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Henning Freund

Geriatrisches Assessment und Testverfahren

Grundbegriffe – Anleitungen – Behandlungspfade

3., erweiterte und aktualisierte Auflage

Verlag W. Kohlhammer

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3., erweiterte und aktualisierte Auflage 2017

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-032629-3

E-Book-Formate:

pdf: ISBN 978-3-17-032630-9

epub: ISBN 978-3-17-032631-6

mobi: ISBN 978-3-17-032632-3

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Die 3., erweiterte und aktualisierte Auflage ist meiner Tochter Assessor juris Marie Christin Freund gewidmet.

»Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.«

Antoine de Saint-Exupéry, Der kleine Prinz

Inhalt

  1. Vorwort
  2. Danksagung
  3. Einleitung: Die derzeitige Situation der Geriatrie (Altersmedizin) in Deutschland – ein Kurzüberblick
  4. Teil 1: Geriatrisches Assessment
  5. 1 Geriatrisches Assessment
  6. 1.1 Geriatrisches Screening nach Lachs
  7. 1.2 Selbsthilfestatus: Aktivitäten des täglichen Lebens (Pflege- und Ergotherapie)
  8. 1.2.1 Assessment bei Harninkontinenz
  9. 1.3 Mobilität (Physiotherapie und Ergotherapie)
  10. 1.3.1 Tinetti-Test
  11. 1.3.2 Timed »Up and Go«-Test
  12. 1.3.3 Handkraftmessung
  13. 1.3.4 Tandemstand
  14. 1.3.5 Chair-rising-Test
  15. 1.4 Kognition und Emotion (Ergotherapie)
  16. 1.4.1 Uhren-Test nach Watson
  17. 1.4.2 Mini-Mental Status Test (MMST) (modifiziert nach Folstein 1975)
  18. 1.4.3 Geriatric Depression Scale (nach Yesavage)
  19. 1.5 Soziale Situation
  20. 1.6 Weiterführende Tests
  21. 1.6.1 Logopädie Assessment
  22. 1.6.2 Mangelernährungs-Screening
  23. 1.6.3 Karnofsky-Index (Beurteilung der Lebensqualität)
  24. 1.6.4 Sturzrisikoskala
  25. 1.6.5 Sturzprotokoll
  26. Teil 2: Behandlungspfade
  27. 2 Behandlungspfade
  28. 2.1 Behandlungspfad Schlaganfall
  29. 2.1.1 Geriatriekonzept einiger Bundesländer – Ablaufdiagramm
  30. 2.1.2 Schlaganfall: Morbidität und Sterblichkeit
  31. 2.1.3 Schlaganfall
  32. 2.1.4 Stroke Unit-Konzept
  33. 2.1.5 Schwellenkriterien für die Übernahme zur geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung
  34. 2.1.6 Die Aufgaben des Arztes im therapeutischen Team
  35. 2.1.7 Die Aufgaben des Ergotherapeuten im therapeutischen Team
  36. 2.1.8 Die Aufgaben des Physiotherapeuten im therapeutischen Team
  37. 2.1.9 Physikalische Medizin
  38. 2.1.10 Die Aufgaben des Logopäden im therapeutischen Team
  39. 2.1.11 Die Aufgaben des Psychologen bzw. Neuropsychologen im therapeutischen Team
  40. 2.1.12 Die aktivierend-therapeutische Pflege in der Geriatrie
  41. 2.1.13 Basale Stimulation und Kinästhetik im therapeutischen Arbeitsfeld
  42. 2.1.14 Die Aufgaben des Teamintegrierten Sozialdienstes
  43. 2.2 Behandlungspfad hüftgelenknahe Fraktur nach Verlegung in die Geriatrische Klinik
  44. 2.3 Behandlungspfad Demenz nach Verlegung bzw. Aufnahme in die Geriatrische Klinik
  45. 2.4 Fallbeispiele
  46. 2.4.1 Musterpatient mit Hirninfarkt im Versorgungsgebiet der Arteria cerebri media sinistra mit Fazialisparese rechts, Hemiplegie rechts, globaler Aphasie, Sprechapraxie
  47. 2.4.2 Musterpatient mit hüftgelenknaher Fraktur (SHF) mit Befundbericht Physiotherapie
  48. Teil 3: Behandlungsformen, Rechtliches, Qualitätssicherung und Begriffsbestimmungen
  49. 3 Formen der geriatrischen Behandlung
  50. 3.1 Stationäre Krankenhausbehandlung
  51. 3.1.1 Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung in einer Krankenhausabteilung oder Geriatrischen Klinik
  52. 3.2 Teilstationäre Behandlung in einer Geriatrischen Tagesklinik
  53. 3.3 Stationäre geriatrische Rehabilitation
  54. 3.4 Ambulante geriatrische Rehabilitation
  55. 3.5 Mobile geriatrische Rehabilitation
  56. 3.6 Ambulanter Rehabilitationssport
  57. 4 Rechtliche Aspekte
  58. 4.1 Bestimmung des Patientenwillens
  59. 4.2 Patientenverfügung
  60. 4.3 Einwilligungsfähigkeit
  61. 4.4 Ethikkomitee/Ethikforum
  62. 4.5 Betreuung, Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung
  63. 5 Qualitätssicherung
  64. 5.1 DRG
  65. 5.2 Bundesverband Geriatrie e. V.
  66. 5.3 GEMIDAS Pro
  67. 5.4 Qualitätssiegel Geriatrie
  68. 6 Begriffsbestimmungen und häufige Problemkonstellationen in der Geriatrie
  69. 6.1 Demenz
  70. 6.2 Delir
  71. 6.2.1 Checkliste Delir
  72. 6.3 Mangelernährung (Malnutrition)
  73. 6.4 Leitlinien in der Geriatrie
  74. 6.4.1 ESPEN-Leitlinien/Enterale Ernährung Geriatrie
  75. 6.5 Harninkontinenz
  76. 6.6 Obstipation
  77. 6.7 Schlafstörungen
  78. 6.8 Definition der Geriatrie
  79. 6.8.1 Definition des Geriatrischen Patienten
  80. 6.8.2 Besonderheiten des geriatrischen Patienten
  81. 6.8.3 Geriatrisches Konsil
  82. 6.8.4 Rehabilitationsfähigkeit
  83. 6.8.5 Rehabilitationspotential
  84. 6.8.6 Rehabilitationsprognose
  85. 6.8.7 Rehabilitationsbedarf
  86. 6.9 Therapieziele im medizinischen Sinne
  87. 6.10 Behandlungsziel in der Geriatrie
  88. 6.11 Therapeutisches Team
  89. 6.12 Aktivierend-therapeutische Pflege in der Geriatrie (ATP-G)
  90. 6.13 Teamintegrierter Sozialdienst
  91. 6.14 Psychologie
  92. 6.15 Soziales Umfeld und Familie
  93. 6.16 Teamsitzung – »Teamkonferenz«
  94. 6.17 Einbettung der Frührehabilitation in das geriatrische Behandlungskonzept
  95. 6.18 Palliativmedizin
  96. 6.19 Leitlinien Sterbe- und Trauerbegleitung
  97. 6.20 Aspekte bezüglich freiheitsentziehender Maßnahmen
  98. 6.21 Pflegestützpunkt
  99. Literatur
  100. Stichwortverzeichnis

