IV

Inhaltsverzeichnis

Vier Jahre waren vergangen. Starzew hatte schon in der Stadt eine große Praxis. Jeden Morgen empfing er in großer Hast seine Djalischer Patienten und begab sich dann in die Stadt, von wo er erst spät in der Nacht zurückkehrte. Jetzt fuhr er nicht mehr mit einem Paar Pferde, sondern mit einer Troika mit Schellengeläute. Er war dick und behäbig geworden und ging ungern zu Fuß, da er an Atemnot litt. Auch Pantelejmon war dick geworden, und je mehr er in die Breite ging, um so trauriger seufzte und beklagte er sich über sein bitteres Los: das viele Fahren bringe ihn um! Starzew kam in verschiedene Häuser und lernte viele Menschen kennen, wurde aber mit niemand intim. Alle Stadtbewohner ärgerten ihn mit ihren Gesprächen, Lebensanschauungen und selbst mit ihrem Aussehen. Die Erfahrung hatte ihn gelehrt, daß so ein Bürger, solange man mit ihm Karten spielt oder trinkt, ein friedlicher, gutmütiger und sogar gar nicht dummer Mensch ist; kaum versucht man aber mit ihm über etwas, was sich nicht auf das Essen bezieht, über Politik oder Wissenschaft zu sprechen, so ist er auf einmal ganz blöd, oder äußert so stumpfsinnige und gehässige Ansichten, daß nichts anderes übrigbleibt, als ihn stehen zu lassen und wegzugehen. Wenn Starzew mit irgendeinem, sogar liberalen Bürger z. B. darüber zu sprechen versuchte, daß die Menschheit, Gott sei Dank, vorwärts schreite und sich mit der Zeit auch ohne Pässe und Todesstrafe behelfen werde, so schielte ihn der Bürger mißtrauisch an und fragte: »Dann darf also jedermann jeden Menschen auf offener Straße abschlachten?« Und wenn Starzew in Gesellschaft bei einem Abendessen oder Tee sagte, daß alle Menschen arbeiten müssen und daß man ohne Arbeit nicht leben dürfe, so faßte es ein jeder als einen Vorwurf auf und begann zu widersprechen oder wurde böse. Dabei lebten die Bürger absolut müßig und interessierten sich für nichts, so daß man sich unmöglich ausdenken konnte, worüber mit ihnen zu sprechen. Und Starzew mied auch alle Gespräche und beschränkte seinen Verkehr darauf, daß er mit den Leuten trank oder Whist spielte; wenn er irgendwo zu einer Familienfeier geladen war, so aß er schweigend und blickte von seinem Teller nicht auf; alles, was um ihn her gesprochen wurde, war uninteressant, ungerecht und dumm, er spürte Aerger, regte sich auf, aber schwieg. Und weil er immer schwieg und in den Teller blickte, nannten ihn die Leute »aufgeblasener Pollake«, obwohl er mit Polen gar nichts zu tun hatte.

Theater und Konzerte besuchte er nicht, spielte aber dafür jeden Abend mit Hochgenuß drei Stunden Whist. Er hatte noch eine Zerstreuung, die ihm ganz allmählich zu einer Leidenschaft geworden war: allabendlich die durch die Praxis verdienten Banknoten aus den Taschen zusammenzukramen; es kam vor, daß die gelben Einrubelscheine und die grünen Dreirubelscheine, die nach Parfüm, Essig, Weihrauch und Tran rochen, zusammen ganze siebzig Rubel ausmachten. Und wenn er einige Hunderte beisammen hatte, brachte er sie auf die Gesellschaft für gegenseitigen Kredite und ließ sie sich auf sein Konto gutschreiben.

In den vier Jahren seit der Abreise Jekaterina Iwanownas hatte er die Turkins nur zweimal besucht, beide Male auf Einladung Wjera Iossifownas, die noch immer an Migräne litt. Jekaterina Iwanowna kam jeden Sommer zu ihren Eltern auf Besuch, aber es traf sich immer so, daß er sie nicht sah.

Nun waren die vier Jahre um. An einem stillen, warmen Morgen brachte man ihm ins Krankenhaus einen Brief. Wjera Iossifowna schrieb, daß sie sich nach Dmitrij Ionytsch sehne und bat ihn unbedingt zu kommen, um ihre Qualen zu lindern; übrigens habe sie heute Geburtstag. Unten stand die Nachschrift: »Auch ich schließe mich der Bitte Mamas an. K.«

Starzew überlegte sich die Sache und fuhr am Abend zu den Turkins.

»Ich grütze Sie!« empfing ihn Iwan Petrowitsch mit den Augen allein lächelnd. »Bon jour!«

Wjera Iossifowna, die stark gealtert war und graues Haar hatte, drückte Starzew die Hand, seufzte manieriert und sagte:

»Sie wollen mir wohl nicht mehr den Hof machen, denn Sie kommen nicht mehr zu uns. Ich bin wohl zu alt für Sie. Nun ist aber die Junge gekommen, vielleicht wird sie mehr Glück haben.«

Und das Kätzchen? Sie war magerer, bleicher, hübscher und schlanker geworden; aber sie war Jekaterina Iwanowna und kein Kätzchen mehr; die frühere Frische und der kindlich naive Ausdruck waren verschwunden. In den Blicken und den Manieren lag etwas Neues, Aengstliches und Schuldbewußtes, als fühlte sie sich hier bei den Turkins nicht mehr zu Hause.

»Gott, wie lange haben wir uns nicht gesehen!« sagte sie, Starzew die Hand reichend, und er konnte sehen, wie erregt ihr Herz klopfte; sie blickte ihm gespannt und neugierig ins Gesicht und fuhr fort: »Wie voll Sie geworden sind! Sie sind braun und etwas älter geworden, haben sich aber sonst wenig verändert.«

Auch jetzt gefiel sie ihm, gefiel ihm gut, doch etwas fehlte an ihr, oder etwas war an ihr zu viel, – er wußte selbst nicht zu sagen, was es war; aber etwas ließ in ihm nicht mehr die früheren Gefühle aufkommen. Ihm mißfiel ihre Blässe, ihr neuer Ausdruck, das matte Lächeln, die Stimme, und etwas später mißfiel ihm auch schon ihr Kleid, der Sessel, in dem sie saß; auch in der Vergangenheit, als er sie beinahe geheiratet hätte, mißfiel ihm etwas. Er gedachte seiner Liebe, seiner Träume und Hoffnungen, die ihn vor vier Jahren erfüllt hatten, und wurde auf einmal verlegen.

Man trank Tee mit Kuchen. Dann las Wjera Iossifowna einen Roman vor, las von Dingen, die im Leben niemals vorkommen, und Starzew hörte zu, sah ihren grauen schönen Kopf an und wartete, daß sie aufhöre.

– Talentlos – dachte er sich – ist nicht der, der keine Novellen zu schreiben versteht, sondern der, der sie schreibt und es nicht verheimlichen kann.

»Nicht übelhaft,« sagte Iwan Petrowitsch.

Nach der Vorlesung spielte Jekaterina Iwanowna sehr lange und sehr laut Klavier, und als sie fertig war, dankte man ihr und war entzückt über ihr Spiel.

