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Davis J. Harbord

Das Thule des Wikingers

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

1.

Es war schon ein Witz, was sich Old Donegal Daniel O’Flynn an diesem Vormittag des 17. April 1593 mal wieder geleistet hatte – und das, ohne daß er vorher ein Kribbeln in seinem Holzbein gespürt hatte, was sonst meistens seinen düsteren Prophezeiungen vorauszugehen pflegte.

Der Himmel war heiter, und ebenso aus heiterem Himmel heraus hatte Old Donegal den Arm in die Luft gestoßen und düster verkündet, er sähe Sturmzeichen am Horizont aufziehen – dräuende Wolken, wie er sich ausdrückte, die gleich schwarzen Rössern des Unheils dahinjagten, und auf denen Nachtreiter säßen!

Und da war Hasard der Kragen geplatzt. Er hatte nach dem Kutscher gebrüllt, damit der sich um „Mister O’Flynn“ kümmere, weil der am Überschnappen sei. Und als Medizin hatte er dem Kutscher empfohlen, dem Alten eine Vollnarkose zu verpassen – mit dem Holzhammer, mit dem er sonst das Fleisch weichklopfe.

Es gab ja gewisse Gemüter an Bord – Smoky gehörte zu ihnen –, bei denen Old Donegals Spinnereien auf fruchtbaren Boden fielen. Je schauriger die Zukunftsdeutungen, desto wohliger war das Gruseln bei diesen gewissen Gemütern.

Da war Hasards Vorschlag mit dem Holzhammer zwar drastisch, jedoch auch bestens geeignet, einerseits Old Donegal Vierkant zu bremsen und andererseits den Lachmuskeln der Arwenacks einen kräftigen Anreiz zu geben.

Beides klappte hervorragend.

Old O’Flynn brachte keinen Piep mehr heraus und schnitt eine Miene, als habe er eine Qualle in einem Stück verschluckt, und die Arwenacks ließen Lachsalven über die Decks der „Isabella IX.“ dröhnen.

Der einzige, der nicht mitlachte und vermutlich zur Zeit den Eindruck haben mußte, unter die Irren gefallen zu sein, war ein Mann namens Ase Thorgeyr, ein blondmähniger, einäugiger Riese, der es in der letzten Nacht geschafft hatte, sich in Stavanger heimlich als blinder Passagier an Bord der „Isabella“ zu schleichen und unter der Jollenpersenning zu verstecken. Dort hatte ihn vor knapp einer Viertelstunde Plymmie, die Bordhündin, „erschnüffelt“ und erneut bewiesen, daß sie mit einer hervorragenden Nase ausgestattet war.

Dieser Riese Ase Thorgeyr war ein besonderes Kaliber, zumal er bereits mit Ed Carberry aneinandergeraten war. In einem wüsten Schlagabtausch hatten sie ausprobiert, wessen Fäuste die härteren wären. Nun, sie schienen gleichwertige Kämpfer zu sein, und das wollte bei Carberry etwas heißen.

Mit blinden Passagieren ist das so eine Sache. Sie sind Fremdlinge, und das um so mehr, je enger die Gemeinschaft einer Crew ist. Der Entdeckung durch Plymmie war der fürchterliche Schlagabtausch mit Carberry gefolgt, bei dem sich die beiden Kämpfer regelrecht ineinander verkrallt hatten. Erst Hasard hatte die beiden Kampfhähne voneinander getrennt.

Da hatten die Seewölfe noch nicht gewußt, wer dieser einäugige Riese war. Aber sie hatten entschieden, ihn mit nach Island – ihrem jetzigen Ziel – zu nehmen, statt nach Stavanger zurückzusegeln oder den Mann auf den Shetland-Inseln oder den Färöern auszusetzen. Diese Entscheidung entsprach ihrer ehrlichen Achtung, die sie für einen echten Kämpfer empfanden. Der Mann hatte auch Carberry spontan die Hand zur Versöhnung hingehalten, eine Geste, die für sich sprach, dafür hatten die Seewölfe ein Gespür.

Soweit war das alles in Ordnung.

Daß es sich bei dem Riesen aber um den verschollenen Bruder der Gotlinde Thorgeyr handelte, hatte den Seewölfen nun doch die Sprache verschlagen – bis auf Old O’Flynn, der wohl meinte, die Anwesenheit dieses Mannes an Bord der „Isabella“ mit „dräuenden Wolken“ vergleichen zu müssen, ganz abgesehen von den „schwarzen Rössern des Unheils“, auf denen „Nachtreiter“ säßen.