 

Vorwort

 

 

 

Die Idee für dieses Buch entwickelte sich aus der Praxis und dem Bedürfnis, betagte und hochbetagte »geriatrische Patienten« bestmöglich zu betreuen, zu diagnostizieren und zu therapieren und dem vorrangigen Ziel aller Bemühungen bestmöglich gerecht werden zu können, die verbleibende Lebensqualität und Aufrechterhaltung der Alltagskompetenz (Selbsthilfefähigkeit) im gewohntem Umfeld zu ermöglichen. Die multimodale geriatrische Intervention ist wirksam – evidenzbasiert auf Basis des umfassenden Geriatrischen Assessments.

Dieser Leitfaden soll jedoch praxisrelevant und übersichtlich alle Professionen (Ärzten, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Pflegetherapeuten, Pflegeberater, Altenpfleger, Ernährungsmanager, Sozialarbeiter, Sprachtherapeuten, Psychologen etc.), die an der Behandlung und Betreuung betagter und hochbetagter Patienten beteiligt sind, zum Einstieg in die Supraspezialisierung Geriatrie befähigen. Vorrangiges Ziel aller Bemühungen ist die Aufrechterhaltung der Selbsthilfefähigkeit. Daraus leitet sich die Notwendigkeit ab, individuelle Patientenmerkmale (physisch, psychisch) und Lebensumstände (sozial) zu erfassen, um die Ressourcen zu erkennen und die Grundlage für die Erstellung eines Behandlungsplans zu ermöglichen. Dabei gilt es, nicht nur medizinische (organbezogene) Defizite und Optimierungsmöglichkeiten aufzuzeigen, sondern auch Fähigkeitsstörungen, wie Mobilitätseinschränkung, Sturzgefährdung, kognitive Defizite, depressive Störungen und eingeschränkte Selbsthilfefähigkeit zu objektivieren – also den Patienten ganzheitlich zu beurteilen. Dazu dient das Geriatrische Assessment, welches im ersten Teil des Buches abgehandelt wird. Nicht nur Mitarbeiter von Hausarztpraxen sollten diese Thematik beherrschen. Die Durchführung des »Hausärztlichen Geriatrischen Basis-Assessments« ist auch abrechnungsrelevant. Anwender und Entwickler von altersgerechten Assistenzsystemen, die ein gesundes und unabhängiges Leben betagter und hochbetagter Menschen im gewohnten Umfeld unterstützen, sollten ebenfalls über ein Basiswissen verfügen.

Im zweiten Teil werden Patientenpfade dargestellt. Dabei wird der Thematik Schlaganfall, welche entsprechend der demographischen Entwicklung an Bedeutung zunimmt, eine besondere Bedeutung beigemessen. Der Schlaganfall ist eine Erkrankung vorwiegend des höheren Lebensalters (mit zunehmendem Alter steigt das Risiko!). Weiterhin werden die Krankheitsbilder Hüftgelenknahe Fraktur sowie Demenz abgehandelt. Das Ende des Werkes nehmen Begriffsbestimmungen und Definitionen ein. Das Buch trägt die Handschrift einer geriatrischen Klinik und ist von mir, einem internistisch ausgebildeten Geriater, verfasst worden, was zeigt, dass die Geriatrie wohl überwiegend in der Inneren Medizin anzusiedeln ist. Aufgrund der Multimorbidität der betagten Patienten hat die Geriatrie neben spezifisch-gerontologischen auch neurologische und psychiatrische Inhalte, die deutlich über die heutige Definition der Inneren Medizin hinausgehen. In den Bundesländern Brandenburg, Sachsen-Anhalt sowie auch in Berlin wurde dieser Tatsache bereits mit der Einführung des Schwerpunktes Geriatrie in der Inneren Medizin Rechnung getragen. Die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin hat vorgeschlagen, den Facharzt Innere Medizin und Geriatrie bundesweit einzuführen.

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Abb. 1: Chefarzt Dr. med. H. Freund und Schwester Juliane, Endoskopische Abteilung (Ärzteblatt Sachsen-Anhalt 27 (2016) 7/8, S. 23)

 

Danksagung

 

 

 

Ich möchte meinem Team der Geriatrischen Klinik und Tagesklinik in der Lutherstadt Eisleben nicht nur dafür danken, dass sie mich ermuntert haben, ein Lehrbuch, einen praxisrelevanten Leitfaden Geriatrie, zu erarbeiten, sondern auch für die kritischen Anmerkungen sowie konstruktiven Vorschläge.

Hervorheben möchte ich hierbei die leitende Sekretärin der Geriatrischen Klinik und Tagesklinik, Frau Annett Riedel, sowie stellvertretend für das gesamte Team Frau Simone Rudloff aus dem Bereich Ergotherapie.

Ich bedanke mich auch bei meiner Frau Yvette für die Unterstützung, sie stand mir während der gesamten Zeit hilfreich zur Seite.

Auch meiner Tochter Assessor juris Marie Christin Freund möchte ich ebenfalls herzlich danken, welche Absolventin der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg ist und als Rechtsanwältin im Landkreis Mansfeld Südharz wirkt.

Ich danke auch Frau Friedhilde Bartels als zukünftige Präsidentin der »Deutschen Fachgesellschaft für Aktivierend-therapeutische Pflege« (DGATP) für Ihre wertvollen Hinweise und Anregungen. Sie wird als ehemalige Pflegedienstleiterin einer deutschen Geriatrieleiteinrichtung (Hamburg) und als ehemaliges Mitglied des Vorstandes des Bundesverbandes Geriatrie der Aufgabe als Präsidentin der DGATP sicher ideal gerecht werden können.

