Fünftes Kapitel.
Ein langes Gesicht.

Inhaltsverzeichnis

Holder und Rikchen hörten des Onkels Stimme. Hurtig flogen sie auseinander und dem Alten entgegen; der so eben ins Zimmer hereintrat.

„Und noch so im Dunkeln? Rikchen, kommandire Licht!“

Der Onkel sprachs, Riekchen hüpfte zur Thür hinaus, und Holder half dem Grafen beim Ausziehen.

„Es darf Ihnen nicht gereuen, Holderchen, daß Sie heut zu Hause blieben; hab’ mein Seel nichts, als eine wilde Ente geschossen!“

Ich bedaure Sie.

„Ja, sehen Sie, Freundchen, das mus sich ein Jägersmann, wie ich, nun schon gefallen lassen. Nun, Sie haben doch keine Langeweile gehabt?“

Im geringsten nicht, Herr Graf.

„Nun, ich denke auch. Wovon haben Sie mit dem Mädel geschwazt? darf ichs wissen?“

Holder war verlegen. Ich habe, sagte er; wir sprachen von — von, wie soll ichs nun gleich nennen, von — von — — einer ziemlich philosophischen Materie.

„Philosophischen Materie? Poz Bliz, weiß denn Rikchen da mitzuplaudern? ’s ist ja nur ein Mädchen! — doch nicht etwan davon, worüber wir uns gestern beim Kaffee stritten, und da ich Recht behielt, von den Menschen im Monde?“

Ich bitte um Verzeihung, der Stof war ganz neu.

„Je, was Sie sagen! nun und der war?“ —

Eine Hypothese, von der Sie sich, Herr Graf, und kein Philosoph, so lange es Philosophen gegeben hat, etwas träumen ließ. —

Holder suchte hierdurch Zeit zu gewinnen, sich auf etwas zu besinnen, und des Grafen Neugier wurde immer mehr gespannt. —

„Nun so sagen Sie doch!“

Ich behauptete, daß unser Erdenball und wir lebendige Geschöpfe auf demselben, nicht sowohl um unsrer selbst willen von der Gottheit geschaffen waren, sondern daß wir vielleicht höherer Wesen willen vorhanden sein könnten!

„Wie war das? was? warten Sie, ich muß das noch einmal durchdenken. — Aber warum denn für höhere Wesen?“

Daß dergleichen höhere Geschöpfe vorhanden sind, ist so gewiß, als unsre Unsterblichkeit — das heißt, sie sind höchst wahrscheinlich. Daß diese Wesen edlere Freuden geniessen, und nicht wie wir, an bloße Sinnlichkeit gebunden sein müssen, folgt schon uns dem Begriff höherer Wesen; es ist also leicht möglich daß wir ihnen das sind, was uns unsre Schauspieler sind. Wir lernen von den selben Moral und gute Sitten, sie von uns höhere Einsichten in die Natur der Welt, der Gottheit, des Geisterreichs, wie sie dies lernen, ist uns bei unsern kleinlichen, armseeligen Ideen eben so unbekannt, als manchem lüderlichen Komödianten, daß man durch das Schauspiel ein besserer Mensch werden könne.

„Wir wären also für andre geschaffen? wir nicht unsrer selbst wegen?“

Sollt’ es nicht möglich sein?

„Das wäre mir aber sehr ungelegen.“

Und wenn es das ist, was wollen wir machen? wir sind ja zu schwach; wir können uns ja so wenig wider den Schöpfer unsers Daseins auflehnen, als der Wurm im Staube wider uns sich empören kann, wenn wir Laune haben, ihn zu zertreten. — Und warum lies uns Gott jene Gegenden jenseits des Grabes dunkel? weil wir auf solche Art derselben gar nicht bedürften. —

„Das wäre aber, mein Seel, schreklich!“

Freilich wenn wir positive Gewisheit davon hätten; aber so müssen wirs uns, nach dem Willen des grösten Wesens, gefallen lassen, im dunkeln zu schwanken, und die Hofnung zu unsrer Trösterin zu nehmen.

„Aber könnt’ ich nicht murren, könnt’ ich nicht sagen? Warum schufst Du mich zur Glükseeligkeit andrer Wesen, o Gott, warum machtest Du mich nicht auch zu einem von ihnen? Du bist nicht der Allgütige! könnt’ ich so nicht sprechen?“

Nein, Herr Graf, weil Ihnen doch immer die Gewisheit fehlt, weil Sie sich doch von Ihrer Fantasie eine andre Hofnung geben lassen, und Ihre Klagen Ihnen über dies eben so wenig nützen würden, als dem Bauer, dem Bettler, welcher beweint, daß er nicht König geworden. Die Weisheit Gottes hat es so angeordnet, daß wir, auch wenn sich die Sache, wie oben gesagt, verhielte, doch zufrieden mit unsrer Lage sein können, so wie der Vogel in der Luft mit der seinigen.

Ein Bedienter brachte izt Licht; Friederikchen tanzte hinter ihm, ging zum Onkel und zerstörte durch ein Duzzend Fragen beinahe die ganze Aufmerksamkeit und Gegenminirung des gräflichen Philosophen, hätte dieser nicht gleich bei der ersten Silbe seine Hand auf ihren Mund gelegt.

„Rikchen wir sprechen izt von den ernsthaftesten Dingen, zu welchen Nachdenken erfodert wird — also, sei ein Weilchen still, und stopf’ mir indeß eine Pfeife — Sie aber, reden Sie doch weiter.“

Das Fräulein stopfte den Meerschaumkopf und schielte nach Holdern; Holder sammelte neue Gedanken und der Onkel starrte sinnend vor sich hin.

In dieser Hypothese, fuhr Holder fort, lassen sich die philosophischen Systeme vieler alten und neuern Selbstdenker vereinigen. Einige läugnen, zum Beispiel, die Freiheit unsers Willens, und wie sichs von so großen Männern nicht anders vermuthen läßt, nicht ohne Gründe. Nur auf die wichtige Frage, zu welchem Ende sind wir Marionetten? wußten sie wenig oder gar nichts zu antworten. Allein obige Muthmassung, daß wir nicht für uns existiren, lößt alles auf.

„Wahrhaftig, da haben Sie wieder Recht!“

Andre verwerfen die Unsterblichkeit der Seele. Man sezt ihnen wichtige Argumente entgegen, aber sie wehren sich durch; nur auf die Frage; wo bleibt beim Mangel der Unsterblichkeit Plan der Schöpfung, Weisheit Gottes, höchste Vollkommenheit? verstummen die Herren gewöhnlich. Nimmt man aber meine Hypothese an, so ist, auch wenn unsre Seelen sterblich sind, dennoch Plan in der Schöpfung —

„Hören Sie, Holderchen, vor izt sollen Sie Recht haben, aber nach dem Essen nicht mehr, dann werde ich wider Sie und Ihre Hypothese streiten, darnach richten Sie sich ein.“

Der Onkel zündete die Pfeife an und Rikchen trippelte näher.

„Aber,“ hub der Graf von neuem an: „wie haben Sie sich denn über solchen kritischen Gegenstand mit Rikchen unterhalten können?“


Holder. Wir sprachen nur eine kurze Zeit darüber.

Onkel. Kannst Du denn so was begreifen, Mädchen?

