Sancho Panzas Tod

Inhaltsverzeichnis

Als Donna Letizia, den Kranken mit rührender Besorgnis in ihren vollen, runden Armen tragend, eintrat, liefen alle Mädchen herbei und machten ihren mitleidvollen Herzen in Seufzern und Klagen Luft. Zu den offenen Fenstern drang der verworrene Lärm des Straßengetriebes herein und mischte sich mit den weiblichen Stimmen. Die Klagelaute der Mädchen wurden ab und zu von den Anpreisungen eines Marktschreiers, der Angelikawasser und Wunderpillen feilbot, unterbrochen.

Den Hund auf den Armen der Signora durchlief ein schwaches Zittern, das über den ganzen Rücken bis zur äußersten Schwanzspitze ging. Er versuchte die Lider zu öffnen und die großen Augen voller Dankbarkeit nach den Liebkosenden zu drehen und den Hals, der schon ganz steif war, zu bewegen. Die Schnauze war halb geöffnet; die Zunge hing heraus und lag wie ein rötliches, bläulich geädertes Blatt auf den beiden vorspringenden Schneidezähnen des Unterkiefers. Eine schleimige Masse feuchtete das Kinn, jenen kleinen Teil der unteren Kinnlade, wo die rosige Haut durch das spärliche Haar des Felles sichtbar wird. Der Atem wurde immer mühsamer und ging in ein rauhes Pfeifen über, während die Nase immer trockner und runzlich wie die Oberfläche einer Trüffel wurde.

O Sanzio, armer Sanzio, was haben sie dir gethan! Armes Bibi, je! Mein armes Alterchen! ...

Das Jammern der empfindsamen Mädchen wurde immer zärtlicher und ging in wortlose Klagetöne und Schmeichellaute über. Alle wollten ihm den Kopf streicheln, eine seiner Pfoten anfassen oder die Nase berühren. Donna Letizia wiegte mütterlich die süße Last, und ihre dicken, weißen Finger, deren Glieder etwas krankhaft geschwollen schienen, gruben sich in das Fell und strichen zärtlich über Sanzios Bäuchlein hin.

Durch die grünlichen Fenstervorhänge drang die Nachmittagssonne und die Meeresfrische in das Zimmer. Acht Farbendruckbilder in dunkeln Rahmen schmückten die gelben Tapeten der Wände, die Blumenmuster trugen. Auf einer Konsole im Stile des achtzehnten Jahrhunderts mit rötlicher Marmorplatte und Messingbeschlägen stand auf silbernem Fuße zwischen zwei Spiegeln eine Jardiniere mit Wachsblumen unter einer Glasglocke. Am Kamin glänzten zwei vergoldete Leuchter mit unbenutzten Kerzen. Ein Affe in maurischem Kostüm, ein Automat aus Papiermaché, träumte beschaulich auf einem jener kleinen, eingelegten Tische, die von Sorrent kommen. Eine Anzahl Sessel, deren Lehnen mit Schäferidyllen geschmückt waren, ein Sofa in Empire, zwei moderne Fauteuils machten sich den Rang streitig in diesem bunten Durcheinander von unverträglichen Farben und Formen.

Als der Kranke auf den Sitz eines Fauteuils gebettet war, wurde es im Zimmer still. Sanzio erhob sich zitternd auf die Füße, drehte sich einige Male um sich selbst, um in der Ruhelosigkeit seines leidenden Zustandes eine bequeme Lage zu finden, versuchte den Kopf auf eine seiner Pfoten zu legen, rollte sich in sich zusammen und blieb dann mit geschlossenen Augen, mühsam atmend, wie von einer plötzlichen Schlafsucht befallen, liegen. Auf der breiten Brust bildete das Fell drei oder vier dicke Falten, fast wie eine kleine Wamme; hinten im Nacken waren die Falten breiter und rundlicher; die Lippen der oberen Kinnlade hingen schlaff an den Seiten herab. Das arme Vieh hatte in seiner Krankheit etwas Groteskes und Mitleiderregendes, wie ein Zwerg, der an Asthma und Fettsucht leidet.

Die Mädchen standen stumm da beim Anblick dieses Kräfteverfalles, voll tiefen Jammers und in der Vorahnung eines drohenden Unglücks. Sanzio war seit Jahren der Gegenstand der Zärtlichkeiten und der Liebkosungen dieser heranwachsenden, bleichsüchtigen Jugend. Er war im Hause geboren und auferzogen; seine plumpen ungefügen Formen zeigten die Rundlichkeit eines faulen, gefräßigen Wesens. Mit der Zeit hatten seine kreisrunden Augen etwas Menschliches, Unterwürfiges angenommen. Wenn er vergnügt war, wedelte er mit dem Schwanze, stand auf drei Beinen, rollte sich mit einem eigentümlichen Zittern, das durch das ganze Fell ging, ganz in ein Knäuel zusammen und trollte mit der Grazie umher, wie das Meerschweinchen in den Frühlingskräutern.

Die schönen Erinnerungen daran bewegten die Herzen der Mädchen lebhaft.

Und der Arzt? Wann kommt er? fragte ungeduldig Victoria, die jüngste, die mit ihrem roten Stirnhaare und dem ganz bepuderten Gesichtchen wie ein kleiner Affe aussah.

Der Kranke ließ von Zeit zu Zeit ein schwaches Stöhnen hören, öffnete die Augen und schaute hilfesuchend mit einem sanften, müden Blick umher. Ein nervöses Zucken der Augenwinkel und zwei dunkle Streifen, die ihm der Schmerz unter den Augen eingegraben hatte, ließen ihn noch menschenähnlicher erscheinen.

Donna Letizia versuchte, ihm einen Löffel voll kräftiger Brühe einzuflößen; er machte mit seiner schlaffen Zunge alle möglichen Anstrengungen, um die Flüssigkeit hinunterzuschlucken, doch konnte er die steif gewordenen Kinnladen nicht wieder schließen.

Endlich hörte man im Vorzimmer die Stimme des Doktors Zenzuino, der endlich heraufkam. In das Zimmer trat ein Herr mit hübschem Gesichte, das von Gesundheit und Jovialität zeugte.

O Don Giovanni, machen Sie Sanzio wieder gesund! rief ihm eine flehende Stimme entgegen.

Der Arzt überflog mit einem Blick die ganze jammernde Familie, die er mit Arsenik, Eisenleberthran und Levicowasser so viele Jahre hindurch erfolglos behandelt hatte. Durch das goldene Pincenez zuckte der flüchtige Aufblitz eines Lächelns, dann betrachtete er den Kranken prüfend als Mann der Wissenschaft und sagte bedächtig: Wir werden es mit einem Fall von Lähmung der Kaumuskeln und der unteren Backenspeicheldrüsen zu thun haben. Die Krankheit, die zweifelsohne in einer Störung des Centralnervensystems besteht, im Rückenmark ihren Sitz hat und ihrer Ätiologie nach hereditären oder bazillären Ursprungs sein kann, hat die Neigung, um sich zu greifen. Der Prozeß, der sich weiterverbreitend fortschreitet, wird den Körper, Organ für Organ seiner Funktionen berauben, bis schließlich eines der vitalen Zentren, sei es der Atmung oder der Zirkulation erfaßt wird, was den Tod zur Folge hat.

