschwinden lassen, aber dann müsste sie ihm diese erst einmal gestehen. Doch das würde niemals geschehen. Sie hatte die Art Mädchen gesehen, zu denen sich er und Max hingezogen fühlten, und unscheinbare, etwas rundliche Gören brauchten sich da nicht zu bewerben.

Zumindest nannte er sie nicht „Vieräugiges Schweinchen Dick“ wie es einige andere Jungen der Schule taten. Im Gegenteil, als Rhys einmal hörte, wie Scott Thompson sie so nannte, verfolgte er ihn und gab ihm eine äußerst eindringliche Warnung. Wo auch immer Melina nun auftauchte, Scott konnte nicht schnell genug von ihr wegkommen.

Während sie ihre Brille zurechtrückte, kam sie näher, um zu sehen, was Rhys gerade machte. „Ähm. Also, hast du was von Max gehört?“

Seine Hände hielten kurz inne, bevor sie wieder weitermachten. „Nur dass er das Fußballlager doch nicht so sehr hasst wie er gedacht hatte. Das dürfte aber auch mit dem Mädchenlager nebenan zusammenhängen.“

Sie kicherte. „Ich wette, du würdest auch gern ins Lager fahren, wenn du die Gelegenheit dazu hättest, nicht wahr?“

„Nööh.“

„Warum nicht?“

Sein Blick traf ihren. Anders als Max‘ Augen hatten Rhys‘ Augen einen leicht bernsteinfarbenen Ring um die Pupillen. Irgendwo hatte sie gelesen, dass es bei eineiigen Zwillingen äußerst selten vorkam, dass sie unterschiedliche Augenfarben hatten. Der feine Unterschied passte zu Rhys‘ Persönlichkeit. Während Max fast immer sorglos und verspielt war, trug Rhys eine gewisse innere Ruhe zur Schau – als ob ein Teil seines Selbst irgendwo anders wäre, an einem Ort, wo keiner hinkommen konnte.

Er zuckte mit den Schultern. „Wir sind selten zuhause. Das weißt du.“

Melina nickte. Das stimmte. Das Schwierigste daran, mit den Dalton-Zwillingen befreundet zu sein, war, dass sie eine Menge Zeit damit verbringen musste, sie zu vermissen. Wenn die Familie von Rhys nicht gerade eine neue Aufführung vorbereitete, wie gerade jetzt, verbrachten die Daltons viel Zeit mit Reisen und Auftritten. Und dennoch, obwohl Rhys und Max während der Tour von Privatlehrern unterrichtet wurden, schien es so, als hätten sie viel Spaß daran, neue Orte kennenzulernen. Melina jedenfalls beneidete die beiden um ihre Möglichkeit, mehr zu sehen als diese kleine Universitätsstadt, die sie ihr Zuhause nannte.

„Armer Junge“, neckte sie ihn, während sie einen Grashalm abzupfte und verzwirlte. „Es muss schon eine Qual sein, wenn man mit seinen berühmten Eltern die Welt sehen darf!“

Er runzelte die Stirn und schüttelte dann den Kopf. „Nein, du hast ja Recht. Das ist großartig!“ Er streckte ihr die Hand hin. „Hier. Um die zu ersetzen, die ich verjagt habe.“

Sie ließ den Grashalm fallen und nahm die Karte entgegen. Als sie sie betrachtete, schnappte sie nach Luft. Er hatte die Karte in Form einer Eidechse gefaltet, mit einem Pik als Auge. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, und sie kreischte beinahe: „ Die ist ja cool!“

Sie sah auf und freute sich, dass sein Stirnrunzeln verschwunden war. Eine Haarsträhne war ihm über die Augen gefallen, und es juckte sie in den Fingern, sie zurückzustreichen. Sie hätte nicht zweimal darüber nachgedacht, wenn es bei Max gewesen wäre, aber bei Rhys? Sie konnte es nicht riskieren, preiszugeben, wie es mit ihren Gefühlen für ihn um sie stand. Das nächste, was sie erleben würde, wäre, dass er ihren Kopf tätscheln und gar nicht mehr mit ihr reden würde, und das wäre schrecklich für sie.

Er steckte seine Hände in die Hosentaschen und zuckte nochmal mit den Schultern. „Ich hab dieses Buch aus der Bücherei …“

Eine Bewegung hinter seiner Schulter ließ sie ihre Augen aufreißen. „Max?“ Sie sah Rhys an, dessen Gesichtsausdruck erstarrte. „Da ist Max!“

Sie rannte an Rhys vorbei und warf sich Max in die Arme. Der lachte und hob sie hoch, wirbelte sie herum und setzte sie wieder auf ihren Füßen ab. Auch einem Außenstehenden würden nun die Unterschiede zwischen ihm und seinem Bruder auffallen. Er war sonnengebräunter, und sein Haar reichte ihm beinahe bis auf die Schultern, so war es gewachsen. Sie schnippte es leicht durch die Luft. „Was ist das für mädchenhaftes Haar?“

Seine Augen verengten sich, und mit einem Finger strich er über ihre Nase. „Spielst du immer noch im Schmutz?“

Sie stieß seine Hand weg. „Du kommst ja früh nach Hause. Rhys erzählte, dass du viel Spaß im Lager hättest.“

