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Liebe rockt!

Band 4:
Herzlava

von Michaela Santowski

Die Serie „Liebe rockt!“ erzählt die Geschichte von Karina, die es liebt, wenn ihr Leben klar, logisch und strukturiert verläuft. Sie ist eine prima Schülerin und wird deshalb von Nele, der Schuldiva, gemobbt. Und obwohl sie sich zunächst nicht für Jungs interessiert, lässt sie sich auf eine – zum Schluss enttäuschende – Beziehung ein. Als auch die zweite Beziehung ein unliebsames Ende findet, erkennt Karina, dass man sich selber am besten schützen kann, indem man keinerlei Gefühle zulässt und wandelt sich immer mehr vom strebsamen Mauerblümchen zum männerverschlingenden Vamp. Doch kann sie ihre mühsam aufgebaute Fassade bis in alle Ewigkeiten aufrechterhalten oder beginnt sie schon beim nächsten Mann zu bröckeln?

Band 4: Herzlava: Gerade als Karina und Dennis beschlossen habe, den nächsten Schritt zu wagen und sich eine gemeinsame Wohnung zu suchen, tritt Jonas wieder in ihr Leben. Auf die Gefühle, die er in Karina auslöst, ist sie nicht vorbereitet. Doch ist sie bereit, eine gut funktionierende Beziehung, die zwar weder Höhen aber eben auch keine Tiefen kennt, aufzugeben, für jemanden, der ihr das Herz schon einmal bei lebendigem Leibe aus der Brust gerissen hat?

Die Autorin

Michaela Santowski, geb.1972, lebt mit ihrer Familie im Taunus. Ursprünglich stammt sie aus der Gegend um Hannover. Nach dem Abitur machte sie eine Lehre zur Hotelfachfrau in einem renommierten Hotel in Hannover. Im Jahr 2000 absolvierte sie einen zwei Jahre dauernden Fernlehrgang in Belletristik an der Axel Anderson Akademie in Hamburg. Aufgrund ihres Jobs als Flugbegleiterin zog sie 1998 nach Frankfurt. Sie hat bereits fünf Romane in Eigenregie veröffentlicht.

Ihr Motto: Man sollte immer über das schreiben, was man selber erlebt hat. Und wenn es nur ein ganz kleines Detail ist, das sich als roter Faden durch ein Buch ziehen kann. Nähere Infos: www.michaela-santowski.de

Copyright © 2017 mainbook Verlag, Gerd Fischer

Lektorat: Gerd Fischer

Besuchen Sie uns im Internet: www.mainbook.de

Zitierte Songs im Text:

Sunrise Avenue Somebody Help me

James Bay Hold back the River

Kid Rock When it rains

Train Drops of Jupiter

Ed Sheeran Thinking out loud

Bon Jovi In these arms

Disturbed Sound of Silence

Kid Rock Picture

Bon Jovi Bed of Roses

Für meine Freundinnen

Shit, was wäre das Leben langweilig ohne euch!

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

1

Karina streckte sich und verließ nur wiederwillig das warme Bett. Aber sie hatte eine frühe Vorlesung. Leise, um Dennis nicht zu wecken, öffnete sie die Zimmertür und schlich sich hinaus. Dankbar stellte sie fest, dass Anja, ihre Freundin und Mitbewohnerin, bereits Kaffee gekocht hatte. Sie goss sich einen Becher ein und griff gerade nach der Milch, als sie Anja hinter sich auflachen hörte.

„Was ist so witzig?“, fragte Karina und drehte sich um.

„Deine Haare“, prustete Anja. „Du siehst aus, als hättest du in eine Steckdose gefasst.“

Karina warf einen Blick auf die Backofentür, in der sich ihr Gesicht spiegelte. Die langen blonden Haare standen ihr wild vom Kopf ab und sahen tatsächlich aus, als wären sie einer Explosion in nächster Nähe ausgesetzt gewesen. Als sie daran dachte, was Dennis und sie gestern Abend angestellt hatten, lächelte sie in sich hinein. Kein Wunder, dass sie aussah, wie sie aussah. Dann musste sie eben noch schnell Haare waschen. Kämmen war definitiv keine Option.

Amüsiert rümpfte Anja die Nase. „Ihr wart ja nicht zu überhören.“

„Anja!“ Karina wurde rot.

„Wie süß“, kommentierte Anja. „Früher hättest du nur mit den Schultern gezuckt und mir vielleicht noch gesagt, was genau ihr angestellt habt.“

„Niemals!“, empörte sich Karina.