Bei diesen schrecklichen und rücksichtslosen Worten legte sich eine beklemmende Angst auf die Seelen der Damen, und die blühenden Wangen Donna Letizias erblaßten für einen Augenblick.

Ich glaube, daß auf die Entwicklung der Krankheit die Ernährung von Einfluß war, fügte Don Giovanni erbarmungslos hinzu.

Bei dieser versteckten Anklage bekamen die Mädchen Gewissensbisse, da sie sich schuldig fühlten, die entsetzliche Gefräßigkeit Sanzios stets geduldet zu haben.

Victoria fragte mit einem Ausdruck ungeduldigen Mißbehagens:

Giebt es denn kein Mittel?

Versuchen wir es. Ich empfehle die Applikation einer spanischen Fliege in den Nacken, riet der Doktor mit liebenswürdiger Beflissenheit.

Sanzio wollte vom Sessel herunterspringen, zauderte jedoch am Rande, da er nicht die Kraft hatte, den Sprung zu wagen, blickte mit flehenden Augen umher, die schon trüb wurden wie zwei schwarze Weinbeeren, welche der silberne Anflug der Ueberreife bedeckt. In seine Züge grub der Schmerz tiefe Furchen und greisenhafte Schatten. Die rosige Farbe der Schnauze schien sich dort, wo die langen Spürhaare stehen, zu zersetzen und wurde fast gelb. Die schlappen Ohren bebten leicht, und in derselben Minute ging ein Fieberschauer sichtbar über das ganze weiße Fell.

Nun beugte sich Isabella, welcher die unerbittliche Natur als Erbe vom Vater die bourbonische Nase und die schmale Stirn beschert hatte, ganz gerührt herab und nahm den Leidenden mit den zierlichen Händchen auf, um ihn auf den Boden zu setzen.

Sanzio blieb einen Augenblick, ohne einen Schritt machen zu können, mit gekrümmtem Rücken, von Atemnot geplagt, stocksteif stehen und versuchte, sich taumelnd fortzuschleppen, wie ein an den Schenkeln verwundetes Wild. Vielleicht hatte er Durst; denn er versuchte, wenn ihm das Schüsselchen hingehalten wurde, die Flüssigkeit aufzuschlecken. Aber da die fortschreitende Lähmung ihn auch hieran hinderte, setzte er sich nach vielen erfolglosen und vergeblichen Versuchen auf die Hinterbeine und begann, die Schnauze mit der Pfote zu putzen, gleichsam als wollte er das Hindernis, das ihm so viele Schmerzen bereitete, beseitigen.

Die Stellung war derart menschenähnlich, und aus den Augen sprach so viel menschliches Flehen und solche Verzweiflung, daß Donna Letizia laut zu schluchzen begann.

O armes Bibi! Wer hatte dir das vorausgesagt! Mein armes Bibi!

Die Rührung stieg bei den Mädchen aufs höchste. Victoria nahm den Sterbenden an sich, trug ihn zum Kanapee und verlangte eine Schere. Eine Heldenthat war notwendig. Schließlich war man doch genötigt, das Heilmittel, koste es was es wolle, zu versuchen.

Isabella, Maria, eine Schere, kommt! Alle beugten sich zitternd und bleich über Sanzio hin, der von neuem die Augenlider geschlossen hatte und mit seinem heißen Atem die hilfsbereiten Hände anhauchte.

Nachdem Victoria den ersten Ekel überwunden hatte, fing sie vorsichtig an, die Haare am Nacken des Tieres abzuschneiden, dabei blies sie Flocke für Flocke weg. Eine Art unregelmäßiger Tonsur breitete sich über den Nacken aus, und das Aussehen des Geschorenen wurde immer possierlicher und jämmerlicher.

Vom Abendwind bewegt, blähten sich die Vorhänge an der Terrasse wie zwei Segel auf. Verworren, aber lebhaft und fröhlich drang der Straßenlärm herauf. Eine Flucht einfacher Häuser verlor sich im Hintergrunde in der bleichen Vergoldung der untergehenden Sonne. Und ein Star pfiff.

Nun kam von den oberen Gemächern Natalie, die schöne Schwiegertochter der Donna Letizia, mit einem Kinde auf dem Arme herab und trat ins Zimmer.

Das Oval ihres Gesichtes schimmerte rosig, von bläulichen Adern durchzogen, ihre Augen waren hell und klar, die Nasenflügel fein und durchscheinend; mit einem Wort, sie besaß den ganzen Liebreiz der blonden Frau inmitten der Flut der entfesselten, schwarzen Haare. In der Persönlichkeit, in der Kleidung, in der Haltung, in dem Sichgehenlassen lag jene, ich möchte sagen, glückliche Gelassenheit, jene milchduftende Frische der jungen Mutter, die ihrem Kinde die eigene Brust reicht.

Kaum sah sie den geschorenen Hund, so überkam sie ein so plötzlicher Anfall von unwiderstehlicher Heiterkeit, daß sie das Lachen hinter den Perlenzähnen nicht verbergen konnte.

Ah, ah, ah, ah!

Wie? Natalie wagte zu lachen, während der arme Sanzio im Sterben lag? Die zartbesaiteten, jungfräulichen Wesen warfen der unehrerbietigen, grausamen Schwägerin einen bitterbösen Blick der Entrüstung zu. Aber diese setzte sich leicht darüber hinweg und trat näher, um dem Kinde den Hund zu zeigen. Das unbeholfene Kind tastete mit den kleinen, unruhigen Händen, versuchte den Hund zu berühren und stammelte voller natürlicher Freude unverständliche Laute mit dem noch milchfeuchten Mündchen.

Das Tier, gewohnt für die Patschhändchen den Kopf hinzuhalten, zeigte trotz der schon halbgelähmten Glieder einen Ausdruck von Freude, und in den Augen lag ein letztes Aufflackern von Verständnis und Güte.

Armer Sancho Panza, murmelte nun auch Natalie und zog das Söhnchen zurück, das mit den Fingern in den Speichel des Hundes hineingriff. Als das Kind das Mäulchen zum Weinen verzog, ging sie mit ihm im Zimmer zwei-, dreimal auf und ab, hob es in die Höhe und schaukelte es; dann blieb sie vor dem Automaten stehen und zog mit dem Schlüssel den Mechanismus auf. Der Affe öffnete den Mund, klappte mit den Augendeckeln und rollte unter den Klängen der Gavotte Louis XIII von Victor Felix den Schweif auf und drehte sich wie lebendig hin und her.

Das wollüstige Wogen dieser Klänge erfüllte den Raum, und Natalie bewegte im Takte den Kopf dazu. Das Licht im Zimmer war gedämpft, und von dem geöffneten Balkon drang der feine, liebliche Duft der Pelargonienstöcke herein.

Sanzio hörte vielleicht schon nichts mehr. Die spanische Fliege brannte ihm im Nacken, er krümmte von Zeit zu Zeit den Rücken und bog den Kopf mit einem schwachen Gewinsel nach unten. Die zwischen die Zähne zurückgezogene, violette, fast schwärzlich gewordene Zunge hatte schon jede Beweglichkeit verloren. Nur die mit einer türkisblauen, feuchten Membran überzogenen Augen zuckten noch krampfhaft, wobei in den Ecken das Weiße sichtbar wurde. Der Speichel floß dicker und reichlicher. Die Erstickung schien jeden Augenblick einzutreten.