– Es ist doch gut, daß ich sie nicht geheiratet habe, – dachte sich Starzew.

Sie sah ihn an und erwartete offenbar, daß er ihr vorschlagen werde, in den Garten zu gehen, er aber schwieg.

»Nun, wollen wir ein wenig sprechen,« sagte sie, auf ihn zugehend. »Wie leben Sie? Wie geht es Ihnen? Ich habe alle diese Tage an Sie gedacht,« fuhr sie nervös fort, »ich wollte Ihnen schreiben, wollte selbst zu Ihnen nach Djalisch kommen, und wäre auch gekommen, wenn ich es mir nicht überlegt hätte: Gott allein weiß, was Sie von mir jetzt halten. Mit solcher Aufregung habe ich Sie heute erwartet. Um Gottes willen, gehen wir doch in den Garten.«

Sie gingen in den Garten und setzten sich auf die gleiche Bank unter dem alten Ahorn wie vor vier Jahren. Es war finster.

»Nun, wie geht es Ihnen?« fragte Jekaterina Iwanowna.

»Danke, es geht,« antwortete Starzew.

Und er wußte nichts mehr zu sagen. Beide schwiegen.

»Ich bin so aufgeregt,« sagte Jekaterina Iwanowna nach einer Weile und bedeckte das Gesicht mit den Händen: »aber achten Sie darauf nicht. Ich fühle mich so wohl zu Hause, ich bin so froh, alle wiederzusehen und kann mich gar nicht gewöhnen. So viele Erinnerungen! Ich glaubte, daß wir bis morgen früh sprechen würden.«

Jetzt sah er ihr Gesicht und ihre glänzenden Augen in der Nähe, und sie erschien ihm hier im Dunkeln jünger als im Zimmer, und selbst ihr kindlicher Ausdruck von einst war zurückgekehrt. Sie blickte ihn tatsächlich mit naiver Neugier an, als wollte sie sich den Menschen, der sie einst so heiß, so zärtlich und so unglücklich geliebt hatte, näher ansehen und begreifen. Und er erinnerte sich des Vergangenen mit allen Einzelheiten, wie er auf dem Friedhofe herumgeirrt war und wie er dann beim Morgengrauen todmüde nach Hause zurückkehrte, und es wurde ihm plötzlich traurig zumute, und das Vergangene tat ihm leid. In seiner Seele glimmte wieder ein Feuer.

»Erinnern Sie sich noch, wie ich Sie zum Tanzabend im Klub begleitete?« sagte er. »Es regnete und war stockfinster.«

Das Flämmchen lohte immer stärker, und er hatte Lust, zu sprechen und sich über das Leben zu beklagen ....

»Ach ja!« sagte er mit einem Seufzer. »Sie fragten soeben, wie es mir geht. Wie geht es uns hier allen? Wir werden alt, fett und sinken immer tiefer. Ein Tag ist wie der andere, das Leben vergeht farblos, ohne Eindrücke, ohne Gedanken ... Bei Tage verdiene ich Geld, und abends sitze ich im Klub in Gesellschaft von Spielern und Alkoholikern, die ich nicht leiden kann. Es ist gar nicht schön.«

»Aber Sie haben Ihre Arbeit, ein edles Lebensziel. Sie sprachen einst mit solcher Liebe von Ihrem Krankenhaus. Ich war damals so eigen, bildete mir ein, eine hervorragende Pianistin zu sein. Alle jungen Mädchen spielen heute Klavier, und ich spielte ebenso wie die anderen, durchaus nicht hervorragend; ich bin als Pianistin dasselbe, was meine Mama als Dichterin ist. Natürlich hatte ich Sie damals nicht verstanden, aber später, in Moskau dachte ich oft an Sie. Ich dachte überhaupt nur an Sie. Was für ein Glück ist es, Landarzt zu sein und dem leidenden Volke zu dienen! Was für ein Glück!« wiederholte Jekaterina Iwanowna mit Begeisterung. »Als ich an Sie in Moskau dachte, erschienen Sie mir als ein idealer, erhabener Mensch ...«

Starzew mußte an die Banknoten denken, die er jeden Abend mit solchem Genuß aus seinen Taschen zusammenkramte, und das Flämmchen in seiner Seele erlosch.

Er stand auf, um ins Haus zu gehen. Sie nahm seinen Arm.

»Sie sind der Beste von allen Menschen, die mir im Leben begegnet sind,« fuhr sie fort. »Wir werden uns jetzt öfter sehen und sprechen, nicht wahr? Versprechen Sie es mir. Ich bin keine Pianistin, ich bilde mir nichts mehr ein, und werde in Ihrer Anwesenheit weder spielen noch von Musik sprechen.«

Als sie ins Haus kamen und Starzew bei Abendbeleuchtung ihr Gesicht und ihre traurigem, dankbaren, fragenden Augen, die sie auf ihn gerichtet hielt, sah, empfand er eine gewisse Unruhe und sagte sich wieder:

– Es ist doch gut, daß ich sie damals nicht geheiratet habe. –

Er begann Abschied zu nehmen.

»Sie haben gar kein römisches Recht, vor dem Abendessen wegzugehen,« sagte Iwan Petrowitsch, ihn hinausbegleitend. »Das ist von Ihrer Seite höchst unpopulär. Nun, produziere dich!« wandte er sich im Vorzimmer an Pawa.

Pawa, der kein Junge mehr, sondern ein junger Mann mit einem Schnurrbart war, stellte sich in Positur, hob eine Hand und sprach mit tragischer Stimme:

»Stirb, Unselige!«

All das ärgerte Starzew. Als er sich in den Wagen setzte und auf das dunkle Haus und den Garten zurückblickte, die ihm einst so lieb gewesen, kam ihm wieder alles in den Sinn: die Romane Wjera Iossifownas, das laute Klavierspiel des Kätzchens, die Witze Iwan Petrowitschs, die tragische Positur Pawas, und er sagte sich, was das doch für eine traurige Stadt sein müsse, wo die talentiertesten Menschen so furchtbar talentlos seien.

Nach drei Tagen brachte ihm Pawa einen Brief von Jekaterina Iwanowna.

»Sie kommen nicht mehr zu uns. Warum?« schrieb sie ihm: »Ich fürchte, daß Ihr Verhältnis zu uns sich geändert hat, ich fürchte es, und vor diesem Gedanken ist es mir ganz bange zumute. Beruhigen Sie mich, kommen Sie zu uns und sagen Sie mir, daß alles gut ist.

Ich muß Sie sprechen.

Ihre J. T.«

Er las den Brief, überlegte sich eine Weile und sagte zu Pawa:

»Sag ihr, mein Bester, daß ich heute beschäftigt bin und nicht kommen kann. Sag, daß ich so in drei Tagen kommen werde.«

Es vergingen aber drei Tage, und acht Tage, und er ließ sich nicht blicken. Als er einmal am Hause der Turkins vorbeifuhr, fiel ihm ein, daß er doch eigentlich für ein paar Minuten hineinschauen sollte, – das dachte er sich und ging doch nicht hin.

Und er kam nie wieder zu den Turkins.