„Lass dich doch nicht ärgern, Schatz“, ließ sich Dennis vernehmen, der unbemerkt hinter Karina getreten war. Er umarmte sie von hinten, legte seinen Kopf auf ihre Schulter und gab ihr einen Kuss auf die Wange. „Du siehst toll aus. Anja ist nur neidisch, weil sie alleine schlafen muss.“

„Du hast es erfasst, Sunnyboy!“ Anja wuschelte durch Dennis‘ kurze, blonde Haare. „Das klang nach viel Spaß gestern.“

Während Dennis grinste, versuchte Karina vom Thema abzulenken. „Ich muss gleich los.“ Sie befreite sich sanft aus Dennis´ Umarmung und ging Richtung Badezimmer.

„Oh“, sagte Anja bedauernd. „Kein gemeinsames Duschen mehr. Tut mir echt leid für dich, Dennis.“

„Du kannst mir ja den Rücken waschen“, entgegnete er mit einem anzüglichen Grinsen.

So sehr Karina es auch schätzte, dass sich die beiden wichtigsten Menschen in ihrem Leben so gut verstanden, hatte sie es jetzt doch eilig. „Anja“, machte sie sich bemerkbar, ehe diese noch auf den Kommentar eingehen konnte. „Ich habe morgen ein Shooting und schaffe es nicht mehr, mir mein Make-Up zu besorgen. Du gehst doch eh einkaufen. Bringst du mir das bitte mit?“

Dennis hörte nicht mehr hin. Das Make-Up, das seine Freundin für eines ihrer diversen Shootings, mit denen die beiden ihr Studium finanzierten, benötigte, interessierte ihn nicht. Aber dass Anja einkaufen ging, passte ihm gut. Karina und er waren auf der Suche nach einer gemeinsamen Wohnung. Sie waren jetzt über zwei Jahre zusammen und endlich hatte er Karina überzeugen können, den nächsten Schritt zu gehen. Anja würde ihm bestimmt eine Zeitung mit Wohnungsanzeigen mitbringen. Dann konnte er direkt zur Arbeit fahren. Er schraubte seit nun mehr einer Woche an einem verdammt komplizierten Auto herum. Gestern, kurz bevor er Feierabend gemacht hatte, meinte er, endlich den Fehler gefunden zu haben. Deswegen wollte er so früh wie möglich los.

„Erde an Dennis“, holte ihn Karinas Stimme zurück.

„Hm?“ Er schaute auf.

„Ich habe dich gefragt, ob du dich um die Zeitung kümmern kannst. Ich schaff das heute nicht.“

„Klar.“

„Danke!“ Sie gab ihm noch einen Kuss und verschwand im Bad.

Dennis grinste Anja an.

„Was?“, fragte diese, obwohl sie genau wusste, was jetzt kam.

„Bitte“, flehte Dennis, der ebenfalls wusste, dass Anja ihn verstanden hatte.

Sie seufzte. „Na gut. Obwohl ich Karinas Auszug eher blockieren als unterstützen sollte.“ Es war nicht so, dass sie Dennis nicht mochte oder Angst hatte, alleine zu sein. Es war eher so, dass sie Dennis zu sehr mochte. Er liebte Karina mit jeder Faser seines Körpers. Doch Anja wusste genau, dass Karina diese tiefe Liebe nicht in der gleichen Art und Weise erwiderte. Karina war in Dennis verliebt, daran gab es keinen Zweifel. Aber Liebe war das nicht. Diese empfand Karina Anjas Meinung nach immer noch für Jonas. Jonas, der mit ihr geschlafen und dann das Land verlassen hatte. Da er wahrscheinlich aber nie wieder zurückkommen würde und Karina nicht ihr Leben lang alleine bleiben sollte, war Dennis nicht die schlechteste Lösung. Anja fand nur, dass Dennis es verdient hätte, genauso zurückgeliebt zu werden. Doch sie hütete sich, das zu äußern.

„Ich habe dir doch gesagt, dass fast jeder meiner Freunde gerne die Wohnung mit dir teilen würde“, vernahm sie Dennis´ Stimme, der annahm, Anja hätte nur keine Lust, alleine zu wohnen. Anja streckte ihm die Zunge raus. „Tolle Idee, einen dieser sabbernden Typen morgens an meinem Küchentisch vorzufinden.“

Dennis grinste. Seine Kumpel begrenzten Karina und Anja nur auf ihre Optik. Obwohl die beiden selbstverständlich absolut heiß aussahen, waren sie in erster Linie Studentinnen, die, sobald sie mit ihrem Studium fertig seien, in ihren jeweiligen Fachrichtungen arbeiten würden. Modeln war nur eine Nebenbeschäftigung. Trotzdem genoss Dennis den Neid seiner Kumpel.