O Natalie, so hör' doch auf! Siehst du denn nicht, daß Sanzio stirbt? brach Isabella unter Thränen vorwurfsvoll aus.

Doch die Gavotte konnte man nicht unterbrechen, ehe der Mechanismus abgelaufen war, und so fuhren die Töne fort, langsam und leise den Todeskampf des Hundes zu begleiten. Die Dämmerungsschatten breiteten sich inzwischen im Zimmer aus, und die Vorhänge flatterten in der Abendkühle. Donna Letizia, erstickt von Schluchzen, konnte es nicht mehr mit ansehen und ging hinaus. Alle Töchter folgten ihr, eine nach der andern, schmerzbewegt. Nur Natalie näherte sich neugierig dem Sterbenden.

Und während die Gavotte wieder von neuem anfing, gab der gute Sanzio unter den Klängen der Musik, wie der Held in einem italienischen Melodram seinen Geist auf.

Candias Ende

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I.

Das Osterfestmahl, das man im Hause Lammonica hergebrachtermaßen in Gemeinschaft mit vielen Geladenen feierte, war vorüber. Drei Tage später zählte Donna Cristina Lammonica die Tafelwäsche und das Silber und legte jeden Gegenstand mit peinlichster Ordnung in die Fächer und Behälter zurück bis zu den nächsten Festlichkeiten.

Zu diesem Geschäft waren wie gewöhnlich das Hausmädchen Maria Bisaccia und die Wäscherin Candia Mercanda, einfach Candia genannt, zugezogen. Große, bis an den Rand mit feinem Linnen angefüllte Wäschekörbe standen in Reih' und Glied auf dem Estrich. In einem flachen Korbe lagen das glänzende Silberzeug und andere Tafelgeräte. Die Sachen waren massiv und ein wenig plump, wie bäuerliches Gerät zu sein pflegt, und zeigten jenen kirchlichen Stil, wie alle derartigen Gegenstände, die sich in den wohlhabenden Familien auf dem Lande von Geschlecht zu Geschlecht vererben. Das ganze Zimmer erfüllte ein kräftiger Duft nach frischer Wäsche.

Candia entnahm den Körben die Tafeltücher, die Tischtücher und Servietten und ließ die tadellose Leinwand von der Signora besichtigen; dann reichte sie Stück für Stück an Maria weiter, die es in den Fächern aufschichtete, während die Signora wohlriechende Kräuter dazwischen legte und die Nummern im Wäschebuch notierte.

Candia war eine große, knochige, derbe Person von 50 Jahren; ihr Rücken war durch die Haltung, die ihr Geschäft mit sich brachte, etwas gekrümmt. Die Arme waren lang, und der Kopf, wie der eines Raubvogels gestaltet, saß auf dem Halse einer Schildkröte. Maria Bisaccia, ein etwas dickes Wesen mit milchweißem Teint und sehr hellen Augen, war aus Ortona gebürtig. Sie hatte etwas Bedächtiges in ihrer Rede, die sie mit sanften, weichen Bewegungen begleitete, wie jemand, der immer mit Kuchenteig, Fruchtsäften, Eingemachtem und Konfekt zu thun hat. Donna Cristina stammte ebenfalls aus Ortona, wo sie in einem Kloster erzogen war; sie hatte eine kleine Figur und war fast busenlos. Ihre Haare spielten ins Rötliche, das Gesicht war mit Sommersprossen bedeckt, die Nase lang und dick, die Zähne waren schadhaft, aber die Augen wunderschön und von keuschem Ausdruck; sie glich einem Priester in Weiberkleidern.

Die drei weiblichen Wesen waren mit größtem Eifer ganz bei der Arbeit und verbrachten so einen großen Teil des Nachmittags.

Als Candia einmal mit einem leeren Korbe hinausging, bemerkte Donna Cristina beim Abzählen der Bestecke, daß ein silberner Löffel fehlte.

Maria! Maria! rief sie ganz erschreckt. Zähle du 'mal nach! es fehlt 'n Löffel ... Zähle 'mal!

Aber wie? Das kann nicht sein, Frau, antwortete Maria. Laßt mich nachsehen.

Damit machte sie sich daran, die Bestecke nebeneinander zu halten und sie laut abzuzählen. Donna Cristina schaute kopfschüttelnd zu. Das Silber klang hell und klar.

s'ist wahr! rief Maria schließlich verzweifelt aus. Was ist da zu thun?

Sie selbst war über jeden Verdacht erhaben, denn sie hatte in dieser Familie fünfzehn Jahre lang Proben von Ehrlichkeit und Treue abgelegt. Sie war mit Donna Cristina nach deren Hochzeit gleichsam als ein Bestandteil der Aussteuer von Ortona gekommen und besaß nun im Hause unter dem Schutze ihrer Herrin ein gewisses Ansehen. Sie steckte voll von religiösem Aberglauben und war ihrem Schutzheiligen und seiner Kirche blind ergeben, – dabei war sie verschlagen wie selten eine. Mit ihrer Herrin hatte sie ein Schutz- und Trutzbündnis geschlossen, gegen alles, was Pescara anbelangte, und hauptsächlich gegen den Heiligen dieser Stadt. Bei jeder Gelegenheit sprach sie von ihrem Geburtsorte, rühmte dessen Reichtümer und Schönheiten, die Pracht seiner Basilika, die Schätze des heiligen Tommaso und den Pomp bei den großen Kirchenfesten, im Gegensatz zu der Armseligkeit des San Cetteo, der nur einen einzigen kleinen, silbernen Arm aufweisen konnte.

Donna Cristina sagte:

Schau gut drüben nach.

Maria verließ das Zimmer, um weiter nachzusuchen. Sie kehrte in allen Ecken der Küche und der Veranda das Unterste nach oben, aber vergebens, sie kam mit leeren Händen zurück.

Nichts zu finden! Er ist nirgends zu finden! Nun dachten sie hin und her, ergingen sich in Mutmaßungen und strengten ihr Gedächtnis an. Sie traten auf den nach dem Hof führenden Altan hinaus und gingen nach dem Gußstein, um die letzte Nachsuche zu halten. Von dem lauten Sprechen angelockt, kamen die Nachbarinnen an die Fenster.

Was ist denn geschehen, Donna Cristi? Sagt, was giebt's?

Mit einem Schwall von Worten und mit großer Lebhaftigkeit erzählten Donna Cristina und Maria das Vorgefallene.

Jesus! Jesus! Also Diebe waren im Hause! Das Gerücht des Diebstahls verbreitete sich in einem Augenblick in der Nachbarschaft und in ganz Pescara. Männer und Frauen, alles suchte zu erraten, wer der Dieb sei. Als das Gerücht bis zu den letzten Häusern bei Sant Agostino kam, war es schon ungemein gewachsen: es handelte sich nicht mehr um einen Löffel, sondern um sämtliches Silberzeug des Hauses Lammonica.

Das Wetter war herrlich; auf den Loggien begannen die Rosen zu blühen, und in einem Käfig zwitscherten zwei Zeisige. Die Nachbarinnen verweilten bei dem schönen Wetter an den Fenstern in der lauen Luft. Ihre Köpfe tauchten zwischen den Basilikumtöpfen auf, und das lebhafte Schwatzen schien selbst die Katzen in der Dachrinne zu ergötzen.

