J. J. Voskuil

Das Büro 5

Und auch Wehmütigkeit

Aus dem Niederländischen von Gerd Busse

Inhaltsverzeichnis
Cover
Inhalt
Titelseite
(1979)
1980
1981
1982
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Impressum und Copyright

Impressum und Copyright

J.J. Voskuil. Das Büro

Band 5: Und auch Wehmütigkeit

Erste Auflage

Verbrecher Verlag 2016

www.verbrecherei.de

Titel der niederländischen Originalausgabe: »Het Bureau 5, En ook weemoedigheid«

© Copyright 1999: J.J. Voskuil, Amsterdam

© Für die deutsche Ausgabe: Verbrecher Verlag 2016

Originally published by Uitgeverij G. A. van Oorschot, Amsterdam

Übersetzung aus dem Niederländischen: Gerd Busse

Lektorat: Ulrich Faure, Kristina Wengorz

Satz und Ebook: Christian Walter

Der Verlag dankt Teresa Streiß.

ISBN Print: 978-3-95732-010-0

ISBN Epub: 9783957322111

ISBN Mobipocket: 9783957322128

Der Verlag dankt der niederländischen Literaturstiftung für die Förderung der Übersetzung.

Mitten in der Nacht wachte er mit starken Kopfschmerzen und zitternd vor Kälte auf. Ich bin krank, dachte er. Noch halb im Schlaf zog er die Decke, die über dem Fußende lag, hoch, zog sein Kopfkissen zu sich heran und döste wieder ein. In seinem Traum wurde er von einer drohenden, in Lumpen gehüllten Menge umringt, die auf ihn losging. Es gelang ihm im letzten Moment, sich loszureißen, und er flüchtete in einer fremden, dunklen Stadt in ein Geflecht aus Gassen, aus denen aus der Dunkelheit von allen Seiten neue Menschenmassen angerannt kamen. In Panik zwang er sich aufzuwachen, benommen von den Kopfschmerzen, und sank wieder zurück, dieses Mal in ein Chaos aus komplizierten mathematischen Berechnungen, bei denen er sich, je weiter er in ihnen vordrang, immer mehr vom richtigen Ergebnis entfernte, und aus dem er schließlich durch den Wecker erlöst wurde. Gerädert blieb er liegen.

»Willst du nicht die Tür für die Katzen aufmachen?«, fragte Nicolien. »Der Wecker hat doch geklingelt?«

Die Katzen … Er stieg aus dem Bett, öffnete die Tür und kroch so schnell wie möglich wieder zurück, den Kopf tief ins Kissen gedrückt. Halb bewusstlos vor Kopfschmerzen verlor er den Kontakt zur Wirklichkeit, bis er Nicolien aus der Ferne fragen hörte, warum er nicht aufstand. Es dauerte eine Weile, bis ihre Frage bei ihm ankam.

»Stehst du nicht auf?«, wiederholte sie. »Es ist schon nach sieben.«

»Mir geht’s erbärmlich.«

»Erbärmlich?« Sie kam hoch. »Was hast du denn? Hast du bei Frans zu viel getrunken?« Ihre Stimme klang beunruhigt, aber auch verärgert.

»Nein, ich bin krank.«

»Hast du denn Fieber?«

»Das weiß ich nicht.«

»Aber wenn du krank bist, wirst du doch Fieber haben?«

Er fühlte sich zu elend, um darauf zu antworten.

»Das sagst du doch selbst immer? Darum misst du doch immer deine Temperatur?«

»Ich weiß nicht, ob ich Fieber habe«, sagte er widerwillig.

»Man kann also auch krank sein und kein Fieber haben! Siehst du wohl, dass das Quatsch ist mit dem Fieber?«

Er gab darauf keine Antwort.

»Du gehst also nicht ins Büro?«

»Nein. Das ist ausgeschlossen.«

»Das ist mir ja was«, sagte sie. »Der erste Tag nach deinem Urlaub! Was die wohl denken werden?«

Als sie das Zimmer verließ, um die Katzen zu füttern, holte er das Thermometer aus dem Duschraum. Zitternd und benommen von seinen Kopfschmerzen kroch er wieder unter die Decke. Achtunddreißig drei. Es war nicht viel, lag aber auf alle Fälle über der von ihm selbst gesetzten Grenze.

»Hast du Fieber gemessen?«, fragte sie, als sie wieder ins Schlafzimmer kam.

»Achtunddreißig drei.«

»Du bleibst also im Bett?«

»Ja.«

Sie ging in den Duschraum. Sehr viel später, als er wieder wach wurde, hörte er sie in der Ferne mit jemandem vom Büro telefonieren, doch er fühlte sich zu elend, um zu verstehen, was sie sagte, und versank sofort wieder in einen Zustand der Bewusstlosigkeit. In seinen Halbträumen ging er auf einem feindlichen Boulevard an verlassenen, modernen Terrassen entlang. Hinter den Terrassen lagen vollkommen leere Cafés. Niemand hinter der Theke. Er suchte einen sicheren Platz, wo er sich mit seinen Kopfschmerzen hätte hinsetzen können, doch er konnte nichts finden. Im Laufe des Tages wurde er zweimal angerufen, einmal aus Antwerpen von Jan Nelissen, einmal aus Arnheim von Kassies. Nicolien kam beide Male, um es ihm zu erzählen, doch er vergaß sofort wieder, was sie von ihm wollten, und konnte sich auch nicht mehr daran erinnern. Der Tag ging in Dämmerung über, die Dämmerung in Nacht und die Nacht in einen neuen Tag. Er hörte Nicolien, die auf dem Flur mit den Geranien beschäftigt war, die sie von den Fensterbänken an der Vorderseite zu ihrem Winterquartier in das Kämmerchen brachte. »So, der Sommer ist vorbei«, hörte er sie sagen. »Es wird Winter. Jetzt geht ihr erst mal eine Weile schlafen.«

*

Fieber und Kopfschmerzen waren verschwunden. Er hatte nur noch Halsschmerzen. In der Couchecke, verborgen hinter den Pflanzen, mit seinem Kissen hinter dem Kopf, begann er, sich umzusehen. Die Stäbe, die er vor den Bücherregalen angebracht hatte, um die Bücher vor den Katzen zu schützen, waren heruntergetreten worden. Er ging in den Abstellraum im Flur, nahm den Werkzeugkasten mit zurück und suchte nach etwas, womit er sie festklemmen konnte. Vorhangklammern! Als er sie angebracht hatte, war er erschöpft.

*

Eine öde Krankheit. Er fühlte sich zu elend für irgendwelche Emotionen oder auch nur für Empfindungen des Wohlbehagens. Das Einzige, wozu er sich in der Lage fühlte, war, auf der Couch herumzuhängen und auf Nicoliens Rückkehr zu warten, wenn sie einkaufen gegangen war, oder darauf, dass sie einkaufen ging, wenn sie zu Hause war – so ungefähr die einzigen Sensationen, die dem Leben über Tage hinweg Farbe verliehen.

»Aber warum gehst du denn nicht mal zum Arzt?«

»Ach, die Ärzte«, antwortete er, »die wissen doch auch nichts.«

»Aber wenn man krank ist, geht man doch wohl zum Arzt! Dafür ist er doch da! Du bist jetzt schon zwei Wochen krank!«

»Wenn ich nächste Woche immer noch krank bin, werde ich ihn anrufen«, versprach er.