 

Dr. Henning Freund

Sangerhausen, im Juni 2017

 

Einleitung: Die derzeitige Situation der Geriatrie (Altersmedizin) in Deutschland – ein Kurzüberblick

 

 

Nach der WHO-Definition von 1989 ist Geriatrie »der Zweig der Medizin, der sich mit der Gesundheit im Alter sowie den präventiven, klinischen, rehabilitativen und sozialen Aspekten von Krankheiten beim älteren Menschen beschäftigt«. Die Geriatrie betrachtet den Patienten im Rahmen eines bio-psycho-sozialen Grundkonzeptes nicht nur organspezifisch, sondern auch unter ganzheitlich-integrativen Gesichtspunkten, also auch unter Einschluss von psychosozialen und sozialmedizinischen Aspekten. Geriatrie ist eine europa- und weltweit anerkannte medizinische Spezialisierung. In den USA ist sie seit 1988 eine Facharztbezeichnung. In Deutschland gibt es allerdings bisher nur drei Bundesländer, welche die Facharztweiterbildung »Innere Medizin und Geriatrie« in den Weiterbildungsordnungen der Landesärztekammern etabliert haben (Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Berlin). Geriatrie ist in Deutschland eine etablierte, entwickelte Spezialität mit großem Weiterentwicklungspotential. Geriatrie ist als Supraspezialisierung (www.kcgeriatrie.de, 30.09.2012) zu verstehen – mit Schwerpunkt Innere Medizin, aber auch mit Inhalten der Gerontopsychiatrie, Neurologie sowie Physikalischen und Rehabilitativen Medizin (Ärztekammer Brandenburg, Ärztekammer Berlin).

Krankenhäuser der Grundversorgung sollten entsprechend den demographischen Erfordernissen geriatrische Fachabteilungen vorhalten. Es ist anzumerken, dass Geriatrie auch bis zum bzw. angesichts des Todes stattfindet und insofern auch zwangsläufig palliative Aspekte beinhalten muss – wie dies auch in der Definition der Fachgesellschaften und des Bundesverbandes Geriatrie e. V. zum Ausdruck kommt (Deutsche Gesellschaft für Geriatrie – DDG, Deutsche Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie – DGGG, Bundesverband Geriatrie e. V. – BV Geriatrie).

Die Prognose hinsichtlich der geriatrischen Krankenhaushäufigkeit (Fallzahlen) besagt, dass bis 2025 mit einer Zunahme der geriatrischen Krankenhausfälle um 25,4 % zu rechnen ist (Bundesverband Geriatrie e. V. 2016).

Die Mitgliedschaft einer stationären geriatrischen Einrichtung/Abteilung im Bundesverband Geriatrie e. V. ist an den Nachweis einer personellen, räumlichen und apparativen Mindestausstattung gebunden, die sicherstellt, dass die bei der Behandlung älterer Patienten auftretenden komplexen Anforderungen sowohl in akutmedizinischer als auch in rehabilitativer Hinsicht erfüllt werden können. Es wurde ein Qualitätssiegel für Geriatrische Einrichtungen entwickelt, welches als gemeinsame Leitlinie in Sachen Qualität (räumliche und personelle Strukturqualität) verstanden werden soll (kann). Antrieb aller Beteiligten (DGG, DGGG, BV Geriatrie) war es, die Qualität der geriatrischen Versorgung zu stärken.

Definitionen

Definition Geriatrie (Altersmedizin) der Fachgesellschaften

Geriatrie führt akutmedizinische, frührehabilitationsmedizinische und rehabilitationsmedizinische Behandlungen durch. Die Geriatrie geht deshalb zumeist über die reine Organmedizin hinaus und erbringt zusätzliche Leistungen, vor allem im Bereich der multidisziplinären, ICF- und ICD-orientierten Diagnostik und funktionellen Therapie sowie im Bereich der Prävention und der Palliation.

Definition geriatrietypische Multimorbidität

•  häufig Multimedikation (Füsgen 2010)

•  geht mit einer Erhöhung des Mortalitätsrisikos einher (Menotti et al. 2001)

•  Zunahme der sozialen Isolierung (Aklker et al. 2000)

•  reduzierte Lebensqualität

•  Funktionsstörung in der Fortbewegung

•  Funktionsstörung in der Feinmotorik

•  Funktionsstörung in der Selbstversorgung

•  Funktionsstörung in der Kommunikation

•  kognitive Störungen (z. B. bei akutem Delir, kognitive Einschränkungen, bei Demenz etc. – insgesamt bei ca. 32 % der Patientenklientelen)

–  Geriatrische Fachabteilung der HELIOS Klinik Lutherstadt Eisleben 2017; 2007 wiesen 28 % aller stationären und 12 % aller teilstationären geriatrischen Krankenhausfälle eine Demenz auf (KCG: AOK-Datenauswertung mit WIdo 2007)

–  Erhebliche funktionelle Beeinträchtigungen dementiell Erkrankter bei Haushaltsbefragung, z. B. 21,3 % erhebliche Schwerhörigkeit/Taubheit, 19,3 % erhebliche Sehbehinderung, 59,6 % erhebliche Mobilitätseinschränkung

Definition: Der geriatrische Patient

Geriatrische Patienten sind definiert durch:

•  ein höheres Lebensalter (überwiegend 70 Jahre oder älter), die geriatrietypische Multimorbidität ist hierbei vorrangig vor dem kalendarischen Alter zu sehen

•  oder durch ein hohes Alter (80+), auf Grund der alterstypisch erhöhten Vulnerabilität, z. B. wegen

–  des Auftretens von Komplikationen und Folgeerkrankungen,

–  der Gefahr der Chronifizierung sowie

–  des erhöhten Risikos eines Verlustes der Autonomie mit einhergehender Verschlechterung des Selbsthilfestatus.

Geriatrische Patienten weisen eine erhöhte Vulnerabilität infolge physiologischer Altersveränderungen auf. Hervorzuheben sind organübergreifende Wechselwirkungen. Es bestehen Defizite in mehreren Funktionsbereichen:

a)  auf Organebene,

b)  auf personaler oder

c)  auf sozialer Ebene.

Die Einschränkungen sind somatischer, kognitiver oder auch affektiver Art, bedingt durch altersphysiologische Veränderungen und gegebenenfalls schon manifeste oder zumindest latente Schädigungen von Körperstrukturen oder Funktionen. Die erhöhte Instabilität (eines der sogenannten geriatrischen »Is«) ist sehr häufig anzutreffen. Die Patienten sind pflegefallgefährdet.

Die geriatrischen »Is«:

1.  Immobilität

2.  Irritabilität (Verwirrtheit, Demenz)

3.  Instabilität (Sturzneigung)

4.  Inkontinenz

5.  In letzter Zeit wird häufig ein fünftes »I« für iatrogene Schädigung hinzugefügt. Hierarchisierung der medizinischen Probleme im therapeutischen Team – Priorisierung der Medikamentenliste:

a. Unter NSAR-Therapie sind um ein Drittel erhöhte (meist koronare) Ereignisse zu beobachten. Eine Verdopplung des Herzinsuffizienzrisikos durch alle NSAID konnte belegt werden sowie eine erhöhte gastrointestinale Komplikationsrate: Ca. ein Patient von 1000 verstirbt an den Magenkomplikationen, wie z. B. Perforation, Blutung, Penetration etc.

b. Fall-risk-Increasing drugs (FRIDs): Psychotrope Arzneimittel (Anxiolytika, Sedativa, Neuroleptika, Antidepressiva) und kardiovaskuläre Arzneimittel (AM) (Antihypertensiva, vor allem Diuretika, Digoxin). Bei Neuroleptikaverordnung ist die Frakturrate um 40 % erhöht, wobei kein Unterschied zwischen herkömmlichen und neueren Antipsychotika zu verzeichnen ist (Deutsche Expertengruppe Dementenbetreuung 2016).