Rikchen. Wovon Sie sprachen nicht ein Wort; wovon aber wir, (sie zeigte auf Holdern) sprachen, ja. Wenn Sie sonst von der Liebe redeten, Onkelchen, da verstand ich nichts, aber — —

Onkel. (nimmt die Pfeife vom Munde) Was? Liebe?

Holder. (hustet)

Rikchen. Aber mit Herr Holdern läßt sich darüber viel deutlicher sprechen.

Holder. (hustet stärker.)

Onkel. Nun, sag mir nur, was soll denn das?

Rikchen. (sich anschmeichelnd) Sie — sind doch nicht böse? Sie lieben ihn ja auch, und ich bin auch — auch — —

Onkel. (legt die Pfeife hin) Was denn?

Rikchen. (ihr Gesicht an des Onkels Brust verbergend.) Verliebt.


Des Grafen Gesicht verlängerte sich bei diesem Worte; mit ofnem Munde und gefaltnen herabhangenden Händen stand er da und konnte keine Silbe hervorbringen. Rikchen blieb in ihrer vorigen Attitüde, und Holder zupfte an seinen Manschettenspizzen.

„Du bist verliebt?“ brachte endlich der Graf nach einer minutenlangen Stille hervor; er war in der grösten Verlegenheit mehr zu sagen, denn auf einer Seite schäzte er Holdern zu sehr, als daß er ihn vor den Kopf stoßen sollte, ob er gleich Holdern nicht in seine adliche Familie heurathen lassen wollte, auf der andern Seite befürchtete er bei seiner Pflegetochter alle Autorität für die Zukunft zu verlieren, wenn er zu einer Sache schwiege, die er ihr so oft verboten hatte. Er sah bald das Mädchen, bald den jungen Mann an und beschlos vors erste klüglich seine Verlegenheit auf die andern beiden zu wälzen: „Nun, Herr Holder.

Die Sache betrift Sie ebenfalls, und Sie schweigen?“


Holder. Gnädiger Herr, wenn mich das Fräulein liebt, dafür kann ich nicht, und Sie verzeihen es mir, daß ich gegen Friederikchens Reiz nicht unempfindlich bleiben konnte. Nur eins bleibt mir übrig, wenn mich diese That in ihren Augen verhaßt macht, Sie und Ihre Niece zu verlassen. Ich fühle es, daß es mir traurige Tage und traurige Jahre machen wird, aber ich fühle es auch, daß ich Mannes genug bin, endlich zu überwinden.

Rikchen. (schwermüthig zum Grafen heraufblikkend.) Und Sie wollten ihn von uns lassen?

Onkel. Aber mein Gott — —

Holder. Ich darf hier nicht Einrede wagen, ich darf auch nicht bitten. — Sie entscheiden und Ihrem Befehl muß ich mich untergeben.

Onkel. (in großer Verlegenheit) Aber was soll denn mit dem Lieben am Ende werden?

Rikchen. Gar nichts, gar nichts, verlassen Sie sich darauf.

Onkel. Ich kanns doch nicht machen, wie Onkels in der Komödie. — —

Rikchen. Wie machens denn die?

Onkel. Euch die Hände in einanderlegen und sagen: der Himmel segne eure Liebe, seid glüklich und damit holla.

Rikchen. Je, warum denn nicht?

Holder. (ernsthafter) Ich verstehe Sie.


Man ging zum Abendessen. Der Graf schwieg über Tische. Holder ebenfalls. Rikchen fragte verschiednes und erhielt keine Antwort. Zulezt standen sie auf; das gute Mädchen sezte sich in einen Winkel und weinte, Holder entfernte sich in sein Zimmer, und der Onkel, der seinen Liebling nicht weinen sehen konnte, ging frühzeitig schlafen.

Viertes Kapitel.
Einige Damen werden behorcht.

Inhaltsverzeichnis

Ich habe einen berühmten Pädagogen gekannt, dessen Schriften über das Erziehungswesen mit allgemeinem Beifall aufgenommen wurden, dessen eigne Kinder aber Taugenichtse waren.

Einer unsrer größten Schriftsteller über die Oekonomie und Landwirthschaft wußte selber so wenig wirthlich zu leben, daß er bankerotirte.

Es ist also ein sehr alltäglicher Fall, daß große Leute in ihrem Hause selber öfters die kleinsten sind, und daß sie von ihrer häußlichen Unordnung auf das abstrahiren, war besser sein könnte. Eben so ging’s auch dem in vieler Hinsicht sehr einsichtsvollen Staatsmann, Geheimerathspräsidenten v. Hello. Er, der oft mit so vieler Schlauheit fremden Höfen das wahre Interesse seines Fürsten zu verbergen wußte, beging den großen Fehler seinen Freunden zu verrathen, daß der Graf v. Duur Absichten auf das liebenswürdige Fräulein Agathe geäussert habe, wenigstens zu äussern schiene, und daß Fräulein Agathe so wenig, als Sr. Excellenz, diesen Absichten entgegen zu arbeiten, geneigt wären.

Am folgenden Tage war die Residenz von dieser Novelle voll.

„Der schöne Graf die Agathe v. Hello?“ hiess es in bürgerlichen und adlichen Gesellschaften; — der „Graf die Agathe v. Hello? Die beiden Extreme der Natur, Schönheit und Häßlichkeit verknüpfen sich mit einander?“ dachten die verheuratheteten und unverheuratheten jungen Damen bei sich in der Stille, und sagten es zum Theil auch wohl laut. „Er opfert seine Delikatesse der Politik auf!“ gaben einige weltkluge Herrn sehr weislich an. „Vielleicht schließt der Graf diese Heurath aus Liebe zum Kontrast!“ wizzelten einige Wizjäger.

Das Fräulein v. Gülden erfuhr diese Nachricht, ging in ihr Kabinet und — weinte.

„Ich habe geliebt, sagte sie vor sich, ich habe geliebt, und werde nie wieder lieben! o, was ein Mädchen unglüklich ist, welches seine Liebe nie verrathen darf! Er hat mich kaum bemerkt, seit er am Hofe ist; und wie konnt er das, er der von allen Vergötterte? hat mich kaum bemerkt, und ich habe ihn so sehr geliebt! — Ja, ich habe ihn geliebt, liebe ihn noch; und wäre Agathe v. Hello zehnfach reicher denn Auguste v. Gülden, und wäre Agathe v. Hello die Tochter einen Kaisers, sie könnte ihn nicht heftiger, als ich, lieben. — Aller Weiber Blikke buhlten um den seinen, nur der meinige nie, und, ach, ihre Coquetterie trägt den Sieg davon! — Vielleicht wär ich glüklich gewesen, hätt ich ihn mehr aufgesucht, und alle die Reize aufgespannt, welche Agathe aus ihren Romanen kennen gelernt haben mag. — Ein schmachtender, oder ein wollustbietender und wollustverlangender Blik wirkt mehr auf Männerherzen, als das schaamvolle zu Boden gesenkte Auge. — Unseelige Erfahrung, die mich zu spät weise macht!“ — —

„Doch nein, ich bin zufrieden in meinem Unglük; ich verachte den Sieg, wozu die Sünde Waffen bietet. (sie zieht ein Miniaturgemälde aus dem Busen, sieht es mit nassen Augen an und drükt einen Kus darauf.) Gustaf, seeliger Gustaf, sei Du; bleib Du mein Geliebter! — wie sehr diese Züge den Zügen des Grafen gleichen! — Eben diese Harmonie ist die Quelle meines Leidens. Zürne nicht, lieber schöner Gustaf; Duur konnte dich nicht aus meinem Herzen verdrängen, aber wohl hätte ich dich allein nur in ihm geliebt. — Du bist mein, und dieses Bildniß soll mich ewig begleiten. — Lieg’ ich einst im Sterbebette, seh ich die Träume dieses Lebens gemach verschwinden, fühl ich mein Auge brechen, dann will ich das Heiligthum noch einmal betrachten, und es mit sterbenden Lippen küssen!“ —

So schwärmte das Mädchen noch ein Weilchen hin, nahm dann ein Buch und las. — In eben dem Augenblikke trat die Prinzessin Louise zur Thür herein; das Fräulein legte das Buch zur Seite, und ging ihrer Gebieterin entgegen.