*

Während er dalag und schlief, stieß er mit seinem Fuß gegen die Gottesaugen, die vom Kamin bis auf die Couch herabhingen. Die Pflanze fiel herunter und war rettungslos hinüber. Während er damit beschäftigt war, das Durcheinander aufzuräumen, kam Nicolien ins Wohnzimmer. »Ach!« Sie beugte sich über die Reste der Pflanze und hob die abgeknickten Stengel auf. »Wie konntest du bloß? So etwas machen nicht einmal die Katzen!«

»Ich habe geschlafen.« Er fühlte sich schuldig.

»Und früher hast du auch schon mal eine kaputt gemacht!« Sie zeigte auf den kleinen Tisch am Fenster. »Und noch eine!« Sie machte eine vage Bewegung zum Bücherregal.

An die Letzte erinnerte er sich nicht. »Es tut mir leid.«

»Du bist zu Pflanzen einfach zu grob!«, sagte sie böse. »Wenn du im Hause bist, darf man keine Pflanzen haben! Und dann machst du Bemerkungen über die Katzen, wenn sie an den Pflanzen herumknabbern!«

*

Nicolien war bei ihrer Mutter. Es regnete heftig. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite liefen Gruppen von Menschen vorbei: Kapuzenumhänge, Regenschirme, die Köpfe zum Schutz vor der Nässe gebeugt. Bei den Nachbarn gegenüber auf der rechten Seite war bereits die Weihnachtsbeleuchtung eingeschaltet. In der Gracht trieben zwei Enten, die Köpfe in den Federn. Die eine trudelte wie ein Sack nach links aus seinem Blickfeld. Die andere schaukelte langsam zur Kaimauer, richtungslos, bis er auch sie aus dem Blick verlor. Er legte die »Messe pour les trépassés« von Charpentier auf. Sobald der Ton lauter wurde, begann es in den Lautsprechern zu knacken. Er hob den Tonarm von der Platte und bestrich den kleinen Staubfänger gegen die ausdrückliche Anweisung tüchtig mit antistatischer Flüssigkeit. Den Staubfänger auf die Platte, danach den Tonarm mit der Nadel. Es schien tatsächlich, als würde das Knistern weniger. Den Arm wieder hoch, noch einmal gut befeuchten, und ein weiteres Mal. Während der Chor zum vierten Mal einsetzte, sah er sich den Apparat aufmerksam an und entdeckte einen Knopf, neben dem »Rumble fil.« stand. Er schob ihn nach rechts, und einen anderen Knopf auch gleich mit. Arm abnehmen, noch einmal befeuchten, zum vierten Mal. Und zu seiner größten Genugtuung war die Musik plötzlich klar und knackfrei zu hören.

*

Er rief den Arzt an.

»Bals hier.«

Da er die Sprechstundenhilfe erwartet hatte, verwirrte ihn das. »Sie sprechen mit Koning«, sagte er zögernd. »Ich hatte gedacht, dass ich neuerdings anrufen müsste, um einen Termin zu machen.«

»Sie müssen gar nichts.«

»Ja, ich verstehe.« Das verwirrte ihn noch mehr.

»Können Sie um zwanzig vor elf?«

»Zwanzig vor elf«, wiederholte er. »Bis gleich. Auf Wiederhören, Herr Bals«, und er legte den Hörer eilig auf, ohne dem anderen die Gelegenheit zu geben, noch etwas zu sagen. Obwohl ihm klar war, dass es wahrscheinlich nicht unfreundlich gemeint gewesen war, hatte er die Neigung, schnell wegzulaufen, sich unter seinem Bett zu verkriechen und sich einen anderen Arzt zu nehmen.

»Herr Komen«, sagte Bals. »Setzen Sie sich.«

»Koning!«, verbesserte er.

»Koning!«, sagte Bals mit einem Lächeln. »Dann hatte ich es doch fast richtig.«

Maarten setzte sich.

Bals sah ihn freundlich an. Er war ein noch junger Mann, viel jünger als Maarten, mit einem sanftmütigen Gesicht. »Wie geht’s?«, fragte er mitfühlend.

»Gut.« Er fand es eine merkwürdige Frage. Wenn es ihm gut ginge, säße er nicht hier. »Oder sagen wir: mäßig.«

»Erzählen Sie mal.«

Maarten versuchte, das Terrain zu überblicken, als stünde er am Fuß einer Anhöhe. »Ich fühle mich jetzt schon seit ungefähr drei Wochen schlecht«, versuchte er, es zu erklären, wobei er an dem jungen Mann ihm gegenüber vorbeisah, um sich zu konzentrieren. »Kopfschmerzen, Halsschmerzen, Fieber, nicht viel, siebenunddreißig neun, aber lästig.« Er schwieg und sah ihn an.

Bals nickte mitfühlend, aufmerksam. »Darf ich mir vielleicht mal Ihren Hals ansehen?« Er stand auf.

Maarten stand ebenfalls auf und wartete, ein wenig unsicher ob seiner Rolle.

Bals nahm eine kleine Taschenlampe von seinem Schreibtisch und stellte sich vor ihn hin. »Sagen Sie mal A!« Er richtete ein schmales Lichtbündel auf Maartens Rachen, ein paar Sekunden. »Machen Sie Ihren Mund mal wieder zu. Sie hätten eigentlich etwas früher kommen müssen.«

Maarten nickte schuldbewusst. Als er wieder Platz nahm, setzte Bals sich an seinen Schreibtisch und begann zu schreiben. »Ich gebe Ihnen ein paar Tabletten und Tropfen zum Einnehmen. Wenn es nächste Woche noch nicht besser ist, müssen Sie mich noch mal anrufen, aber ich glaube, dass es bis dahin vorbei ist. Ich möchte außerdem einmal Ihre Nierenfunktionen untersuchen lassen. Dafür gebe ich Ihnen eine Überweisung mit. Wenn das Fieber gesunken ist, gehen Sie damit zum Ärztelabor am Willemsparkweg. Wissen Sie, wo das ist?« Er sah ihn prüfend an. Sein Ton hatte etwas väterlich Beschützendes.

»Ja.« Die Frage amüsierte ihn. Dement bin ich noch nicht, wollte er sagen, doch er behielt es für sich.

Auf dem Weg zur Apotheke ging er durch die Paleisstraat und über den Dam. Es herrschte schmuddeliges, windiges Wetter. Ihn fröstelte, obwohl er einen Pullover anhatte, er fühlte sich ungeschützt. Während er mechanisch auf den Verkehr um ihn herum achtete, überquerte er den Rokin und sah flüchtig zu einem Schwarzen mit einer rot-weißen Pudelmütze auf dem Kopf, der ihm am Vijgendam entgegenkam. Im dem Moment hörte er jemanden halblaut, doch deutlich zu verstehen, »Hasch, Hasch«, murmeln. Er sah sich um. Es konnte nur von dem Schwarzen gekommen sein, doch nichts an seinem Gesicht oder seiner Haltung deutete darauf hin. Es hatte etwas Unheimliches, als würde die Welt am Rande des Abgrunds stehen.

»Und?«, fragte Nicolien. Sie kam ihm im Flur entgegen.

»Ich habe Tabletten und Tropfen zum Einnehmen bekommen.«

»Und was hat er gesagt?«

»Sonst hat er nichts gesagt.« Er zog die Tüte von der Apotheke aus seiner Manteltasche und ging hinter ihr her ins Wohnzimmer.