6.  Gebrechlichkeit »frailty«

a. verlangsamte Gangart

b. verminderte körperliche Aktivität

c. physische und psychische Erschöpfung

d. körperliche Schwäche

7.  Weitere sind z. B. Isolation und andere

Weiterhin zeichnen sich die Patienten durch eine verringerte Anpassungsfähigkeit sowie begrenzte Kompensationsfähigkeit aus. Sehr häufig sind affektive und kommunikative Störungen anzutreffen. Weiterhin ist für geriatrische Patienten eine atypische Symptompräsentation zu beobachten. Es bestehen in der Regel eine hohe Krankheitsintensität sowie eine reduzierte Spontan-Rekonvaleszenz bei erhöhtem Rehabilitationsbedarf. Kognitiv eingeschränkte (demente) Patienten werden in der Regel nicht wegen einer Demenz im Krankenhaus vorgestellt, sondern häufig wegen einer internistischen Akuterkrankung, z. B. Frakturen infolge von Stürzen oder Schlaganfällen.

Entsprechend der demographischen Entwicklung wird sich z. B. die jährliche Schlaganfallneuerkrankungsrate deutlich erhöhen. Die direkten Kosten für die stationäre und ambulante medizinische Behandlung und für den Rehabilitations- und Pflegeaufwand von Schlaganfallpatienten werden steigen. Dies trifft vor allem auf geriatrische Schlaganfallpatienten zu. Neben dem arteriellen Hypertonus als Hauptrisikofaktor des Schlaganfalls ist das Alter ein nicht beeinflussbarer Risikofaktor. Einen Schlaganfall erleiden überwiegend die älteren, insbesondere die hochaltrigen Patienten.

 

Es besteht vor allem eine internistische Komorbidität:

•  Herzinsuffizienz

•  Hypertonie

•  Diabetes Mellitus Typ 2

•  Fettstoffwechselstörungen

•  Koronare Herzkrankheit (KHK)

•  Periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK)

•  Medikamentennebenwirkungen: Ca. ein Patient von 1 000 stirbt an einer Komplikation, z. B. infolge einer Therapie mit NSAR – durch Magenblutung oder Magenperforation (Zercur Geriatrie 2017).

•  Patienten über 60 Jahre: 10,7 Krankenhausdiagnosen (überwiegend internistische) bei dementiell Erkrankten vs. 6,3 bei nicht dementiell Erkrankten (Bundesverband Geriatrie 2016).

Aufgrund der altersabhängig zunehmenden Multimorbidität wird eine zunehmende Schwere der Behandlungsfälle vor allem mit internistischem Behandlungsbedarf zu erwarten sein, was vor allem die internistische/geriatrische Fachkompetenz erforderlich macht. Der neurologische Sachverstand sollte aber immer mit einbezogen werden. Die Geriatrie (Altersmedizin) orientiert sich an den Wechselwirkungen der multipel vorliegenden Erkrankungen und an funktionell behindernden Krankheitsfolgen. Sie hat mit der geriatrischen Früh-/Rehabilitation, dem interdisziplinären Team und multidimensionalen Assessment einen geeigneten konzeptionellen Rahmen für die Akut- und Langzeitversorgung insbesondere der Schlaganfallpatienten geschaffen.

Die Versorgung der Schlaganfallpatienten sollte nach dem Stroke-Unit-Konzept erfolgen. Darunter versteht man einen ausgewiesenen und räumlich definierten Teil einer Krankenhausabteilung zur Behandlung von Schlaganfallpatienten. Die Therapie von Schlaganfallpatienten auf einer Stroke Unit reduziert im Vergleich zu einer Allgemeinstation die Mortalität, Morbidität und die Bedürftigkeit institutioneller Langzeitpflege. Die Leitung kann ein Internist/Geriater oder Neurologe innehaben. Beide Formen der Stroke-Unit-Behandlung sind möglich und effizient, es kommt auf die Umsetzung des Stroke-Unit-Konzeptes an. Bei internistischer Führung sollte neurologischer Sachverstand kontinuierlich mit eingebunden werden, z. B. durch einen Oberarzt für Neurologie, der in der Geriatrischen Abteilung tätig ist oder zumindest konsiliarisch unterstützt. Die Aufnahme der Patienten sollte innerhalb eines Zeitfensters von 24 Stunden erfolgen. Medizinische Untersuchung und unmittelbare Diagnostik sind sofort erforderlich – inklusive frühestmögliche CCT, um die Möglichkeit einer Thrombolysetherapie (Auflösung eines Blutgerinnsels im Hirngefäß; Zeitfenster 4,5 Stunden) realisieren zu können. Es gilt, eine frühzeitige Mobilisation zu realisieren, um Komplikationen zu vermeiden, wie Pneumonie, Thrombose, Dekubitus etc. Weiterhin müssen Rhythmusstörungen und kardiale Dekompensationen (Sauerstoffmangel) vermieden werden. Auch die diabetische Stoffwechselkonstellation ist sehr bedeutsam, da bei Hyperglykämien mehr Neuronen zugrunde gehen. Deshalb ist eine optimale Führung des Diabetes mellitus unbedingt erforderlich. Weiterhin wird nach Fieber gefahndet, um Infektionen frühzeitig zu erkennen und adäquat behandeln zu können. Auch ist die Überwachung der Flüssigkeitsbilanzierung häufig notwendig. Die Kontrolle der Elektrolyte spielt hierbei ebenfalls eine große Rolle. Die optimale Behandlung der, vor allem bei geriatrischen Patienten vorliegenden, zahlreichen internistischen Erkrankungen ist Grundvoraussetzung, um ein optimales Outcome des Patienten erreichen zu können. Häufig haben geriatrische Patienten spezielle antihypertensive Einstellungen, eine schon Jahre bestehende Medikation bezüglich chronischer Herzinsuffizienz und nicht selten eine intensivierte Führung des seit Jahren bestehenden Diabetes mellitus mit entsprechenden Komplikationen.