„Hatte ich. Aber ich wollte sehen, was Mam und Dad gerade vorbereiten. Für die Tour durch Europa wollen sie sich wirklich etwas Einzigartiges ausdenken. Und deine Eltern helfen ihnen dabei?“

„Ja, jeden Tag während der letzten Woche bastelten sie an irgendsoeinem mechanischen Ding rum.“

Max grinste und legte ihr einen Arm um die Schulter. „Ist ja super. Komm, wir wollen es uns mal anschauen!“

„Okay. Aber schau erst mal, was Rhys für mich gemacht hat.“ Sie hob die Papiereidechse hoch und wandte sich Rhys zu. „Die ist so schön. Rhys, lass uns …“

Rhys ging an ihr vorbei, nickte seinem Bruder zu und klopfte ihm auf die Schulter. „Komm schon, Mann! Das wird dir gefallen. Es ist riesig. Ich meine …“

Während sie vor ihr hergingen, lachten sie und rempelten sich an. Melina runzelte die Stirn, beobachtete die beiden, den lockeren Umgang, den sie miteinander hatten, und zögerte. In einigen Wochen würden sie wieder auf Tour gehen, dann wäre sie mit ihren Eltern wieder allein in ihrem kleinen, ruhigen Haus, und sie alle würden ihre Nasen in Bücher stecken. Niemand würde sie Marienkäferchen nennen oder ihr Zaubertricks vorführen.

Niemand wäre da, von dem sie träumen könnte.

Was sowieso dumm war. Ihre Eltern sagten, dass Dinge in Erfüllung gingen durch Forschung und Anwendung, nicht durch Träumen. Und sie hatten eigentlich immer Recht.

Außer was Kleider mit Tupfenmuster betraf, ergänzte sie.

Mit einem Seufzer steckte sie die Papiereidechse vorsichtig in die Tasche und rappelte sich auf, um die beiden einzuholen. „Hey, Leute! Wartet!“

Kapitel Eins

Daltons Zauberregel Nr.2:

Fordere dich ständig selbst heraus!


„Hör dir das mal an!“, rief Lucy Conrad und wedelte mit Melinas Zeitschrift wie mit der roten Sturmflagge. „98,9 Prozent aller Frauen wünschen sich manchmal, dass ihre Liebhaber sie einfach packen, zu Boden werfen und bis zur Bewusstlosigkeit ficken würden.“ Nachdem sie die Zeitschrift aufs Sofa geschleudert hatte, deutete sie mit einem Finger in Melinas Richtung, und ihr kurzes, struppiges, rotes Haar bebte ganz schön. „Du weißt, was das heißt, oder?“

„Dass Frauen sich begehrt fühlen wollen, nehme ich an?“, vermutete Melina, während sie Lucy einen Becher Kirscheis von Ben § Jerry reichte, ehe sie sich in den Stuhl schräg gegenüber von ihr fallen ließ. Melina saß mit überschlagenen Beinen da, und nachdem sie ihre Brille zurechtgerückt hatte, löffelte sie selbst ihr Lieblingseis Chunky Monkey. Seit genau sieben Tagen erlaubte sie sich diesen himmlischen Genuss. Als die kalte Süßigkeit ihre Zunge berührte, schloss sie ihre Augen vor lauter Wonne. „Hmmm“, schnurrte sie. „Ich liebe diese nächtlichen Mädchenzusammenkünfte!“

„Das kannst du laut sagen.“ Die sanfte, aber leidenschaftliche Erwiderung kam von Grace Sinclair, die auf dem Stuhl neben Melina saß. Melina hielt ihr ihren Löffel hin, und Grace tupfte mit ihrem eigenen zart dagegen. Als Staatsanwältin und Geisteswissenschaftlerin für klassische Literatur hatte sie an der Universität Karriere gemacht und strahlte Klasse sowie heitere Gelassenheit aus. Während Lucy auf Cherry Garcia – Kirscheis mit Kirschen und Zuckergussflocken – stand, liebte Grace die Crème Brulée von Ben & Jerry – süßes Eiercreme-Eis mit karamellisiertem Zucker. Blond, gertenschlank und eine Haut wie Porzellan, das war Grace, die mit einem ganz leichten Südstaatenakzent sprach. „Alles was wir jetzt noch brauchen ist ein Film mit Viggo Mortensen, und schon wäre ich halbwegs im Himmel.“

„Das hast du doch bereits probiert, erinnerst du dich? Doch sogar mit Viggos Stimme im Hintergrund bist du nicht abgehoben.“

Grace warf Lucy einen vorwurfsvollen Blick zu, während sie mit ihrem Löffel herumfuchtelte. „Du darfst jetzt nicht Viggo die Schuld daran geben. Ich konnte ihn kaum hören wegen all der grunzenden Geräusche, die Philip machte.“

Grace rümpfte die Nase. „Ich schwöre, der Mann hatte beste Tischmanieren, aber im Bett …“ Sie täuschte ein Schaudern vor.

Melina kicherte, als Lucy auf die Zeitschrift schlug, die sie zuvor gelesen hatte.