»Hat er denn nicht gesagt, was du hast?«

»Nein.«

»Und hast du ihn das auch nicht gefragt?«

»Nein«, sagte er verlegen. Er setzte sich auf die Couch und legte die Tüte vor sich auf den kleinen Tisch.

»Aber so etwas fragt man doch?«

»Ich habe nicht daran gedacht.«

»Das verstehe ich nicht! Du gehst zum Arzt, und du fragst nicht einmal, was du hast! Warum gehst du dann zum Arzt?«

»Um diese Tabletten zu holen.«

»Aber die nimmst du doch wohl nicht?«

»Natürlich nehme ich sie.«

»Aber du wirst deinen Körper doch wohl nicht mit diesem Chemiedreck vollstopfen?«

»Wenn ich zum Arzt gehe, nehme ich das, was er mir verschreibt.«

»Aber du weißt doch, wie schlecht das ist? Die Ärzte können einem ja viel verschreiben!«

»Darum gehe ich auch nicht so schnell zum Arzt.«

»Und warum gehst du dann jetzt?«

»Weil es nicht besser wird.«

»Und warum bist du dann erst nicht hingegangen?«

»Weil ich dachte, dass es von selbst besser wird. Er hat übrigens gesagt, dass ich viel früher hätte kommen müssen.«

»Natürlich sagt er das! Sonst verdient er nichts!«

»Das ist wahr.«

»Du willst sie also nehmen?«

»Ja.«

»Aber warum denn?«

»Weil es nicht besser wird.«

»Also, du bist genau wie Ad und Heidi: Bei der kleinsten Kleinigkeit den Körper mit Chemiezeug vollstopfen.«

»Nicht bei der kleinsten Kleinigkeit.«

»Aber warum denn dann? Glaubst du, dass es nicht von selbst besser wird?«

»Das weiß ich nicht.«

»Du musst doch einen Grund dafür haben?«

»Es wird nicht besser.«

»Und dann stopfst du dich eben mit Chemiezeug voll!«

Er schwieg.

»Was passiert denn, wenn du es nicht tust?«

»Das weiß ich nicht.«

»Du tust also einfach, was so ein Arzt sagt?«

»Wenn ich zu so einem Mann gehe«, sagte er, langsam wütend werdend, »werde ich doch anschließend nicht gegen ihn andoktern?«

»Aber ich verstehe das nicht! Es muss doch einen Grund dafür geben? Warum lässt du es nicht einfach von selbst besser werden?«

»Weil es nicht besser wird!«

»Woher weißt du das?«

»Weil es jetzt schon drei Wochen dauert und einfach wieder von vorn losgeht.«

»Was macht das schon? Warum ignorierst du es dann nicht einfach? Du bist doch keine Mimose? Du bist doch nicht wie Ad und Heidi?«

Er gab darauf keine Antwort.

»Warum ignorierst du es nicht einfach. Was kann passieren, wenn du es einfach ignorierst?«

»Das weiß ich nicht.«

»Aber du musst doch einen Grund dafür haben?«

»Weil der Arzt sagt, dass ich es nicht einfach ignorieren soll.«

»Warum denn nicht? Ist das denn nicht in Ordnung?«

»Das weiß ich nicht. Vielleicht kann es dann chronisch werden.«

»Chronisch?« Es lag Gefahr in ihrer Stimme.

»Oder man kann eine Menge unangenehmer Komplikationen bekommen. Krebs oder so.«

»Krebs?« Sie war wütend. »Ich kriege also Krebs! Weil ich mich weigere, diesen Dreck zu nehmen. Darum kriege ich Krebs!«

»Ich sage doch nicht, dass du Krebs bekommst.«

»Krebs!«, rief sie empört. »Wo hast du diesen Unsinn bloß her? Woher weißt du das? Hast du das etwa irgendwo gelesen? Etwa so wie Ad und Heidi? Du bist doch kein Arzt?«

Er schwieg, in dem Bewusstsein, dass er sich mit seiner unbedachten Bemerkung unwiderruflich in die Klemme gebracht hatte und jeder weitere Widerstand sinnlos war.

*

Das Telefon klingelte. Nicolien nahm ab. »Frau Koning hier.« Sie lauschte, während sie sich zu ihm umdrehte. »Das ist Rie«, sagte sie gedämpft. »Sie fragt, ob ein paar Leute aus dem Büro kurz vorbeikommen können. Geht das?«

»Ja, das geht schon.« Er saß in seinem Morgenmantel auf der Couch, einen Stapel Kissen im Rücken, ein großes, weißes Kissen hinter dem Kopf.

»Ja, das geht schon«, sagte sie ins Telefon. »… Gut. Bis gleich.« Sie legte auf. »Sie kommen zum Kaffee.« Sie sah ihn an. »Dann können sie gleich sehen, dass du wirklich krank bist, so wie du da jetzt sitzt.«

»Wer kommt denn?«

»Das weiß ich nicht. Das hat sie nicht gesagt.« Sie verließ den Raum und kam wieder zurück, sie hatte ihren Mantel an. »Ich gehe kurz zum Bäcker, um etwas zum Kaffee zu holen.«

»Ja.« Er horchte ihr hinterher, während sie durch den Flur zur Wohnungstür ging. Die Tür wurde zugemacht. Er hörte ihre Schritte im Hausflur. Kurze Zeit später fiel die Haustür ins Schloss. Er dachte an ihre Bemerkung, dass sie jetzt sehen könnten, dass er wirklich krank war. Nun, da er sich des Effekts bewusst war, bekam es den Charakter einer Demonstration, und das machte ihn unruhig. Er saß auch nicht mehr so bequem da und war sich auch nicht sicher, ob er sich nicht ein wenig anders hingesetzt hätte, wenn nicht angerufen worden wäre. Das machte es so kompliziert, dass er ohne weiteres Nachdenken das weiße Kissen zurück ins Schlafzimmer brachte, sich umzog und die anderen Kissen wieder an ihren Platz legte.

»Warum hast du das gemacht?«, fragte Nicolien erstaunt, als sie das Wohnzimmer betrat.

»Das weiß ich nicht.«

»Aber jetzt sehen sie nicht, dass du wirklich krank bist.«

»Ich bin krank! Davon müssen sie dann eben ausgehen. Wenn ich krank bin, bin ich krank!«

»Aber dann brauchst du doch nicht so zu tun, als ob du nicht krank bist!«

Er schwieg hilflos. Bei ihr ging stets alles auf direktem Wege. Er konnte auch nicht erklären, warum es bei ihm immer so kompliziert sein musste. Sein Handeln war nun einmal aus gegensätzlichen Impulsen aufgebaut.

Es klingelte. Nicolien ging nach unten, um ihnen zu öffnen. Im Hausflur hörte er, alle übertönend, die Stimme von Joop. Die anderen Stimmen erkannte er erst, als sie durch die Wohnungstür kamen und ihre Mäntel aufhängten: Gert und Tjitske. Sie kamen lachend ins Wohnzimmer, Joop als Erste, Gert mit einem großen Obstkorb. »Ich dachte, dass du im Urlaub wärst!«, rief Joop.

Er lächelte. »Ich war auch im Urlaub.«

»Bist du etwa im Urlaub krank geworden?«

Er hatte keine Zeit zu antworten, da Gert ihm den Korb mit Obst überreichte. »Für Mijnheer!«, sagte er lachend.