Pr. Louise. Ich störe doch nicht, Auguste?

Frl. v. Gülden. Wie könnten Sie stören?

Pr. Louise. Du hast ja geweint, liebes Mädchen? — warum so schwermüthig? sehnst du Dich fort von hier nach den Landgegenden um deines Vaters Schlosse? oder bist du beleidigt worden? sprich doch!

Frl. v. Gülden. (die Thränen weglächelnd) Keines von allen. Ich habe gelesen.

Pr. Louise. So? ist denn das Buch so herzbrechend? — laß doch etwas daraus hören, ich mögte auch wohl einmal weinen.

Frl. v. Gülden. Sie werden sich — —

Pr. Louise. Nichts; nichts! ich will mich hieher sezzen am Fenster und du sollst mir etwas vorlesen. — Es kömmt darin doch auch von Liebe vor.

Frl. v. Gülden. (mit angenommenem scherzhaften Tone) Allerdings, was könnte sonst interessiren.

Pr. Louise. Ich denke auch. Also — —

Frl. v. Gülden. (lesend) „Es war einmal eine Zeit, wo ich sehr glüklich war; es war einmal eine Zeit, wo mir alle Menschen Heilige, diese Welt ein himmlisches Gefilde, dieses Leben ein schöner Morgentraum schien! — Es ist süß, sich noch an vergangnen, glüklichen Tagen zu weiden, seelige Szenen in das treue Gedächtniß heimzurufen. O, kommt zurük ihr heiligen Stunden meiner Kindheit und umgaukelt meine kranke Seele mit euern bunten Farben! lebt auf ihr frohen Augenblikke, die ich an den Ufern eines Baches verträumte, und ihr verwelkten Jasminlauben blüht auf, die ich einst für mich und den Geliebten hinpflanzte! — Ihr seid verwelkt; ich welke mit euch hin. Dieses Leben ist mir noch eine einsame Zelle, worin ich vergangne Freuden beweinen muß.“

      „Du trauerst, mein Liebling, und seufzest aus der Ferne zu mir herüber? — Kettengeklirr wekt Dich aus dem mitternächtlichen Schlummer? — O, am Tage des großen Weltgerichts wird Deine Unschuld ohne Schleier offenbar werden; schöne Stunden blühen für uns in einer bessern Welt! Harre bis dahin und dulde; hier verweinte Thränen werden dereinst Rosen in Deinem Kranze. — Lächle, lächle! mag die furchtbarste Stunde Dir erscheinen, sie wird Dich nicht schaudern machen; denn Unschuld wandelt ja heiter über sinkende Welten; die schwarze Gefahr geht liebkosend ihr vorüber; in schauerlichen Mitternächten ist sie sich selber ein leuchtendes Gestirn!“ — —

Pr. Louise. (gähnend) Höre auf, höre auf, wenn Du mich wachend haben willst. — Mein Gott wohin denken denn unsre heutigen Büchermacher; ist es doch, als kämen sie alle aus dem Bildervollen Morgenlande gewandert. Willst Du lesen, Auguste, so komm zu mir; ich gebe Dir die Gedichte im Geschmak des Grecourt. Weißt Du nichts Neues?

Frl. v. Gülden. Wenig, und vielleicht etwas unangenehmes für Sie.

Pr. Louise. (sinnend) Unangenehm? doch nichts vom Grafen Duur?

Frl. v. Gülden. Eben von ihm.

Pr. Louise. (ängstlicher) Nun was ists?

Frl. v. Gülden. Daß er — erklärter Bräutigam — des Fräuleins von Hello ist.

Pr. Louise. (ausgelassen lachend) Ha, ha, ha! wer band Dir das Märchen auf?

Frl. v. Gülden. Ich bitte um Verzeihung, kein Märchen.

Pr. Louise. Wahrheit? — lustig, liebes Mädchen, so ist es noch besser!

Frl. v. Gülden. (erstaunend) Wenn ich fragen darf, wie so?

Pr. Louise. Du, Sonderbare, wie könnte der Graf die ekelhafte Puppe lieben? Heurathen wird er sie, doch ohne Liebe; diese bleibt mir übrig! — Freue Dich!

Frl. v. Gülden. Sie sind Ihres Sieges so gewis über ihn?

Pr. Louise. Du fragst sehr beleidigend?

Frl. v. Gülden. (seufzend) Verzeihen Sie?

Pr. Louise. Warum seufzest Du? — meinst Du vielleicht daß ich zürne? nicht doch, wie könnt ich das? komm, küsse mich!

Frl. v. Gülden. (sie küssend) O, Prinzessin!

Siebentes Kapitel.
Eine Schäferstunde.

Inhaltsverzeichnis

Es war spät des Abends; das Fräulein von Gülden sas noch einsam auf ihrem Zimmer in düstre Schwermuth vergraben und las. — Des kleinen Gustafs Bildnis lag vor ihr, sie sah es oft mit nassen Augen an und las weiter:

„Unsre Seelen liebten sich. Seelenschönheit verwischt nicht der Thränenschleier des Grams; welkt nicht in den Händen der Jahre, stirbt nicht auf Todtenbaaren mit der verwesenden Hülle. Ewig ist ihre Schönheit und ewig ihre Liebe. Des Lebens Strauch verduftet bald und welkt, aber mit dem Leben verblühen noch nicht die Hofnungen unsrer Liebe. — — Vorangegangen bist Du, o wäre ich mit Dir! — Hand in Hand mit Dir zum Tode; Leiche an Leiche mit Dir zum Grabe, Verklärung neben Verklärung dereinst am Tage des Weltgerichts!“

„Oh!“ rief das Fräulein schluchzend aus, indem sie sich von ihrem Stuhle erhob: „es ist zuviel! — Gustaf! Gustaf und Florentin v. Duur! ich habe euch geliebt, und unglüklich geliebt! — Ich bin doch nicht so sehr häslich, mein Spiegel müßte mir denn schmeicheln, meine Freunde müßten lügen, — und doch bin ich unglüklich und Liebe wird mir nicht mit Liebe vergolten. Armes Mädchen, wohl Dir, wenn Du unter der Erde ruhst, wo kein Harm Deinen Frieden stört, wo keine Thränen über Deine Wangen herabbrennen, wo Du vergessen von allen liegst, und Du alle und alles vergessen hast, wo Du den, welchen Du Dir zur Liebe auserwähltest, nicht Deiner Nebenbuhlerin zuführen darfst!“

Jezt störte sie das Klingeln der Prinzessin, sie troknete ihre Augen und ging mit verstellter Heiterkeit zu Louisen.