„Im Ernst “, beharrte Luca, „es bedeutet nicht, dass Frauen sich begehrt fühlen wollen. Es bedeutet, dass sie auf Fantasien bauen anstatt sich am Anfang einer Beziehung darauf zu konzentrieren, was sie wirklich wollen. Und das ist genau das, was du machst, Melina.“

Seufzend zwang sich Melina zu einem Lächeln. Das Letzte, was sie jetzt wollte, war eine weitere Diskussion mit Lucy über Professor Jamie Whitcomb. Obwohl Lucy ihre Sommersprossen puderte, die sie immer noch eher wie eine ihrer Studentinnen aussehen ließen und nicht wie eine Professorin in Amt und Würden, war sie leider wie eine Bulldogge, wenn es darauf ankam, ihre Freundinnen zu beschützen – notfalls vor sich selbst. „Und worauf genau soll ich mich konzentrieren?“, fragte Melina.

„Leidenschaft“, feuerte Lucy zurück.

Natürlich. Leidenschaft. Lucys Lieblingswort. „Und mit Leidenschaft meinst du …“

„Reine, animalische Lust. Von der Art, die dich dazu bringt, sich gegenseitig die Kleidung vom Leib zu reißen und es an einen Baum gelehnt zu tun, wenn es sein muss. Die Art von Leidenschaft, die du für Jamie nicht empfindest.“

Diese Art Leidenschaft hatte sie noch niemals für einen Mann empfunden, dachte Melina. Für keinen Mann außer für Rhys, hieß das. Aber wenn sie an Rhys dachte, machte sie das nur traurig, und traurig zu sein, während sie Ben§ Jerrys Eis aß, war einfach falsch. „Ach“, stöhnte sie nur und versuchte, nicht allzu bitter zu klingen. „Du meinst die Art von gegenseitiger Leidenschaft, die zu Liebe und lebenslangem Glück führt, und die ungefähr genauso real ist wie Einhörner oder fliegende Drachen.“

„Seltenheit ist nicht dasselbe wie Fantasie“, rief Lucy aus. Mit rot erhitztem Gesicht stand sie auf und gestikulierte wild mit ihren Händen. „Das ist den Frauen heutzutage so beigebracht worden: Dass Leidenschaft, wahre Liebe und Freundschaft, alles auf einmal unmöglich zu haben ist. Und deshalb begnügen sie sich.“

„Lucy hat schon Recht“, gab Grace zu. „Leidenschaft muss ein fundamentales weibliches Bedürfnis sein. Oder warum sonst würde sich ein so hoher Prozentsatz der Frauen danach sehnen?“

„Vielleicht“, sagte Melina und versuchte die Stimme der Vernunft darzustellen, „weil 98,9 Prozent der Jungs nicht der Wirf-die-Frau-auf-den-Boden-Typ sind.“ Automatisch bewegten sich ihre Augen zu den Fotos von Max und Rhys, die bei ihr auf dem Regal standen. Sie hatte das Gefühl, dass die beiden die Ausnahme wären, aber sie stellten nicht gerade den genauen männlichen Durchschnittstypen dar. „Frauen wollen Leidenschaft, aber wenn sie nicht in der wahren Natur des Mannes liegt, sie ihr zu geben, was hat es dann für einen Zweck, sie sich zu wünschen? Übereinstimmung. Gegenseitiger Respekt. Sogar Liebe. Das zählt.“

„Und was haben die hier dann zu bedeuten?“Lucy deutete auf mehrere Bücher auf Melinas Kaffeetisch. Freude am Sex lag als oberstes auf dem Stapel.

Melina zuckte prosaisch die Schultern, da sie sicher war, dass Lucy die Antwort bereits wusste. „Kerle mögen Sex. Jamie ist ein Kerl. Folglich ist ein Teil davon, Jamie zu bekommen und zu behalten, ihm Sex zu geben.“

Und nicht einfach irgendeine Art Sex, dachte Melina. Sondern umwerfenden, überwältigenden, kann-nicht-mehr-ohne-das-leben, werde-nie-eine-andere-Frau-ansehen-aus-Angst-du-wirst-mir das-nie-wieder-geben Sex. Die Art Sex, von der sie offenbar nicht wusste, wie man sie bereitstellte, aber sie würde es diesmal schaffen, auch wenn es bedeuten sollte, jeden Pornofilm herunterzuladen, den sie im Internet finden konnte.

„Du magst Sex auch“, wies Grace sie darauf hin. „Beziehst du diesen Umstand überhaupt in die Gleichung mit ein?“

„Natürlich. Ich habe keine Zweifel, dass Jamie mir das geben kann, was ich will.“

Lucy brummte missbilligend und sah sie mit zusammengekniffenen Augen an. „Na, da bin ich aber froh, dass deine Bedürfnisse noch mit im Bild sind. Zumindest hat Brian dein sexuelles Selbstbewusstsein nicht völlig zerstört, als er mit seiner kleinen Studentin rummachte.“

Nein, dachte Melina, er hatte ihr Selbstbewusstsein schon lange zuvor zerstört. Jedes Mal wenn er andeutete, dass sie ein paar Pfund weniger auf die Waage bringen sollte. Und da war er nicht der einzige ihrer Freunde gewesen, die zu solchen Äußerungen neigten. Doch von Unsicherheiten mal abgesehen, sie wusste, dass sie gesund und relativ attraktiv war. Doch das war für einige Männer einfach nicht genug. Der Schlüssel war, den Mann zu finden, der sie so liebte, wie sie war.