»Mein Gott!«, sagte Maarten überrascht. Obenauf lag eine große Ananas, darum herum waren Trauben, Äpfel, Birnen und Orangen in ein Bett aus Nüssen gelegt worden.

»Wollt ihr euch nicht setzen?«, fragte Nicolien. Sie zog noch einen Stuhl heran.

»Sien hat alles gekauft, und Lien und Rie haben ihn zusammengestellt«, sagte Tjitske.

»Es ist großartig!«, sagte er entzückt, den Korb musternd.

Sie setzten sich. Gert sah sich neugierig um, Joop und Tjitske sahen zum Korb.

»Wollt ihr alle drei Kaffee?«, fragte Nicolien.

»Tjitske trinkt nur Tee«, warnte Maarten.

»Ach nein«, sagte Tjitske. »Ich nehme auch gern Kaffee.«

»Du kannst aber auch Tee bekommen.«

»Nein.« Sie schüttelte den Kopf. »Gib mir ruhig auch einen Kaffee.«

»Wir waren schon eine Woche zu Hause«, sagte Maarten zu Joop. »Wir sind früher zurückgekommen, weil es nur geregnet hat.«

»Oh, davon bist du natürlich krank geworden!«

Er lachte. »Das glaube ich nicht.« Er wandte sich Gert zu. »Du bist hier noch nie gewesen, oder?«

»Ich finde es sehr beeindruckend«, sagte Gert und sah zum Bücherregal.

»Du meinst intellektuell«, sagte Maarten ironisch.

»Ja, das natürlich auch«, sagte Gert lachend.

Tjitske beugte sich vor und streichelte Jozefien, die zu ihr gekommen war. »Wer ist denn das hier?«

»Jozefien«, sagte Maarten. »Die kommt vom Prinseneiland. Da hat man sie bei einem Umzug einfach auf der Straße sitzen lassen.«

»Ihr habt doch noch zwei?«, fragte Joop und sah sich um.

»Hinter dir«, sagte Maarten. »In den Körben.«

Nicolien kam mit einem Tablett Kaffee und Kuchen herein. »So!« Sie verteilte die Tassen und nahm den Kuchen mit zum Tisch, um ihn in Scheiben zu schneiden.

Es entstand eine kurze, unbehagliche Pause.

»Wie läuft es im Büro?«, fragte Maarten.

»Ganz gut!«, sagte Joop. »Du wirst nicht vermisst!«

»Doch, natürlich«, beschwichtigte Tjitske.

»Aber nicht von dir«, sagte Maarten lächelnd zu Gert.

Gert musste darüber gewaltig lachen. »Nein«, sagte er.

»Du lebst richtig auf!«

»Völlig!«

»Und hier ist ein Stück Kuchen«, sagte Nicolien. Sie teilte Unter­tassen mit Kuchen aus.

»Und wir sollen dich natürlich von allen grüßen«, sagte Joop, »und dir gute Besserung wünschen.«

»Danke. Grüßt sie zurück.«

Es entstand erneut eine Pause, in der sie mit ihrem Kaffee und Kuchen beschäftigt waren.

»Haben sie die Drehtür jetzt schon herausgerissen?«, fragte Maarten. Er unterbrach sich selbst, bevor sie antworten konnten. »Wie war eigentlich die Verabschiedung von Meierink?«

»Das war nichts!«, sagte Joop.

»Na ja, ich fand es ganz nett«, sagte Tjitske.

»Was hat er bekommen?«

»Die Geschichte der Niederlande«, sagte Gert. »Das würde ich auch gern haben wollen, wenn ich in Rente gehe.«

»Wusstest du schon, dass Wim Bosman zum Ministerium geht?«, fragte Joop.

»Ja?«, fragte Maarten überrascht.

»In die Abteilung, die für das Hauptbüro zuständig ist!«

»Dann kann er uns schön ärgern«, sagte Tjitske spöttisch lächelnd.

»Wer ist dieser Wim Bosman auch wieder?«, fragte Nicolien.

»Das ist der junge Mann, der sich damals bei Musik beworben hat, und den sie nicht haben wollten, weil er zu katholisch war«, erklärte Maarten.

»Ja?«, fragte Gert verwundert.

»Ja, dem bist du entgangen«, sagte Maarten lachend. »Du hast Glück gehabt.«

»Ja, oder auch nicht.« Er lachte nervös.

»Oder auch nicht«, gab Maarten zu. Er lächelte gezwungen. »Und was machen jetzt die Mappen?«, fragte er, um das Gespräch wieder etwas ernster werden zu lassen. »Läuft das ein bisschen?«

*

»Wie geht es dir jetzt?«, fragte Nicolien.

»Elend.«

»Was hast du denn?«

»Nichts! Elend! Ich fühle mich elend!«

»Hast du Fieber?«

»Ja.«

»Wie hoch ist es denn?«

»Fieber!«

»Aber wie fühlst du dich?«

»Normal – elend!«

»Aber wenn du dich elend fühlst, heißt das doch nicht, dass du Fieber hast?«

»Aber jetzt habe ich Fieber!«

»Woher willst du das wissen?«

»Das fühle ich.«

»Aber was fühlst du denn?«

»Das kann ich doch nicht beschreiben! Fieber! Einfach Fieber!«

»Aber wenn du Fieber hast, musst du doch sagen können, wie das ist?«

Er schwieg. Es schien ihm besser, mit der Diskussion gar nicht erst anzufangen.

Im Dunkeln wurde er plötzlich von dem Gedanken überfallen, dass er vielleicht nicht mehr lange zu leben hätte. Das rief ein Gefühl der Panik hervor, das er mit Mühe unter Kontrolle hielt. Er war hellwach. Nicolien schlief. Draußen stürmte es. Ein schwerer Sturm aus Nordwesten. Vom Dach fielen kleine Steinchen auf das Glas des Lichtschachts. Das Fenster klapperte. Im Haus lief jemand herum, wie so oft mitten in der Nacht. Über seinem Kopf hörte er Schritte. Er legte sich auf den Rücken, um besser aufpassen zu können. Sein Herz klopfte unregelmäßig. Nicht ein einziger beruhigender Gedanke. So weit er denken konnte, war da Angst. Als er schließlich einschlief, träumte er von Nicolien, als er sie gerade erst kennengelernt hatte. In seinem Traum hatte sie eine Art Armeejacke an. Sie lachte verlegen, so wie Menschen einander anlachen, wenn sie sich mögen. Aus diesem Traum erwachte er mit einem Gefühl tiefer Melancholie. Sterben wäre nicht einmal so schlimm, bedachte er, während er wach dalag, wenn man danach nur in der Nähe bleiben dürfte. Obwohl: Nicolien würde dann nicht wissen, dass er einfach bei ihr im Zimmer saß. Gäbe es denn keine Möglichkeit, es sie merken zu lassen? Sanft durch sie hindurchgehen zum Beispiel? Wenn es die nicht gäbe, wäre es schon gewaltig frustrierend.

*

Er rief erneut den Arzt an.

»Bals hier.«

»Koning hier.« Er wartete einen Moment, um ihm die Gelegenheit zu geben, sich das ganze Drum und Dran ins Gedächtnis zu rufen. »Sie haben mir vorige Woche Tabletten und Tropfen gegeben. Ich sollte Sie anrufen, wenn es nicht besser wird.«

»Ja.« Er machte nicht den Eindruck, als wüsste er, worum es ging.