Geriatrische Syndrome und häufige Problemstellungen beim älteren geriatrischen Patienten

Häufig liegen geriatrische Syndrom- und Problemkonstellationen vor, die bei einem Großteil mit Fähigkeitsstörungen unterschiedlicher Ausprägung einhergehen – mit negativer Rückwirkung im psychosozialen Bereich:

•  Sturzneigung

•  Malnutrition (oder drohende Mangelernährung)

•  Demenz (kognitive Defizite)

•  Polypharmazie-Multimedikation

•  Depression

•  Inkontinenz

•  Obstipation

•  chronische Wunden

•  chronischer Schmerz

•  Schlafstörungen

Geriatrische Patienten sind bedroht, ihre Autonomie zu verlieren:

•  drohender Verlust der Selbstständigkeit

•  Auftreten von Pflegebedürftigkeit

•  oft unzureichende oder fehlreagierende soziale Unterstützungssysteme

•  verstärkte Anfälligkeit für iatrogene Schäden

Abgestuftes geriatrisches Versorgungsnetz

Um den demographischen Herausforderungen gerecht werden zu können, benötigen wir ein abgestuftes geriatrisches Versorgungsnetz. An der Spitze ist die Geriatrische Fachabteilung als Kristallisationskern geriatrischer Kompetenz für die Akutversorgung geriatrischer Patienten relevant.

Hier kann frühestmöglich ein therapeutisch-rehabilitatives Gesamtkonzept greifen. Die Krankenhausabteilungen, die geriatrischen Patienten versorgen, müssen über bestimmte Strukturmerkmale verfügen, die eine adäquate Versorgung älterer Patienten erlauben. Dabei sollten die komplexen Anforderungen sowohl in akutmedizinischer wie rehabilitativer Hinsicht erfüllt werden können. Diese strukturellen (personellen, räumlichen) Voraussetzungen sind erforderlich, um eine qualitätsgerechte sowie hocheffiziente Versorgung geriatrischer Patienten zu ermöglichen.

Jedes Bundesland hat ein eigenes Geriatriekonzept entwickelt. Bisher sind nur 226 Krankenhausabteilungen als Geriatrische Fachabteilungen ausgewiesen. Von 502 749 verfügbaren Krankenhausbetten sind nur 12 128 als geriatrisch ausgewiesene Betten gemeldet. Das sind völlig unzureichend nur 2,41 % aller verfügbaren Krankenhausbetten (Statistisches Bundesamt 2010).

In einigen Bundesländern wird nur die Krankenhausbehandlung nach § 109, § 39 SGB V mit teilstationärer Weiterbehandlungsmöglichkeit angeboten (Thüringen, Hessen). Sachsen-Anhalt sieht beispielsweise neben diesen Angeboten zusätzlich die geriatrische Rehabilitation nach § 111 in einer Geriatrischen Rehabilitationsklinik vor. Es wird dort laut Geriatriekonzept die fallabschließende Behandlung auf dem Krankenhausgelände angestrebt. Andere Bundesländer betreiben Geriatrische Rehabilitationskliniken, wie Niedersachsen oder Baden-Württemberg. Eine derartige Ausrichtung auf überwiegend Geriatrische Rehabilitation nach § 111 war auch in Bayern und Sachsen erfolgt. Diese beiden Bundesländer gehen aber auch zunehmend dazu über, Akutgeriatrien nach § 109 zu etablieren, wie dies bereits in anderen Bundesländern erfolgt ist. Auch nach Meinung des Autors ist dieser Weg sinnvoll.

Geriatrische Behandlung im Akutkrankenhaus bessert signifikant Alltagsaktivitäten und reduziert Heimaufnahmen.

Die Geriatrische Fachabteilung

Die Geriatrische Fachabteilung vertritt die ganze Kompetenz der Geriatrie. Sie steht an der Spitze als Kristallisationskern geriatrischer Kompetenz. Laut Geriatriekonzept Sachsen-Anhalt soll in den Zentren die geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung (laut Prozedurenkatalog OPS 8–550.0/.1/.2) erbracht werden, Geriatrische Zentren sollen auch Tageskliniken betreiben.

Für geriatrische Patienten sollte frühestmöglich ein therapeutisch-rehabilitatives Gesamtkonzept greifen. Diese Krankenhausabteilungen, die geriatrische Patienten versorgen, müssen über eine

•  personelle,

•  räumliche und

•  apparative Mindestausstattung

verfügen, die sicherstellt, dass die bei der Behandlung älterer Patienten auftretenden komplexen Anforderungen sowohl in akutmedizinischer wie rehabilitativer Hinsicht erfüllt werden können. Die Geriatrie kann dann mit dem generalistischen und das gesamte Spektrum der Multimorbidität älterer Patienten (einschließlich dementieller Erkrankungen) berücksichtigenden Versorgungsansatz bestmöglich wirken. Natürlich sind Versorgungsnetzwerke erforderlich – von der Tagesklinik bis hin zur Rehasportgruppe, Selbsthilfegruppe Demenz und hausärztlichen Vernetzung etc.

Eine Akut-Geriatrie hat primär den akut erkrankten, konservativ zu behandelnden geriatrischen Patienten zu versorgen, bei dem eine Erkrankung entweder akut neu aufgetreten ist oder bei dem sich ein bereits bekanntes, ggf. chronisches Krankheitsbild akut verschlimmert hat. Eine Akut-Geriatrie nimmt entweder Patienten direkt auf oder übernimmt Patienten aus anderen Fachabteilungen oder anderen Akutkrankenhäusern zur Weiterführung der vorherigen akutmedizinischen Versorgung (z. B. nach OP): Nach einem Akutereignis oder zur weiterführenden Diagnostik und Therapie nach ätiologisch noch unklaren, jedoch akut einsetzenden krankheitsverursachenden Umständen.

Weiterhin obliegt der Akut-Geriatrie die Geriatrische Frührehabilitation (Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung – OPS 8–550.0/.1/.2). In der Geriatrischen Frührehabilitation sind Aspekte der akutmedizinischen Versorgung und der rehabilitativen Behandlung gleichermaßen relevant.

Die Verläufe der stationären Behandlung der in der Regel (hoch-)betagten vulnerablen geriatrischen Patienten sind in der Regel nicht phasenhaft, sodass man die Geriatrische Rehabilitation von der Akutbehandlung nicht scharf abtrennen kann. Der Patient wird häufig bei passager stabilen Krankheitsverhältnissen im Verlauf wieder instabil. In der Regel besteht eine hohe Krankheitsintensität. Die Geriatrische Frührehabilitation sieht die Versorgung von bedingt rehabilitationsfähigen geriatrischen Patienten oder solchen mit noch unsicherer Rehabilitationsprognose vor.

 

Geriatrische Frührehabilitation:

•  Die Vitalparameter sind noch nicht durchgehend stabil.

•  Bestehende Begleiterkrankungen bedürfen einer akutmedizinischen, kurativen oder palliativen Behandlung.

•  Kreislaufinstabilitäten oder eine allgemein herabgesetzte Belastbarkeit erlauben keine durchgehende, mehrmals tägliche aktive Teilnahme an rehabilitativen Maßnahmen.

•  Es besteht mindestens eine Krankheitsfolge (z. B. Desorientiertheit, schwere Wunde oder Wundkomplikation, schwere Depression, Delir oder Demenz etc.), die eine durchgehende aktive Teilnahme an einer Rehabilitationsbehandlung verhindern würde.