Händeringend sagte Donna Cristina: Wer mag es nur gewesen sein?

Donna Isabella Sertale, der Marder genannt, weil sie die geschmeidigen, raschen Bewegungen dieses kleinen Raubtiers hatte, fragte mit ihrer schrillen Stimme:

Wer war denn bei Euch, Donna Cristi? Es war mir, als hätte ich Candia vorbeikommen sehen ... ...

Aaaah! rief Donna Felicetta Margasanta, die wegen ihrer Schwatzhaftigkeit die Elster hieß, und

Aah, wiederholten die anderen Gevatterinnen.

Und daran dachtet Ihr nicht?

Und habt Ihr nichts gemerkt?

Und Ihr wißt nicht, was Candia ist?

Wir können es Euch sagen, was für eine sie ist!

Sicherlich!

Wir können ein Lied davon singen!

Die Wäsche wäscht sie gut, darüber ist nichts zu sagen!

Die beste Wäscherin ist sie in ganz Pescara, das muß man ihr lassen. Aber lange Finger macht sie ... Habt Ihr das nicht gewußt, Gevatterin?

Mir haben einmal zwei grobe Tischtücher gefehlt!

Mir ein Tafeltuch.

Mir ein Hemd.

Mir drei Paar Strümpfe.

Mir ein neuer Unterrock.

Mir zwei Kissenbezüge.

Ich habe überhaupt nichts wiederbekommen.

Mir fehlt auch etwas.

Mir auch.

Ich aber habe sie nicht davongejagt; wen soll man nehmen? Die Silvestra vielleicht?

Die Angelantonia, diese Zigeunerin?

Eine ärger, als die andere!

Man muß Geduld haben.

Aber gar ein Löffel! Nein, so etwas!

Das ist zu stark!

Rührt Euch nur, Donna Cristi, Ihr dürft's nicht so hingehen lassen!

Ach was, hingehen lassen oder nicht! brach Maria Bisaccia aus, die sich keine Gelegenheit entgehen ließ, den anderen Dienstboten im Hause etwas anzuhängen und sie in schlechtes Licht zu setzen, obgleich sie friedfertig und sanftmütig aussah. Wir werden schon sehen, Donna Isabbé, laßt uns nur machen!

Das Klatschen an den Fenstern und in den Loggien wollte kein Ende nehmen. Die Beschuldigungen gegen Candia gingen von Mund zu Mund und wurden im ganzen Orte bekannt.

II.

Als am anderen Morgen Candia bis zu den Ellenbogen in der Laugenbrühe steckte, erschien der Polizeidiener Biagio Pesce, den man den »kleinen Korporal« nannte, auf der Schwelle und sagte zu der Wäscherin:

Augenblicklich sollst du zum Herrn Bürgermeister aufs Rathaus kommen.

Was sagt Ihr? gab Candia stirnrunzelnd zurück, ohne ihre Arbeit zu unterbrechen.

Augenblicklich sollst du zum Herrn Bürgermeister aufs Rathaus kommen.

Ich? Und weshalb? fuhr Candia ihn barsch an; denn sie wußte sich die Ursache zu dieser Aufforderung nicht zu erklären und richtete sich hoch auf, wie ein störrischer Gaul, der vor einem Schatten erschrickt.

Ich kann das nicht wissen, entgegnete der kleine Korporal. Ich habe den Befehl erhalten.

Welchen Befehl?

Die Frau ließ in ihrem Eigensinn nicht ab zu fragen. Sie konnte sich den Grund nicht erklären.

Mich will der Bürgermeister? Und weshalb? Ich will nicht kommen! Was habe ich denn gethan?

Der kleine Korporal verlor die Geduld und sagte:

Ah, du willst nicht kommen? Dann gieb nur acht!

Die Hand am Griff des alten Säbels, ging er, vor sich hinmurmelnd, fort. –

Das Zwiegespräch aber hatte Zeugen gehabt; einige Bewohner des Gäßchens traten an die Thüren und blickten neugierig zu Candia hinüber, die in der Laugenbrühe weiterhantierte. Und da alle die Geschichte von dem silbernen Löffel wußten, lachten sie in sich hinein und machten anzügliche Redensarten, von denen Candia nichts verstand. Aber ein banges Gefühl der Unruhe ergriff sie, als sie das Lachen und die spöttischen Bemerkungen hörte. Ihre Unruhe wuchs, als sie den kleinen Korporal, von einem anderen Polizeidiener begleitet, wieder daherkommen sah.

Marsch, sagte der kleine Korporal grob. Candia trocknete sich schweigend die Arme ab und ging mit. Auf der Piazza blieben die Leute stehen. Von der Schwelle eines Krämerladens rief ihre Feindin, Rosa Panara, mit höhnischem Lachen ihr nach:

Mach dich nur fertig!

Die Wäscherin konnte sich in ihrer Bestürzung den Grund der Verhöhnung nicht erklären und wußte nicht, was sie dazu sagen sollte.

Vor dem Rathaus stand eine Gruppe Neugieriger, die sich eigens dort aufgestellt hatten, um Candia vorüberkommen zu sehen. Von Zorn gepackt, stieg sie rasch die Treppe hinauf, stand atemlos vor dem Bürgermeister und fragte:

Was will man von mir?

Don Silvio, ein friedfertiger Mann, war im ersten Augenblick von der kreischenden Stimme der Wäscherin unangenehm berührt, warf auf die treuen Beschützer seiner bürgermeisterlichen Würde einen Blick und sagte:

Setz dich, meine Tochter!

Candia aber blieb stehen. Ihre gebogene Nase rötete der Zorn, und über ihre Wangen lief ein eigenartiges Zucken.

Nun, Don Si!

Habt Ihr gestern bei Donna Cristina Lammonica die Wäsche zusammengetragen?

Jawohl, was ist, was giebt's denn, fehlt etwas? Alles abgezählt, Stück für Stück ... Es fehlte nichts. Was soll's nun?

Einen Augenblick, meine Tochter! Im Zimmer war das Silberzeug ...

Jetzt erriet Candia und fuhr wie ein zum Stoß bereiter Raubvogel auf. Ihre schmalen Lippen zitterten.

Im Zimmer war das Silberzeug, und Donna Cristina hat bemerkt, daß ein Löffel fehlt. Verstehst du, meine Tochter? Habt Ihr ihn vielleicht – aus Versehen – genommen?

Candia hüpfte wie eine Heuschrecke bei dieser unerwarteten Anklage. Sie hatte nichts genommen. Ganz gewiß nicht.

Ah, ich? Ah, ich? Wer sagt das? Wer will das gesehen haben? Das ist ja eine merkwürdige Überraschung, Don Si! Das wundert mich von Euch! Ich soll gestohlen haben? Ich? Ich?

Ihre Entrüstung kannte keine Grenzen. Sie war um so mehr von der ungerechten Anklage verletzt, als sie sich der Handlung, deren man sie bezichtigte, wohl fähig fühlte.

Also, Ihr habt ihn nicht genommen? unterbrach sie Don Silvio, der vorsichtigerweise sich so weit wie möglich in seinen großen kurulischen Sessel zurückgezogen hatte.

Das ist mir eine schöne Überraschung, keifte das Weib von neuem und fuchtelte mit den langen Armen wie mit zwei Stöcken in der Luft herum.