»Es ist nicht besser geworden.«

Es wurde still. Bals wunderte sich offensichtlich darüber, doch Maarten hatte auch den Eindruck, dass er in der Kartei kramte, denn er hörte es rascheln. »Dann werde ich Ihnen andere Tabletten geben.« Seine Stimme kam von weit her.

»Andere Tabletten?«

»Ja. Sie haben eine Halsentzündung. Das ist nichts Besonderes. Das kommt öfter vor. Die Tabletten lösen den Schleim, und dann wird es schon vorbeigehen.«

»Und was ist mit dem Fieber? Kommt das von der Entzündung?«

»Haben Sie auch Fieber?«

»Ich habe auch Fieber.«

»Ja, das ist schon komisch. Kommen Sie dann doch mal vorbei. Können Sie um fünf vor halb elf?«

»Setzen Sie sich.« Er sah Maarten freundlich an, als wäre ihm klar, dass er es mit einem Nervenbündel zu tun hatte, und als ob er ihn von vornherein beruhigen wollte. »Sie haben also noch Fieber, sagen Sie?«

»Ja.«

»Hohes Fieber?«

»Nicht hoch, aber lästig. Siebenunddreißig neun.«

»Ja, das ist Fieber.« Er dachte kurz nach. »Dann möchte ich doch gern einmal Ihr Blut untersuchen lassen.«

»Das hatten Sie bereits vor.«

Bals sah ihn fragend an.

»Sie wollten meine Nierenfunktionen untersuchen lassen.«

»Habe ich das gesagt?«

»Ja.« Er sagte es, als wollte er sich für die Antwort entschuldigen.

»Haben Sie die Überweisung noch?«

Maarten holte sie aus seiner Tasche. Bals betrachtete sie mit hochgezogenen Augenbrauen. »Zerreißen Sie die ruhig«, sagte er und gab sie ihm zurück. »Ich werde eine neue schreiben.« Er zog seinen Schreibblock zu sich heran und griff zum Stift.

»Für meine Nierenfunktionen?«

»Nein, nicht für Ihre Nierenfunktionen«, sagte Bals, während er konzentriert schrieb. »Die sind schon in Ordnung. Ich würde gern einmal wissen, wie es um Ihre Blutsenkung steht.«

*

Wenn ich eine Stunde noch einmal erleben dürfte, dachte er, während er wach dalag, dann würde ich mit Nicolien in der späten Dämmerung durch die Vlierboomstraat und an der Copernicuslaan entlang in die Stadt spazieren und eine weitere Stunde erbitten, um einen Schnaps im Posthoorn zu trinken. – Er hätte auch die Columbusstraat am späten Abend nennen können, oder den Denneweg an einem warmen Sonntagnachmittag. Denn nirgendwo sonst hatte er so sehr das Gefühl gehabt zu wissen, worin der Sinn des Lebens bestand, wie in den alten Haager Straßen.

*

»Wieder mal ein bisschen kürzer?«, fragte der Friseur – er schaute Maarten über seinen Kopf hinweg im Spiegel an. Der Mann sah fahl und erschöpft aus, mit tiefen Falten in seinem Gesicht.

»Gern«, sagte Maarten zum Spiegelbild.

Der Friseur nahm eine elektrische Haarschneidemaschine vom Haken, blies die Haarreste des vorigen Kunden weg, tropfte ein wenig Öl in die Mechanik und beugte sich über Maartens Kopf.

Maarten folgte seinen Bewegungen im Spiegel. Er betrachtete verstohlen sein eigenes Spiegelbild und stellte fest, dass er in dem fahlen Neonlicht, das den kleinen Friseursalon kaum erleuchtete, noch elender aussah als zu Hause im Duschraum.

»Das war aber auch mal wieder fällig«, stellte der Friseur fest.

»Ja, ich war krank«, entschuldigte sich Maarten.

»Oh, deswegen.« Er fragte nicht, was Maarten gehabt hatte.

»Ich gehe heute das erste Mal wieder zur Arbeit«, fügte Maarten noch hinzu, um deutlich zu machen, dass er keinen Tag länger gewartet hatte, als nötig war.

Der Friseur legte vier Finger auf Maartens Kopf und bog ihn etwas zur Seite, während er die Haarschneidemaschine so tief wie möglich ansetzte. Er keuchte ein wenig, ein pfeifendes Geräusch, das tief aus seinen Lungen kam. »Waren denn noch viele Leute unterwegs?«, fragte er, mit seiner Aufmerksamkeit bei der Arbeit.

»Fast niemand.« Er sah unwillkürlich aus seinen Augenwinkeln zur Seite, wo hinter ihrem Spiegelbild im Fenster verschwommen die dunkle Gasse lag, verlassen.

»Es ist fast so, als ob die Leute keine Lust mehr hätten.«

»Vielleicht scheint es auch nur so, weil wir älter werden.«

Der Friseur schüttelte den Kopf. »Nein, das ist es nicht.« Er unterbrach seine Arbeit und sah Maarten im Spiegel an. »Man merkt es! Was machen sie denn noch zu Sankt Nikolaus?«

»Nikolaus verschwindet«, gab Maarten zu. »Der wird von Weihnachten verdrängt.«

»Aber an Weihnachten machen sie auch nichts mehr.«

»Nein?«

»Was sieht man denn noch an Weihnachtsschaufenstern? Doch wohl nichts, oder?«

»Das stimmt.« Ihm war klar, dass es keinen Sinn hatte, dagegen auch noch anzugehen.

Der Friseur setzte seine Arbeit fort. »Es gibt keine Gemütlichkeit mehr, wie man sie früher hatte.«

»Da haben Sie recht«, sagte Maarten.

Die Drehtür war verschwunden. An ihrer Stelle befand sich nun eine schmale Tür aus Sicherheitsglas in einem billigen, hellbraun lackierten Rahmen. Mit Grauen sah er sie sich an, wollte sie aufziehen. Sie war abgeschlossen. Missmutig drückte er die Klingel und sah durch das Glas in die Halle. De Vries war noch nicht da. Er schaute auf seine Uhr, in der Tür summte es, er zog sie auf und betrat die Halle. Wigbold kam aus der Pförtnerloge. »Und?«, fragte er. »Was halten Sie davon?«

»Furchtbar«, sagte Maarten schlecht gelaunt.

»Und dann machen sie ein Schloss dran, gegen die Gelegenheitsdiebe, wie sie sagen, aber man kriegt es problemlos auf, mit einem kleinen Messer.«

»Es ist idiotisch.« Er schob sein Namensschild ein, stellte mit einem Blick fest, dass die meisten seiner Leute bereits da waren und drehte sich zu Wigbold um. »Haben Sie nicht einen Schlüssel für mich?« Es klang nicht sehr freundlich.

»Den hat Fräulein Bavelaar.«

»Dann werde ich mal Fräulein Bavelaar darum bitten.« Er wandte sich ab und stieg die Treppe hinauf, bereits müde, bevor der Tag angefangen hatte.

Ad saß an seinem Schreibtisch. »Tag, Ad.« Er schloss die Tür hinter sich.

»Ha, Maarten«, sagte Ad überrascht.

»Die Tür ist wirklich furchtbar.« Er zog einen Stuhl unter dem Sitzungstisch hervor und stellte ihn neben Ads Schreibtisch.