Und wie sie im Bett sein sollte, das würde sie lernen.

„Wahre Leidenschaft hat nichts mit Technik zu tun, Melina“, beharrte Lucy. „Du kannst sie dir nicht zurechtzimmern, indem du darüber liest.“

Melina nickte. „Hab ich verstanden. Aber ich bin sowieso noch nie allzu leidenschaftlich gewesen. Nach Brian war ich mir sicher, dass ich mit den Männern abgeschlossen hatte. Doch dann kam Jamie auf mich zu. Er war klug und freundlich und witzig. Ich denke, ich könnte mit ihm glücklich sein.“ Sie hörte das Zögern in ihrer Stimme, preschte aber weiter. „Ich brauche nur eine kleine Extra-Versicherung, dass ich ihn auch glücklich machen kann.“

Wutschnaubend schüttelte Lucy den Kopf. „Wenn du meinst, ob du ihn im Bett glücklich machen kannst, da gibt es keine Versicherung. Da musst du einfach den entscheidenden Sprung wagen, sozusagen.“

„Nicht unbedingt“, sagte Grace gedehnt. „Wie meine Mutter immer zu sagen pflegte, Übung macht den Meister, nicht wahr?“

Lucys Brauen zogen sich zusammen, während Melina ein inneres Stöhnen von sich gab. Sie bemerkte die Herausforderung hinter der gedehnten Äußerung. Als eine Frau, die sich so sehr unter Kontrolle hatte, konnte sie eine Herausforderung hinwerfen wie niemand sonst. Schlimmer noch, sie wäre die erste, die eine solche annehmen würde, wodurch Lucy und Melina schwer unter Druck gesetzt wurden, falls sie eine solche selbst ablehnen wollten.

Melina wandte sich Grace zu, deren boshaftes Grinsen unverkennbar war. „Und mit wem, schlägst du vor, soll ich üben?“, fragte sie.

Völlig synchron wanderten die Augen aller zu demselben Regal mit den Bildern. Melinas Magen zog sich zusammen, als sie ihre neueste Errungenschaft genauer betrachtete. Max und Rhys, beide sahen unglaublich gut in ihren schwarzen Anzügen aus. Dieses Bild hatte sie letztes Jahr bei der IBM Zauberer-Zusammenkunft in Las Vegas gemacht, gleich nachdem die beiden Chris Angel und Lance Burton als beste Bühnenzauberer des Jahres geschlagen hatten. Natürlich hatte auf dem Bild jeder einen Arm um seine jeweilige damalige Freundin gelegt: Max um eine groß gewachsene, langbeinige Rothaarige und Rhys um eine pralle Brünette, deren Brüste aus dem tief ausgeschnittenen Kleid beinahe herausfielen.

Melinas Blick fiel auf ihr Eis. Wenn sie nicht angefangen hätten, Implantate herzustellen, würde sie wetten, dass die Brünette niemals von Ben & Jerry gehört hätte. Plötzlich fühlte sie jeden Bissen Eis direkt auf ihre Hüften und Oberschenkel wandern und stellte die Packung weg.

„Rhys?“, fragte sie zweifelnd. „Ich sagte, dass ich eine Sicherheit bräuchte, dass ich Jamie zufriedenstellen kann, und ihr wollt, dass ich kopf-voraus in eine Ziegelwand fahre. Rhys spielt in einer ganz anderen Liga als Jamie.“

„Genau“, erwiderte Grace. „Du willst ihn, hältst dich jedoch aus Angst von ihm fern. In einer Woche wirst du achtundzwanzig, Melina. Warum willst du nicht zwei Ängste gleichzeitig besiegen? Beweise dir selbst, dass du einen Mann wie Rhys zufriedenstellen kannst, und damit beweist du gleichermaßen, dass du auch jemanden wie Jamie zufriedenstellen kannst.“

„Du bist verrückt“, stieß Lucy atemlos, aber äußerst beeindruckt aus.

Grace verbeugte sich dankend für die Anerkennung.

Melina schüttelte ihren Kopf und hielt ihre Hände hoch. „Ach, hört schon auf! Ihr nehmt an, dass ich Rhys zufriedenstellen kann. Wie wahrscheinlich ist das? Ich konnte noch nicht mal Brian im Bett zufriedenstellen, und der hat nur zwei andere Frauen gehabt. Aber nach all den Frauen, die Rhys schon hatte …“ Melina schluckte schwer, allein der Gedanke an all diese Frauen verursachte ihr Brustschmerzen von unendlichen Ausmaßen.

„Umso mehr ein Grund, ihn zu fragen. Stell dir doch nur vor, was für ein fabelhafter Lehrer er wäre!“, drängte Grace.