Im Rahmen eines abgestuften geriatrischen Versorgungsnetzes ist häufig die teilstationäre Weiterbehandlung in der Geriatrischen Tagesklinik, welche in der Regel an Geriatrische Fachabteilungen angebunden sein sollte, ein wichtiger Baustein. Hauptschwerpunkte der tagesklinischen Versorgung bestehen neben der Fortführung bzw. Weiterentwicklung der Pharmakotherapie und der sonstigen medizinischen Maßnahmen in der Durchführung rehabilitativer, also überwiegend therapeutischer Behandlungen zur Wiedererlangung bzw. Aufrechterhaltung der Autonomie und Alltagskompetenz eines geriatrischen Patienten in seiner individuellen häuslichen Lebenssituation. Dabei stehen alle diagnostischen Möglichkeiten des Akutkrankenhauses ebenfalls zur Verfügung, sodass auch eine Weiterführung der (bzw. eine weiterführende) Diagnostik erfolgen kann, ggf. auch bei Notwendigkeit eine erneute stationäre Aufnahme in die Geriatrische Fachabteilung.

 

Als Zielstellung bei der Behandlung geriatrischer Patienten ist eine

•  größtmögliche persönliche Autonomie und

•  Fähigkeit zur selbstständigen Lebensführung

anzustreben, durch

•  gezielte Förderung der Patienten in den Aktivitäten des täglichen Lebens (ADL) sowie

•  instrumentellen Aktivitäten des täglichen Lebens (IADL).

Dem kommt bei der Behandlung geriatrischer, pflegefallgefährdeter Patienten eine zentrale Bedeutung zu.

Die gezielte sensomotorische Therapie in den Bereichen Fortbewegung, Körperpflege, Urin- und Stuhlkontrolle, Transfer, Toilettengang sowie der Kommunikation und Orientierung bilden das Zentrum geriatrischer Behandlungs- und Rehabilitationsbemühungen. Alle Teammitglieder müssen im Rahmen eines Gesamtkonzeptes in diese Therapiestrategie eingebunden werden. Natürlich kann der Arzt allein die schwierigen Aufgaben nicht meistern. Geriatrische Medizin ist Teamarbeit.

 

Der Patient steht dabei im Mittelpunkt der Bemühungen des therapeutischen Teams, welches interdisziplinär zusammengesetzt ist aus

•  Pflegekräften (aktivierend-therapeutische Pflege mit geriatriespezifischen Fortbildungszertifikaten),

•  Ärzten (Leiter: in der Regel Internist und Geriater, da überwiegend internistische Begleiterkrankungen zu behandeln sind, Palliativmediziner/Schmerztherapie, wenn möglich zumindest konsiliarisch auch Psychiater, Neurologe, ggf. auch FA für Physikalische Therapie und Rehabilitation),

•  Sozialarbeitern/teamintegriertem Sozialdienst,

•  Physiotherapeuten/Medizinischem Bademeister,

•  Ergotherapeuten,

•  Psychologen/Neuropsychologen,

•  Seelsorgern und anderen.

Geriatrische Betreuung verlangt eine kollektive Anstrengung. Eine wichtige Rolle im therapeutischen Team hat auch der teamintegrierte Sozialdienst inne. Er sollte als »rechte Hand« des leitenden Arztes die rechtlichen Belange des geriatrischen Patienten im Auge behalten und mit dem zuständigen Betreuungsgericht ständig Kontakt halten.

Geriatrische Medizin muss sich häufig mit dem Problem gestörter Willensbildung und dem besonderen rechtlichen Schutzbedürfnis der Kranken befassen. Gesetzliche Vorgaben, bestehende rechtliche Verfügungen, Einwilligungsfähigkeit und Schutz von Rechten sind ständig im Fokus zu behalten (z. B. gilt seit 01.09.2009 die Verbindlichkeit von schriftlich verfassten Patientenverfügungen).

Der teamintegrierte Sozialdienst

Die Mitarbeiter des teamintegrierten Sozialdienstes sind Anwälte und Moderatoren zugleich. Den Sozialarbeitern (Sozialmanagement etc.) kommt in diesen Teams die Rolle der Lotsen im System zu. Sie wirken als Anwälte der betroffenen pflegefallgefährdeten geriatrischen Patienten im Hinblick auf die Wünsche- und Ressourcenfeststellung entscheidend mit, sind teilweise Moderatoren des Prozesses der Entscheidungsfindung (können ethische Fallbesprechungen leiten, wenn sie zusätzliche Qualifikationen erworben haben). Sie steuern den Prozess von Beginn der Behandlung im Krankenhaus an federführend mit, bis hin zum Beginn eines neuen Lebensabschnittes, der gekennzeichnet ist von mehr oder weniger Hilfeabhängigkeit. Die Mitarbeiter des teamintegrierten Sozialdienstes sind gefragt als konstante Vertrauenspersonen, die in interprofessioneller Zusammenarbeit den geriatrischen Patienten und ihren Angehörigen Wege und Möglichkeiten für ein eigenständiges und selbstbestimmtes Leben weisen. Sozialarbeiter entwickeln mit den Patienten gemeinsam mit den Angehörigen individuelle Perspektiven für das Leben nach der Rehabilitation (regelmäßige Teilnahme an Teamsitzungen erforderlich).

Der teamintegrierte Sozialdienst ist verantwortlich für die Führung einer geeigneten Dokumentation und Statistik, achtet auf die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz personenbezogener Daten. Die Mitarbeiter sind verpflichtet, regelmäßig an Fortbildungen teilzunehmen und das Fachwissen ständig zu aktualisieren. Sie nehmen regelmäßig an den wöchentlichen Teambesprechungen(/Visiten) teil, kooperieren eng mit den an der Behandlung beteiligten Berufsgruppen in der Geriatrischen Fachabteilung und arbeiten eng mit den externen Diensten, Einrichtungen und Institutionen des Sozial- und Gesundheitswesens zusammen.

 

Der teamintegrierte Sozialdienst

•  erstellt die Sozialanamnese/Situationsanalyse für jeden Patienten (Geriatrisches Basisassessment, Sozialstatus nach Nikolaus)

•  nimmt an den Visiten und täglichen Frühbesprechungen teil

•  koordiniert die Hilfen zwischen allen Mitwirkenden innerhalb und außerhalb der Geriatrie (Teilnahme an Teamsitzungen, Absprachen mit Teammitgliedern usw., vermittelt zwischen den Zielen des Patienten, dessen Bezugspersonen und des Behandlungsteams),

•  führt regelmäßige Sprechtage durch und berät Patienten und deren Bezugspersonen in allen sozialen und sozialrechtlichen Fragen.

