Offizier auf Gorch Fock

So, nun hatte ich meine Wunschträume in Erfüllung gehen sehen. Seit Beginn des Jahres fuhr ich als Offizier auf Gorch Fock.

Noch war ich Leutnant zur See. Lt.z.S.

Super!

Schon wenn man sein Hobby zum Beruf hat ist man glücklich zu preisen, aber wenn selbst die geheimen Träume Realität werden, ist das wahres Glück und Erfüllung!

Wie immer auf der fock’n George verstand man sich prima - ja geradezu prächtig.

Wir alle vom Stamm fühlten uns als Teil einer Elite der Marine und wir hatten das Salzwasser ja gleich literweise gesoffen. -- Wer lacht da?

Uns erfüllten ein gewisser Stolz und eine Bereitschaft, das Beste zu geben. – Und Härte störte uns nicht, - nein sie gehörte dazu!

Heute, im Alter über 70 und nach wiederholten Wiedersehen mit „meiner Gorch Fock“, denke ich oft, dass die Änderungen der Lebensbedingungen an Bord, vielleicht doch keine Verbesserungen sind.

Uns hob die Härte über den Durchschnitt – und wir fühlten uns gut so und waren stolz darauf!

Ich wurde standesgemäß im U-Raum und bei den Mannschaften abgefüllt. Erlebte die Frotzeleien zwischen den einzelnen Fachrichtungen. Heizer gegen Seeleute und alle gegen Funktionäre und - ja eigentlich durchaus!

Meine Zivilisten feierten überall mit, als da waren: Koch, 2 Stewards, Friseur, Schuster und nicht zu vergessen, der unvergessene und unvergessliche Schneider Sladeck.

Nun, er kam sich aus Kattowitz und sprach sich noch nicht richtig deitsch! – Und kultivierte dies. Er trug eine randlose Brille und stets ein verschmitztes Lächeln zur Schau und war mit einem sonnigen, hintergründigen Humor begnadet.

„Nu’, bin ich ä Flickschneider“? – Nein, war er nicht. Er war ausgezeichnet in seinem Beruf und verpasste mir Maßuniformen, die sich sehen lassen konnten.

Ich absolvierte auch die PUO-Messe und lebte mich so langsam ein.

Die eigentlich dem SVO zugedachte größere Kammer lehnte ich ab und bevorzugte und bekam die Kammer, die direkt an das Krankenrevier anschloss. Der Grund dafür war einfach. Ich hatte eine Musikanlage mit Plattenspieler und sehr viele Schallplatten und nur im Revier gab es Wechselstrom. Und wozu ist man denn Stammbesatzung?

Ein kleines Loch, ein Kabel – und ich hatte meine Musik!

Nun, ich war, obwohl knapp 29, immer noch Junggeselle und machte mit meiner 600er BMW an Wochenenden so meine Abstecher nach Hamburg und in andere Gegenden, wo Mütter hübsche Töchter hatten. Das Motorrad - todschicke Maschine mit Vollverkleidung.

Da fällt einem doch auf, dass so ein Motorrad auf unseren Auslandsreisen eigentlich eine verdammt gute Sache wäre. Schöne warme, trockene und oft mediterrane Gegenden.

Für Motorrad eigentlich gut geeignet.

K.z.S. Lohmeyer hatte gerade Kapitän Engel abgelöst und so fragte ich einmal nach, wie es denn wäre, mein Motorrad mitzunehmen.

Ich bekam die salomonische Antwort: „aber ja, - wenn es in den Lasten keinen Platz wegnimmt und ich es an Oberdeck nicht sehe. – Warum nicht.

Das hieß, übersetzt, ganz klar „nein“. Zur Ausrüstung des Schiffes staute ich selber mit um alles unterzubringen und wusste daher, - Platz gab es nicht.

Am 30.07.1965 wurde Olt.z.S. und feierte auch mit meiner Besatzung.

Die hatte von meinem Dilemma gehört und reagierte. Glücklicherweise hatte ich meine Rechnung ohne den U-Raum gemacht. Ich weiß nicht mehr genau wer es eigentlich war. Ich meine der U-Älteste oder war es OMt. Paul?

Erinnere ich nicht mehr.

Jedenfalls wurde mir offeriert, - natürlich gegen das damals übliche Honorar einer Flasche Ballentines, 12 years old, - mein Motorrad so verstauen, dass es den vorgegebenen Auflagen entspräche. – Da war ich aber gespannt!

Und am frühen Morgen, kurz vor Auslaufen, war es soweit.