Es sind noch einige Jahre vergangen. Starzew ist noch dicker und fetter geworden, atmet schwer und wirft im Gehen den Kopf in den Nacken zurück. Wenn er, aufgedunsen und rot in seiner Troika mit dem Schellengeläute fährt und Pantelejmon, der ebenso dick und rot geworden ist und einen fleischigen Nacken hat, auf dem Bocke sitzt, die Arme so gerade, wie wenn sie aus Holz wären, vor sich ausgestreckt, und die Leute auf der Straße anschreit: »Rechts!«, – so ist das Bild so imposant, als ob kein Mensch, sondern ein Götze im Wagen säße. Er hat in der Stadt eine riesengroße Praxis, die ihm keinen Augenblick freie Zeit läßt, besitzt ein Gut und zwei Häuser in der Stadt und ist eben im Begriff, ein drittes Haus möglichst vorteilhaft zu kaufen. Wenn er in der »Gesellschaft für gegenseitigen Kredit« von einem Hause hört, das zum Verkaufe steht, so begibt er sich in dieses Haus, geht ungeniert durch alle Zimmer, ohne auf die nicht angekleideten Frauen und Kinder, die ihn mit Erstaunen und Angst angaffen, zu achten, tippt mit dem Spazierstock an alle Türen und fragt:

»Ist hier das Kabinett? Hier das Schlafzimmer? Und was ist hier?«

Dabei atmet er schwer und wischt sich den Schweiß aus der Stirn.

Er hat furchtbar viel zu tun, und doch gibt er die Landarztstelle nicht auf; so gierig ist er und will ja keinen Pfennig verlieren. In Djalisch und in der Stadt nennt man ihn jetzt ganz kurz »Ionytsch«. – »Wo fährt der Ionytsch hin?« oder: »Soll man nicht den Ionytsch zum Konsilium rufen?«

Seine Stimme hat sich verändert und ist hoch und schneidend geworden, wohl weil seine Kehle verfettet ist. Auch sein Charakter hat sich verändert: er ist unverträglich und reizbar. Wenn er seine Kranken empfängt, klopft er ungeduldig mit dem Stock gegen den Boden und schreit mit böser widerlicher Stimme:

»Wollen Sie nur meine Fragen beantworten! Keine überflüssigen Gespräche!«

Er ist einsam. Sein Leben ist langweilig, und er hat für nichts Interesse.

Wahrend der ganzen Zeit, seit er in Djalisch wohnt, war seine Liebe zum Kätzchen seine einzige und wohl auch seine letzte Freude gewesen. Abends spielt er im Klub Whist und ißt dann allein am großen Tisch zu Abend. Ihn bedient der älteste und geachtetste Kellner Iwan; er trinkt den Lafitte Nr. 17; die Vorsteher des Klubs, der Koch und der Kellner, alle wissen genau, was er liebt, und was er nicht liebt, und bemühen sich, ihn nach Möglichkeit zufriedenzustellen, damit er nicht auffährt und mit dem Stock gegen den Boden klopft.

Beim Abendessen wendet er sich manchmal um und mischt sich in ein fremdes Gespräch ein:

»Von wem sprachen Sie eben? Wie?«

Und wenn mal an einem der Nebentische die Rede auf die Turkins kommt, so fragt er:

»Was für Turkins meinen Sie? Die, wo die Tochter Klavier spielt?«

Das ist alles, was man über ihn berichten kann.

Und die Turkins? Iwan Petrowitsch ist gar nicht gealtert, hat sich nicht verändert und macht noch immer seine Witze; Wjera Iossifowna liest den Gästen nach wie vor in aller Herzenseinfalt ihre Romane vor. Und das Kätzchen spielt täglich an die vier Stunden Klavier. Sie ist sichtlich älter geworden, kränkelt und geht jeden Herbst mit der Mutter nach der Krim. Iwan Petrowitsch gibt ihnen das Geleite, und wenn der Zug sich in Bewegung setzt, wischt er sich die Tränen aus den Augen und ruft:

»Leben Sie sowohl, als auch!«

Und winkt mit dem Taschentuch.

Novellen und Kurzgeschichten

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Geschichten in Grau
Kleine Erzählungen
Lustige Geschichten
Von Frauen und Kindern
Duell (Ein Zweikampf)
Schatten des Todes

Der Taugenichts

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Übersetzt von Alexander Eliasberg

I

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Mein Chef sagte mir: »Ich behalte Sie nur mit Rücksicht auf Ihren ehrenwerten Herrn Vater, sonst wären Sie schon längst hinausgeflogen.« Ich antwortete: »Exzellenz tun mir zu viel Ehre an, wenn Sie annehmen, daß ich fliegen kann.« Und dann hörte ich ihn noch sagen: »Schaffen Sie diesen Herrn fort, er geht mir auf die Nerven.«

Nach zwei Tagen war ich entlassen. So habe ich, seitdem ich sozusagen erwachsen bin, zum großen Kummer meines Vaters, des Stadtarchitekten, bereits neun Stellungen gewechselt. Ich war in allen möglichen Ressorts angestellt gewesen, aber alle neun Stellungen glichen sich wie die Wassertropfen: überall mußte ich sitzen, schreiben, dumme oder rohe Bemerkungen anhören und warten, daß man mich entläßt.

Mein Vater saß, als ich zu ihm kam, tief in seinem Sessel und hielt die Augen geschlossen. Sein mageres, trockenes Gesicht mit einem bläulichen Schimmer auf den rasierten Stellen – (er hatte einige Ähnlichkeit mit einem katholischen Organisten) drückte Demut und Ergebenheit aus. Ohne meinen Gruß zu erwidern und ohne die Augen zu öffnen, sagte er zu mir:

»Wenn meine teure Frau, deine Mutter, noch lebte, so wäre dein Leben für sie eine Quelle unaufhörlicher Schmerzen. In ihrem frühen Tode erblicke ich Gottes Vorsehung. Ich bitte dich, du Elender,« fuhr er fort, die Augen öffnend, »sag' einmal selbst, was soll ich mit dir machen?«

In früheren Jahren, als ich noch jünger war, wußten alle meine Verwandten und Bekannten sehr gut, was mit mir zu machen wäre: die einen rieten zum Einjährigendienst, andere zu einer Stellung in einer Apotheke, und die dritten zu einer am Telegraph. Jetzt, wo ich fünfundzwanzig Jahre alt bin und die ersten grauen Haare an den Schläfen habe, wo ich bereits Einjähriger, Apothekerlehrling und Telegraphist gewesen bin, scheint alles Irdische für mich erschöpft, und man rät mir nichts mehr, sondern seufzt nur oder schüttelt den Kopf.

»Was denkst du dir eigentlich?« fuhr mein Vater fort. »Andere junge Leute haben in deinem Alter schon eine sichere soziale Position; aber was bist du? Ein Proletarier, ein Bettler, der seinem Vater zur Last fällt!«

Und er begann, seiner Gewohnheit gemäß, davon zu sprechen, daß die Jugend von heute an Unglauben, Materialismus und übermäßiger Einbildung zugrunde gehe und daß man die Liebhaberaufführungen verbieten müsse, weil sie die jungen Leute von der Religion und von ihren Pflichten ablenkten.