Anja ließ sich erschöpft in den Fahrersitz sinken. Gott sei Dank war sie fertig mit den Einkäufen. Musste denn niemand mehr arbeiten? Jetzt war sie extra nach Limburg gefahren, um einzukaufen und dann war es bereits um zehn Uhr morgens vollkommen überfüllt. Na gut, sie war auch nach Limburg gefahren, um auf dem Rückweg noch bei ihren Eltern in Idstein vorbei zu schauen. Trotzdem hatte sie gedacht, es wäre leerer. Sie ließ den Motor an.

„Scheiße“, fluchte Anja und schlug wütend aufs Lenkrad, als ihr plötzlich einfiel, dass sie Karinas Make-Up vergessen hatte. Wenn sie nicht eines qualvollen Todes sterben wollte, sollte sie lieber nochmal schnell in die Drogerie laufen. Seufzend stieg sie wieder aus, verschloss das Auto und betrat den Laden. Da sie wusste, wo alles zu finden war, ging es relativ schnell. Als sie an der Kasse stand und gelangweilt aus dem Fenster sah, während sie wartete, dass die Kundin vor ihr endlich die richtige Geheimzahl eintippte, glaubte sie, ihren Augen nicht zu trauen. Das war doch Sam, der gerade in Richtung Einkaufspassage ging. Zwar waren seine Haare wesentlich kürzer als damals, aber sie war sich ziemlich sicher. Auch wenn es schon drei Jahren her war, dass sie ihn das letzte Mal gesehen hatte. Kurz vor dem Umzug nach Frankfurt, erinnerte sie sich. Sie beeilte sich, die Sachen zu bezahlen und rannte ihm hinterher. Ein paar Meter vor ihr entdeckte sie ihn schließlich. „Sam!“, rief sie.

Doch er schien sie nicht zu hören. Sie schob sich durch die Menge und rief noch einmal, diesmal etwas lauter. Endlich blieb er stehen und drehte sich suchend um. Keuchend kam sie vor ihm zum Stehen. „Ich sollte wirklich mehr Sport treiben“, stellte sie atemlos fest.

„Anja?“ Zweifelnd blickte er sie an.

Sie lächelte. „Schön, dass du mich noch erkannt hast. Alles andere wäre jetzt auch mega peinlich gewesen.“ Nicht eine Sekunde hatte sie darüber nachgedacht, dass genau das hätte passieren können. Sonst wäre sie ihm wahrscheinlich auch nicht hinterher gelaufen.

„Shit!“, stieß er hervor und starrte sie an. Er konnte kaum glauben, sie hier zu sehen. Ausgerechnet hier! An einem Mittwochvormittag. Gefühlte tausend Mal war er im EX gewesen, das damals quasi ihre Stammkneipe gewesen war, immer in der Hoffnung, Anja dort zu treffen. Doch anstatt in der Kneipe traf er sie jetzt beim Einkaufen. Was für eine Farce! Sein Blick glitt bewundernd an ihr entlang. Ihre dunklen Haare trug sie immer noch so kurz wie damals. Auch ihre Augen waren noch genauso geheimnisvoll und unergründlich, umrahmt von dichten, dunklen Wimpern. Im Gegensatz zu damals war sie diesmal allerdings kaum geschminkt. Früher hatte sie ihre braunen Augen mit dicken, schwarzen Strichen umrandet und ihre Lippen tiefdunkelblau geschminkt. Er hatte das total anziehend gefunden. Doch jetzt, wo man ihr Gesicht besser sehen konnte, war er völlig geplättet. Sie war eine unglaublich attraktive Frau geworden. „Großer Gott! Sieh dich an. Du bist eine Schönheit.“

Verlegen lächelte Anja und räusperte sich. „Äh, danke. Und wie geht es dir so?“

Sam lachte laut auf. „Small Talk ist nicht so deins, stimmt´s?“

„Du hast mich vorübergehend aus dem Konzept gebracht“, gestand sie.

„Und ich wette, das passiert dir nicht oft.“ Deutlich war er sich bewusst, dass Anja sich noch nie die Butter hatte vom Brot nehmen lassen.

„Nie“, erwiderte sie auch prompt.

„Komm!“ Er ergriff ihren Arm. „Ich lade dich auf einen Kaffee ein. Sozusagen als Wiedergutmachung.“

Während Anja einen Tisch suchte, besorgte Sam zwei große Café Latte.

„Wir haben uns ewig nicht gesehen“, stellte er fest und setzte sich ihr gegenüber.