Es ist gut, geht nur. Man wird ja sehen.

Candia eilte ohne Gruß hinaus und rannte gegen den Thürpfosten. Sie war außer sich, ganz grün war sie geworden. Als sie den Fuß auf die Straße setzte, erkannte sie sofort aus der Haltung der unten versammelten Leute, daß die öffentliche Meinung gegen sie war, daß niemand an ihre Unschuld glaubte. Nichtsdestoweniger beteuerte sie laut ihre Schuldlosigkeit. Die Leute lachten und gingen auseinander. Wütend kehrte sie nach Hause zurück, sie war ganz verzweifelt. Schluchzend setzte sie sich auf ihre Thürschwelle.

Don Donato Brandimarte, der nebenan wohnte, sagte spottend:

Weine nur fest darauf los, denn grad' gehen Leute vorüber!

Die feuchte Wäsche in der Lauge wartete ihrer, und endlich beruhigte sie sich. Sie streifte die Ärmel auf und ging wieder an ihr Geschäft. Während sie so arbeitete, dachte sie an nichts, als an ihre Schuldlosigkeit, suchte sich eine Menge Gründe zur Verteidigung zusammen und strengte ihr schlaues Gehirn an, um ein Mittel zu finden, das ihre Unschuld an den Tag brächte. Alle möglichen, scharfsinnigen Einfälle kamen ihr in den Sinn, alle landläufigen Auskunftsmittel, womit sie gegen diejenigen auftreten wollte, die ihr nicht glauben würden.

Als sie ihre Arbeit vollendet hatte, ging sie hinaus; zuerst wollte sie zu Donna Cristina.

Donna Cristina ließ sich nicht sehen. Maria Bisaccia hörte kopfschüttelnd ihre vielen Worte an, ohne etwas zu antworten, und zog sich würdevoll zurück.

Hierauf lief Candia zu ihrer ganzen Kundschaft. Sie erzählte überall den Fall und beteuerte, daß sie es nicht gewesen sei, indem sie immer neue, wortreiche Beweise hervorbrachte, in Eifer geriet und verzweifelt that, da man ihr nicht glaubte und mißtrauisch blieb. Aber alles war umsonst. Als sie dies merkte, bemächtigte sich ihrer eine tiefe Niedergeschlagenheit.

Was war da zu machen? Was sollte sie sagen?

III.

Unterdessen hatte Donna Cristina die Ciniglia rufen lassen, ein Weib aus der untersten Volksschicht, das mit vielem Erfolge allerlei Zauberkünste ausübte. Der Ciniglia war es schon verschiedentlich gelungen, gestohlene Sachen wieder herbeizuzaubern. Man sagte ihr nach, daß sie mit den Dieben im geheimen Einvernehmen stände.

Donna Cristina sagte zu ihr: Schaff' mir den Löffel wieder herbei, und ich gebe dir eine schöne Belohnung.

Die Ciniglia antwortete:

Gut. Ich brauche nur vierundzwanzig Stunden Zeit.

Und nachdem vierundzwanzig Stunden vorüber waren, brachte sie den Bescheid, der Löffel befände sich in einem Loch im Hofe, in der Nähe des Ziehbrunnens.

Donna Cristina und Maria gingen auf den Hof und fanden ihn zu ihrer großen Verwunderung an der bezeichneten Stelle.

Mit Windeseile verbreitete sich die Kunde davon in ganz Pescara.

Triumphierend durcheilte nun Candia Mercanda die Straßen. Sie schien gewachsen, so hoch trug sie den Kopf. Lächelnd schaute sie allen in die Augen, wie um zu sagen:

Nun, habt ihr's gesehen? Habt ihr's gesehen?

Wie sie vorüberkam, steckten die Leute, die unter den Thüren standen, die Köpfe zusammen und brachen dann in ein schallendes Gelächter aus. Filippo La Selvi schlürfte eben im Café Angeladea ein Gläschen Liqueur und rief Candia zu:

Nun, Candia! Ein Gläschen von diesem da? Das Weib, das einem feurigen Liqueur nicht abhold war, schnalzte mit der Zunge.

Filippo La Selvi fügte hinzu:

Du verdienst es, darüber ist nichts zu sagen!

Ein Haufen von Bummlern hatte sich vor dem Café angesammelt. Alle zeigten in ihren Mienen eine spöttische Heiterkeit.

Während die Donna trank, wandte sich Filippo La Selvi den Gaffern zu.

Fein hat sie's gemacht! Nicht wahr? – Alter Fuchs! – – – und klopfte die Wäscherin vertraulich auf die Schulter.

Alles lachte.

Magnasave, ein kleiner Buckliger, der außerdem noch blödsinnig war und stotterte, legte den Zeigefinger der Rechten mit dem der Linken in recht auffälliger Weise aneinander und brachte mit seiner schwerfälligen Zunge die Silben hervor: Ca .. Ca .. a .. Candia ... ... la .. Ciniglia.

Und mit pfiffiger Miene machte er unter Stottern den Gaffenden verständlich, daß Candia und Ciniglia gute Gevatterinnen seien.

– Alle, die dies sahen, wollten vor Vergnügen bersten. Candia blieb einen Augenblick, das Gläschen in her Hand, sprachlos. – Dann, auf einmal, begriff sie. – Man glaubte nicht an ihre Unschuld. Man beschuldigte sie, den silbernen Löffel heimlich im Einverständnis mit der Hexe zurückgebracht zu haben, um sich keinen weiteren Unannehmlichkeiten auszusetzen.

Nun überfiel sie eine blinde Wut. Sie fand keine Worte, warf sich auf den Schwächsten, den kleinen Buckligen, ließ einen Hagel von Faustschlägen auf ihn niederprasseln und zerkratzte ihm das Gesicht. Mit grausamer Freude und unter hellem Gelächter bildeten die Leute beim Anblick dieses Streites einen Kreis, wie bei einem Tierkampfe, und suchten die Streitenden durch Zuruf und Gebärden noch mehr anzufeuern.

Magnafave war von dem unvorhergesehenen Wutausbruch wie betäubt und versuchte, mit affenähnlichen Sprüngen zu entfliehen, aber die derben Fäuste der Wäscherin ließen ihn nicht los. Wie einen Stein in der Schleuder schwang sie ihn mit immer größerer Schnelligkeit im Kreise, bis er kopfüber heftig zu Boden stürzte.

Einige sprangen hinzu, um ihn aufzuheben. Candia entfernte sich, begleitet von dem Zischen der Menge. Sie ging nach Hause und schloß sich ein. Schluchzend warf sie sich über ihr Bett und biß in ihrem Schmerze in die Finger.

Diese neue Beschuldigung kränkte sie noch tiefer als die erste, um so mehr, weil sie wohl imstande gewesen wäre, diesen Ausweg zu benutzen. Wie konnte sie diesen Verdacht von sich abwälzen? Wie sollte die Wahrheit ans Licht kommen?