Aufgaben des Sozialdienstes

•  Hilfen zur sozialen Wiedereingliederung und Nachsorge durch Vermittlung ambulanter häuslicher Pflege oder Entlastung in der Haushaltsführung (z. B. Pflegedienst, Hauswirtschaftspflege)

•  Leistungen nach dem Pflegeversicherungsgesetz

•  Ggf. Vermittlung in ein Pflegeheim sowie Unterstützung bei der Beschaffung von Wohnraum, welcher ggf. der Behinderung entspricht, Vermittlung von mobilen Hilfsdiensten, z. B. »Essen auf Rädern« u. a.

•  Beratung bei Fragen zu gesetzlichen Regelungen für Hilfsangebote, Kosten und Leistungen bei eingeschränkter Alltagskompetenz. Beantragung von Geldleistungen und Verhinderungspflege sowie Pflegegrade. Neben der häuslichen Pflege steht bei Vorliegen der Pflegegrade 1–5 zur Nutzung von Entlastungsleistungen ein monatlicher Betrag von bis zu 125 Euro zur Verfügung. Dieser Betrag kann beispielsweise für Angebote eines Pflegedienstes oder für anerkannte Angebote zur Unterstützung im Alltag (z. B. Demenzcafé, Betreuungsnachmittage, haushaltsnahe Dienstleistungen) verwendet werden (Pflegestärkungsgesetz II, 2017).

•  Unterstützung der Patienten und deren Bezugspersonen bei der Bewältigung von psychosozialen Problemen, die in Zusammenhang mit der Erkrankung/Multimorbidität oder deren Folgen stehen

•  Versorgung mit Pflegehilfsmitteln (z. B. Pflegebett, Faltrollstuhl, Toilettennachtstuhl, Gehbank usw. entlassungsbedingt für das häusliche Umfeld)

•  Hilfe zur Einleitung einer medizinischen Rehabilitation – z. B. Geriatrische Rehabilitation, ggf. Antragsverfahren bzgl. Genehmigung der Tagesklinik (in Thüringen ist eine direkte Einweisung in die Geriatrische Tagesklinik per Einweisungsschein z. B. des Hausarztes möglich, in Sachsen-Anhalt gilt ein Antragsverfahren)

•  Für betreuungsrechtliche Belange sind ggf. Hausbesuche erforderlich

•  Hilfen zur Abklärung rechtlicher Belange, Einleitung von Betreuung im Sinne des Betreuungsgesetzes, Einleitung von Eilbetreuungen im Sinne einstweiliger Verfügungen, Regelungen über Vollmachten, Patientenverfügungen (auch notariell), bei Sozial-, Verwaltungsgerichten etc.

•  Aktivierung von Familien- und Nachbarschaftshilfen, Hilfe bei der Antragstellung – z. B. für einen Schwerbehindertenausweis, persönliches Budget, Kontakte und Mitarbeit in Selbsthilfegruppen und anderen Hilfsorganisationen

•  Vermittlung an psychosoziale Beratungsstellen bei speziellen Anliegen

•  Klärung von Versicherungsverhältnissen, Zuzahlungsbefreiung bei Trägern der Sozialhilfe: Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (wie Hilfe zum Lebensunterhalt, Hilfe zur Pflege, Krankenhilfe für nicht versicherte Patienten, Taschengeld)

•  Nicht zuletzt übernimmt der »teamintegrierte Sozialdienst« auch Aufgaben in der Palliativen Geriatrie – wie psychosoziale Begleitung in der letzten Lebensphase (z. B. Vermittlung Hospiz; Anmeldung im SAPV-Programm). In der palliativen Betreuung geht es kaum mehr um die Verlängerung der Überlebenszeit, sondern die Wünsche, Ziele und das Befinden des Patienten stehen im Vordergrund aller Bemühungen des gesamten Teams.

Geriatrische Fachabteilungen sollten auch eine Palliativeinheit integriert haben, da Geriatrische Medizin auch bis zum bzw. angesichts des Todes stattfindet (Definition Geriatrie der Fachgesellschaften – Palliation inbegriffen). Die entsprechenden Qualifikationen (zwei Palliativmediziner, zwei Schwestern mit Palliativ-Care-Ausbildung sowie mindestens ein Physiotherapeut mit palliativmedizinischen Spezialkenntnissen) sollten im Team vorhanden sein. Patienten, bei denen sich im Verlauf eine palliativmedizinische Situation herausstellt, sollten adäquat in der Geriatrischen Abteilung weiterbehandelt werden können, insofern sind die entsprechenden Strukturvorgaben räumlich und personell auch sinnvoll vorzuhalten.

Dem teamintegrierten Sozialdienst kommt auch diesbezüglich eine große Bedeutung zu, leitet er doch auch in die SAPV (spezialisierte ambulante Palliativversorgung) ein und ist diesbezüglich zeitlich in die Planung stark eingebunden (optimales Entlassmanagement).

» Nicht dem Leben mehr Tage hinzufügen, sondern den Tagen mehr Leben geben« (Cicely Saunders, Begründerin der Hospizbewegung)

Bezogen auf die letzte Lebensphase (Wochen, selten Monate – frühe/späte Terminalphase) spricht man dabei von den Kernbedürfnissen sterbender Menschen:

•  ein Sterben am vertrauten Ort (zu Hause)

•  im Sterben nicht alleine sein

•  ein Sterben inmitten vertrauter Menschen

•  ein Sterben, ohne leiden zu müssen – keine Schmerzen

•  Regelung letzter Dinge (»unfinished business«)

Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung (8–550)

Die geriatrische Komplexbehandlung wird von einem multidisziplinär zusammengesetzten Behandlungsteam durchgeführt, zu dem Ärzte, Pflegekräfte, Physio- und Ergotherapeuten, Neuropsychologen und Logopäden sowie Sozialarbeiter gehören.

 

Mindestmerkmale

•  Behandlung durch ein geriatrisches Team unter fachärztlicher Behandlungsleitung (Zusatzweiterbildung oder Schwerpunktbezeichnung im Bereich Klinische Geriatrie erforderlich). Die fachärztliche Behandlungsleitung muss überwiegend in der zugehörigen geriatrischen Einheit tätig sein. Im KDH 2012 ist eine Interpretation der »geriatrischen Einheit« zu finden (Bundesverband Geriatrie 2013, S. 29).
 
Die Interpretation für » geriatrische Einheit« gestaltet sich aus Sicht der DRG-Projektgruppe sowie des Vorstands des BV Geriatrie wie folgt:

»Unter einer ›geriatrischen Einheit‹ sind eine geriatrische Klinik, geriatrische Fachabteilung oder Kombinationen von verschiedenen stationären geriatrischen Einrichtungen einer Klinik zu verstehen, für deren Leitung ein Chefarzt bzw. ein fachlich weisungsungebundener Facharzt – jeweils mit der Zusatzweiterbildung oder Schwerpunktbezeichnung Geriatrie – zuständig ist.