Gotlinde Thorgeyr!

Wegen dieser Frau segelten die Seewölfe und in ihrer Begleitung die Mannen Arne von Manteuffels auf der „Wappen von Kolberg“ nach Island, wo Unvorstellbares geschehen war, wie die Seewölfe von Eike und dem Boston-Mann erfahren hatten.

Thorfin Njal, der Wikinger und Kapitän des Viermasters „Eiliger Drache über den Wassern“, hatte zwar sein Traumziel Thule nicht gefunden, dafür aber jene Frau namens Gotlinde Thorgeyr, Herrscherin über den Thorgeyr-Hof und den Isa-Fjord an der Nordwestküste Islands. Bei dieser Frau war er vor Anker gegangen, und zwar für immer, wie er seinen Mannen verkündet hatte. Er wollte seine Gotlinde heiraten und für immer in Island auf dem Thorgeyr-Hof bleiben. Bei seiner Crew allerdings war er auf Unverständnis und schroffe Ablehnung gestoßen, als er verkündet hatte, seine Mannen sollten gleich ihm auf Island bleiben und am Isa-Fjord siedeln. Daß sie mit ihm und seiner Gotlinde auch noch gegen neidische Nachbarn kämpfen sollten, hatte allem die Krone aufgesetzt, aber dazu auch sein Wille, „Eiliger Drache über den Wassern“ in seinem Besitz zu behalten.

Der andere Eigner dieses legendenumwobenen Viermasters war Siri-Tong, die Rote Korsarin. Diese Tatsache war für Hasard Motivation genug, dem Hilferuf der Crew, den ihm Eike und der Boston-Mann überbracht hatten, zu folgen. Sollte der Wikinger ruhig mit seiner Gotlinde glücklich werden – das war seine Privatangelegenheit. Aber er hatte nicht das Recht, seine Männer zu zwingen, auf Island zu bleiben. Und er hatte nicht das Recht, Siri-Tongs Anteil an dem Viermaster für sich zu vereinnahmen.

Das war – hol’s der Teufel – ein ziemlich dicker Hund, den er sich da leistete.

Darum also segelten sie nach Island, und es konnte durchaus sein, daß Hasard dort auf einen sehr grimmigen und total vernagelten Thorfin Njal stieß, dem er in taube Ohren predigen würde, wenn er ihm vorhielt, ziemlich selbstherrlich mit der Crew und dem Miteigentum Siri-Tongs umzuspringen. So ging das ja nun wirklich nicht. Für Hasard war es das typische Zeichen, wie blind Männer werden konnten, wenn sie in Liebe entflammt waren.

Und nun stand hier auf der Kuhl der „Isabella“ ein blinder Passagier namens Ase Thorgeyr, Bruder der Gotlinde Thorgeyr vom Isa-Fjord, und Hasard war im Gegensatz zu Old O’Flynn fast geneigt, an Wunder zu glauben – nicht an „dräuende Wolken“.

Denn blitzartig war ihm etwas klargeworden: Dieser Mann war ein Geschenk, das er für seine Mission gar nicht hoch genug einschätzen konnte. Im Kartenspiel nannte man das einen Joker – eine Trumpfkarte, die man auf den Tisch knallen konnte, um das Spiel zu gewinnen.

Von diesen Zusammenhängen wußte der Riese natürlich nichts, und darum war er auch so verwundert über die Reaktionen der Männer, die ihn umstanden.

Hasard ließ ihn nicht lange im unklaren, nachdem das Gelächter verebbt war.

Durch Stenmark ließ er dem Riesen sagen, daß er sich kein besseres Schiff für die Reise nach Island hätte aussuchen können, denn sie hätten die Absicht, den Isa-Fjord anzulaufen.

Jetzt war es an dem Riesen, verdutzt dreinzuschauen. Offenbar glaubte er, sich verhört zu haben. Auf seine Frage wiederholte Stenmark, daß sie tatsächlich den Isa-Fjord ansteuern wollten, insbesondere den Ort Isafjord, wo ja der Hof der Thorgeyrs läge.

Das haute den blondmähnigen Riesen nun doch um, und sofort wurde sein hartes Gesicht mit dem gekerbten eckigen Kinn mißtrauisch. Das gleiche Mißtrauen funkelte in seinem gesunden, linken blauen Auge.