„Aber sag mir, liebes Mädchen,“ rief ihr diese beim Eintritt in das Zimmer entgegen; „Du siehst ja immer blässer und kränklicher? — Was ist Dir? Ich habe Dich zu meiner geheimsten Vertrauten gemacht, erwiedre mir Gleiches mit Gleichem!“


Frl. v. Gülden. Sie quälen sich mit vergeblichen Sorgen, theure Prinzeßin; mir ist wohl, sehr wohl. Vielleicht daß eine kleine Unpäslichkeit — —

Louise. O die wandelt bald vorüber. — Wieviel ist die Uhr?

Frl. v. Gülden. Auf dem Schlage eins; es liegt alles im Schlosse in dem festesten Schlummer.

Louise. Desto besser! herrlich! — Tummle Dich liebe, beste, einzige Auguste; Duur kann nicht mehr lange verzögern, er mus gleich da sein. — Hurtig geh, und besonders sieh von unten nach meinen Fenstern, ob das Licht durch die herabgelassnen Gardinen sichtbar wird. — — Verriegle das Pförtchen nachher wohl!


Das Fräulein ging und harrte des Glüklichen an einer abseitsgelegnen Thür. Es verging eine Viertelstunde, ehe er erschien, und tausend schwermüthige Gedanken durchkreuzten indes ihre Seele.

Im Thurm der Schloskirche schlug es endlich ein Uhr, und von fernen her wankte eine Gestalt, immer näher und näher.

„Er ists!“ sagte das unglükliche Mädchen bei sich selber und zitterte. „Er ists! — o daß er nie gekommen wäre! Doch nein, Louise würde unglüklich sein, und ich vielleicht nicht glüklich! — — Mag er doch kommen, ich will leiden und dulden!“

Florentin schlich im Mondschatten, an den Mauern entlang, näherte sich der Pforte, sah die weisse weibliche Gestalt, hielt sie für die Prinzessin selber und flog an ihren Busen.

Beide wagten es nicht zu reden; er bestürmte sie mit Küssen, sie bebte in seinen Armen, wagte kaum den leisen Gegenkus, sondern strebte zurük, und offenbarte ihm die Täuschung.

Er erschrak, bat um Verzeihung; aber sie lächelte unter Thränen, führte ihn, indem sie zitternd seine Hand faßte, durch verschiedne dunkle Gänge und verschiedne Treppen hinauf zum Gemach der Prinzessin.

„Hier,“ sagte sie mit gebrochner Stimme: „treten Sie hinein. —“

Er ging. Sie eilte auf ihr Zimmer, warf sich lautweinend auf das Lager und klagte.

„O Duur!“ — „O Louise!“ riefen sich die Liebenden entgegen und stürzten einander in die Arme.

Nie war Louise schöner gewesen, als in diesem Augenblik; und nie war ein Frauenzimmer reizender zu den Freuden der Liebe geschaffen, als sie. Ihren schlanken Wuchs, ihren schöngeformten Busen wußte sie durch die Magie der geschmakvollsten Bekleidung doppelt schöner zu bilden.

Ihr lichtbraunes Haar, angenehm derangirt, flos in lieblicher Verworrenheit über den schönen Hals und die schmalen Achseln herüber. Den Busen wußte sie schlau hinter den nachlässig umgeworfnen Flor, so zu verstellen, daß seine Schönheiten mehr verrathen, als verberget wurden. Um ihren Leib schmiegte sich ein leichtes, tafentnes Korsettchen;

Nie wird die Bildnerin Natur
Ein göttlicher Modell zu einer Venus bauen,
Als diesen Leib. Sein reizender Contour
Flos wellenhaft, dem feinsten Auge nur
Bemerklich, zwischen dem genauen
Und überflüßigen, so weich, so lieblich hin;
Schwer wars dem kältsten Josefssinn
Sie ohne Lüsternheit und Sehnsucht anzuschauen!

Das leichte, flüchtige Rökchen wogte bei jeder Bewegung auf, oder schmiegte sich so dicht und ungefaltet an, daß man ohne Fleis die glatteste Ründung der Schenkel errathen konnte.

So jung, so schön, so ganz aus Liebeszunder
Gewebt, wer kann sie sehn und nicht vor Sehnsucht glühn?
Wo sah man je so frische Wangen blühn,
Je Augen funkelnder und Lilienarme runder?

Dicht in einander verschlungen, der Geist, aufgelöst im reinsten Entzükken, hingen sie sprachlos um sich.

„O Gott!“ sagte Florentin: „daß ich je so seelig werden konnte — ich hätte es nie geträumt! Louise, Louise liebt mich!“

„Sprich leiser, Brausender!“ erwiederte sie mit einem unnachahmlich süssem Ton: „Ja, Louise liebt Dich! — und Du — —“

„Ob ich Dich liebe? Einzige, ob ich Dich liebe?“

Er antwortete mit Küssen, und zog sie neben sich auf einen Sofa nieder.


Florentin. O dies Strumpfband, (indem er es hervorzieht) sei mir eine ewige, heilige Reliquie!

Louise. Dein Recht daran ist izt verfallen. Ich fodre es zurük.

Florentin. Nein, ich kann es nicht wiedergeben.

Louise. Wie leicht könnte unsre Liebe dadurch verrathen werden! eben das Band, das uns zusammenführte, würde uns auch wieder trennen.

Florentin. Trennen?

Louise. Gesezt es verlöre sich aus Deinen Händen. Mein Name ist darin gestikt, und mehrern bekannt; denn das Fräulein v. Gülden ist die Weberin desselben, sie zeigte es schon vorher vielen Freundinnen, ehe sie mirs zum Geschenk brachte.

Florentin. Ich will es unter drei Schlössern verwahren!

Louise. Dein eigner Stolz würde die drei Schlösser wieder zerbrechen, was vielleicht keine Gewalt des Diebes vermögte. Oh, ich weis es, wie sehr es euch, ihr jungen süssen Herrchen, küzzelt, mit den Trophäen zu prahlen, um die ihr die armen, besiegten Weiber geplündert habt. — Und Dir, lieber Graf, würde ich es kaum verdenken, wenn Du endlich der Versuchung unterlägest; denn eine Prinzeßin besiegt zu haben, ist zu schmeichelhaft.

Florentin. (ernsthafter) Und so verkennt mich Louise selber?

Louise. Ich lasse nicht ab. Ich verlange es zurük; es sei unter welchen Bedingungen es wolle, ich verlange es zurük. — Willst Du daß ich Dir tausend freiwillige Küsse dafür gebe?

Florentin. (sie sanft an sich drükkend.) O, Louise, die erhalt’ ich umsonst!

Louise. Fodre.

Florentin. Wohl, ich gebe es. Aber darf ich es selber um seine Stelle binden?

Louise. (schamhaft zurükstrebend.) Beileibe!

Florentin. (schmeichelnd) O doch!4

Der Kampf der Liebe begann — — —

Mit immer wilderm Ungestüm
Umschlingt er sie, und sie, so seelig und beklommen,
Ach! sie verweigert ihm,
Was er vorher mit leichter Müh genommen.
Und beiden, übermannt von süsser Lust
Wallt enger, immer enger nun die Brust,
Mit zärtlich schwimmenden Blikken sehen
Sie sich einander an, und weigern stumm und flehen.