„Drei Jahre“, warf sie ein. „Seit dem Abi.“

„Stimmt“, nickte er. „Und was machst du so?“ Obwohl er sie viel lieber gefragt hätte, warum sie einfach so den Kontakt abgebrochen hatte. Das hatte ihn tief getroffen damals. Wenn er ehrlich war, war er noch heute verletzt. Doch im Moment war er froh, sie überhaupt getroffen zu haben. Alles andere konnte warten.

„Ich studiere Soziologie.“

„Du hast dich total verändert“, stellte er fest und nahm einen Schluck aus seinem Becher.

„Wie meinst du das?“

„Nicht nur, dass du eine verdammt hübsche Frau geworden bist, du bist auch irgendwie erwachsener, wirkst offener. Liegt vielleicht daran, dass dein Gesicht nicht mehr von dunklen Farben beherrscht wird. Das macht dich weicher.“ Sam sah sie an. „Und jetzt halte ich besser den Mund, bevor ich noch mehr solchen Unsinn von mir gebe.“

Anja lächelte. „Ich fühle mich geschmeichelt.“

Verlegen strich Sam sich durch die kurzen Haare. Anja bemerkte seine Unsicherheit. „Ganz ruhig“, grinste sie. „Ich bin es nur!“

„Keine Ahnung, was mit mir los ist. Normalerweise bin ich nicht so …“

„Verwirrt“, half Anja aus.

„Das macht dir Spaß“, stellte Sam fest und zeigte das erste Mal wieder Anzeichen von Selbstsicherheit.

„Zugegeben. Das macht es. Ich habe noch nie einen Mann so durcheinander gebracht.“

„Erstens kann ich das kaum glauben und zweitens bin ich nicht durcheinander, sondern völlig geflasht, um es mit den Worten eines berühmten Musikerkollegen zu sagen.“

„Du hast in der Schule in der Band gespielt“, erinnerte sich Anja und überspielte das Kompliment. „Machst du noch Musik?“

„Selbstverständlich. Allerdings habe ich auch noch einen seriösen Job.“

„Lass mich raten: Du verkaufst Versicherungen.“

„Frech wie eh und je. Schön, dass du wenigstens in der Hinsicht die Alte geblieben bist.“

„Ich bin in jeder Hinsicht die Alte geblieben“, empörte sich Anja.

„Gut zu wissen. Da ich jetzt wieder in Idstein wohne, habe ich also die Chance, auf eine Runde nacktschwimmen mit dir“, forderte er sie heraus, in Erinnerung an die Nacht am See. Da war alles so einfach gewesen. Jedenfalls zwischen Anja und ihm.

„Ich wusste es“, scherzte Anja. „Du konntest mich einfach nicht vergessen, nachdem du mich einmal nackt gesehen hattest.“

„Erwischt!“

„Ich würde ja gerne mit dir nackt schwimmen gehen, aber ich habe Angst, dass du dann einen Herzinfarkt kriegen würdest.“

„Um Ausreden nicht verlegen.“

„Na hör mal. So, wie du auf mich reagiert hast“, erklärte sie in einem überheblichen Tonfall.

Sam sah sie erstaunt an. Arrogant war sie damals nicht gewesen.

Plötzlich prustete sie los. „Sorry, das war zu verlockend. Nein, im Ernst. Was treibst du so?“

„Ich habe einen langweiligen Bürojob, der mir trotz allem Spaß macht. Als Ausgleich habe ich meine Band.“

„Immer noch am Schlagzeug?“

Sam nickte. „Und Gitarre. Ab und an singe ich auch. Aber seit Face wieder zurück ist, hat er diesen Part wieder übernommen.“

Anjas Kopf ruckte hoch. „Jonas ist wieder da? Ich dachte, er sei in Spanien?“

„Da war er auch ziemlich lange. Aber seit drei Monaten ist er zurück. Gott sei Dank! Seine Stimme passt einfach besser zu unserer Musik.“

Na das war ja mal eine Neuigkeit. „Ist er verheiratet?“, fragte sie und versuchte, es unverfänglich klingen zu lassen.

Sam lachte auf. „Wohl kaum.“

„Es sind schon einige unserer Klassenkameraden verheiratet“, verteidigte sich Anja.

Sam schwieg.

„Face hat also noch immer an jedem Finger eine Freundin“, deutete sie Sams Schweigen falsch.

„Nein. Und wir beide wissen auch, warum“, fügte er hinzu.