Und es klang wie ein Knurren, als er fragte: „Was wollt ihr da?“

Stenmark grinste ihn an. „Deine Schwester Gotlinde will einen Mann heiraten, den wir sehr gut kennen und bisher als Freund bezeichneten. Nur sind da einige Umstände, die uns bestimmten, nach Island zu segeln – nicht um die Hochzeit unseres Freundes zu verhindern, aber um einige Dinge klarzustellen, die mit seinem Schiff und seiner Mannschaft zusammenhängen. Unser Freund ist der Kapitän und Miteigner eines Viermasters. Jetzt beansprucht er dieses Schiff für sich und verlangt, seine Crew solle ebenfalls in Island bleiben und am Isa-Fjord siedeln, was die Crew aber ablehnte. Diese beiden Männer dort“, Stenmark deutete auf Eike und den Boston-Mann, „gehören zu der Crew und baten unseren Kapitän in dieser Sache um Hilfe.“

Eike, der diesem Dialog folgen konnte, nickte und sagte: „Ja, genauso ist es.“ Er grinste schief. „Außerdem scheint deine Schwester in Schwierigkeiten zu stecken, was ihre Nachbarn betrifft …“

„Etwa mit den Grettirs?“ unterbrach ihn der Riese erregt.

Eike zuckte mit den Schultern. „Das weiß ich doch nicht, Ase Thorgeyr. Ehrlich gesagt, uns interessiert auch nicht, wer wen im Isa-Fjord befehdet, das ist nicht unsere Sache. Unser Kapitän war auf der Suche nach Thule, und da haben wir hinter ihm gestanden. Aber Island und der Isa-Fjord können uns gestohlen bleiben, das ist nicht unser Bier. Wir wollen zurück in die Karibik, wo wir Freie sind – keine Hofknechte einer Gotlinde Thorgeyr, damit du klar siehst.“

„Wie heißt euer Kapitän?“ fragte der Riese aufmerksam.

„Thorfin Njal“, erwiderte Eike. „Man nennt ihn auch den Wikinger.“

Der Riese starrte ihn perplex an. „Etwa jener Wikinger, der auf einem Schiff fährt, das man den Schwarzen Segler nennt?“

„Genau der!“ platzte Eike heraus, jetzt ebenfalls verblüfft. „Kennst du ihn?“

Unter den Arwenacks ging das Gemurmel um, denn Stenmark hatte alles mitübersetzt. Diese Geschichte schien immer verrückter zu werden.

„Kennen wäre zuviel gesagt“, erwiderte der Riese, „aber ich habe viel über ihn gehört, denn ich war auch unten in der Karibik.“ Er lachte grimmig. „Mein rechtes Auge muß da irgendwo herumschwimmen. Fast ein Jahr lag ich auf Leben und Tod und da wurde mir klar, daß es an der Zeit wäre, nach Island zurückzukehren, um mich um den Hof zu kümmern. Ein spanischer Handelssegler nahm mich mit nach Sevilla. Von dort zog ich nordwärts, teils mit Küstenseglern, teils zu Fuß – bis ich über Frankreich und Holland in Stavanger landete. Wer segelt schon nach Island!“ Er ruckte plötzlich zu Stenmark herum, als sei ihm etwas eingefallen. Und er fragte: „Seid ihr etwa jene Männer, die man die Seewölfe nennt?“

„Stimmt“, sagte Stenmark.

Ein Lächeln huschte über das harte Gesicht des Riesen. „Da bin ich ja auf einem feinen Schiff gelandet. Schade, daß wir uns nicht früher kennengelernt haben.“

Stenmark lächelte zurück. „Richtig, das ist ein feines Schiff, wahrscheinlich das feinste, auf dem wir je gesegelt sind. Es ist unser neuntes. Aber genug davon. Du willst also den Thorgeyr-Hof übernehmen, wenn ich das richtig verstanden habe?“

Der Riese nickte. „Das habe ich vor. Auf den Hof gehört ein Mann.“

Hasard schaltete sich ein, nachdem Stenmark gedolmetscht hatte. Er sagte: „Das sehe ich auch so, auf den Hof gehört ein Mann – nur sitzt jetzt bereits Thorfin Njal dort und hält sich wahrscheinlich für den Herren. Frag Ase Thorgeyr, was er darüber denkt, Sten!“