Verloren in entzükkenden Gefühlen,
An Arabellens Brust, ruht Lyonnel geschmiegt;
Er wagt es kühner schon in seltnern Reizen zu wühlen,
Und unbekannt in Amors schlauen Spielen
Fühlt sie sich zwar zu früh, doch gern besiegt.
Sie giebt den Kuss zurük — er zupft indes den losen
Durchsichtigen Schleier hinweg, der ihren Busen umfliegt;
Küßt bald den lanen Schnee, und bald der jungen Rosen
Geheimes Paar, das sich auf Marmorhügeln wiegt.

Sie kämpft, doch ach! ihr Kampf führt schneller nur zum Ziele,
Das ihm die Liebe vorgestekt.
Ermattet schwankt sie. Er erwekt
Die Reizende zum wollustvollerm Spiele!
Und, o! der keusche Gürtel schlingt
Sich selber auf — die arme Tugend ringt
Zum leztenmahle und erlieget,
Von ihrem schönen Feind besieget.

Allmählich schwimmt der Kahn des Mondes seinem Porte
Gen Abend näher zu, und immer blässer strahlt
Er auf die Erdenwelt: Aurorens Morgenpforte
Eröffnet sparsam sich und hin und wieder mahlt
Ein Wölkchen sich in ihrem Rosenschimmer
Als unser liebend Paar, noch immer
Im süssen Rausche dicht verschränkt,
Nicht an den herbern Scheidekus gedenkt.

Doch Arabell’ ermannte sich des halben Schlummers
Zuerst mit lieblicher Verworrenheit
Und suchte ihren Puz, der überall zerstreut
Am Boden lag, voll jungfräulichen Kummers;
Wand hocherröthend dann um ihren schlanken Bau
Das Gürtelband; Herr Lyonnel indessen
Verhüllt’ den Busen ihr, doch wußt’ er schlau
Noch hie und da ein Küschen hinzupressen

Sie standen endlich da, und sahn
Sich beide bald mit schwimmenden Blikken an
Bald auf das Bett, bald auf den Boden wieder,
„Ach, Lyonnel, was haben wir gethan!“
Seufzt tief das holde Kind und schlägt die Augen nieder,
Und spielt gedankenvoll an ihrem losen Mieder:
„Daß wir just heute uns und hier uns sahn —
O Lyonnel, was haben wir gethan!“

Eine in der Lage sehr gewöhnliche Frage der Damen; hätte lieber manche manchen gefragt: „o Lyonnel, was wollen wir thun?“ es wäre vielleicht besser gewesen; doch das ist zu ungewöhnlich!

Was unser liebendes Paar betrifft, so dient zur Nachricht; daß sie sich bald zu trösten wußten, und Freund Florentin wohlgemuth zum Nebenpförtchen hinaus, nach Hause schlüpfte, ohne von einem Auge bemerkt zu werden.

Drittes Kapitel.
Supplement zum Vorigen. — Ein Schrek.

Inhaltsverzeichnis

Florentin verlies den Herzog. Nach acht Tagen wurde er wieder zu ihm berufen, wo er von diesem zu seiner lebhaftesten Freude seinen Sieg erfuhr. —

Jezt unterhielten sich beide über die zwekmäßigsten Mittel, das Volk zu einem solchen wichtigen Schritt vorzubereiten; eine Unterhaltung, welche nicht fruchtlos ablief.

Die erste Folge derselben war, daß die vakante Stelle eines Predigers an der Hofkirche durch einen gelehrten, helldenkenden, beredsamen Mann besezt wurde, dem die Freiheit gegeben war von dem bisherigen Schlendrian abzuweichen, nur Christusmoral und nicht polemische noch dogmatische Säzze zu predigen.

Nach Verlauf eines Monats hatte er sein Amt angetreten, und von Neugier oder beßrer Ueberzeugung hingerissen, eilte ein grosser Theil der Residenzbewohner hin, die schönen Vorträge dieses Mannes anzuhören.

Plözlich stand die gesammte orthodoxe Geistlichkeit auf, den Landesherrn an die alten Konstituzionen, Symbole und Confessionen zu erinnern, der Geheimerathspräsident von Hello suchte mit seinem ganzen Ansehn für die Sache der Orthodoxie durchzudringen, aber alles vergebens. Der Fürst war Mann und blieb seinem Plane getreu.

Jezt hatte Florentin, ebenso viel Freunde, als Feinde; diese lästerten, jene vergötterten ihn. — Aber er hörte beide nicht, sondern ging seine Strasse unerschütterlich fort, und fand sich durch die Güte seiner That hinlänglich im Geheimen belohnt.

Weil er schon seit einiger Zeit der Prinzessin weniger nächtliche Visiten geben durfte, so blieb ihm auch Zeit genug übrig den einmal entworfenen Plan gänzlich, und sich selbst zum Danke, auszuführen. Da wir nur den Roman einiger merkwürdiger Personen erzählen; so überlassen wirs den Statistikern, das bald darauf erschienene Religionsedikt, wie auch das Edikt in Betracht der Denk- und Preß-Freiheit in den herzoglichen Landen, zu notifiziren, wir aber erwähnen noch, daß Serenissimus, mit seinem Vertrauten, oft die Häuser seiner begüterten Unterthanen, seine Fabriken besuchte, oft auch in die Hütten der Armuth trat, und theils erkannt, theils unerkannt half, und Wohlthaten und Freude verbreitete.

„Der Duur,“ sagte der Geheimerathspräsident von Hello zu seinem Fräulein Tochter Agathchen, indem er die goldne Tabattiere unwillig auf den Tisch hinwarf: „Der Duur macht unsern Durchlauchtigsten Herrn zu einem Atheisten, zu einem Fantasten, und jezt endlich ganz zu einem Romanprinzen. Es ist ein Leiden, wenn solch ein gepuztes, eingebildetes Fäntchen, wie der Graf, Fürst und Volk ins Verderben führt, und dann Leute von Verdienst und grauem Haar nicht gehört werden, wenn sie die Stimme der Warnung erheben. Pfui! — ändert sich die Lage der Sachen nicht bald, so.“ — — —

Nein, guter Hello, fürchte nicht des Fürsten und des Volks Verderben, wenn der Fürst fühlt daß er Mensch sei, und seinen Kindern sich, als Vater, zeigt!

Es ist ein schwerer Beruf Fürst zu sein, und das Glük von tausenden zu befördern. Nicht Assembleen, Redouten, kostbare Soupees und Dinees, Bälle und Festen versüssen die bangen, mühsamen Stunden und Geschäfte der Grossen genug, oft im fröhlichsten Gelächter ist ihr Herz ein Raub der Sorge, des Verdrusses. Wo sollen sie sich belohnen, und belohnen lassen? in der Mitte ihrer Unterthanen, auch der des niedern Standes.

Wie kann ein Vater, der seiner Stunden grösten Theil für das Wohl seiner Familie hinopfert, ausser derselben Erquikkung finden? Die Freude seiner Kinder, vom lallenden Säugling bis zum Erwachsenen, däucht ihm gewis angenehmer, als anderwärtige, rauschende Vergnügungen.

Freilich bringen oft ganze Städte unter Triumfbögen ihren Landesherrn Oden und Hymnen entgegen, die aber oft nur das Kompliment der Ehrerbietung sind, nicht der Zufriedenheit herzlicher Dankesergus.