Großstengestagsegelsfall oder Ladebaumgeschirr – ich weiß es nicht mehr, - jedenfalls schwebte mein Motorrad an Bord und verschwand rückwärts in der Kajüte der Kommandantenjolle, die sich auf der Achterback befand. Motorradverkleidung wurde auf die Sitzbank abgeklappt, - Persenning wieder rüber – und nichts war mehr zu sehen!

Ein bisschen mulmig war mir schon. – Aber gesagt ist gesagt und getan ist getan.

Wir starteten zur 19. AR. (Auslandsreise). Ich ging ja auch volle Seewache mit, obwohl ich von der Dienststellung her – als SVO – zu keinerlei Seewachen verpflichtet war. Die Offiziere an Bord waren dankbar – und ich, - ich wollte doch segeln.

Und es war im Grunde genommen meine schönste Zeit. Hier konnte ich alles lernen, was ein künftiger Segelschiffer so braucht und vor allem K.z.S. Engel war ein hervorragender Lehrmeister und zeigte mir Feinheiten, die seine langjährige Erfahrung belegten.

Ich lernte mit großer Begeisterung und hatte in kürzester Zeit die Befähigung erworben, die Gorch Fock selbstständig zu segeln. Man konnte mir ein gewisses Talent nicht absprechen.

Windjammer zu segeln und eigentlich ausschließlich zu segeln, wurde mein Lebensinhalt.

Alles andere war eigentlich Nebensache.

Soweit war alles klar, bis - ja bis auf Stockholm.

Ich hatte als WO. das Schiff unter Segel vor Anker gebracht und wir warteten wie üblich auf Kontakte von Land, um das Programm und die obligatorischen Veranstaltungen und Empfänge abzusprechen.

Aber niemand kam. – Immer noch nicht! - Funkverkehr nicht ausreichend.

„Schwarz, lassen sie meine Jolle klarmachen und aussetzen. Ich will selbst sehen, was da los ist. Adjutant (OLt.z.S. Hühne) soll sich klar machen. Er fährt mit.“

Ja, das waren die Worte des Kommandanten.

Schreck lass nach.

Darauf ich: „Aber Herr Kap’tän, der Kutter mit Schabracken ist doch viel stilechter und so an Land gepullt, das macht doch was her.“

„Was, bei dem Regen?“

„Aber es klart doch schon auf dahinten!“

„Schwarz, haben sie getrunken?“

-

„Nein Herr Kap’tän, - aber Jolle geht nicht, - da steht mein Motorrad drin.“

Nun, - zumindest an diesem Tage war das Verhältnis zwischen dem Hause Lohmeyer und dem Hause Schwarz stark getrübt.

Später aber, auf kommenden Reisen ist er gerne auf den Soziussitz geklettert und wir beide haben tolle Ausflüge gemacht. Hat ihm gefallen. – Aber davon später mehr.

Zunächst nach Tunis. – Tunesien.

Die Einfahrt zum Hafen war ein schmaler kanalartiger Wasserweg. Wir hatten achterlichen Wind und liefen mit kleiner Besegelung, nur Untermars und Obermars, in den Kanal ein.

Ich war WO, logischerweise, da ich ja französisch spreche.

Der Rudergänger hatte seine Anweisung: „Mitte Kanal“. Soweit alles paletti.

Ich unterhielt mich mit dem tunesischen Lotsen, ---- als ich!!!

Jetzt begann er zu rotieren. Er telefonierte per Funk mit allen möglichen Stellen und bekam Hektik.

Wir aber auch:

-

So ein Hindernis, - hat man es als solches erkannt, kommt ja immer wahnsinnig schnell näher!

-

Segel bergen, - da reicht die Zeit nicht und bei dem achterlichen Wind wird es kaum eine Reduzierung der Fahrt geben.

-

Maschine zurück. Geht nicht, dann stehen wir ja quer im Kanal. – und ab in die Böschung.

37 m. waren es ja in der Mitte Kanal. Die Kabel hängen ja sehr durch. – Also ganz hart an die Steuerbordseite.

Ob das reicht?

Der Lotse telefoniert wie verrückt. „Man wird Strom abschalten! Einen Augenblick“. „Un moment“.

Ich: „Obermaat Paul, enter auf Großtopp! Peilung über Vortopp, wie das mit der Höhe hinkommt“.

OMt Paul flitzt nach oben. Er ist ja einer der schnellsten.

Jetzt ist er am Mastknopf – er peilt – er peilt.