Grimmig erklärte der Riese, nachdem Stenmark ihn gefragt hatte: „Thorfin Njal muß verschwinden, da gibt’s überhaupt nichts. Da meine beiden älteren Brüder in einer Fehde gefallen sind, bin ich jetzt der rechtmäßige Erbe und Herr im Isa-Fjord. Daran ist nicht zu deuteln.“

Vorsichtig sagte Hasard: „Da könnte Gotlinde Thorgeyr anderer Ansicht sein, zumal Ase Thorgeyr seit vier Jahren verschollen war und sie annehmen mußte, daß er nicht mehr lebt. Als geborene Thorgeyr und einzige Überlebende der Sippe hat sie den Hof seit vier Jahren geführt und sich ein Anrecht auf den Besitz erworben. Und der Mann an ihrer Seite, Thorfin Njal, könnte dieses Anrecht jetzt verteidigen. Ich sage: könnte, denn das sind ja Spekulationen, aber wir müssen auch mit einer solchen Tatsache rechnen. Was meint Ase dazu?“

Die Miene des Riesen wurde noch grimmiger, als er Hasards Einwand hörte.

„Nichts da“, erwiderte er. „Nach altem norwegischem Recht erbt der älteste Sohn den Besitz. Stirbt er, ist der nächste an der Reihe – und so fort. Erst der Tod der Söhne räumt den Schwestern das Recht ein, den Besitz zu übernehmen. Und bei ihnen gilt die gleiche Reihenfolge wie bei den Brüdern. Sollte Gotlinde dieses Recht ignorieren oder nicht mehr anerkennen, werde ich sie und ihren Mann befehden und davonjagen!“

Hasard seufzte. Dieser Nordmann sah ganz so aus, um das, was er sagte, in die Tat umzusetzen.

„Geht das bis zum Totschlag?“ fragte er.

„Ja, auch das“, übersetzte Stenmark und fügte etwas leiser hinzu: „Bei uns in Schweden ist das ähnlich, Sir. Das sind dann die sogenannten Familienfehden.“

„In denen sich eine Sippe selbst ausrottet, wie?“ fragte Hasard erbittert.

„So kann es sein“, sagte Stenmark verhalten. Er zuckte mit den breiten Schultern. „Die Leute aus dem Norden sind eben so, und ich schätze, daß jene, die nach Island auswanderten, noch verbissener an diesen alten Rechten festhalten. Du siehst es an diesem Brocken hier vor uns, Sir. Der gehört zu dieser Sorte, die keinen Schritt von den alten Gesetzen abweicht, auch wenn es um Tod und Leben geht, wobei der Tod diese Kerle überhaupt nicht schreckt. Das war schon bei den Wikingern so, wie du weißt.“

Hasard fluchte vor sich hin, und der Riese fragte Stenmark, warum sein Kapitän so wütend sei.

„Was für eine Frage, Ase Thorgeyr!“ schnaubte Stenmark. „Unser Kapitän – und übrigens wir alle haben etwas dagegen, wenn man sich in einer Familie gegenseitig an die Gurgel geht und einer den anderen abmurkst – der Bruder die Schwester, deren Mann den Bruder und so weiter und so fort …“ Ase Thorgeyr wollte auffahren, aber Stenmark bölkte ihn an: „Halt’s Maul, jetzt rede ich, verstanden? Ohne daß ich jetzt unseren Kapitän zu fragen brauche, weiß ich bereits, was er tun wird: nämlich verhindern, dich auf deine Schwester loszulassen! Und noch etwas, mein Freund: Da treibst du dich vier Jahre irgendwo herum, und weil dir ein Auge ausgeschlagen wurde, besinnst du dich auf einmal, daß du dich um den Hof der Thorgeyrs kümmern müßtest. In den ganzen vier Jahren hast du das nicht getan und vorher offenbar auch nicht. Und jetzt tauchst du plötzlich auf und verlangst, daß deine Schwester zu verschwinden hätte, weil dir laut altem norwegischem Recht der Hof zustehe. Dieses Recht hast du nach meiner Auffassung in diesen vier Jahren längst verspielt, auch wenn du – wie du sagst – ein Jahr auf der Schnauze gelegen hast. Nein, Ase Thorgeyr, so einfach ist das nicht, und wenn ich deine Schwester wäre, dann würde ich dich zum Teufel schicken!“

Jetzt hatte Eike mitübersetzt, und Hasard war das Fluchen vergangen, als er seinen Stenmark loslegen hörte.