»Schlimm, nicht?«

»Habt ihr sie noch verteidigt?«

»Nein, das haben wir lieber nicht gemacht.« Er sah Maarten an. »Bist du wieder gesund?«

»Ich bin wieder gesund. Ist hier noch etwas passiert?«

»Nö. Sollte es denn?«

»Es hätte sein können.« Er sah in seine Tasche und holte einen kleinen Stapel Papiere heraus. »Das ist mein Aufsatz über das Mittwinterhorn.«

»Du bist aber lange weggewesen«, fand Ad, während er ihn entgegen­nahm. »Wir dachten: Der kommt nicht mehr wieder.«

»Neun Wochen.«

»Was hattest du denn eigentlich?«

»Eine Halsentzündung. Und erst natürlich Urlaub.«

»Dann hattest du sicher eine weiße Pustel in deinem Rachen?«

»Das weiß ich wirklich nicht«, er stand auf, »aber ich habe mich ziemlich beschissen gefühlt.« Er ging zu seinem Schreibtisch. Er war überladen mit Mappen, Büchern, Papieren und Katalogen. Er legte seine Tasche ins Bücherregal, hängte sein Jackett auf, betrachtete das Chaos und zog zwei Stühle an seinen Schreibtisch, die er mit den Vorderseiten gegeneinander schob, neben den Platz, an dem er saß.

»Balk sucht dich«, sagte Ad. »Er ist schon ein paarmal oben gewesen.«

Er sah über das Bücherregal hinweg zu Ad. Die Nachricht beunruhigte ihn. Sein erster Gedanke war, dass er etwas falsch gemacht hatte, aber er hatte keine Ahnung, was das sein könnte. »Was will er von mir?«

»Das hat er nicht gesagt. Und Sien hat mir gesagt, dass sie nicht länger Aufsätze zusammenfassen will, die außerhalb unseres Fachgebiets liegen.« Es hatte den Eindruck, dass Ad es ganz nett fand, dass etwas schiefgegangen war.

Die Tür ging auf. Bart betrat den Raum. »Hey, Maarten. Tag, Ad.« Er ging lächelnd weiter und blieb an Maartens Schreibtisch stehen. »Bist du wieder gesund?«

»Ich bin wieder gesund.«

»Wirklich?« Er sah ihn besorgt an.

Maarten lächelte. »Ja, wirklich.«

»Sie haben dich dieses Mal aber ordentlich in der Mangel gehabt.«

»Es war eine hartnäckige Krankheit.«

»Ich würde doch mal aufpassen, wenn ich du wäre.«

»Das werde ich machen.«

Während Bart sich abwandte und seine Tasche auf den Schreib­tisch stellte, ging Maarten weiter zu Ad. »Was war eigentlich der Anlass?«

Ad saß bereits wieder da und las. Er schob den Aufsatz, mit dem er beschäftigt war, von sich und sah Maarten mit kleinen Augen an, als hätte er gerade geschlafen. »Ein Aufsatz in einer französischen Zeitschrift, die in ihrer Mappe steckte.«

»Was hat sie genau gesagt?« Er zog den Stuhl wieder unter dem Sitzungstisch hervor und setzte sich.

»Was sie immer sagt. Dass das alles bloß von ihrer Forschung abgeht, aber es ist natürlich auch so, dass sie es nicht kann.«

Maarten dachte nach.

»Ich frage mich, ob wir sie nicht besser ganz von diesen Zusammenfassungen freistellen sollten«, sagte Ad.

»Wer soll es dann machen?«

»Das werden wir dann wohl sein.«

»Als ob wir nicht schon genug Arbeit hätten.«

Ad schwieg.

»Sien hat die Neigung, sich auf ein sehr kleines, sehr trockenes Gebiet zurückzuziehen und den Rest preiszugeben«, sagte Maarten. »Ich finde, dass wir dem nicht nachgeben sollten.«

»Es wird nichts nützen. Man muss es doch alles noch einmal machen. Dann kann man es besser gleich selbst machen, genau wie bei Joop, die lernt es auch nie.«

»Wenn man Joop freistellt, fühlt sie sich ausgeschlossen.«

»Ich weiß nicht, was ich schlimmer fände. Ausgeschlossen zu werden oder fünftes Rad am Wagen zu sein.«

Es war still. Ad sah aus einiger Entfernung auf den Aufsatz, in dem er gelesen hatte. Maarten wog die Standpunkte gegeneinander ab. »Wo ist dieser Aufsatz?«, fragte er schließlich.

»Der ist jetzt bei Mark.«

»Ich werde ihn mir ansehen«, er stand auf, »aber jetzt gehe ich erst einmal zu Balk.«

Balk saß an seinem Schreibtisch. Er sah auf, als Maarten sein Zimmer betrat. »Ha, da bist du ja«, sagte er erfreut. »Setz dich einen Moment.« Er machte eine Geste zur Sitzgruppe und stand auf.

Maarten setzte sich, auf der Hut.

»Ich habe einen Brief vom Hauptbüro bekommen.« Stehend kramte er zwischen seinen Papieren, konnte den Brief nicht so rasch finden und gab es auf. »Der Brief spielt jetzt keine Rolle.« Er setzte sich zu Maarten in die Sitzecke, schlug die Beine übereinander und sah ihn an. »In dem Brief steht, dass sie uns eine der beiden BAP-Stellen geben wollen, die sie fürs nächste Jahr zugewiesen bekommen haben. Die andere geht ans Krebsinstitut.«

»Was sind BAP-Stellen?«

»Das sind befristete Arbeitsplätze«, sagte Balk ungeduldig, »um arbeitslosen Studienabsolventen die Gelegenheit zu geben, Erfahrung zu sammeln. Kannst du so jemanden gebrauchen?«

»Für wie lange ist das?«, fragte Maarten zurückhaltend.

»Für ein Jahr, mit der Möglichkeit der Verlängerung um ein weiteres Jahr.«

Maarten schüttelte den Kopf. »Das nützt mir nichts. Die Ausbildung dauert schon vier Jahre.«

»Aber du hast doch genug Arbeit?«, sagte Balk verstimmt. »Notfalls lässt du so jemanden Archivarbeiten machen, oder Feldforschung. Ihr macht doch viel Feldforschung?«

»Die bezieht sich auf ein bestimmtes Forschungsprojekt. Sonst hat es keinen Sinn.«

»Dann bindest du ihn in ein laufendes Forschungsprojekt ein.«

Maarten machte ein bedenkliches Gesicht. Er ahnte, dass so jemand ihn nur Zeit kosten würde. »Brauchen sie bei Volkssprache oder Volksnamen niemanden?«

»Volkssprache und Volksnamen haben im Augenblick keine Arbeit, und wir können das nicht ablehnen! Es ist ein Ausdruck der Wertschätzung, dass sie an uns gedacht haben!«

Maarten war klar, dass Widerstand keinen Sinn hatte. »Gut. Ich werde darüber nachdenken.« Er stand auf.

»Tu das!« Er stand hastig auf. »Und setz dann gleich den Text für eine Anzeige auf, dann kann der Mann noch zum 1. Januar eingestellt werden.«

In Gedanken verließ Maarten Balks Raum. Unten an der Treppe besann er sich und ging weiter zum Zimmer von Mark Grosz. Mark stand an seinem Lesepult und las, sein Buch wurde von einer grellen Lampe beschienen. An einem kleinen Tisch neben seinem Schreibtisch saß ein unbekannter junger Mann und arbeitete. Jeroen Kloosterman war nicht da. »Ha«, sagte Maarten.

