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Wenn jemand die Symbole des Todes – oder den Tod selbst – freiwillig auf sich nimmt, dann müßte … daraus zwingend die Freisetzung einer machtvollen, heilbringenden Kraft folgen.
Mary Douglas, Reinheit und Gefährdung, 1966

 

Vorwort

Die Kapitel dieses Buches sind Teil eines umfassenderen Projekts. Und dieses behandelt eine Reihe von Ideen, die für meine letzten Arbeiten von zentraler Bedeutung geworden zu sein scheinen: Tod, Tragödie, Opfer, Entzug und dergleichen. Für jene Leserinnen und Leser, die diese Vorstellungen vielleicht etwas zu düster finden, möchte ich hinzufügen, dass es in dieser Untersuchung auch viel um Erneuerung, Veränderung und Revolution geht, als die andere Seite der dunkleren Begriffe, die ich gerade aufgelistet habe.

Wie bei einigen meiner jüngsten Arbeiten beschäftige ich mich also auch bei der vorliegenden mit Fragen, die weder von der politischen Linken und schon gar nicht von ihrem postmodernen Flügel häufig untersucht werden. Liebe, Tod, Leid, Opfer, das Böse, Martyrium, Vergebung etc. liegen heutzutage nicht gerade im Trend bei den kulturellen oder politischen Theoretikern. Sie sind eher eine Angelegenheit der Theologen; und wenn ich selbst nicht die ablehnende Haltung zur Theologie einnehme, die allgemein bei den Linken zu finden ist, dann deshalb, weil ich durch eine Laune der Kindheit zufällig ein wenig darüber weiß. Ich weiß jedenfalls genug, um davon überzeugt zu sein, dass sehr viele weltliche Meinungen über die jüdischen und christlichen Traditionen auf großer Voreingenommenheit und abgrundtief schlechter Information fußen. So wie bei denjenigen, für die der Sozialismus nur aus dem Gulag besteht oder der Feminismus eine katastrophale Folge davon ist, dass Frauen ihre natürliche Bescheidenheit und ihren Anstand über Bord werfen. Eines der polemischeren Ziele dieses Buches, auch wenn es weitgehend unausgesprochen bleibt, ist es daher, einige dieser Einstellungen als das zu zeigen, was sie sind: bedauernswerte Zerrbilder. Im Bereich der Theologie laufen selbst die subtilsten säkularen Denker Gefahr, in einen Sumpf aus Klischees und Missverständnissen zu stolpern.

Es ist in der Tat nicht seltsamer, dass sich jemand wie ich, der dem marxistischen Erbe verpflichtet ist, für die Theologie interessiert, als dass sich ein Liberaler oder Sozialdemokrat für Stendhal oder Flaubert interessiert. Denn der Marxismus ist eine Theorie und Praxis des historischen Wandels und keine Sichtweise der menschlichen Existenz, und hat als solche nichts besonders Fesselndes über das Böse oder die Sterblichkeit, über Leiden oder Vergebung, über tragischen Zusammenbruch oder die Natur des Nihilismus zu sagen. Bei solchen Fragen greift man eher auf Dostojewski oder Paulus, Shakespeare oder Sebald zurück.

T.E.