Sie verzweifelte förmlich, wenn sie daran dachte, daß alle Umstände gegen sie waren und es ihr fast unmöglich machten, ihre Schuldlosigkeit zu beweisen. Der Hof war leicht zugänglich, eine unverschlossene Thür führte auf den ersten Absatz der großen Treppe. Um Abfall hinauszutragen oder aus anderen Gründen ging jederzeit durch diese Thür eine Menge Leute unbehindert ein und aus. Sie konnte also den Anklägern den Mund nicht schließen, wenn sie sagte: Wie hätte ich es machen sollen, um hineinzukommen? Es gab zu viele und zu leicht erreichbare Mittel, um so etwas auszuführen, und gerade darauf stützte sich die Meinung der Leute.

Candia strengte ihre ganze Findigkeit an, erdachte sich drei, vier, fünf Fälle, die alle erklären sollten, wie der Löffel in das Loch im Hofe geraten wäre. Zu allen möglichen Listen und Scheingründen nahm sie ihre Zuflucht und grübelte mit merkwürdiger Geschicklichkeit und Beharrlichkeit immer neue Möglichkeiten aus. Dann fing sie an, in die Läden zu laufen, um den Leuten auf jede Weise die Zweifel auszureden. Diese hörten ihr zu und ergötzten sich an ihrer verfänglichen Beweisführung. Schließlich sagten sie:

Schon gut! Schon gut! aber mit solchem Ausdruck, daß Candia wie vernichtet dastand. – Alle ihre Anstrengungen waren also vergeblich! Niemand glaubte ihr! Niemand! Niemand! Mit einer bewunderungswürdigen Zähigkeit griff sie die Sache von einer anderen Seite an. Sie brachte ganze Nächte damit zu, immer neue Beweise zu ersinnen und neue Auswege zu finden, um die Hindernisse zu besiegen. Bei dieser fortgesetzten Anstrengung nahm ihre geistige Kraft nach und nach ab, sie konnte keinen anderen Gedanken als den an den Löffel fassen, und sie verlor fast das Verständnis für die gewöhnlichsten Dinge des alltäglichen Lebens. Allmählich setzte sich in dem Gehirn des armen Weibes eine wahre Manie fest, die durch die Quälereien der Leute täglich wuchs.

Sie vernachlässigte ihre Arbeit und kam dadurch ins Elend. Die Wäsche wusch sie schlecht, verlor oder zerriß sie. Wenn sie unter die eiserne Brücke des Flusses ging, wo die anderen Wäscherinnen beschäftigt waren, so kam es oft vor, daß ein Stück Wäsche ihrer Hand entglitt und von der Strömung auf Nimmerwiedersehen fortgerissen wurde. Ohne je zu ermüden, sprach sie unaufhörlich von derselben Sache. Damit sie es nicht mit anhören mußten, fingen die jungen Wäscherinnen an zu singen und ärgerten sie mit anzüglichen Reimen. Dann schrie sie und führte sich wie eine Verrückte auf.

Niemand gab ihr mehr zu waschen. Alte Kundinnen schenkten ihr aus Mitleid etwas zu essen. Schließlich gewöhnte sie sich ans Betteln. Ganz zerlumpt, gebückt und verkommen, ging sie durch die Straßen, und die Betteljungen riefen ihr nach:

Erzähle uns doch die Geschichte von dem Löffel, wir kennen sie nicht, Tante Candia!

Zuweilen hielt sie Unbekannte, die vorübergingen auf, um ihnen die Geschichte zu erzählen und ihre Schuldlosigkeit zu beteuern. Junge Leute riefen sie herbei und ließen sich für einen Soldo die Geschichte drei- viermal erzählen, erhoben gegen ihre Behauptungen Einwände, ließen sie zu Ende reden, um ihr schließlich beim letzten Worte eine Kränkung zu sagen. Den Kopf schüttelnd, ging sie weiter. Sie schloß sich anderen Bettelweibern an und stritt mit ihnen, immer, immer, unermüdlich, ohne Aufhören. Eine war ihr besonders lieb; sie war schwerhörig, hatte einen rötlichen Ausschlag und hinkte auf einem Fuße.

Im Winter 1874 wurde sie krank. Die aussätzige Frau pflegte sie. Donna Cristina schickte ihr eine Herzstärkung und ein Kohlenbecken, damit sie sich wärmen könne.

Die Kranke auf ihrem Strohlager redete im Wahnsinn nur vom Löffel; sie stützte sich auf die Ellenbogen und versuchte ihre Auseinandersetzungen mit Gebärden zu begleiten. Die Aussätzige nahm sie bei den Händen und legte sie mitleidig wieder zurück.

Im Todeskampfe noch, während schon die weitgeöffneten Augen sich verschleierten, als ob ein trübes Wasser von innen her in ihnen aufstiege, stammelte Candia noch einmal:

Ich bin es nicht gewesen, Herr ... seht doch – – – – weil – – – der Löffel – – –.

Der Held

Inhaltsverzeichnis

Die großen Kirchenfahnen San Gonzelvos wurden auf die Piazza hinabgetragen und bewegten sich langsam und schwerfällig im Winde. Kräftige, stiernackige Gestalten mit bronzefarbenen Gesichtern hielten sie spielend in den Fäusten.

Die Bevölkerung von Mascalico feierte nach dem Siege über die Radusaner mit großem Gepränge das Septemberfest. Eine tiefe, religiöse Inbrunst erfüllte alle Gemüter. Die ganze Gemeinde brachte ihrem Schutzheiligen die Opfer des reichen Erntesegens dar. Auf den Straßen hatten die Frauen an allen Fenstern bunte Teppiche angebracht. Von den Männern waren die Thüren mit frischem Grün bekränzt und die Schwellen mit Blumen bestreut. Bei jedem Windstoß flutete es wie eine große, blendende Welle durch die Straßen, und das Volk berauschte sich am Anblick dieser Pracht.

Die Prozession war im Begriff, sich in Bewegung zu setzen, sie erstreckte sich in langer Reihe von der Kirche über die Piazza. Vorn, am Altar – dort, wo San Pantaleone in den Staub gesunken war –, erwarteten acht kräftige Männer den Augenblick, um San Gonzelvo auf ihre Schultern zu heben; es waren Giovanni Curo, l'Ummalidò, Mattalá, Vinzencio Guanno, Rocco di Céuzo, Benedetto Galante und Giovanni Senzapaura. Stolz auf das Ehrenamt, das ihnen zu teil geworden war, standen sie da und schauten stumm und verlegen vor sich hin. Sie strotzten von Kraft, in ihren Augen funkelte reine Begeisterung; in den Ohren trugen sie wie die Frauen große, goldene Reife. Dann und wann befühlten sie prüfend ihre Armmuskeln und Handgelenke, als ob sie deren Stärke messen wollten; dabei lächelten sie sich flüchtig zu.

Die mächtige, mit einer schwärzlichen Patina bedeckte Bronzestatue des Schutzheiligen mit dem silbernen Kopfe und den silbernen Armen war, obwohl innen hohl, außerordentlich schwer.

Mattalá sagte: Vorwärts!

Schaulustig drängte das herumstehende Volk heran. Die Glasfenster der Kirche klapperten bei jedem Windstoß. Weihrauch und Benzoeduft erfüllten das weite Schiff der Kirche. Ab und zu hörte man den Klang der Instrumente. Eine Art blinder Aufregung erfaßte diese acht Männer inmitten des verwirrenden Getriebes. Fertig standen sie da:

Mattalá zählte: Eins! ... Zwei! ... Drei! ...