»Hi!«, sagte Mark. Er richtete sich auf und sah Maarten amüsiert an, wobei seine rechte Pupille rastlos rotierte.

Maarten lächelte. »Hast du den französischen Aufsatz hier, den Sien zusammenfassen sollte?«

»Den Aufsatz von Vovelle.« Er wandte sich zu seinem Schreibtisch ab. »Kennt ihr euch eigentlich?«

Der junge Mann sah auf. Er hatte langes Haar bis auf die Schultern und ein etwas verschlafenes Gesicht. »Hallo«, sagte er.

»Ich heiße Maarten Koning«, sagte Maarten und gab ihm die Hand.

»Ich heiße Frits.«

»Er hilft mir beim Namenbuch«, erläuterte Mark, er hatte die Zeitschrift gefunden und gab sie Maarten. Es steckte eine Zusammenfassung darin.

Maarten zog sie heraus und betrachtete sie. »Sie hat sie also schon gemacht?«

»Sie hat nur nichts davon begriffen.«

Maarten sah sich den Text an und blätterte in dem Aufsatz. »Was machen wir mit der Zusammenfassung?« Er sah auf.

»Ich würde sie einfach noch mal machen.«

»Kann man sie nicht korrigieren?«

»Sie taugt wirklich nichts.«

»Willst du sie machen?«

»Eigentlich lieber nicht. Ich habe momentan ziemlich viel zu tun.«

»Dann werde ich sie machen. Ich nehme sie mal mit.« Er schlug die Zeitschrift zu und wandte sich zur Tür. Als er die Tür zuzog, wurde sie hinter ihm wieder geöffnet. Mark kam hinter ihm her. »Mir wäre es lieb, wenn du Sien meine Meinung nicht zutragen würdest.«

»Nein, natürlich nicht«, sagte Maarten verblüfft. Sack, dachte er schlecht gelaunt, während er wieder die Treppe zu seinem Zimmer hin­auf­stieg. Er zog einen Stuhl an Ads Schreibtisch und stellte beiläufig fest, dass Ad gerade seinen Aufsatz über das Mittwinterhornblasen las. »Balk will, dass wir jemanden für eine BAP-Stelle suchen«, sagte er. »Das Hauptbüro hat uns eine BAP-Stelle zugewiesen.«

Ad sah geistesabwesend auf. Er brauchte offenbar einen Moment, um umzuschalten. »Und, machst du das?«

Maarten zuckte mit den Achseln. »Was soll man so jemanden denn bloß machen lassen?«

Ad reagierte nicht darauf.

»Das Dumme ist, dass man jemandem wie Balk unmöglich klarmachen kann, dass man ausschließlich Leute gebrauchen kann, die man selbst ausgebildet hat, aber die kriegt man nicht mehr. Alles muss jetzt schön billig sein.«

»Sollte Jaring nicht jemanden brauchen können?«

»Jaring!«, sagte Maarten skeptisch.

»Oder sonst der da.« Er machte eine Kopfbewegung zur Wand, hinter der Gert saß.

Maarten erwog die Möglichkeit.

»Dann hat er auch einen Büttel.« In seiner Stimme lag eine unterdrückte Boshaftigkeit. »Du kannst sicher sein, dass er das wunderbar findet.«

»Das wäre vielleicht gar nicht so blöd«, überlegte Maarten. Er dachte darüber nach. »Ein Anthropologe, der den Auftrag erhält, eine Reihe von Vereinsvorständen zu interviewen, die öffentliche Feste organisieren.«

»Zum Beispiel.«

»Ich werde mal darüber reden«, er stand auf, schob den Stuhl zurück und sah beiläufig zur Uhr, »aber ich gehe erst einmal Kaffee trinken.« Er brachte die Zeitschrift mit der Zusammenfassung von Sien zu seinem Schreibtisch und verließ den Raum wieder. Während er die Treppe hinunterstieg, fragte er sich, warum die jüngere Generation ihren Nachnamen nicht mehr nannte. Als er noch zur Schule ging, sprachen sie sich nur mit Nachnamen an. Er erinnerte sich, dass Karel sich seinerzeit im Seminar daran gestoßen hatte, dass er ihn Ravelli nannte. Infantilismus. Angst, erwachsen zu werden. Zufrieden mit dieser Analyse, betrat er den Kaffeeraum, in dem es lebhaft zuging, und begab sich zum Schalter. »Kann ich eine Tasse Kaffee von Ihnen bekommen, Herr Wigbold?«, fragte er und zog sein Portemonnaie aus der Gesäßtasche.

»Eigentlich müsste ich auch an meinem Tisch einen Druckknopf haben«, sagte Wigbold listig, während er unter dem Hahn des Kaffeekessels eine Tasse füllte, »denn wenn de Vries nicht da ist, muss ich jedes Mal in die Pförtnerloge, wenn es schellt.«

»So oft schellt es doch nicht?« Außerdem war de Vries immer da.

»Sie würden sich wundern, wenn Sie das machen müssten.«

Maarten reagierte nicht darauf. Er wandte sich ab, blickte sich im Raum um und sah Gert dort sitzen. »Mijnheer!«, sagte er, während er neben ihm Platz nahm.

Gert musste gewaltig darüber lachen.

Maarten rührte lächelnd in seinem Kaffee. »Wie geht’s?«

»Ich glaube, ganz gut.«

»Ich meine: mit der Arbeit.«

Er musste erneut lachen. »Ja, das meine ich auch.«

»Dann meinen wir beide dasselbe«, sagte Maarten zufrieden.

»Ich hatte dich gerade anrufen wollen, aber ich habe deinen Mantel hängen sehen. Du bist also wieder gesund?«

»Ich bin wieder gesund.« Er sah Gert von der Seite an. »Weshalb hattest du mich anrufen wollen?«

»Ich habe eine Einladung bekommen«, er zögerte einen Moment, »auf einem Symposium über den Karneval zu sprechen.« Er lachte verlegen. An seinem Gesicht war zu erkennen, dass er es sehr interessant, aber auch wiederum komisch fand.

»Na bitte! Das ist schon verdammt ehrenvoll!«

»Das habe ich mir auch gedacht«, sagte Gert lachend.

»Von wem hast du die bekommen?«

»Vom Vorsitzenden des Karnevalsvereins in Den Bosch, den ich um Informationen gebeten hatte. Professor Zijderveld ist ebenfalls eingeladen.«

»Und wann ist es?«

»In zwei Monaten.«

»Ist das nicht etwas sehr früh?«

»Wenn ich sofort damit anfange?«

Maarten dachte nach. Gert war jemand, der sich selbst überholte. Er verlor auch rasch das Interesse, wenn er nicht ständig aufs Neue angespornt wurde. Das Gegenteil von Sien.

»Ich finde es eigentlich unheimlich interessant«, plädierte Gert, als erriete er Maartens Gedanken.

»Ich möchte erst mal diesen Brief sehen.«

»Soll ich ihn holen?« Er stand bereits.

»Nein, das kannst du gleich noch machen. Ich bin nachher auch noch da.« Es lag ein leichter Spott in seiner Stimme.

»Ja, natürlich.« Er setzte sich eilig wieder hin.