»Morgen gehen wir zusammen hin, du wirst deinen Chef um Entschuldigung bitten und ihm versprechen, deine Pflicht gewissenhaft zu tun,« so schloß er seine Rede. »Keinen einzigen Tag darfst du ohne eine soziale Position bleiben.«

»Ich bitte Sie, hören Sie mich an, sagte ich mürrisch. Ich erwartete nichts Gutes von diesem Gespräch. »Das, was Sie eine gesellschaftliche Position nennen, ist ein Privileg des Kapitals und der Bildung. Aber die Besitzlosen und die Ungebildeten verdienen sich ihr Stück Brot durch körperliche Arbeit, und ich sehe gar nicht ein, warum ich eine Ausnahme bilden soll.«

»Wenn du von körperlicher Arbeit zu sprechen anfängst, so sind deine Worte immer dumm und abgeschmackt!« sagte mein Vater gereizt. »Begreif es doch, du stumpfsinniger Mensch, begreife es doch, du Schafskopf, daß du außer der rohen körperlichen Kraft auch noch einen Geist Gottes, ein heiliges Feuer in dir hast, das dich im höchsten Maße vom Esel oder vom Reptil unterscheidet und der Gottheit nahebringt! Dieses Feuer ist im Laufe von Jahrtausenden von den besten unter den Menschen gewonnen worden. Dein Urgroßvater, der General Polosnjew hat bei Borodino gekämpft, dein Großvater war Dichter, Redner und Adelsmarschall, dein Onkel – Schulmann, und endlich ich, dein Vater, bin Architekt. Alle Polosnjews haben das heilige Feuer gehütet, nur damit du es auslöschst!«

»Man muß gerecht sein,« sagte ich. »Der körperlichen Arbeit unterziehen sich Millionen von Menschen.«

»Sollen sie sich ihr nur unterzieben! Sie können eben nichts anderes. Körperliche Arbeit kann jeder leisten, selbst der größte Dummkopf und Verbrecher, sie charakterisiert den Sklaven und den Barbaren, während das heilige Feuer nur wenigen gegeben ist!«

Dieses Gespräch fortzusetzen, hatte gar keinen Zweck. Mein Vater vergötterte sich, und für ihn war nur das überzeugend, was er selbst sagte. Außerdem wußte ich sehr gut, daß der Hochmut, mit dem er über die körperliche Arbeit sprach, weniger auf den Erwägungen bezüglich des heiligen Feuers beruhte, als auf der Angst, daß ich wirklich Arbeiter und der ganzen Stadt zum Spott werden könnte; vor allen Dinge aber hatten schon alle meine Altersgenossen die Universität absolviert und waren auf dem besten Wege, Karriere zu machen; der Sohn des Reichsbankdirektors z. B. besaß schon den Rang eines Kollegienassessors, ich aber, sein einziger Sohn, war noch nichts! Dieses Gespräch fortzusetzen, war zwecklos und unangenehm, aber ich saß noch immer da und machte schwächliche Einwendungen in der Hoffnung, daß er mich vielleicht am Ende doch verstehen würde. Für mich war ja die ganze Frage ganz einfach und sonnenklar: es handelte sich nur noch darum, auf welche Weise ich mein Stück Brot verdienen könnte. Aber mein Vater wollte das Einfache nicht einsehen, sondern sprach in gedrechselten, süßlichen Sätzen von Borodino, vom heiligen Feuer, von meinem Onkel, dem vergessenen Dichter, der einst schlechte, verlogene Gedichte geschrieben, und nannte mich in seiner rohen Art einen Schafskopf und einen stumpfsinnigen Menschen. Und ich sehnte mich so sehr danach, verstanden zu werden! Trotz alledem liebe ich aber meinen Vater und meine Schwester, und die kindliche Gewohnheit, sie in allen Dingen um Erlaubnis zu fragen, ist in mir so tief eingewurzelt, daß ich mich von ihr wohl kaum jemals freimache; ganz gleich, ob ich im Recht oder Unrecht bin, ich fürchte immer, ihnen Kummer zu bereiten, fürchte, daß mein Vater einen roten Hals bekommt oder daß ihn gar der Schlag trifft.

»In einem dumpfen Zimmer zu sitzen,« sagte ich, »Papiere abzuschreiben und mit einer Schreibmaschine zu konkurrieren, ist für einen Menschen in meinem Alter beschämend und beleidigend. Wie kann da überhaupt von einem heiligen Feuer die Rede sein!«

»Es ist immerhin geistige Arbeit,« entgegnete mein Vater. »Aber genug, brechen wir dieses Gespräch ab. Doch für jeden Fall muß ich dich warnen: wenn du deinen Dienst nicht wieder antrittst und deinen verächtlichen Neigungen folgst, so entziehen wir dir, ich und meine Tochter, unsere Liebe. Ich werde dich enterben, das schwöre ich dir bei Gott!«

Ich sagte darauf ganz aufrichtig, nur um die Reinheit der Motive, von denen ich mich mein Leben lang leiten lassen wollte, zu zeigen:

»Diese Frage erscheint mir nicht so wichtig. Ich verzichte auf die Erbschaft schon von vornherein.«

Diese Worte verletzten meinen Vater ganz wider Erwarten äußerst schwer. Er wurde über und über rot.

»Untersteh dich nicht, mit mir so zu sprechen, Dummkopf!« schrie er mit einer dünnen, kreischenden Stimme. »Du Taugenichts!« Und er versetzte mir mit einer geschickten, gewohnten Bewegung schnell hintereinander zwei Ohrfeigen. »Du vergißt dich letztens gar zu oft!«

In meiner Kindheit mußte ich, wenn mich mein Vater schlug, stramm, die Hände an der Hosennaht, stehen und ihm gerade ins Gesicht sehen. Und wie er mich jetzt schlug, fiel ich gleichsam in meine Kinderjahre zurück, und stand stramm und sah ihm in die Augen. Mein Vater war alt und sehr mager, seine Muskeln waren aber wohl dünn und zäh wie Riemen, denn seine Schlägt taten sehr weh.

Ich zog mich ins Vorzimmer zurück, aber hier ergriff er seinen Regenschirm und schlug mich damit einigemal auf Kopf und Schultern; in diesem Augenblick öffnete meine Schwester die Wohnzimmertüre, um zu sehen, woher der Lärm komme; als sie die Szene sah, wandte sie sich sofort mit einem Ausdruck von Mitleid und Schreck wieder fort, ohne auch nur ein Wort für mich einzulegen.