Gleichzeitig und mit aller Kraft setzten die Männer ein, um die Statue vom Altar zu heben. Aber das Gewicht war zu gewaltig. Die Statue schwankte nach links. Sie hatten noch nicht fest genug zugreifen können und bogen sich keuchend bei der Anstrengung. Biagio di Clisci und Giovanni Curo, die weniger gewandt waren, ließen los. Die Statue neigte sich plötzlich auf die Seite. L'Ummalidò« stieß einen Schrei aus:

Obacht! Obacht! ertönte es von allen Seiten, als man der gefährlichen Lage des Heiligen gewahr wurde. Von der Piazza her kam ein betäubendes Getöse, das die Rufe übertönte.

L'Ummalidò war zusammengesunken, seine rechte Hand steckte fest unter der bronzenen Masse. So auf den Knieen liegend, hielt er die Blicke auf die Hand gerichtet; in den weit geöffneten Augen malten sich Schmerz und Schrecken, einige Tropfen Blut sickerten am Altar herab, aber er schrie nicht.

Die Kameraden griffen alle zu gleicher Zeit zu, um die Last zu heben. Das war keine leichte Arbeit. L'Ummalidò verzerrte vor Schmerz den Mund. Die Frauen ergriff es mit Schaudern.

Endlich gelang es, die Statue hochzubringen, und l'Ummalidò zog die zerquetschte, blutende Hand, eine unförmige Masse, hervor.

Geh nach Hause, Du! Geh nach Hause! riefen die Leute und drängten ihn nach der Kirchenthür. Ein Weib riß ihre Schürze los und gab sie ihm, damit er sich verbinden könne. Er sprach nichts; er sah auf die Gruppe der Männer, die sich an der Statue zu schaffen machten und miteinander stritten.

Faß Du an!

Nein, laß nur!

Nein, laß mich!

Cieco Pomo, Mattia Scarafolo und Tommaso di Clisci wetteiferten, wer den achten Platz an I'Ummalidòs Stelle einnehmen sollte.

Dieser drängte sich an die Streitenden heran, preßte die zerquetschte Hand dicht an die Seite und brach sich mit der anderen Bahn.

Ganz ruhig sagte er:

Der Platz gehört mir!

Dann stemmte er die linke Schulter ein und brachte den Schutzheiligen ins Gleichgewicht.

Mit übermenschlicher Willenskraft erstickte er, die Zähne zusammenbeißend, den Schmerz.

Mattalá fragte ihn:

Was willst Du thun?

Was der heilige Gonzelvo will, antwortete l'Ummalidò und setzte sich mit den andern in Bewegung.

Erstaunt sahen ihn die Leute vorübergehen. Ab und zu fragte ihn einer, der die blutende, schwarzunterlaufene Hand sah:

L'Umma, was hast Du?

Er antwortete nicht. Ernst schritt er nach dem Takte der Musik, mit etwas vorgeschobenem Kinn, behindert durch die vom Winde sich bauschenden, schweren Gewänder weiter durch das immer dichter werdende Gedränge.

Plötzlich sank er an einer Straßenbiegung zusammen. Einen Augenblick stockte der Zug, und der Heilige geriet ins Wanken. Gleich aber setzte der Zug sich wieder in Bewegung. Mattia Scarafolo hatte den leeren Platz eingenommen.

Zwei Verwandte hoben den Ohnmächtigen auf und trugen ihn in das nächste Haus.

Anna di Céuzo, ein altes, in der Wundbehandlung erfahrenes Weib, sah das verstümmelte, blutige Glied an, schüttelte den Kopf und sagte:

Da ist wenig zu machen!

Mit ihrer Kunst konnte sie nichts ausrichten. L'Ummalidò war wieder zur Besinnung gekommen, aber er öffnete den Mund nicht.

Er hatte sich halb aufgerichtet und betrachtete ruhig die Wunde. Mit zerschmetterten Knochen hing die unrettbar verlorene Hand herab.

Zwei, drei alte Bauern traten herzu, um sie zu besehen.

Mit Wort und Blick gab jeder den gleichen Gedanken zu verstehen.

L'Ummalidò fragte:

Wer trägt den Heiligen?

Sie antworteten ihm:

Mattia Scarafolo.

Er fragte weiter:

Und was habt Ihr jetzt vor?

Sie antworteten:

Zur Vesper woll'n wir!

Die Bauern grüßten und gingen in die Vesper. Von der Hauptkirche her erklang das Geläute. Einer der Verwandten stellte einen Eimer mit kaltem Wasser neben den Verletzten und sagte:

Von Zeit zu Zeit steckst Du die Hand da hinein. Wir kommen wieder; jetzt gehn wir in die Vesper.

L'Ummalidò blieb allein. Die Glocken schwangen rascher und tönten voller. Das Tageslicht nahm ab; gegen das niedere Fenster raschelten die Zweige einer Olive, vom Winde bewegt.

L'Ummalidò bückte sich und tauchte die Hand in das Wasser. Als das Blut und das Gerinsel abgespült war, zeigte sich die klaffende Wunde in ihrem ganzen Umfange.

L'Ummalidò dachte: Ist alles umsonst, sie ist hin. – Heiliger Gonzelvo, Dir bringe ich sie dar. –

Er nahm ein Messer und ging hinaus. Die Straßen waren verlassen. – All die Andächtigen waren in der Kirche. Lila Wolken zogen wie Tiergebilde über die Häuser in dem Septembersonnenuntergang dahin.

In der Kirche betete die Menge. Die monotone Litanei ertönte abwechselnd mit den Klängen der Musik wie ein Chorgesang.

Von den Körpern der zusammengedrängten Menge und den brennenden Wachslichtern ging eine drückende Hitze aus.

Das silberne Haupt San Gonzelvos blinkte in der Höhe, wie das Licht eines Leuchtturms.

L'Ummalidò trat ein und schritt zum Erstaunen der Menge bis zum Altar.

In der Linken hielt er das Messer und sagte mit fester Stimme:

Heiliger Gonzelvo, Dir bringe ich sie dar! Er trennte ruhig die verstümmelte Hand mit festem Schnitt vom Gelenke ab; das Volk wich bestürzt zurück, die formlose, blutüberströmte Hand fiel zu Füßen des Schutzheiligen in das mit Kupfermünzen gefüllte Opferbecken.

L'Ummalidò hob den blutigen Stumpf empor und wiederholte mit fester Stimme:

Heiliger Gonzelvo, Dir bringe ich sie dar!

Der Brückenkrieg

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Ein Kapitel aus der Chronik von Pescara


Um die Zeit der Iden des Augusts (auf allen Feldern trocknete das gewaschene Getreide an der Sonne) nahm an den Verhandlungen um das Wohl und Wehe der Gemeinde auch Antonio Mengarino, ein alter, pfiffiger und erfahrener Landmann, teil. Als er bemerkte, daß sich mehrere Stadträte leise über die Cholera unterhielten, die in den italienischen Provinzen um sich griff, und wie er hörte, daß einige von ihnen Vorschläge zur Erhaltung der Gesundheit machten, während andere Befürchtungen laut werden ließen, trat er mit einer halb ungläubigen, halb neugierigen Miene auf sie zu.

Außer ihm saßen im Rate noch zwei andere Landleute, Giulio Citrullo aus der Ebene und Achille di Russo vom Hügelland.