Maarten trank seine Tasse aus. »Das Hauptbüro hat uns eine BAP-Stelle zugewiesen«, sagte er, halb zu sich selbst, während er seine Tasse wieder vor sich auf den niedrigen Tisch stellte, »gleichzeitig mit dem Krebsinstitut.«

»Junge, Junge!«

»Ja, das ist nicht schlecht«, sagte Maarten ironisch. »Weißt du, was das ist?«

»Ja, ja klar«, sagte Gert hastig. »Ist das nicht eine befristete Anstellung?«

Maarten nickte. »Richtig. Balk hat mich gefragt, ob wir sie haben wollen.«

»Aber das ist doch sehr schön!«

»Kannst du jemanden gebrauchen?« Er sah ihn nun direkt an.

Das Angebot verschlug ihm die Sprache. Sein Gesicht drückte die allergrößte Verwunderung aus.

»Einen Anthropologen beispielsweise?«

»Das wäre toll!«, sagte Gert begeistert.

»Was könntest du so jemanden machen lassen?«

»Oh, alles Mögliche!«

»Ich hatte gedacht, dass er vielleicht eine Reihe von Karnevalsvereinen abklappern könnte, um Interviews abzunehmen.«

»Oh, toll! Natürlich! Das wäre wunderbar!«

»Damit wäre dir also geholfen?« Er sah ihn prüfend an.

»Oh, sicher!«

»Dann werde ich erst einmal Alblas fragen, ob er jemanden für uns weiß.« Er nahm seine Tasse und stand auf. »Du bringst mir also den Brief?«

Er stellte seine Tasse auf den Tresen, griff zur Post und stieg hinauf zu seinem Zimmer. »Gert findet es toll«, meldete er, als er den Raum betrat.

»Das dachte ich mir schon«, sagte Ad.

»Ich rufe erst einmal Alblas an.« Er nahm an seinem Schreibtisch Platz, zog das Telefon zu sich heran, stellte es oben auf einen Stapel Mappen, die unter dem Gewicht des Apparats zur Seite glitten, suchte unter dem Chaos sein Notizbuch und schlug die Liste mit den Adressen auf. Während er die Nummer des Instituts von Alblas wählte, kam Gert mit dem Brief aus dem Besucherraum. »Hier ist der Brief«, sagte er gedämpft. Maarten nickte und streckte die Hand aus.

»Hier ist das Anthropologische Institut«, sagte eine Frauenstimme.

»Sie sprechen mit Koning.« Er zog den Brief zu sich heran. »Ich würde gern Herrn Alblas sprechen.«

»Jacobo?«

»Ja, Jacobo.« Soweit er wusste, gab es dort nur einen Alblas.

»Ich werde mal schauen, ob er da ist.«

»Gern.« Natürlich war er da. Warum sollte er nicht da sein? Tagsüber war man doch in seinem Institut? – Er sah sich den Brief an: »Sehr geehrter Herr Wiggelaar«.

»Er ist nicht in seinem Zimmer«, sagte dieselbe Stimme, »aber ich sehe mal nach, ob er vielleicht woanders ist.«

Während es im Hörer ein paarmal hintereinander klickte, las er den Brief, bis er dabei von der Stimme Alblas’ unterbrochen wurde: »Jacobo hier.«

»Maarten Koning hier.«

»Hey! Hi!« Es klang erfreut.

»Ich störe dich nicht?«

»Nein, gar nicht.«

»Ich habe eine Frage. Wir haben eine BAP-Stelle bekommen. Ich suche dafür einen Anthropologen, der Interviews bei Karnevalsvereinen führen kann. Kennst du zufällig so einen, den du mir auch empfehlen kannst?«

Es war einen Moment still. »Jesus.«

»Ich hatte gedacht, dass es ziemlich viel Arbeitslosigkeit unter Anthropologen geben würde?«

»Yes, Sir! Aber über die heutigen Anthropologen weiß ich eigentlich nichts. Ich bin out.«

»Ja, wir werden alt«, pflichtete ihm Maarten bei.

Es entstand erneut eine Pause.

»Oh, I see, you missed the point. I meant out!«

Maarten lachte. »Tut mir leid. Ich hatte glatt vergessen, dass du noch jung bist. Ich werde alt, aber ich gebe dann eine Anzeige auf.«

»Wenn mir noch ein Name einfällt, ruf ich dich an«, versprach Alblas herzlich.

»Gern. Und ansonsten: Auf Wiederhören.« Er legte auf. »Alblas ist out«, berichtete er. »Er hat keinen Anthropologen für uns. Wir werden also eine Anzeige aufgeben müssen.«

»Ich habe das nicht ganz mitgekriegt«, sagte Bart zaghaft, »aber du könntest es vielleicht auch noch bei Boks probieren?«

»Das könnte ich.« Er hielt wenig davon.

»Weil so eine Person, wenn ich es recht verstanden habe, auch Karnevalsvereine besuchen soll.«

»Du meinst, dass er wahrscheinlich schon da wohnt, wenn es ein Student von Boks ist.«

»Und dass er wahrscheinlich auch noch katholisch erzogen worden ist.«

Es waren starke Argumente, aber sie sprachen ihn nicht an. »Ich muss mal darüber nachdenken«, wehrte er ab.

»Das musst natürlich du entscheiden.«

»Was hältst du davon, Ad?«, fragte Maarten und stand auf.

»Was?«, fragte Ad. Er sah auf. »Ich habe gerade nicht zugehört.«

»Soll ich Boks auch fragen?«

»Das könntest du machen«, sagte Ad gleichgültig. »Er wird demnächst natürlich auch Mitglied der neuen Kommission.«

»Ich werde ihn fragen«, entschied Maarten, »aber ich gehe erst zu Gert.« Er ging mit dem Brief in der Hand durch die Verbindungstür zum Besucherraum.

Gert sah von seiner Arbeit auf.

»Schreib ruhig, dass du es machst«, sagte Maarten und überreichte ihm den Brief. »Ich finde es in Ordnung.«

»Ja?«, fragte Gert ungläubig. Er begann zu strahlen. »Toll!«

»Aber unter einer Bedingung!«

»Ja?« Es machte ihn unsicher.

»Ich will dabei sein, wenn du den Vortrag hältst!« Er lachte gemein.

»Na, dann muss ich noch mal darüber nachdenken«, sagte Gert verschüchtert, »denn ich weiß nicht, ob ich mich dann überhaupt traue.«

»Denk noch mal darüber nach«, sagte Maarten schmunzelnd, »aber mach es, denn es scheint mir gut für dein Selbstvertrauen zu sein.«

»Ich hatte nun gerade gedacht, dass du finden würdest, ich hätte viel zu viel Selbstvertrauen.«

»Und viel zu wenig«, sagte Maarten kryptisch. Er wandte sich ab und ging zurück zu seinem Schreibtisch, zufrieden mit seiner Güte.

»Hast du vielleicht kurz Zeit, mit mir zu reden?«, fragte Bart schüchtern. »Jetzt, wo Ad noch nicht da ist?«

»Ja, natürlich«, sagte Maarten und sah auf. Er war gerade von seiner Mittagspause zurück und hatte mit dem Aufsatz von Vovelle und der Zusammenfassung von Sien angefangen. »Wo? Am Tisch?«

»Wenn das geht?«

Maarten stand auf.

»Ich störe dich doch nicht bei der Arbeit? Denn dann können wir auch ein andermal reden.«

»Du störst mich nie.«

Sie setzten sich an den Tisch, Maarten ans kurze Ende, Bart einen Stuhl weiter, aber an der langen Seite.

»Schieß los.«