Mein Entschluß, in die Kanzlei nicht zurückzukehren, sondern ein neues Arbeitsleben zu beginnen, stand unwankbar fest. Es blieb mir nur noch übrig, die Art der Arbeit zu wählen, und das erschien mir nicht sonderlich schwer, da ich mich für außerordentlich stark, ausdauernd und jeder Arbeit gewachsen hielt. Mir stand ein eintöniges Arbeitsleben mit Hunger, Armeleutegeruch, Roheit und der ständigen Sorge um das tägliche Brot bevor, Und – wer weiß? – vielleicht werde ich, wenn ich durch die Große Adelsstraße von der Arbeit heimgehe, mehr als einmal den Ingenieur Dolschikow beneiden, der von geistiger Arbeit lebt; aber jetzt freute es mich nur, an alle meine zukünftigen Schwierigkeiten zu denken. Einst hatte ich von einer geistigen Tätigkeit geträumt und mich schon als Lehrer, Arzt oder Dichter gesehen, aber die Träume blieben eben Träume. Der Hunger nach geistigen Genüssen – z. B. nach Theater und Büchern, war in mir bis zur Leidenschaft entwickelt, ob ich aber auch die Fähigkeit besaß, mich auf diesen Gebieten selbst zu betätigen, das weiß ich nicht. Auf dem Gymnasium hatte ich eine unüberwindliche Abneigung gegen Griechisch, so daß ich aus der vierten Klasse austreten mußte. Lange Zeit nahm ich Privatunterricht und bereitete mich für die fünfte Klasse vor; dann diente ich in den verschiedenen Ressorts, wobei ich den größten Teil des Tages nichts zu tun hatte, aber das nannte man geistige Arbeit! Das Studium und der Staatsdienst erforderten weder Geistesanspannung, noch Talente, weder persönliche Fähigkeiten, noch schöpferischen Aufschwung: sie waren rein mechanisch. Solche geistige Arbeit schätze ich aber viel niedriger als die körperliche ein, ich verachte sie und glaube nicht, daß sie ein müßiges, sorgloses Leben auch nur einen Augenblick lang zu rechtfertigen vermag, da sie doch selbst nur Betrug und eine Form von Müßiggang ist. Die wahre geistige Arbeit habe ich wahrscheinlich nie gekannt. Der Abend brach an. Wir wohnten in der Großen Adelsstraße, der Hauptstraße unserer Stadt, auf der in den Abendstunden in Ermangelung eines ordentlichen Stadtgartens unsere vornehme Welt zu promenieren pflegte. Diese schöne Straße ersetzte zum Teil einen Garten, da sie zu beiden Seiten von Pappeln eingefaßt war, die, besonders nach einem Regen, herrlich dufteten, und aus den Gartenzäunen Akazien, Fliederbüsche, Faul- und Apfelbäume hervorlugten. Die Maiendämmerung, das zarte, junge Grün voller Schatten, der Fliederduft, das Summen der Käfer, die Stille, die Wärme – wie neu und ungewöhnlich war das alles, obwohl es sich jedes Jahr wiederholte! Ich stand vor der Gartenpforte, und sah mir die Spaziergänger an. Mit den meisten von ihnen war ich aufgewachsen und hatte als Kind gespielt; jetzt wäre ihnen aber meine Bekanntschaft peinlich gewesen, denn ich war ärmlich und nicht nach der Mode gekleidet, und meine engen Hosen und plumpen Stiefel waren allen zum Spott. Zudem stand ich überhaupt in schlechtem Ruf, da ich keine gesellschaftliche Position besaß und oft in billigen Gasthäusern Billard spiele; außerdem vielleicht auch aus dem Grunde, weil man mich zweimal ohne den geringsten Anlaß meinerseits auf die Gendarmerie vorgeladen hatte.

Im großen Hause gegenüber, beim Ingenieur Dolschikow, spielte man Klavier. Es dunkelte, und am Himmel leuchteten die Sterne auf. Da kommt langsam, in seinem altmodischen Zylinder mit breiter, nach oben gebogener Krempe, nach allen Seiten grüßend, Arm in Arm mit meiner Schwester mein Vater gegangen.

»Sieh einmal!« sagt er zu meiner Schwester und zeigt mit demselben Regenschirm, mit dem er mich vorhin geprügelt, nach oben: »Sieh den Himmel! Die Sterne, selbst die winzigsten unter ihnen sind ganze Welten! Wie nichtig ist doch der Mensch im Vergleich zum Weltall!«

Und das sagte er in einem Ton, als ob es ihm schmeichelhaft und angenehm wäre, so nichtig zu sein. Was war er doch für ein talentloser, unbedeutender Mensch! Leider war er unser einziger Architekt, und aus diesem Grunde ist bei uns in den letzten fünfzehn – zwanzig Jahren kein einziges anständiges Haus erstanden. Wenn man bei ihm einen Plan bestellte, so zeichnete er immer zuerst einen Saal und ein Wohnzimmer; ebenso wie die Institutschülerinnen der guten alten Zeit nur von einer bestimmten Stelle des Zimmers, nämlich vom Ofen zu tanzen verstanden, so vermochte sich die künstlerische Phantasie meines Vaters nur vom Saal und Wohnzimer aus zu entfalten. Daran zeichnete er ein Eßzimmer, ein Kinderzimmer und ein Kabinett und verband alle diese Räume durch Türen, so daß jedes Zimmer zu einem Durchgangszimmer wurde und je zwei oder auch drei Türen zuviel hatte. Seine Phantasie war augenscheinlich verworren und dürftig; als fühlte er, daß irgend etwas fehlte, griff er jedesmal zu allerlei Anbauten, die er einfach aneinanderreihte. Ich sehe auch heute noch die engen Vorzimmer und Korridore, die krummen Treppchen zum Zwischenstock, wo man nur gebückt stehen konnte und wo drei Riesenstufen in der Größe von Pritschen den Fußboden ersetzten. Die Küche befand sich aber unbedingt im Kellergeschoß und hatte eine gewölbte Decke und einen Ziegelfußboden. Die Fassade blickte eigensinnig und langweilig drein und hatte trockene, nichtssagende Linien; das Dach war niedrig und flach, und auf den dicken, gleichsam geschwollenen Schornsteinen saßen unbedingt Drahtkappen mit schwarzen quietschenden Wetterfahnen. Alle diese von meinem Vater erbauten Häuser ähnelten sich und erinnerten mich aus irgendeinem Grunde an seinen Zylinderhut und seinen trockenen und eigensinnigen Nacken. Im Laufe der Zeit gewöhnte man sich in der Stadt an die Geschmacklosigkeit meines Vaters, sie faßte Wurzeln und wurde zu unserm Stil.

Nach dem gleichen Stil gestaltete er auch das Leben meiner Schwester. Es begann damit, daß er sie Kleopatra taufte (mich hatte er aber Missail genannt). Als sie noch ein Kind war, machte er ihr mit seinen Reden über die Sterne, über die alten Weisen und über unsere Ahnen Angst, erklärte ihr lang und breit, was das Leben und was die Pflicht sei; und auch jetzt, da sie bereits sechsundzwanzig Jahre alt war, betrieb er ihre Erziehung auf die gleiche Weise und erlaubte ihr, nur mit ihm allein Arm in Arm zu gehen. Aus irgendeinem Grunde bildete er sich ein, es müsse früher oder später ein anständiger junger Mann kommen, der sie aus Achtung vor den Tugenden ihres Vaters heiraten würde. Sie aber betete den Vater an und glaubte an seinen ungewöhnlichen Geist.

Es war ganz dunkel geworden, und die Straße leerte sich allmählich. Im Hause war das Klavierspiel verstummt. Das Tor wurde weit geöffnet, und über unsere Straße rollte mit gedämpftem Schellengeläute eine Troika. Der Ingenieur fuhr mit seiner Tochter spazieren. Es war Zeit zum Schlafen.