Aber Melina schüttelte bereits wieder den Kopf. Trotzig nahm sie ihre Eispackung wieder zur Hand und einen recht üppigen Happen zu sich. „Auf keinen Fall“, murmelte sie mit dem Löffel noch im Mund. „Rhys mag mich auch gar nicht mehr. Schon seit Monaten haben wir nicht mehr gesprochen.“

Offensichtlich war er viel zu sehr mit den Frauen des Showgirl-Typus, mit denen er oft fotografiert wurde, beschäftigt, als Zeit für eine alte Freundin zu haben. Vor langem hatte er ihr schon einmal bewiesen, dass ihm die heißeste Braut aufzureißen wichtiger war als Freundschaft. Ihr Fehler war gewesen, zu glauben, dass es eine einmalige Angelegenheit wäre. „Vergesst es einfach! Ich werde Rhys um gar nichts bitten.“

Ihr Ton duldete keinen Widerspruch, dachte sie jedenfalls. Nach ein paar Sekunden warf Lucy ihr einen Seitenblick zu. „Okay, wenn nicht Rhys, wie wär’s dann mit Max?“

Melina erstickte beinahe, hustete und stieß keuchend hervor: „Max?“

„Natürlich!“, rief Grace aus, nickte und lächelte vor Vergnügen. „Er hat sogar noch mehr Erfahrung als Rhys. Und mit ihm fühlt sie sich auch komplett wohl.“

„Nicht sooo wohl“, warf Melina ein, nur um komplett ignoriert zu werden.

„Sie vertraut ihm“, stimmte Lucy zu. „Und er ist ein ganz Heißer. Sie haben sich bereits einmal geküsst …“

„Das ist fast zwölf Jahre her, und ich tat ihm Leid …“

„Und er fliegt zu ihrem Geburtstag hierher. Er ist perfekt.“

„Perfekt“, ahmte Grace nach. „Dieses Gespräch über die Verbesserung sexuellen Könnens.“

Melina Blick sprang zwischen ihren Freundinnen hin und her, während sie verzweifelt versuchte, einen Grund zu finden, warum mit Max zu schlafen eine schlechte Idee war.

Doch ihr fiel keiner ein.

Und dennoch wäre es demütigend, so bald klein beizugeben.

Mit zusammengekniffenen Augen fragte sie: „Und welcher Verbesserung sexuellen Könnens genau würdet ihr beide euch zuwenden während meines Crash-Kurses, wie stelle ich einen Mann zufrieden?“ Sie schaute zu Grace hinüber, die angefangen hatte, eine Strähne ihres langen blonden Haares zu flechten. „Grace?“

Grace hörte zu flechten auf, biss sich auf die Lippe, zuckte die Achseln und verzog den Mund zu einem zynischen Lächeln. „Hat wohl keinen Zweck, meine größte Angst leugnen zu wollen, oder? Mein Geburtstag ist zwei Wochen nach deinem; also werde ich versuchen, den Mann zu finden, von dem ich befürchte, dass er gar nicht existiert: der Mann, der mich kommen lassen kann. Ich bin sicher, das wird wieder zu einem Wochenende voller Enttäuschungen führen, aber solang ich meinen Vibrator griffbereit habe, bin ich bereit, für die Sache zu leiden.“

Obwohl Melina spürte, wie sie weich wurde, reichte sie ihrer Freundin nicht die Hand. Diese Herausforderung war ja eigentlich die Idee von Grace. Vielleicht brauchte sie diese Herausforderung mehr als Melina selbst. Seit fast einem Jahr war Grace nicht mehr ausgegangen, da sie überzeugt war, dass wenn sie mit einem Mann sowieso kein Vergnügen erlangen konnte, es zwecklos wäre, sich mit einem abzufinden. Lucy andererseits legte so viel Wert auf Vergnügen, dass sie sich mit den Schwächen eines Mannes länger abfand als es gut für sie war. Trotz des finsteren Ausdrucks auf Lucys Gesicht wandte sich Melina ihrer Freundin mit unbewegter Miene zu. Lucys Geburtstag war erst in einigen Monaten, aber es war ein runder, der Dreißigste.

„Ich sollte bei so etwas eine Freikarte bekommen“, sagte Lucy. „Denn ich habe keine Angst, wenn es um Sex geht, das wisst ihr. Ich habe schon alles ausprobiert, was es auszuprobieren gibt. Es gibt also keinen Grund …“

„Du hast Angst vor Nähe“, sagte Grace sanft. „Du triffst dich nur mit üblen Kerlen, Typen, die sich niemals an dich binden wollen …“

„Nur weil ich zufällig grenzwertige, kreative Männer mit einem leichten Schlag liebe, bedeutet das nicht, dass ich Angst vor Nähe habe“, protestierte Lucy.

„Es ist nur ein Wochenende, Lucy. Ein Wochenende mit einem netten Kerl, dem du normalerweise nicht mal einen zweiten Blick gönnst“, stellte Melina klar.

„Einen netten Kerl?“ Lucy schaute entgeistert. „Aber sicher. Für dein Geburtstagswochenende bekommst du die Aufgabe, einen heißen Freund zu bitten, dir alles zu zeigen, was er im Bett kennt. Grace bekommt die Aussicht, dass ihr jemand zwei Tage lang so viel Vergnügen wie möglich bereitet oder er stirbt dabei, es zu versuchen. Und was bekomme ich? Einen netten Kerl, der wahrscheinlich nicht einmal ein Kondom von einem Kakadu unterscheiden kann.“ Sie hob eine Hand, um Melinas Antwort zuvorzukommen. „Aber gut. Wenn ihr beiden das könnt, dann kann ich das auch.“