Anja lächelte. Genau das hatte sie hören wollen. Jetzt, wo Jonas wieder da war, bekam Karina eine Chance, die Sache entweder abzuschließen und sich komplett auf Dennis einzulassen oder zu erkennen, dass Jonas derjenige war, der an ihre Seite gehörte. Ein Glück, dass Anja Karinas Make-Up vergessen hatte, sonst wäre sie Sam nicht über den Weg gelaufen.

„Hast du noch Kontakt zu Karina?“ Sam blickte sie fragend an.

Anja nickte. „Ich wohne mit ihr zusammen.“

„Nicht dein Ernst? Ihr beide seid wie Feuer und Wasser.“

„Das ist die beste Voraussetzung für eine funktionierende Beziehung.“

„Beziehung?“

Anja verschluckte sich fast an ihrem Kaffee, als ihr bewusst wurde, was Sam dachte. „Du solltest dein Gesicht sehen“, schnaufte sie. „Ich habe das rein frauentechnisch gemeint.“

„Und das soll ich jetzt verstanden haben?“

„Unsere Beziehung ist absolut platonisch“, klärte sie ihn auf.

„Da bin ich aber erleichtert.“

„Warum?“

„Ich wollte dich gerade um ein Date bitten.“

„Zum Nacktschwimmen?“, grinste Anja.

Sam lachte auf. „Das möchte ich nicht ausschließen. Aber in erster Linie würde ich gerne mit dir essen gehen. Oder gibt es einen Freund, der das nicht gerne sehen würde?“

„Nichts Ernstes.“

„Sehr zweideutig.“

„Hast du eine Freundin, die dann während des Essens auftaucht und eine Riesenszene macht?“

„Ich bin erfreut, dass du die Einladung annimmst. Und nein, es gibt keine Freundin, weder ernst noch nicht ernst.“

„Kaum vorstellbar, dass jemand wie du noch Single ist.“

„Verstehe ich auch nicht.“ Sam warf theatralisch den Kopf zurück. „Dabei bin ich so eine gute Partie. Intelligent, gutaussehend und Songwriter. Was will eine Frau mehr?“

„Geld“, entgegnete Anja trocken.

„Daran arbeite ich.“

„Dann ist es mir selbstverständlich eine Ehre, solange die Lücke zu füllen, bis du genug Geld hast, damit du dir deine Traumfrau angeln kannst.“

„Ich fühle mich geehrt.“ Sam deutete eine Verbeugung an und versuchte so, seine Freude über die Zusage zu verbergen. „Was macht Karina denn so?“, lenkte er vom Thema ab.

„Sie studiert BWL und ist kurz davor, den größten Fehler ihres Lebens zu begehen“, rutschte es Anja raus. Aber mit Sam hatte sie schon immer offen reden können. Und wäre sie nicht so ein verdammter Feigling, hätte sie sich schon vor drei Jahren eingestehen sollen, dass Sam mehr als nur ein Freund war. Aber der Zug war jetzt wohl abgefahren.

„Jetzt bin ich neugierig“, riss er sie aus den trüben Gedanken.

Anja räusperte sich. „Sie will nächsten Monat mit Dennis zusammenziehen.“

„Und du hast keine Lust, alleine zu wohnen“, stellte er fest. „Ich könnte die Lücke füllen, bis du wieder eine neue Mitbewohnerin gefunden hast.“

Anja legte ihre Hand auf Sams. „Du bist so aufopferungsvoll.“

Sam ignorierte sein schneller klopfendes Herz und erwiderte ihren Blick. „Ich bin eben durch und durch ein Gentleman.“

Anja lehnte sich wieder zurück und gluckste. „Genau. Ich sage nur nacktschwimmen. Aber im Ernst, du und ich wissen genau, warum es ein Fehler wäre, wenn Karina mit einem anderen Mann zusammenziehen würde.“

Sam nickte zustimmend. „Ich glaube, wir waren die einzigen, die schon immer wussten, dass die beiden zusammen gehören.“

„Was schlägst du also vor?“

„Karina weiß nicht, dass Face wieder hier ist?“

Anja schüttelte den Kopf. „Das wusste keine von uns.“

„Wir treten am Wochenende auf.“

Anja überlegte. „Hat Jonas versucht, Karina zu finden?“

Sam schüttelte den Kopf. Darauf konnte er sich selbst keinen Reim machen. Er war sich sicher, dass Karina noch in seinem Herzen war, aber jedes Mal, wenn er versucht hatte, auf dieses Thema zu kommen, hatte Jonas abgelenkt. Also hatte er irgendwann aufgegeben.

„Dann brauchen wir eine zündende Idee“, überlegte Anja. „Weißt du, warum er damals Hals über Kopf abgehauen ist?“