Ich hatte zwar im Hause mein eigenes Zimmer, wohnte aber auf dem Hofe in einer Hütte, die an einen Stall angebaut war. Die Hütte hatte einst zum Aufbewahren von Pferdegeschirr gedient, und in den Wänden steckten große Haken. Jetzt stand sie leer, und mein Vater benutzte sie als Ablage für seine Zeitungen, die er halbjährlich binden ließ und die niemand anrühren durfte. Wenn ich hier wohnte, kam ich meinem Vater und seinen Gästen weniger unter die Augen, und es schien mir, daß, wenn ich nicht in einem richtigen Zimmer wohnte und nicht jeden Tag zu Hause zu Mittag aß, die Worte meines Vaters, daß ich ihm zur Last falle, weniger verletzend seien.

Meine Schwester erwartete mich schon. Sie brachte mir heimlich mein Abendessen: ein kleines Stück kaltes Kalbfleisch und eine Scheibe Brot. Bei uns zu Hause hieß es immer: »Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert.« Meine Schwester stand unter dem Drucke solcher Redensarten und dachte nur noch daran, wie sie die Ausgaben vermindern könnte; deshalb aß man bei uns im allgemeinen schlecht. Sie stellte den Teller auf den Tisch, setzte sich auf mein Bett und fing zu weinen an.

»Missail,« sagte sie, »was tust du uns an?«

Sie bedeckte ihr Gesicht nicht, die Tränen fielen ihr auf Brust und Hände, und ihre Züge drückten tiefe Trauer aus. Sie sank auf das Kissen, ließ den Tränen freien Lauf, zitterte am ganzen Leibe und schluchzte.

»Du hast schon wieder deine Stellung verloren,« sagte sie. »Wie schrecklich ist das!«

»Aber so höre doch, Schwester, begreife mich ...« fing ich an. Ihre Tränen brachten mich zur Verzweiflung.

Wie zum Trotz war das Petroleum in meinem Lämpchen ausgebrannt; es qualmte und wollte verlöschen. Die alten Haken an den Wänden blickten streng drein, und ihre Schatten bewegten sich.

»Erbarme dich unser!« sagte meine Schwester, sich vom Bette erhebend. »Unser Vater ist tief unglücklich, und ich bin krank und fürchte den Verstand zu verlieren. Was wird aus dir?« fragte sie schluchzend, die Hände nach mir ausstreckend. »Ich bitte dich, ich flehe dich im Namen unserer verstorbenen Mutter an: geh wieder in Stellung!«

»Ich kann nicht, Kleopatra!« sagte ich, obwohl ich fühlte, daß nicht mehr viel fehlte, daß ich mich ergebe. »Ich kann nicht!«

»Warum dene nicht?« fuhr meine Schwester fort. »Warum? Nun, wenn du dich mit deinem Chef nicht vertragen kannst, so suche dir eine andere Stellung. Warum sollst du zum Beispiel nicht zur Eisenbahn gehen? Ich habe eben mit Anjuta Blagowo gesprochen; sie behauptet, daß man dich bei der Eisenbahn ganz bestimmt nehmen wird, und verspricht sogar, sich für dich zu verwenden. Um Gottes willen, Missail, überlege es dir! Ich flehe dich an!«

Wir sprachen noch ein Weilchen, und ich gab schließlich nach. Ich sagte ihr, daß der Gedanke an eine Stellung beim Eisenbahnbau mir noch gar nicht gekommen und daß ich nicht abgeneigt sei, die Sache zu probieren.

Sie lächelte freudig unter Tränen und drückte mir die Hand. Sie weinte fort und konnte sich lange nicht beruhigen. Ich aber ging in die Küche nach Petroleum.

II

Inhaltsverzeichnis

Unter den Veranstaltern von Liebhaberaufführungen, Konzerten und lebenden Bildern zu wohltätigen Zwecken spielten in unserer Stadt die Aschogins, die im eigenen Hause auf der Großen Adelstraße wohnten, die erste Rolle; sie gaben jedesmal ihre Räume her und übernahmen alle Scherereien und Auslagen. Diese reiche Gutsbesitzersfamilie besaß im Landkreise ein Gut von dreitausend Deßjatinen mit einem herrlichen Herrenhause, liebte aber das Landleben nicht und wohnte im Winter wie im Sommer in der Stadt. Die Familie bestand aus der Mutter, einer groß gewachsenen, hageren, vornehmen Dame, die die Haare kurz geschoren trug und sich nach englischer Mode kleidete, und aus drei Töchtern, die man niemals bei ihren Namen nannte, sondern einfach mit die Aelteste, die Mittlere, die Jüngste bezeichnete. Alle drei Töchter hatten ein spitzes Kinn, waren unschön und kurzsichtig, hielten sich gebückt, kleideten sich wie die Mutter und lispelten höchst unangenehm. Trotzdem nahmen sie unbedingt an jeder Vorstellung teil und betätigten sich immer zu wohltätigen Zwecken; entweder spielten sie, rezitierten oder sangen. Sie waren sehr ernst und lächelten niemals; selbst in Possen mit Gesang spielten sie ohne den leisesten Humor, mit einem so geschäftsmäßigen Ausdruck, als wenn sie Buchhaltung trieben.

Ich liebte unsere Aufführungen und ganz besonders die häufigen, etwas unordentlichen, geräuschvollen Proben, nach denen man immer ein Abendbrot bekam. An der Auswahl der Stücke und der Verteilung der Rollen beteiligte ich mich nicht. Ich betätigte mich nur hinter den Kulissen. Ich malte die Dekorationen, schrieb die Rollen ab, soufflierte, schminkte die Darsteller und sorgte für solche Effekte wie Donner, Nachtigallenschlag usw. Da ich weder eine gesellschaftliche Position noch anständige Kleider besaß, hielt ich mich bei den Proben abseits, im Schatten der Kulissen und schwieg.

Die Dekorationen malte ich bei den Aschogins auf dem Hofe oder im Stall. Mir half dabei der Maler oder »Unternehmer für Malerarbeiten«, wie er sich nannte, Andrej Iwanow. Es war ein Mann von etwa fünfzig Jahren, groß, sehr mager und blaß; er hatte eine eingefallene Brust, eingedrückte Schläfen und blaue Ringe um die Augen und sah sogar etwas unheimlich aus. Er litt an irgendeiner auszehrenden Krankheit, und jeden Herbst und Frühling hieß es von ihm, daß er sterbe. Aber er stand immer wieder auf und sagte dann verwundert: »Ich bin nun wieder nicht gestorben!«

In der Stadt nannte man ihn »Rettich« und behauptete, daß das sein richtiger Name sei. Er liebte das Theater ebenso wie ich, und sobald er hörte, daß man wieder eine Liebhaberaufführung plane, ließ er alle seine Arbeiten liegen und ging zu den Aschogins, um Dekorationen zu malen.

Am Tage nach der Aussprache mit meiner Schwester arbeitete ich vom frühen Morgen an bei den Aschogins. Die Probe war auf sieben Uhr abends angesetzt, und eine Stunde vor Beginn hatten sich schon alle Liebhaber im Saale versammelt. Die Aelteste, die Mittlere und die Jüngste gingen auf und ab und lasen ihre Rollen. Rettich lehnte schon in seinem langen rotbraunen Mantel mit einem Tuch um den Hals an der Wand und blickte mit andächtigen Augen auf die Bühne. Frau Aschogina-Mutter ging bald auf den einen, bald auf den anderen Gast zu und sagte einem jeden etwas Angenehmes. Sie hatte die Manier, einen jeden scharf ins Gesicht zu blicken und so leise zu sprechen, als wären es lauter Geheimnisse.