Ich: „Paul, wie sieht es aus?“

Paul: „Könnte gerade so gehen, - aber knapp.“

Dann ging alles sehr schnell. Weiter nach Steuerbord ging nicht.

Von Deck aus gesehen, konnte das niemals klar gehen!

Glücklicherweise hatte man es geschafft, den Strom rechtzeitig zu kappen.

Ja, so landeten wir ungeröstet in Tunis.

Wie immer im Orient erfuhren wir sehr freundliche und gastliche Aufnahme.

An einem Tag gab es einen Empfang beim Gouverneur.

Ich hatte aber am gleichen Tage Party an Bord. Diplomatie und so. Hierfür war ich verantwortlich.

Zum Gouverneursempfang wollte ich aber auch!

Gut, dass ich das Motorrad hatte. – Das war ‚ne Wucht!

Ich machte die Tour viermal. Dann schloß sich unsere Bordparty an.

Auch der Gouverneur war anwesend. Es war eine gelungene Party – wie immer. Dafür sorgten schon das Flair des Schiffes und das flaggengeschmückte Poopdeck.

Nach dem Bordempfang wurde aufgeklart und bei einem Absacker oder Schlummertrunk erfuhr ich von meinen schadenfreudigen Kameraden.

Mein Rülpser war nicht von schlechten Eltern. Aber ich bleibe dabei, man sollte alles einmal probieren – und es hat gut geschmeckt.

Mein Kommandant bemerkte noch: „Ohne dein Motorrad hätts’te das nie geschafft.“

Da hatte er allerdings Recht.

Dann irgendwann kam die bemerkenswerte 22. Auslandsreise. Der Kurs führte uns auch nach Island. – Reykjavik.

Auf dem Weg dahin waren wir Augenzeugen des Vulkanausbruchs, welcher die Insel Surtsey schuf

Und segelten so dicht wie möglich an Eisbergen vorbei, um gute Aufnahmen zu schießen.

Nun, ich hatte keine große Kamera mehr, da ich es leid war immer so ein schweres Geschoß mit mir herumzuschleppen.

Ich hatte mir eine Minox gekauft, die ich stets an einem kleinen Kettchen in der Brusttasche mitführen konnte und damit für interessante Aufnahmen immer bereit war.

Als Zubehör hatte ich auch eine Art Klammer mitbekommen. Man konnte diese Klammer an einer Seite eines Fernglases befestigen und hatte damit eine Art Teleobjektiv.

Ich hatte mir mal in Kopenhagen einen historischen Kieker angeschafft. So ein monoculares Monstrum, wie sie es bei Hornblower sehen können.

Ich nahm dies als Teleobjektiv und versuchte durch genaue Höhen- und Seitenpeilung Bilder zu schießen.

Sie sind gut geworden.

Schauen Sie mal: Ist doch gut gelungen?

Wie der Kopf eines Gorillas mit großer Maulspalte.

Reykjavik bot uns, wie alle Länder eine herzliche Gastfreundschaft und die Stammbesatzung veranstaltete ein uriges Picknick an einer felsigen Bucht.

Dann gab es ja auch diesen Empfang beim Deutschen Botschafter.

Wir kannten solche Veranstaltungen ja schon aus dem ff und mein erster Blick galt, beim Betreten des Raumes der holden jüngeren Weiblichkeit.

Natürlich war auch die Frau des Amerikanischen Botschafters anwesend. Wir kannten uns schon von vielen Begegnungen und sie hatte mich in Herz geschlossen.

Sie war eine große und starke und vollbusige Frau mit einer tiefen Stimme.

Kaum dass sie mich sah rief sieh „Oh, Blacky, my Dear“ und umarmte mich.

Dann aber hatte sie die Freundlichkeit mich einer Gruppe von Stewardessen vorzustellen. – Deutschen Stewardessen, die bei der isländischen Lufthansa Tochter „Loftleidir“ beschäftigt waren.

Sie empfahl mich ihnen wärmstens und ich war ihr ausgesprochen dankbar, denn in diese Richtung waren auch meine ersten Orientierungsblicke gerichtet gewesen.

Eine schlanke, aber wohlgeformte Rothaarige hatte es mir besonders angetan. Sie hieß, meine ich, Gitta.

Nach den offiziellen Ansprachen gingen wir zum gemütlichen Teil über und Gitta und ich kamen uns immer näher. Die ersten Flirtversuche sind ja immer sehr schön.

Was mich störte war, dass ihre zwei Freundinnen immer mit von der Partie waren und unseren Kreis nicht verließen.

Merkten diese Hühnchen denn nichts? – Dass sie störten!