Herzog Adolf wußte dies so gut, als wir, und achtete nicht des Helloschen Geschwäzzes. — Der Unterthan lernte ihn izt näher kennen, und ihn doppelt lieben; man vergoß Freudenthränen, wenn er so unverhoft erschien, und einsame friedliche Familien in ihren häuslichen Geschäften überraschte.

Oft stand er, dem Grafen zur Seite, in der Mitte kniender Dankbaren, welche er oft durch ein Kleines aus schreklichen Labyrinthen gerissen hatte; dann entschwand er ihnen, wie ein guter Engel, der Frieden vom Himmel in ihr Haus gebracht hatte; man zeichnete sich die glüklichen Tage auf um noch Kindern und Kindeskindern diese Ehre, welche ihren Voreltern wiederfahren war, heilig zu erhalten.

Von einer solchen Wanderung kam Florentin an einem Abend zu Hause, als ihm gleich beim Eintritt der alte Badner ein Billet entgegen brachte. Florentin erbrachs, erkannte die Federzüge der Unbekannten, und schauderte.

Graf!


Ihr habt dem Lande wohlgethan, daß Ihr die Fesseln zerbrachet, welche der Afterglaube für den freigebornen Geist der Menschen schmiedete, wir danken Euch dafür im Namen Holders, im Namen unsrer und im Namen der Einwohner dieses Herzogthums. — Aber wie stehts mit der Prinzessin? warum verseltnern sich eure Besuche bei ihr? warum erscheint sie nicht mehr so oft am Hofe öffentlich? — Ahndet Ihr nichts? — Sie sieht bleich, ihre Gesundheit ist nicht mehr die vorige; ihre Lebhaftigkeit ist verloren gegangen, und — — — Graf! Graf! was habt Ihr angerichtet? sehet Euch vor, wir rathen Euch, im Namen des wohlbekannten Ludwig Holder!

Der Graf stürzte entnervt auf ein Ruhebette, eine fürchterliche Ahndung umflog ihn. „Gott, Gott!“ rief er beklommen aus: „sie ist — sie ist“ — —

Badner trat mit der treuherzigsten Miene zu ihm, und stieß seine gewöhnlichen Töne: „Ho! ho! ho!“ hervor.

„Heda, Kerl!“ rief der Graf, und faßte den alten, erschroknen Mann vor die Brust? „Wer war der Ueberbringer dieses verdammten Blattes?“


Badner. (den Kopf schüttelnd und die Hände auseinander werfend) Ho!

Florentin. Sag mir, hast Du’s gelesen, weißt Du den Inhalt? gesteh’s nur!

Badner. (verneinend und auf das Siegel deutend.) Ho! ho!

Florentin. Kennst Du den Briefträger?

Badner. (schüttelnd) ho!

Florentin. Mensch, warum hieltest Du ihn nicht fest?

Badner. (zukt die Schultern) Ho! ho!

Florentin. (ärgerlich) las mich allein.


Er wars. Nun las er das Brieflein der Unbekannten noch einmal, und fand eben den schreklichen Sinn darin liegen, als zum erstenmal. Er suchte sich zu fassen; ging mit starken Schritten das Zimmer auf und ab; nahm die Flöte, welche ihm sonst so manchen Augenblik verschönerte, so manche Grille hinwegtönte — aber alles umsonst. Er warf die Flöte hin, bedekte mit beiden Händen sein Gesicht und murmelte einzelne abgebrochne Silben: „Gott! o Gott! — verdammt! — was soll nun werden?“

Florentin gehörte zu denen, welche der erste Moment der heranziehenden Gefahr entgeistert, die aber, wenn der erste Schrek vorübergangen ist, muthiger dastehn, und deren Kühnheit sodann oft an Verwegenheit gränzt.

Wir wollen ihn seinen Ueberlegungen allein lassen; Kleinigkeiten sind unfähig die Sicherheit großer Seelen zu zerstören, Florentin zittert wahrscheinlich also nicht vergebens.

Siebentes Kapitel.
Das Gewitter zieht näher heran.

Inhaltsverzeichnis

Prinz Moriz. (auf einem Ottomann) Es ist alles umsonst; indes kann ich mich leicht darin ergeben. Duur, Duur wir begegnen uns noch einmal auf einem fürchterlichen Gange; doch der Kerl ist einer so langen Erinnrung nicht werth. — (er klingelt)

Ein Bedienter. (kommt herein)

Prinz Moriz. Geh zur Signora Biondine; sie darf mich heute zum Nachtessen bei sich erwarten.

Bedienter. (geht ab.)

Pr. Moriz. Prinzessinnen und Sängerinnen sind beim ausgelöschtem Lichte einander gleich. Louise und Biondine! freilich eine gräßliche Kluft zwischen beiden, aber Biondine gehört zu den weichherzigen Seelen, und das macht alle ihre Fehler gut.

Sekretair Flimmer. (tritt herein)

Pr. Moriz. Nun?

Flimmer. O vortreflich!

Pr. Moriz. Teufel, du lügst!

Flimmer. Haben Sie die Gnade mich zu hören. Ich besuchte während Ew. Hoheit sich hier am Hofe aufhielten, nach meiner alten Gewohnheit zum Zeitvertreib die Tabagien; man findet an solchen Oertern die schönste Gelegenheit Menschengesichter zu beobachten, physiognomische und politische Betrachtungen aufzustellen. Unter andern frappirte mich ein alter, schlichter Kerl, aus welchem niemand eigentlich klug werden konnte. Man wußte mir von ihm nicht mehr zu sagen, als daß er täglich in den Weinhäusern herumläge, spielte, söffe und unserm Hergott die Tage abstöhle. Dazu wollte man sich erinnern, das er ein verschmizter Gauch wäre, welcher schon manchen dummen Streich begangen hätte. Das trolligste bei der ganzen Sache ist, daß der alte Schelm stumm ist.

Pr. Moriz. So. Wie beißt der Tagedieb?

Flimmer. Badner. Ich bemerkte, daß er Geld zu verschwenden hatte, drum währte es nicht lange, so saßen wir neben einander und tranken Brüderschaft. Ich unterhielt mich öfters ganze Abende mit ihm; seine Bleifeder diente ihm statt der Zunge.

Pr. Moriz. Nun?

Flimmer. Dieser sonderbare Taugenichts ging vor einiger Zeit zum Grafen Duur in Dienste; seine Börse ist bankerot, vermuthlich gedenkt er sie durch die Freigebigkeit seines jezzigen Herrn wieder zu spikken. Allein seit einigen Tagen schien er mit seinem Schiksale nicht recht zufrieden zu sein; flugs machte ich mich an ihn, lokte ihn aus, und ich hatte den küzlichen Flek richtig getroffen. Ich ließ einige Worte von Ihnen fallen, von Ihrer Güte, Ihrer Mildthätigkeit. Der Kerl spizte die Ohren. Folgenden Tages ließ ich ihn merken, dass Ew. Hoheit ihn wohl in Dienst zu nehmen gedächten. Mein Badner war wie ausser sich vor Freude. Am dritten Tage sprach ich von einem Werke, wodurch er sich Ew. Hoheit sogar verbindlich machen könne. Er fragte um nähere Umstände; ich konnte ihm weiter nichts erwiedern, als daß Ew. Hoheit dem Grafen von Duur nicht wohl wollten, und daß, und so weiter. Und heut bring’ ich Ihnen den Erzgauner, willig zu jedem Bubenstük, her. Ein Wort von Ihnen selber kann ihn zum Vatermorde stark machen. Er steht und wartet in der Antichambre.