»Es muß doch recht schwer sein, Dekorationen zu malen,« sagte sie leise zu mir. »Als Sie eintraten, sprach ich gerade mit Madame Muffke von den Vorurteilen. Mein Gott, ich habe mein ganzes Leben lang gegen die Vorurteile gekämpft! Um die Dienstboten von der Grundlosigkeit des Aberglaubens zu überzeugen, pflege ich stets drei Lichter anzuzünden und alles Wichtige am Dreizehnten zu beginnen.«

Nun kam die Tochter des Ingenieurs Dolschikow, eine üppige, schöne Blondine, die, wie man sich erzählte, lauter Pariser Sachen trug. Sie spielte nicht mit, aber bei allen Proben stand stets ein Stuhl für sie auf der Bühne bereit, und man begann mit der Vorstellung nicht eher, als bis sie, strahlend und alle durch ihre Toiletten in Verwunderung versetzend, in der ersten Reihe erschien. Als Großstädterin hatte sie das Privilegium, während der Proben Bemerkungen zu machen, und sie machte sie mit einem freundlichen, herablassenden Lächeln, dem man ansehen konnte, daß sie unsere Aufführungen als ein Kinderspiel betrachten, Man erzählte sich, sie hätte am Petersburger Konservatorium Gesang studiert und wäre sogar einen ganzen Winter lang in einer Operntruppe aufgetreten. Sie gefiel mir außerordentlich, und ich pflegte sie bei den Proben und Aufführungen nicht aus den Augen zu lassen.

Ich hatte schon das Heft in die Hand genommen, um mit dem Soufflieren zu beginnen, als plötzlich meine Schwester erschien. Ohne Mantel und Hut abzulegen, ging sie auf mich zu und sagte:

»Ich bitte dich, komm mit!«

Ich folgte ihr. Hinter der Bühne stand in der Türe Anjuta Blagowo, gleichfalls in Hut, mit einem dunklen Schleier vor dem Gesicht. Sie war die Tochter des Vizepräsidenten des Kreisgerichts, der schon sehr lange, fast seit der Gründung des Gerichtshofes in unserer Stadt amtierte. Da sie groß und schön gewachsen war, wirkte sie obligatorisch an den lebenden Bildern mit, und wenn sie irgendeine Fee oder Ruhmesgöttin darstellte, glühte ihr Gesicht vor Scham; aber in den Stücken spielte sie nicht mit und kam zu den Proben immer nur im Vorbeigehen, wenn sie jemand sprechen mußte. Auch jetzt war sie offenbar nur auf dem Sprunge hier.

»Mein Vater hat von Ihnen erzählt,« sagte sie trocken, ohne mich anzusehen und errötete. »Dolschikow hat eine Stelle für Sie bei der Bahn in Aussicht gestellt. Gehen Sie morgen zu ihm hin, er wird zu Hause sein.«

Ich verbeugte mich und dankte für die Bemühungen.

»Das können Sie übrigens lassen,« sagte sie, auf mein Soufflierheft zeigend.

Dann gingen sie und meine Schwester auf die Frau Aschogina zu und tuschelten eine Weile mit ihr, zu mir herüberblickend. Sie schienen etwas zu beraten.

»In der Tat,« sagte Frau Aschogina leise, an mich herantretend und mir gerade ins Gesicht blickend: »in der Tat, wenn Sie das von ernsthafter Beschäftigung ablenkt,« sie nahm mir das Heft aus der Hand, »so können Sie das jemand anders übergeben. Machen Sie sich darüber keine Sorgen, lieber Freund, gehen Sie mit Gott.«

Ich verabschiedete mich von ihr und ging verlegen hinaus. Auf der Treppe sah ich auch meine Schwester und Anjuta Blagowo weggehen. Sie sprachen eifrig über etwas, wahrscheinlich über meinen Eintritt in den Eisenbahndienst, und hatten es sehr eilig. Meine Schwester war bisher noch niemals bei einer Probe gewesen; daher hatte sie wohl jetzt Gewissensbisse und fürchtete, der Vater könnte erfahren, daß sie ohne seine Erlaubnis bei den Aschogins gewesen war.

Ich ging zu Dolschikow am nächsten Tag, bald nach zwölf. Ein Diener führte mich in ein sehr schönes Zimmer, das dem Ingenieur als Empfangszimmer und zugleich als Arbeitszimmer diente. Hier war alles weich, elegant und kam einem Menschen wie mir, der so etwas noch nie gesehen hatte, sogar seltsam vor. Lauter teure Teppiche, riesengroße Sessel, Bronzen, Bilder in Gold- und Plüschrahmen; an den Wänden Photographien, die sehr schöne Frauen mit klugen Gesichtern in ungezwungenen Posen darstellten; eine Tür führte aus dem Empfangszimmer auf die Veranda und in den Garten, und ich sah Fliederbüsche, einen gedeckten Tisch mit vielen Flaschen und einem Rosenstrauß; alles duftete nach Frühling, nach teuren Zigarren, alles atmete Glück und alles schien sagen zu wollen: siehst du, dieser Mensch hat sein Leben lang gearbeitet und schließlich alles Glück erreicht, das auf dieser Welt möglich ist. Am Schreibtische saß die Tochter des Ingenieurs und las in einer Zeitung.

»Sie kommen zu meinem Vater?« fragte sie. »Er nimmt gerade eine Dusche, gleich wird er kommen. Bitte, setzen Sie sich.«

Ich setzte mich.

»Sie wohnen, glaube ich, uns gegenüber?« fragte sie wieder nach einer Pause.

»Jawohl.«

»Vor Langweile schaue ich oft zum Fenster hinaus. Sie müssen es entschuldigen,« fuhr sie fort, in die Zeitung blickend, »ich sehe oft Sie und Ihre Schwester. Sie hat einen so gutmütigen und besorgten Gesichtsausdruck.«

Nun kam Dolschikow herein. Er trocknete sich mit einem Handtuch den Hals ab.

»Papa, es ist Herr Polosnjew,« sagte die Tochter.

»Ja, ja, Blagowo hat mir schon von Ihnen erzählt,« wandte er sich lebhaft an mich, ohne mir die Hand zu reichen. »Aber, hören Sie einmal, was soll ich für Sie tun? Was habe ich für Stellen zu vergeben? Ihr seid doch wirklich merkwürdige Menschen!« fuhr er sehr laut fort, in einem Tone, als ob er mir eine Rüge erteilte. »Täglich kommen an die zwanzig Menschen zu mir, die sich einbilden, daß ich hier ein Ministerium habe! Ich habe ja nur die Bauarbeiten unter mir, meine Herren, und kann nur Schwerarbeiter brauchen: Mechaniker, Schlosser, Erdarbeiter, Tischler, Brunnengräber. Ihr alle versteht aber nur in den Schreibstuben zu hocken. Ihr seid alle nichts als Schreiber!«

Er atmete dasselbe Glück wie seine Teppiche und Sessel. Voll, gesund, rotbackig, mit breiter Brust, frisch gewaschen, in farbigem Kattunhemd und Pluderhose, sah er wie ein Spielzeug, wie ein Kutscher aus Porzellan aus. Er hatte ein rundes, lockiges Bärtchen ohne ein einziges graues Haar, eine Adlernase und dunkle, klare, unschuldige Augen.