Während der Alte dem Gespräch zuhörte, wandte er sich den beiden von Zeit zu Zeit zu und gab ihnen durch Grimassen zu verstehen, welch verkehrte Ansichten der Bürgermeister und die Räte zu Tage förderten.

Er konnte sich schließlich nicht mehr halten und sagte mit der Sicherheit eines Mannes, der mit allem Bescheid weiß und vieles gesehen hat:

Mbé, hört mir doch auf mit dem Geschwätz da untereinander. Woll'n wir ein bißchen Cholera kommen lassen, oder woll'n wir keine kommen lassen? Machen wir die Sache unter uns ab! Wir!

Bei diesen unerwarteten Worten sahen sich die Räte zuerst verwundert an, dann brachen sie in ein schallendes Gelächter aus.

Geh mir doch, Mengari! Was, bei Christi Blut, redest du denn da! rief der lange Assessor Don Ajace und klopfte den Alten auf die Schulter. Die andern schüttelten die Köpfe, schlugen mit der Faust auf den Tisch und machten ihre Bemerkungen über die heillose Unvernunft der cafoni.

Mbé, Ihr denkt, wie mir scheint, ich soll Euer Geschwätz da glauben?, warf Antonio Mengarino mit einer leichten Handbewegung ein, gereizt durch die Heiterkeit, die durch seine Worte hervorgerufen war. Bei ihm sowohl, wie bei den beiden andern Bauern, kam das Mißtrauen und die angeborene Feindseligkeit gegen die »Stadtherren« offen zum Durchbruch. – Also sie wurden von den Ratsgeheimnissen ausgeschlossen? Wurden immer noch als dumme Bauern behandelt? Ah, solch eine Wirtschaft! Zum Dreinschlagen! ...

Macht's Ihr aus! Wir gehen! schloß grimmig der Alte und nahm seinen Hut. Schweigend, mit gewichtigen Schritten, verließen die drei Bauern den Gemeindesaal.

Als sie den Ort hinter sich hatten und zwischen den üppigen Weingärten und Welschkornfeldern angelangt waren, stand Giulio Citrullo still, zündete sich die Pfeife an und machte seinem Aerger Luft:

Die Gänse laufen ja vor ihnen fort! Solche Hohlköpfe! Ich möchte kein Bürgermeister sein!

Indessen verdrehte die Angst vor der herannahenden Seuche den Landbewohnern die Köpfe. Unter den Obstbäumen, in den Weingärten, bei den Cisternen und Brunnen wachten die Bauern argwöhnisch und drohend mit größter Beharrlichkeit. Die nächtliche Stille wurde durch Flintenschüsse gestört. Bis zum Morgengrauen bellten die unruhig gewordenen Hunde. Die friedsamen Geschäfte des Ackerbaues wurden lässig und gleichgültig betrieben. Von den Feldern ertönten aufrührerische Stegreiflieder. Die Alten riefen die Erinnerung an frühere Seuchenzeiten wach und beteuerten, daß sie an Vergiftung glaubten. Anno 54 hatten einige Weinbauern von Fontanella einen Mann auf dem Gipfel eines Feigenbaumes ertappt; sie zwangen ihn herabzusteigen und sahen, wie er eine mit einem gelblichen Fett gefüllte Flasche zu verbergen suchte. Unter Drohungen gossen sie ihm die ganze Flüssigkeit ein. Der Mann, der von Padua war, stürzte plötzlich zusammen und krümmte sich, aschfahl, die Augen weit geöffnet, mit starrem Genick und mit Schaum vor dem Munde, in Zuckungen auf dem Boden.

Anno 37 erstach ein Schlosser, Namens Zinicche, in Spoltore auf offener Straße den Ratsschreiber Don Antonio Rapino: die Todesfälle hörten auf, und der Ort war gerettet.

So entstanden nach und nach Legenden, gingen von Mund zu Mund und wurden schließlich die reinsten Schauermärchen. Ein solches wußte zu berichten, daß im Rathause sieben von den »Regierenden« gesandte Kisten mit Gift angekommen seien, das im Lande verteilt und unter das Salz gemischt werden sollte. Die Kisten waren, wie es hieß, grün, mit Eisen beschlagen und mit drei Schlössern versehen. 7000 Dukaten habe der Bürgermeister bezahlen müssen, damit man die Kisten vergraben und das Land erlösen durfte. Ferner wurde erzählt, daß die »Regierenden« dem Bürgermeister für jeden Toten fünf Dukaten bezahlten. Die Bevölkerung sei zu zahlreich, und deshalb müßten nun die Armen sterben. Der Bürgermeister habe besondere Listen aufgestellt: Der vornehme Herr, diesmal wird er sich bereichern!

So wuchs die Gärung. Die Bauern kauften auf dem Markte in Pescara nichts und brachten auch ihre Erzeugnisse nicht in den Handel. Die Feigen fielen überreif von den Bäumen und verkamen auf dem Boden. Die Trauben hingen an den Reben unberührt. Die nächtlichen Räubereien hörten auf, weil die Diebe sich vor vergifteten Früchten fürchteten. Das Salz, die einzige Ware, die in den Läden der Stadt gekauft wurde, gab man erst den Hunden und Katzen zum Versuchen, ehe man davon Gebrauch machte.

Eines Tages verbreitete sich das Gerücht, daß in Neapel die Bevölkerung in großer Menge vom Tode hinweggerafft würde. An dem Namen Neapels, dieses großen, entlegenen Reiches, wo eines Tages Giuvanni senza pahura sein Glück gemacht hatte, erhitzten sich die Vorstellungen.

Es kam die Zeit der Weinlese. Aber da die einheimischen Trauben von Händlern aus der Lombardei aufgekauft und nach dem Norden verschickt wurden, um dort zur Weinverbesserung zu dienen, war das Vergnügen am prickelnden Most nur gering. Selten nur stampften die nackten Füße der Winzer in der großen Kufe, noch seltener ertönte ein Liedchen von weiblichen Lippen.

Doch als die Erntearbeiten beendet und die Bäume von Früchten geleert waren, schwand die Furcht und der Argwohn; denn nun war ja den »Herren« die Gelegenheit genommen, das Gift zu verbreiten.

Auf das Land gingen reichliche und wohlthätige Regenschauer nieder. Durch die Gunst der strahlenden Sonne war das von Feuchtigkeit durchtränkte Erdreich für die Arbeit des Pfluges und die Aussaat wohl vorbereitet, und der zunehmende Mond beeinflußte heilsam die Triebkraft der keimenden Saat.

Da verbreitete sich eines Morgens in der ganzen Gegend wie ein Lauffeuer die Nachricht, zu Villareale, bei den Eichen Don Settimios, auf dem rechten Ufer des Flusses, seien drei Frauen gestorben; sie hätten eine Suppe aus Teigwaren, die zuvor in der Stadt gekauft waren, genossen. Ueberall geriet darüber das Volk in Aufregung, und das umso heftiger, weil die Gemüter sich wieder in vertrauensseliger Sorglosigkeit gewiegt hatten.

Ah, va bbone; das vornehme Herrchen hat die Dukaten nicht fahren lassen wollen ... Aber uns kann er nichts anhaben, Früchte giebt's nicht mehr, und nach Pescara geh'n wir nicht.

Das Herrchen spielt eine schlechte Karte.