Prinz Moriz. (läßt sich eine Chatulle reichen.) Führ’ ihn her.

Der alte Badner. (tritt nach einer Weile mit dem Sekretair herein.)

Pr. Moriz. Höre Badner, Du willst des Grafen Dienst verlassen?

Badner. (schüchtern mit dem Kopf winkend) Ho.

Pr. Moriz. So kannst Du in den meinigen treten, wenn Du ein ehrlicher treuer Kerl bist. Ich bezahle meine Leute gut, aber sie müssen im Fall der Noth auch wohl ihr Leben für mich in die Schanze schlagen können. Bist du das auch gewillt?

Badner. (sich verbeugend) Ho!

Pr. Moriz. Schade alter Bursche, daß Dir das Maul vernagelt ist. (wirft ihm eine Börse voller Geld entgegen) Da, nimms zum Handgelde. Wie lange wirst Du noch beim Grafen bleiben?

Badner. (zieht eine Schreibtafel hervor und schreibt) Ein Monat noch.

Pr. Moriz. Ja, Bursche, das währt zu lange. Doch mein Sekretair wird Dir schon einige Winke gegeben haben, wie Du Dich zu verhalten hast.

Badner. (winkend) Ho, ho!

Pr. Moriz. Wird Dir auch wohl von den hundert Louisd’oren und von diesem Fläschchen gesagt haben, dessen Wasser Du — —

Badner. (mit treuherziger Miene) Ho, ho!

Pr. Moriz. Du darfst dies Wasser nur unter seinen Wein, oder in eine Suppe schütten. In ein, zwei, drei Wochen keucht das Junkerchen seinen zukkersüssen Geist von sich, und Du empfängst noch funfzig Louisd’ors von mir. Funfzig hältst Du jezt schon der Hand.

Badner. (schreibt) Ew. Hoheit erlauben mir aber bei Ihnen Dienste zu nehmen?

Pr. Moriz. Nicht anders; so bald der Graf das Wasser verschlukt hat, meldest du dich wieder. (er reicht ihm das Fläschgen) Leb wohl. Mache dein Probestük als Meister; mein Sekretair sage dir das übrige.

Flimmer und Badner. (entfernen sich)

Ein Bedienter. (bringt dem Prinzen einen Brief, worauf sich derselbe wieder wegbegiebt.)

Pr. Moriz. (bricht auf und liest:)

Prinz!


Da Ihr unsre Warnungen verachtet, unsern Rath verlacht, unsre Stimme tauben Ohren schallen lasset; so rufen wirs Euch zum leztenmale zu: seid auf Eurer Hut, entgehet der Rache beizeiten, ehe sie Euch unverhoft überfällt. — Giftmischer werden auf deutschem Boden nicht geduldet, schlaget Euch zu den Banditen in Welschland! — Entfernet Euch binnen vierzehn Tagen aus dem Herzogthum, eine Stunde, so Ihr über die gegebene Frist verzögert, bringt Euch unfehlbaren Tod von dem Gericht der Euch Unbekannten.

Donner und Wetter was sollen die Mummereien? — der dritte Brief schon den mir die unbekanten Spione zuschikken und kann nicht erkunden von wem und von wannen? — Ists der Herzog selber, der in dem richterlichen Tone zu mir spricht und mir sein Land zum Aufenthalt versagt, oder ists der vermaledeite Graf? — Unmöglich, wie wußten diese um all meine Geheimnisse? — Hier ist Verrätherei! (er springt vom Ottomann auf) Hollah! ho! Flimmer!


Flimmer. (kömmt.)

Prinz Moriz. (ihn hart anfahrend) Bösewicht, oder Dummkopf! sprich was bist Du von beiden?

Flimmer. (erstaunt) Ew. Hoheit verzeihn — —

Pr. Moriz. Schurke, ich bin verrathen durch Dich!

Flimmer. Verrathen? Wie so? auf welche Art? was denn?

Pr. Moriz. He, weißt Du nicht mehr zu sagen? Ich bin verrathen, die verfluchte Giftgeschichte — alles ist bekannt!

Flimmer. (erblassend) Unmöglich!

Pr. Moriz. Wohl möglich! wohl möglich! — He, Schurke, mache Dich allmählich zum Strik gefaßt!

Flimmer. Ich bin ausser mir. Ich bitte unterthänigst mir zu sagen, wie kann das verrathen sein? Badner ist nur jezt eben erst von mir gegangen; er vermaas sich noch hoch und theuer, daß er binnen heut und morgen dem Grafen das Gift beiringen, oder sein Leben einbüssen wolle. Eben, sag ich, ist er erst fortgegangen, und Ew. Hoheit wollen schon so genau wissen, daß wir verrathen sind?

Pr. Moriz. Nun da. (er hält ihm die Worte des Briefes dar.) Lies!

Flimmer. (ließt.) „Giftmischer werden auf deutschen Boden nicht geduldet — schlaget Euch zu den Banditen in Welschland.“ — Gnädigster Herr — dahinter stekt mehr, als gewöhnlicher Menschenwiz; das ist Hexerei, oder der Satan äfft uns!

Pr. Moriz. Bedenke Dich, ob Du nicht hie oder da ein unüberlegtes Wort hingeplaudert hast.

Flimmer. Ich darf Ew. Hoheit nicht an so viele tausend Streiche erinnern, welche ich ausführte, und wodurch mir Ihre Gnade erwarb. Kein einziger verrieth einen Dummkopf, einen Stümperer und dieser einzige, einer der allerleichtesten von der Welt, dieser elende Streich sollte durch mich selber verrathen worden sein? —

Pr. Moriz. Vielleicht hat Dich Dein Weinglas, oder Dein Freudenmädchen plauderhaft gemacht. Besinne Dich!

Flimmer. Ich selber weis ja erst seit gestern um die Vergiftung; wie konnte mich in dieser Zeit ein Mädchen auslokken, da ich den ganzen Tag in dem Zimmer Ew. Hoheit Briefe schrieb, und mir nur ein Stündchen für Badnern abmüssigte! und selbst Badnern lies ich nur halb den Plan Ew. Hoheit errathen.

Pr. Moriz. Donner und Wetter, ich könnte rasend darüber werden! Wer hat denn nun geschwazt? die Wände werden doch nicht horchen und es den fatalen Briefschreibern wiederposaunen? — Und werden die unbekannten Sittenrichter nicht auch dem Grafen die ganze Geschichte schreiben und ihn warnen? — Es ist alles umsonst!

Flimmer. Fürchten Sie nichts, gnädigster Herr, fürchten Sie nichts; im Nothfall sezz’ ich meinen Kopf zum Pfande, daß der stumme Badner demungeachtet seinem Herrn den Tofanatrunk beibringen wird.

Pr. Moriz. Ich fasse Dich beim Worte. Geh auf Dein Zimmer, man soll Dich nicht eher herauslassen, bis es mir gefällt.