Dann war die Party zu Ende und in Reykjavik waren schon die Bürgersteige hochgeklappt und alle Restaurants oder Bars geschlossen.

Gitta hatte einen VW Käfer und sie schlug vor, noch zum Flughafen zu fahren. Die dortige Bar hätte noch geöffnet, da Nachtflüge angesagt waren.

Wir fuhren hin und die beiden Freundinnen waren immer noch dabei!

In der Bar waren noch einige Piloten und Bodenpersonal. Wir nahmen einen Drink und dann lud Gitta mich noch zu einem Kaffee in Ihre Wohnung ein.

Heißa dachte ich. Nun wird es ja doch noch gut.

Doch die beiden Miezen stiegen auch jetzt wieder mit in den VW. Erläuternd sagte Gitta, „wir wohnen im gleichen Appartement. Da hat jede von uns ein Zimmer“. – Aha, aha!

Na ja, wir kamen an. Irgendeine machte Kaffee. Wir plauderten ein wenig und dann verzogen sich ihre beiden Freundinnen mit einem fröhlichen „Gute Nacht“, wobei sie das „Gute“ besonders betonten.

Nun, nach heißer Knutscherei landete wir in ihrem Zimmer und hatten ein gutes erotisches Miteinander. Wir wiederholten Variationen unserer heißen Spielchen nach kurzer Zeit und dann wollte ich einwenig schlafen.

Gitta aber meinte: „Du solltest fair sein, Mareike wartet schon auf Dich“.

„Was? Wie? Wer wartet“?

„Die anderen. Wir haben uns gleich als Du reinkamst, Dich ausgeguckt.“

„Gib Dein Bestes.“

Ich will Sie nicht mit Aufzählungen langweilen, aber ich habe eine phantastische Nacht mit drei Freundinnen verbracht und hätte nie geglaubt, dass meine männliche Kraft hierfür ausreichen würde.

Aber es stimmt schon. Ich hatte dies als Student ja auch schon erfahren – mit einer neuen Partnerin kommt man auch zu neuen Kräften.

Ich denke an alle Drei noch heute gerne zurück. In meiner Erinnerung wird das Abenteuer immer besser.

Dann liefen wir mit Gorch Fock wieder aus und bekamen diesen Orkan, der genau unseren voraussichtlichen Kurs kreuzte.

Also beschloss der Alte einen zusätzlichen Hafen an der Ostküste anzulaufen und wir kamen so nach Isafjördur.

Eine tiefe Bucht, die uns ausreichend Schutz vor dem Orkan bot.

Hier gab es aber für Gorch Fock kein Programm. – Hier war nix los.

Ach, wie ich nun meine Stewardessen vermisste.

Isafjördur hatte aber, wie fast jede Stadt auf Island, ein Schwimmbad. Beheizt und mit acht Schwimmbahnen für Wettkämpfe.

Also ergab sich, dass ein Schwimmwettkampf angesetzt wurde. Gorch Fock gegen Isafjördur.

Natürlich stellte man auch mich bei den Wettkämpfern für Gorch Fock auf.

Zum einen wußte man, dass ich früher Berliner Meisterschaften gewonnen hatte und ich hatte ja auch in der Marine stets gute Ergebnisse erzielt und viele Wettkämpfe gewonnen.

Das liegt aber wohl mehr darin begründet, dass die Marine Schiffe hat und nicht zu schwimmen braucht.

Als „Schwimmprofi“ hat man gewisse Strategien entwickelt. Die haben sich ja auch letztendlich bewährt.

Meist gingen ja die Wettkampfdistanzen über 100 m.

Bei 25 m.Bahnen sind das vier Bahnen. Es war meine Strategie, die ersten 25 m. möglichst schnell zu schwimmen, um einen gewissen Vorsprung zu erlangen.

Das nervt und entmutigt die Gegner.

Dann gut aufpassen, beim Atmen schauen und versuchen den Abstand zwei weitere Bahnen lang zu halten.

Dann bei der letzten Bahn alles reinpowern was geht und damit gewinnen.

Na ja, das war früher so.

Also, wir traten an. Mein Gegner war ein mageres, schlaksiges, schmalbrüstiges Bürschlein von vielleicht 16 Jahren. Isländisch rothaarig.

Ich traute ihm nicht viel zu und ging ziemlich siegessicher an den Startblock.

Er startete rechts von mir. Da ich nach links atme, werde ich ihn auf der ersten Bahn nicht sehen können. – Na ja, da lege ich ja ohnehin vor.

Start: - Gut abgekommen.

Ich crawlte los.