Lucy hielt kurz inne und lächelte süß, was bei ihr eigentlich einem großen, hell aufleuchtenden Schild mit der Aufschrift „Gefahr“ gleichkam. „Ich nenne die Bedingungen. Jede, die ihren Plan umsetzt und ihn das gesamte Wochenende über durchzieht, ungeachtet der Folgen, bekommt einen ganzen Tag das volle Verwöhn-Programm im besten Wellness-Tempel der Stadt. Jede, die das Vorhaben abbricht, muss vor den Studenten meines Kurses 101 Rede und Antwort stehen. Und in allen Einzelheiten erklären warum.“

Lucy streckte die Hand mit der Handfläche nach unten aus. Nach kurzem Zögern legte Grace ihre Hand sanft oben drauf. Melinas Hände waren zu Fäusten geballt. Ihr Blick landete auf der Zeitschrift, die Lucy gelesen hatte, die mit der Sex-Umfrage, die sie selbst vorher gelesen hatte. Einen Absatz hatte sie im Gedächtnis behalten. „Von allen Menschen, die mit ihrem Sexleben sehr zufrieden waren, waren neunzig Prozent auch mit ihrem Eheleben oder ihrer Partnerschaft sehr zufrieden. Je weniger sexuell zufrieden die Menschen waren, desto weniger waren sie auch mit ihrem Eheleben oder ihrer Beziehung zufrieden.“

Das klang so einfach, dachte sie. Sorge dafür, dass dein Mann zufrieden ist, und er wird wahrscheinlich weniger fremdgehen, nicht wahr? Gib deinem Mann im Bett ständig das, wodurch bei ihm die Sicherung durchbrennt, und er wird ein Leben lang der Deine bleiben. In diesem Fall waren die Männer nicht recht viel anders als die Insekten, die Melina studierte: Gib ihnen was sie brauchen, und sie geben dir alles zurück.

Mit Max als ihrem Lehrer würde sie lernen, einen Mann sexuell zu befriedigen. Und sie war eine ausgezeichnete Schülerin. Sie hatte nur niemals ihr Augenmerk auf diese besondere Fertigkeit gelegt. Doch wenn sie das einmal tat, wie schwierig konnte das schon sein?

Zitternd legte sie ihre Hand auf die von Grace.

Sie würde Rhys niemals bekommen. Vielleicht war es die nächstbeste Sache, mit Max zusammen zu sein. Doch eines war klar. Durch die Bedingungen, die Lucy gesetzt hatte, würde sich keine von ihnen vor dieser Herausforderung drücken.

„Also wann fährst du nach Sacramento?“, rief Rhys Max zu. Er versuchte, unbekümmert zu klingen, während er seine Aufmerksamkeit darauf konzentrierte, Lauras geschmeidiges, feminines Bein anzuheben und ihr Fußgelenk in die lederne Fessel zu legen. Er weigerte sich, Max anzuschauen, sondern zog lieber das Leder strenger, um sicherzustellen, dass die Fessel auch gut hielt. Dann wiederholte er das mit Lauras anderem Bein und beendete das Ganze mit einem verspielten Knurren, das sie veranlasste zu kichern.

Zufrieden, dass sie nun vollständig gefesselt war, spielte er seine Rolle weiter, indem er geistesabwesend mit seinen Fingerspitzen sanft an der Innenseite ihrer geschwungenen Wade entlangstrich, hinauf zu ihrem weichen, blassen Oberschenkel, von dort die Reise fortsetzte über eine wohl proportionierte Hüfte, eine schmale Taille, üppige Brüste und einen nach oben ausgestreckten Arm, bis er an der einen Fessel angekommen war, die ihre beiden zarten Handgelenke zusammenband. Max hatte noch nicht geantwortet.

Mit gespreizten Beinen stand er direkt vor Laura und berührte mit seiner Brust ganz leicht ihre herrlichen Brüste, drehte sich aber um, um seinen Bruder anzuschauen. „Max?“

Sein Bruder beachtete ihn nicht. Stattdessen starrte er mit zusammengezogenen Brauen auf den Boden. Rhys seufzte, öffnete das Lederband, das an einer Vorrichtung an einer Kette hing, und lächelte Laura an. „Gibst du mir eine Sekunde?“

Sie kaute weiter Kaugummi und winkte ab. „Ich gehe nirgendwohin.“

Rhys bewunderte die Rauheit ihrer Stimme. Obwohl sie ein bescheidenes Leopardentrikot anhatte und nicht das knappe, mit Ziergoldmünzen besetzte Artistenkostüm, das sie sonst während einer Aufführung trug, war alles an ihr, von ihrer Stimme bis zu ihren pedikürten Zehen ein wandelnder feuchter Traum. Es war auch nicht unbedingt eine einstudierte Nummer. Auch wenn sie ihrem Sohn im Teenager-Alter verkündete, er solle seine Hausaufgaben machen, schaffte sie es, wie eine Person zu klingen, die Telefonsex anbot. Während Rhys zu Max hinüberging, der an der linksseitigen Bühnenwand lehnte, ließ er seine Schultern kreisen und versuchte, seine Ungeduld zu unterdrücken.