Flimmer. (kriechend) Allein Ew. Hoheit — —

Pr. Moriz. Fort! fort! der Teufel soll auf jeden Verräther und auf die fürchterlichen Correspondenten fahren! fort, fort! — —


Florentin ahndete nichts von dieser Seite und blieb ruhig; allein seine ganze Heiterkeit war verschwunden; düster und ernsthaft ging er vor sich umher, verschlossen in seinen Zimmern lag er und sann er nach Rettung, aber vergebens.

„Zum Richtplaz! — zum Richtplaz! wohl denn, ich bin ein Mensch; der Tod ist einmal mein gewisses Ziel; — ich gehe!“

So sprach er oft bei sich, und fühlte in jeder Nerve kühne Entschlossenheit. Nur ein Gedanke war fähig ihn um diese schauerliche Ruhe des Geistes zu bringen, der Gedanke an seinen Onkel und seine gute Schwester. —

Zuweilen wieder dämmerte ihm der Hofnung liebliches Morgenroth durch die Finsternis; Holder lebte ja noch, und Holder könnte vielleicht helfen. Aber haben nicht Holder und die, welche in seinem Namen schrieben, ihre Pflicht erfüllt? warnten sie nicht oft genug, und, ach! nur zu spät? — Wer ist denn der Sonderling Holder, daß er retten dürfte? ein gemeiner Unterthan des Herzogs, der für seine Cur an dem kranken Fürsten theuer genug bezahlt worden ist! ein Flüchtling, ein Abentheurer, der in der Welt umherschwärmt, und nun es sich belieben läßt aus Italien wieder nach Deutschland zu wandern. — Allein sein Karakter ist doch so edel, so schön! wird er nicht alles für den verurtheilten Freund wagen? — wagen? und was denn? was liesse ein erbitterter Fürst wider sich wagen? O es ist alles umsonst, und Florentin in jedem Falle der baldige Gegenstand der Rache eines beleidigten, tief beleidigten Landesherrn.

Indeß verzagte der Unglükliche nicht ganz. Flucht hätte ihn vielleicht vor dem Zorn des Richters sichern können, aber fliehn wollte Graf Duur nicht. „Besser ein beklagter Unglüklicher sein, rief er seiner Seele zu, als ein glüklicher Bösewicht!“ —

Badner trat zu ihm herein und grüßte freundlich. Noch nie sah der Graf diesen Alten so vergnügt; es fiel ihm auf, und er fragte.

Badner lächelte und winkte bedeutend mit dem Kopf, zog dann ein Gläschen hervor, sezte es auf den Tisch vor seinem Herrn, zählte funfzig Louisdor’s daneben und schrieb in die Schreibtafel: „Das Gifttränklein für Sie, und die Funfzig für mich.“

Florentin starrte ihn verwundert an. Badner lächelte und schrieb weitet:

„So will es Prinz Moriz, aber Badner wills anders.“

Hierauf öfnete der Alte das Fenster, zerschmetterte das Glas an das Strassenpflaster, und strich das Geld triumfirend ein.

„Schikken Sie das Blutgeld an das Armenhaus, und bleiben Sie mir gut!“ schrieb er auf das Pergament.

Florentin drükte gerührt seines treuen Dieners Hand. „Ich danke dir,“ sagte er: „ich danke dir für deine Ergebenheit; bezahlen kann ich solche biedre That nicht. Indessen hättest du Morizens Befehl immerhin ausführen können, ich würde dir auch gedankt haben, und du hättest mir vielleicht gütlicher gethan.“ —

Badner schien sich verwundern.

„Nein, lieber Alter, verwundre dich nicht! Dein Herr ist unglüklich. In einem Monate hast Du vielleicht mehr erfahren!“

Drittes Kapitel.
Zeitungen — Thränen, Flüche, Marionetten.

Inhaltsverzeichnis

Der schreklichste, ängstigendste Traum, welcher je ein Menschenkind plagte, quälte jezt den Grafen: Es war ein Gewebe von Wahrheit und Betrug, welches sich nicht von einander trennen ließ.

Bald verließ ihn im Schlafe der Traumgott auf etliche Augenblikke, bald reihten sich wieder andre fürchterliche Szenen vor ihm hin, wovon er Theils Zuschauer, theils Mitspieler war; doch blieb immer ein merkwürdiger Hauptfaden durch das Ganze geflochten, so daß alle untereinander verschiedne Stükke einen gewissen Zusammenhang hatten.

So, zum Beispiel, behielt Florentin immer den Namen Vinzenz; die schwarzen Herrn waren seine steten Gesellschafter, u. s. w.

„Was erzählen die Novellen?“ fragte einer von den Schwarzen den andern, welcher einzelne gedrukte Blätter auf den Tisch warf, und den Wirth in einer Bierschenke vorstellte.

„Mancherlei!“ gab der Wirth zur Antwort, und sezte Florentinem Wein vor.

Florentin ergrif ein Blatt und las mit Erstaunen:

„Seit der Hinrichtung des Kammerherrn von Duur, und seiner Verwandschaft, sind neue gräßliche Entdekkungen gemacht worden. Die Prinzessin L** hat nämlich aus Eifersucht und Nebenbuhlerei das unlängst verstorbne Fräulein von G** mit Gift umgebracht, indeß man vorgab, sie sei am Fieber eines natürlichen Todes gestorben. Die Sache ist unterdrükt, und niemand ausser dem Herzoge und dem Hofarzt hat anfänglich davon gewußt.“ — — —

„Gott im Himmel!“ rief Florentin aus! „in was für eine Welt hast du mich gesezt. Unerhörte, schwarze Thaten! die Unschuld wird gemordet, das Laster wird gekrönt, Recht und Unrecht macht jezt keinen Unterschied mehr; die Sünden der Großen werden gepriesen; die Tükke der Finsternis nicht gebranntmarkt.“ —

Unterdessen Florentin gelesen, und dies mit tiefem Unwillen gesprochen hatte, waren mehrere Schwarze hereingetreten; sie umringten ihn, und schlugen ein gellendes Gelächter auf.

„O entehrt euch nicht durch dieses Lachen,“ fuhr er fort und fühlte sein Gesicht glühen: „entehrt seid Ihr genug, daß Ihr zum geschändeten Orden der Menschheit gezählt worden seid. Allein bei dem lebendigen, furchtbaren Gott über und um uns sei’s geschworen, bei diesen meinen Thränen, bei der Asche meiner Schwester, bei der Asche meines guten Oheims sei’s feierlich geschworen, ich will die entadelte Menschheit rächen, will Bandit werden gekrönte Teufel zu morden, Aufrührer werden, die Kette zu sprengen, welche die Tyrannei um meine Brüder schlang, Mordbrenner werden, die vom Vermögen der Witwen und Waisen erbauten Palläste niederzustürzen, niederzustürzen auf den Schädel der Blutigel des Vaterlandes! — Oh! meine Schwester, mein Oheim, — oh!“ —

Jezt trat ein Mann, schwarzgekleidet wie die übrigen, in das Wirthshaus. Er trug einen Kasten auf dem Rükken und bat die Anwesenden, die Zeche für ihn zu zahlen, wofür er ihnen die Künste seiner Marionetten zeigen wolle.

„Wein her! Wein her!“ riefen alle aus einem Munde. Der Wirth brachte dem Puppenspieler den Wein; dieser war sofort geschäftig sein Theater zu arrangiren, worauf er den Vorhang öfnete.