»Was verstehen Sie zu tun?« fuhr er fort. »Gar nichts verstehen Sie! Ich bin Ingenieur und gut versorgt, aber bevor ich diese Eisenbahn bekam, mußte ich lange schuften. Ich bin als Maschinist auf der Lokomotive herumgefahren und habe ganze zwei Jahre als einfacher Wagenschmierer in Belgien gearbeitet. Urteilen Sie nun selbst, mein Bester, was für eine Arbeit soll ich Ihnen anbieten?«

»Gewiß, das stimmt ...« stotterte ich in höchster Aufregung. Der Blick seiner klaren, unschuldigen Augen irritierte mich.

»Verstehen Sie wenigstens mit einem Telegraphenapparat umzugehen?« fragte er nach einiger Überlegung.

»Ja, ich habe schon den Telegraphen bedient.«

»Hm ... Nun, wir wollen sehen. Gehen Sie vorläufig nach Dubetschnja. Ich habe dort schon einen sitzen, aber der ist ein ganz unmöglicher Kerl.«

»Worin wird meine Tätigkeit bestehen?« fragte ich.

»Das wird sich schon zeigen. Gehen Sie nur hin, ich werde das Nötige anordnen. Aber um das eine muß ich Sie bitten: daß Sie mir nicht trinken und mich mit keinen Bittschriften behelligen. Sonst jage ich Sie gleich hinaus.«

Er ließ mich stehen und nickte mir nicht einmal mit dem Kopf. Ich verbeugte mich vor ihm und seiner Tochter, die in der Zeitung las, und ging. Es war mir so traurig zumute, und ich hatte so wenig Lust, die Stadt zu verlassen. Ich liebte meine Vaterstadt. Sie schien mir so hübsch und heimlich. Ich liebte dieses Grün, die stillen sonnigen Morgenstunden, das Läuten unserer Kirchenglocken; aber die Menschen, mit denen ich in dieser Stadt zusammenwohnte, langweilten mich und waren mir fremd, zuweilen sogar widerlich. Ich liebte sie nicht und verstand sie auch nicht.

Ich konnte nicht verstehen, wozu und wovon alle diese fünfundzwanzigtausend Menschen existierten. Ich wußte, daß die Stadt Kimry von Stiefeln lebte, daß Tula Samowars und Gewehre produzierte, daß Odessa eine Hafenstadt war, was aber unsere Stadt darstellte und was sie leistete, das war mir unbekannt. Die Große Adelsstraße und noch zwei andere bessere Straßen lebten von Zinsen und von den Gehältern, die der Staat den Beamten zahlte; wovon aber die übrigen acht Straßen lebten, die parallel zueinander drei Werst weit liefen und hinter dem Hügel verschwanden, das war für mich immer ein unlösbares Rätsel.

Und wie diese Menschen lebten, das war die reinste Schande! Es gab weder einen Stadtgarten, noch ein Theater, noch ein anständiges Orchester; die Stadt- und die Klubbibliothek wurden ausschließlich von halbwüchsigen Jungen besucht, und die Zeitschriften und neuen Bücher lagen monatelang unaufgeschnitten herum; selbst die reichen und gebildeten Menschen schliefen in schwülen, engen Räumen auf Holzbetten mit Ungeziefer, hielten ihre Kinder in scheußlichen, schmutzigen Löchern, die sie Kinderzimmer nannten, und die Dienstboten, selbst die alten und geachteten, mußten in der Küche auf dem Fußboden schlafen und sich mit elenden Lumpen zudecken. An Fleischtagen roch es in allen Häusern nach Kohlsuppe, und an Fasttagen – nach Stör und Sonnenblumenöl. Man aß schlecht zubereitete Speisen und trank ungesundes Wasser. Im Rathause, beim Gouverneur, beim Bischof, in allen Häusern sprach man jahrelang davon, daß wir in unserer Stadt kein billiges gutes Trinkwasser haben und daß man beim Staate eine Anleihe von zweihunderttausend Rubel machen sollte, um eine Wasserleitung zu bauen; auch die sehr reichen Leute, von denen es in unserer Stadt an die drei Dutzend gab, und die manchmal ganze Güter am Kartentisch verspielten, tranken das schlechte Wasser und sprachen ihr Leben lang mit großem Eifer von der Anleihe. Ich konnte das nicht verstehen: mir schien es viel einfacher, die zweihunderttausend Rubel aus eigener Tasche zu zahlen.

Ich kannte in unserer Stadt keinen einzigen ehrlichen Menschen. Mein Vater nahm Bestechungsgelder an und bildete sich ein, daß man sie ihm aus Achtung für seine seelischen Eigenschaften schenke; die Gymnasiasten mußten, um alljährlich versetzt zu werden, zu ihren Lehrern in Pension gehen, wofür sich diese ordentlich bezahlen ließen; die Frau des Stadtkommandanten ließ sich zur Zeit der Einberufungen von den Rekruten bestechen und sogar mit Alkohol traktieren, und einmal passierte es, daß sie in der Kirche beim Gottesdienst unmöglich von den Knien aufstehen konnte, da sie betrunken war; auch die Ärzte mußten bei den Einberufungen geschmiert werden, und der Bezirksarzt und der Veterinär hatten alle Fleischläden mit einer Steuer belegt; an der Kreisschule konnte man Atteste kaufen, die die Berechtigung zum Freiwilligendienst gaben; die Pröpste nahmen von den ihnen unterstellten Geistlichen und Kirchenvorstehern Geldgeschenke an; in allen Ämtern rief man jedem Besucher nach: »Es ist üblich, sich zu bedanken!«, und der Besucher kehrte um, um dreißig oder vierzig Kopeken zu geben. Diejenigen aber, die keine Bestechungsgelder annahmen, wie die Gerichtsbeamten, waren hochmütig, reichten bei der Begrüßung nur zwei Finger, zeichneten sich durch die Kälte und Beschränktheit ihrer Urteile aus, waren dem Kartenspiel und dem Trunke ergeben, heirateten reich und wirkten auf ihre Umgebung zweifellos schädlich und demoralisierend. Nur die jungen Mädchen atmeten Reinheit; die meisten von ihnen hatten hohe Bestrebungen und ehrliche, keusche Seelen; aber sie verstanden das Leben nicht und glaubten, daß die Bestechungsgelder in Anerkennung der seelischen Eigenschaften gegeben werden. Wenn sie aber heirateten, alterten sie früh, versumpften schnell und versanken hoffnungslos im Schlamme der trivialen, kleinbürgerlichen Existenz.

III

Inhaltsverzeichnis

In unserer Gegend wurde eine Eisenbahn gebaut. An den Abenden vor den Feiertagen zogen Banden von zerlumpten Kerlen durch die Stadt, die man »Eisenbahner« nannte und vor denen man sich fürchtete. Gar oft sah ich, wie man so einen Kerl mit blutendem Gesicht, ohne Mütze zur Polizei führte, während hinter ihm als corpus delicti