Es zeigte sich, dass genau dann, wenn ihr Traum in Reichweite war, Max in seine grüblerischen Launen verfiel. Normalerweise konnte Rhys Max‘ Launen tolerieren und kompensieren, so wie Max es auch bei ihm tat, aber durch die ständigen Proben verbunden mit der Zeit, die er damit verbrachte, den neuesten Bühnentrick der Dalton-Brüder zu verfeinern und zu perfektionieren, dem spektakulärsten, den es jemals gab, war er mit seiner Geduld am Ende. Die Show nächste Woche musste reibungslos klappen. Sollte man zu all diesem Stress noch die Tatsache hinzufügen, dass Melinas Geburtstag vor der Tür stand? Erschöpft war der Ausdruck, der nicht einmal ansatzweise beschrieb, wie er sich fühlte.

„Max? Max!“

Max blinzelte und straffte die Schultern; dann kehrte sein in die Ferne gerichteter Blick zu Rhys und Laura zurück, die noch immer in dem nach Maß angefertigten Apparat hinter ihm hing. Mit einer Hand fuhr er durch sein bereits recht zerzaustes Haar und zielte mit seinem Kinn ruckartig in Rhys’ Richtung. „Brauchst du mich, um diese Fesseln jetzt auszuprobieren?“

Rhys lächelte dünn. „Ich bin sicher, Laura kann solange warten bis ihre Hände taub werden, wenn du noch ein paar Minuten länger im Traumland verweilen willst.“

Kopfschüttelnd ging Max zu Laura hinüber. „Entschuldige, Schätzchen. Aber ich habe gerade nachgedacht.“

Hinter ihm schnaubte Rhys: „Ich dachte, wir wären überein gekommen, dass bis wir den Vertrag mit SEVEN SEAS unter Dach und Fach haben, du das Denken mir überlässt, während du dich darauf konzentrierst, deine Muskeln zu stählen und mit deinem Hintern ins Publikum zu wackeln.“

„Was würde es schon ausmachen, ob es mein oder dein Hintern wäre? Das Publikum würde wohl kaum den Unterschied bemerken.“

Rhys ließ den Kopf hängen. Wo Max Recht hatte, hatte er Recht. All das Mysteriöse um die Zaubershow der Dalton-Zwillinge beruhte darauf, dass das Publikum wusste, dass der Zauberer, der an diesem Abend auftrat, ein eineiiger Zwilling war; es wusste nur nicht welcher, bis zum Ende der Show. Das Problem war, dass er immer zufriedener damit war, Max den Darsteller sein zu lassen, damit er das tun konnte, was er am liebsten machte: sich darauf zu konzentrieren, die Nummer einzustudieren und sich neue Zaubertricks auszudenken. Er müsste die Anzahl seiner eigenen Nummern stufenweise erhöhen oder er würde Gefahr laufen, die Kunst des Rätselhaften und Geheimnisvollen vollständig zu verlieren. Außerdem, wenn sie einmal das Geheimnis ihres neuen Tricks gelüftet hätten, würde Rhys für ganz schön lange Zeit keine Atempause bekommen. Die SCHWEBENDE VERWANDLUNG würde nur so lange spektakulär sein, wie das Publikum beide Dalton-Zwillinge gleichzeitig auf der Bühne sah.

Nachdem Max so an den Fesseln gezerrt hatte wie es ein Freiwilliger aus dem Publikum tun würde, nickte er Lou, einer Assistentin hinter der Bühne, zu. Als Lou begann die Fesseln zu lockern, tätschelte Max geistesabwesend Lauras Hüfte. Als Antwort hauchte Laura einen Kuss durch die Luft in Max‘ Richtung.

Laura und Lou verließen die Bühne, aber nicht bevor Laura Max einen verführerischen Blick zugeworfen hatte. Plötzlich bekam die Tatsache, dass die beiden mit unordentlichem, verschwitztem Haar eine halbe Stunde zu spät zum Proben gekommen waren und ausgesehen hatten, als hätten sie kaum geschlafen, eine ganz neue Bedeutung. Rhys funkelte seinen Bruder finster an. „Jesus, Max, du konntest einfach nicht deine Hände von ihr lassen, oder? Nicht einmal ein paar Wochen lang?“

Max zuckte die Schultern und hielt seine Handflächen vor sich ausgestreckt in einer Geste, die besagte: „Und wenn schon?“

„Was ist, wenn du sie vertreibst und sie an einem Showabend einfach geht? Versuchst du immer alles zu vermasseln, wofür wir gearbeitet haben?“

„Du gibst Laura nicht genug Vertrauensvorschuss. Sie ist ein großes Mädchen. Letzte Nacht war Spaß, aber sie hängt immer noch an ihrem Ex-Mann. An diesem Wochenende fährt sie hin, um ihn zu sehen. Und natürlich auch ihren Sohn!“

„Das ist nicht der Punkt“, gab Rhys bissig zurück. „Seit wir Joey Salvador schnappten, als er hinter die Bühne schleichen wollte, musste ich den Sicherheitsdienst verdoppeln. SEVEN SEAS besteht darauf, dass wir ihnen ein siebenstufiges Sicherheitskonzept für die abendlichen Familienvorstellungen vorlegen. Und vergessen wir mal nicht, dass ich nach der Show heute Abend alles gepackt haben und allein nach Reno bringen lassen muss, während du fürs Wochenende nach Kalifornien jettest. Alles ist schon verrückt genug um uns herum, ohne dass ich mich noch um dein Sexleben kümmern muss.“