„Gut, Sten, sehr gut“, sagte er, „gib’s diesem Ochsen zwischen die Hörner. Du hast mir aus der Seele gesprochen. Und jetzt teil ihm auch gleich mit, daß ich ihn in Ketten legen werde, wenn er im Isa-Fjord den wilden Mann spielen will. Sag ihm, so hätten wir nicht gewettet, und wir würden verhindern, daß es zu Mord und Totschlag kommt. Ah, und noch etwas: Sag ihm, er habe sich unseren Gesetzen zu beugen, solange er sich an Bord der ‚Isabella‘ befände, wobei ich mir das Recht herausnehmen werde, ihn hier solange schmoren zu lassen, bis er sich abgekühlt hat und einverstanden erklärt, mich als neutralen Vermittler in dieser verdammten Angelegenheit zu akzeptieren.“

Der Riese, der nach Stenmarks harten Worten zunächst hatte aufbrausen wollen, dann aber geschwiegen und weiter zugehört hatte, vernahm jetzt genauso schweigsam das, was ihm der Kapitän androhte. Das waren schon ziemliche Brocken, die er da zu verdauen hatte. So hart und kompromißlos hatte bisher kaum jemand gewagt, mit ihm zu sprechen. Andererseits spürte der Riese, daß ihm auf diesem Schiff Persönlichkeiten gegenüberstanden, das war eine ausgesuchte Mannschaft von eisenharten Kerlen, solchen, wie sie ihm bisher nur vereinzelt begegnet waren. Die wußten, was sie wollten. Und sie redeten nicht lange um den heißen Brei herum, sondern sagten klipp und klar und frei heraus ihre Meinung.

Ja, da war wohl was Wahres an dem, was sie sagten und wie sie es sagten. Sie urteilten sachlich und hielten ihm vor, sich um nichts gekümmert zu haben. In diesen letzten vier Jahren hatte Gotlinde den Hof bewirtschaftet, allein, ohne Mann – und sie hatte den Besitz der Thorgeyr-Sippe gewahrt. Sie war nicht davongelaufen oder hatte – wie er – erklärt, sich die Welt anschauen zu müssen.

Nachdenklich nickte der Riese und sagte mit seiner tiefen Stimme: „In Ordnung, ich bin einverstanden, daß der Kapitän in dieser Sache vermittelt. Ich – ich beuge mich seinem Rat.“

Hasard atmete auf, als er von Stenmark die Worte Ase Thorgeyrs hörte. Offenbar war dieser Turm von Mann doch kein sturer Ochse, dem es um das altnordische Recht ging, um die Fehde und das zu Unheil führende Prinzip der Blutrache.

Lächelnd nickte er dem Riesen zu. „Gut, Ase Thorgeyr, sehr gut. Ich verspreche dir, gerecht und sachlich zu vermitteln, wenn es soweit ist. Ich werde versuchen, daß wir zu einer friedlichen Regelung gelangen, alles andere wäre ungut und würde niemanden glücklich werden lassen. Nun, wir werden sehen. Ich schätze, daß wir mit deiner Rückkehr nach Island einen guten Trumpf in den Händen haben. Wir werden ihn auszuspielen wissen.“

Die Männer grinsten. Sie kannten ja ihren Kapitän, der schien schon wieder einen Kurs abgesteckt zu haben, der zum Ziel führte.

Nur Old O’Flynn murmelte: „Wehe, wehe …“ Er verstummte, weil ihn Plymmie ankläffte, was sie noch nie getan hatte. Aber vielleicht fühlte sie sich durch den Tonfall seiner Wehe-Verkündung gereizt und wußte nicht anders zu reagieren.

Und erbittert erklärte der Alte: „Sogar die Hunde werden schon gegen mich aufgehetzt!“

„Ich seh nur einen Hund“, sagte Ferris Tucker. „Oder sprichst du von Geisterhunden, Mister O’Flynn, die uns gewöhnlichen Sterblichen nicht die Ehre geben, sichtbar zu werden?“ Er grinste Old Donegal freundlich an. „Ich hab auch nicht gesehen, daß hier jemand die gute Plymmie gegen dich aufhetzt. Du bist also mal wieder herrlich am Spinnen, mein Alter. Kribbelt’s im Holzbeinchen? Sind die Holzwürmerchen bei der Arbeit?“