Grimmig dreinblickend öffnete Max den Mund, um zu antworten, aber eine Stimme hinter den Kulissen unterbrach ihn. Es war ihr Vater. „Hey Jungs, eure Mutter trifft gerade der Schlag. Jillian besteht darauf, dass wir die Nummer für SEVEN SEAS unbedingt noch etwas aufpeppen müssen und die schwarzen Krawatten und schärpenartigen Rundbundgürtel mit etwas ersetzen müssen, das zum Outfit der Mädchen passt. Ich glaube, sie wollen es gerade ausraufen. Kommt schnell!“

Für einen Moment vergaß Rhys, warum er so verärgert war, und schaute Max an. Er war sicher, dass sich auf seinem Gesicht der gleiche Schrecken widerspiegelte wie auf Max‘. Ihre Bühnenassistentinnen trugen glitzernde, münzenbesetzte Kostüme, deren Farben von rosée bis fuchsienrot variierten. Egal wie Jillian es nennen würde, für Rhys war es immer noch pink.

Max fluchte. „Bist du fertig damit, mich herunterzumachen? Denn ich, für meinen Teil, will nicht auf die Bühne gehen und wie ein Homo aussehen.“

Rhys wischte sich mit der Hand übers Gesicht, bevor er den Kopf schüttelte. Um was ging’s eigentlich? Max war einfach nur Max. Es war nicht seine Schuld, dass er, Rhys, die Sache so eng sah. Nicht wirklich. „Scheiße. Vergiss es! Ich bin bloß müde. Ich werde gehen und mit Jillian verhandeln.“ Er hielt inne und murmelte dann: „Richte Melina alles Gute zum Geburtstag von mir aus!“

Rhys war nicht mehr als vier Stufen hinaufgespurtet, ehe Max ihn mit einer Hand auf seine Schulter schlug und ihn eine Stufe zurückzerrte. „Warum sagst du ihr das nicht selbst? Ich weiß, dass ich in letzter Zeit meinen Anteil nicht so recht geschultert habe. Ich werde bleiben. Du kannst mein Ticket haben und Melina überraschen.“ Max grinste. „Schau mal, ob sie diesmal den Tausch bemerkt!“

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„Das klingt so, als ob es vielleicht nicht mehr das ist, was du willst. Ist es das?“

Unbehagen drang in seinen Verstand ein. Er konnte es spüren. Sie waren gerade dabei, ganz groß rauszukommen – wirklich groß – und er war diesen Lebensstil gewöhnt. Kann sein, dass er mal was anderes gewollt hatte, aber das war ein seltener das-Gras-auf-der-anderen-Seite-ist-grüner Moment gewesen. „Machst du Scherze? Ich habe das Reisen nie so sehr gemocht wie du, aber wenn wir diesen Vertrag mit SEVEN SEAS jetzt an Land ziehen, dann haben wir zumindest unser eigenes Theater. Wir müssten nicht mehr alle zwei Wochen von einem Ort zum anderen ziehen. Wir sind an der Spitze angelangt. Das hast du doch immer gewollt.“

„Du meinst wir.“

„Was?“

Max starrte ihn an. „Du meinst, das ist das, was wir immer gewollt haben.“

„Klar. Du. Mam und Dad. Ich. Wir. Das hab ich gemeint.“

„Aha.“

„Hey Jungs!“ Ihr Vater streckte den Kopf um die Ecke, und sein spärliches Haar stand ihm in Büscheln zu allen Seiten ab, als hätte er daran gezogen. „Letzte Warnung! Ich bin ja nicht derjenige, der in Goldmünzen auf die Bühne muss!“

„Ich komme, Dad.“ Kopfschüttelnd begann Rhys rückwärts zu gehen. „Schau, ich weiß nicht, wie wir auf dieses lächerliche Thema gestoßen sind. Melina und ich sind Freunde. Ich bin glücklich mit der Vorführung. Alles ist cool.“ Dann drehte er sich um, damit er den Zweifel auf dem Gesicht seines Bruders nicht länger mit anschauen musste, und ging hinter die Kulissen. Über die Schulter rief er: „Führ sie aus! Lass sie sich als was Besonderes fühlen! Und sag ihr, dass ich sie besuchen komme … naja, irgendwann mal besuchen komme.“

Rhys zwang sich, weiterzugehen, obwohl eine leise Stimme in seinem Kopf schrie, dass er ein Feigling sei. Zum Teufel, er war kein Feigling, er war nur realistisch.

Er hatte sein Leben und Melina hatte ihres. Außerdem hatte er Max die Wahrheit gesagt: Ihre Ziele waren so weit auseinander, dass sie genauso gut an den zwei entgegengesetzten Enden der Welt hätten leben können. Dennoch dachte er mit einem Seufzer, nachdem er die Tür zum Garderobenraum geöffnet hatte, war er durch Max‘ Angebot stärker in Versuchung geraten als er es eigentlich sollte. Vor allem weil er gewollt hätte, dass Melina ihn für Max halten sollte.

Nur einmal wäre er von Melina gerne so begrüßt worden wie sie Max immer begrüßte. Mit offenen Armen und einem offenen Lächeln statt mit einer freundlichen, aber reservierten Distanziertheit, die ihn immer so zurückließ, dass er mehr wollte.