Stehen mehrere Standorte einer Klinik gemeinsam unter der Leitung eines Chefarztes bzw. eines fachlich weisungsungebundenen Facharztes – jeweils mit der Zusatzweiterbildung oder Schwerpunktbezeichnung Geriatrie –, so muss an jedem Standort ein Facharzt mit der Zusatzweiterbildung oder Schwerpunktbezeichnung Geriatrie überwiegend ärztlich tätig sein.«

•  Standardisiertes geriatrisches Assessment zu Beginn der Behandlung in mindestens 4 Bereichen (Mobilität, Selbsthilfefähigkeit, Kognition, Emotion) und vor der Entlassung in mindestens 2 Bereichen (Selbständigkeit, Mobilität). Lässt der Zustand des Patienten die Erhebung einzelner Assessmentbestandteile nicht zu, ist dies zu dokumentieren. Wenn der Zustand des Patienten es erlaubt, ist die Erhebung nachzuholen.

•  Soziales Assessment zum bisherigen Status in mindestens 5 Bereichen (soziales Umfeld, Wohnumfeld, häusliche/außerhäusliche Aktivitäten, Pflege- und Hilfsmittelbedarf, rechtliche Verfügungen). Lässt der Zustand des Patienten die Erhebung einzelner Assessmentbestandteile nicht zu, ist dies zu dokumentieren. Sofern möglich, sind die fehlenden Bestandteile fremdanamnestisch zu erheben bzw. ist die Erhebung nachzuholen, wenn der Zustand des Patienten es erlaubt.

•  Wöchentliche Teambesprechung unter Beteiligung aller Berufsgruppen mit wochenbezogener Dokumentation bisheriger Behandlungsergebnisse und weiterer Behandlungsziele.

•  Aktivierend-therapeutische Pflege durch besonders geschultes Pflegepersonal. Mindestens eine Pflegekraft des geriatrischen Teams muss eine strukturierte curriculare geriatriespezifische Zusatzqualifikation im Umfang von mindestens 180 Stunden sowie eine mindestens sechsmonatige Erfahrung in einer geriatrischen Einrichtung nachweisen. Sofern diese nicht vorliegen, ist zur Aufrechterhaltung bestehender geriatrischer Versorgungsangebote übergangsweise bis zum Jahresende 2014 eine zweijährige Berufserfahrung in einer geriatrischen Einrichtung ausreichend.

•  Teamintegrierter Einsatz von mindestens 2 der folgenden 4 Therapiebereiche: Physiotherapie/Physikalische Therapie, Ergotherapie, Logopädie/fazioorale Therapie, Psychologie/Neuropsychologie

•  Eine gleichzeitige (dauernde oder intermittierende) akutmedizinische Diagnostik bzw. Behandlung ist gesondert zu kodieren.

Mindestkriterien des OPS 8-550

8-550.0 – Mindestens 7 Behandlungstage und 10 Therapieeinheiten

Hinweis: Der therapeutische Anteil umfasst insgesamt mindestens 10 Therapieeinheiten von durchschnittlich 30 Minuten, davon maximal 10 % als Gruppentherapie.

8-550.1 – Mindestens 14 Behandlungstage und 20 Therapieeinheiten

Hinweis: Der therapeutische Anteil umfasst insgesamt mindestens 20 Therapieeinheiten von durchschnittlich 30 Minuten, davon maximal 10 % als Gruppentherapie.

8-550.2 – Mindestens 21 Behandlungstage und 30 Therapieeinheiten

Hinweis: Der therapeutische Anteil umfasst insgesamt mindestens 30 Therapieeinheiten von durchschnittlich 30 Minuten, davon maximal 10 % als Gruppentherapie.

Ein Mindestmerkmal ist die aktivierend-therapeutische Pflege durch besonders geschultes Pflegepersonal, beispielsweise durch Teilnahme und erfolgreichen Abschluss des zertifizierten Curriculums Geriatrie (Zercur): Der »Zercur Geriatrie® – Basislehrgang« ist eine vom Bundesverband Geriatrie entwickelte und zertifizierte Fortbildung für alle Mitglieder des therapeutischen Teams. Durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit in einem therapeutischen Team stellt die Arbeit im Bereich der Geriatrie ganz besondere Anforderungen. Anforderungen, die in der Ausbildung bzw. beim Einsatz in anderen Indikationsbereichen nicht immer vermittelt werden. Aus diesem Grund steht der Teamgedanke im Mittelpunkt des von dem Ausschuss für Aus-, Fort- und Weiterbildung entwickelten Grundlagenlehrgangs »Zercur Geriatrie® – Basislehrgang«.

Die Förderung der Qualität steht mit ökonomischen Erwägungen in einem Spannungsfeld. Aus diesem Grund wurde dieser Basislehrgang ganz bewusst als Grundlagenlehrgang in Ergänzung der bestehenden, zeitlich umfassenderen Weiterbildungen entwickelt. In den vergangenen Jahren zeigte sich immer deutlicher, dass es für viele Einrichtungen nur noch sehr begrenzt möglich ist, ihr Personal in großer Zahl zu diesen zeit- und kostenintensiven Lehrgängen anzumelden. Hier bietet der Zercur-Basislehrgang eine gute Ergänzung. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund einer möglichst hohen Flexibilität verfügt der Lehrgang über einen modularen Aufbau.

Im Rahmen des Zercur-Basislehrgangs werden von Praktikern aus der Geriatrie die wichtigsten Themen aus dem Bereich der Geriatrie und ihre Zusammenhänge bzw. Umsetzung im therapeutischen Team in kompakter Form vermittelt. Der Bezug zur Praxis wird dabei noch durch einen separaten Hospitationstag unterstrichen.

Der Lehrgang wird vom Bundesverband zertifiziert, d. h., die Durchführung vor Ort muss den bundesweiten Vorgaben sowohl inhaltlich als auch organisatorisch und insbesondere qualitativ entsprechen. Dazu wird die konkrete Umsetzung des vorgegebenen Ausbildungsplans kontrolliert. Zudem muss die Qualifikation der jeweils eingesetzten Dozenten nachgewiesen werden.

Zentrale Zielsetzung ist es, interdisziplinäres Grundlagenwissen zu wichtigen geriatrischen Themenfeldern zu vermitteln. Zielgruppe sind alle Mitglieder des Geriatrischen Teams, also Ärzte/Ärztinnen, Pflegepersonal, Mitarbeitende des Sozialdienstes und der therapeutischen Fachrichtungen. Der team- und praxisorientierte Ansatz wird durch einen Hospitationstag im Regelbetrieb einer klinisch-geriatrischen Einrichtung unterstrichen.

 

Typische Patienten zur Geriatrischen Frührehabilitation:

•  Heilung einer akuten Erkrankung und wenn möglich vollständige Wiederherstellung der Fähigkeiten vor Erkrankungsbeginn

•  Sicherung des Therapieerfolges bei akuter internistischer/nach chirurgischer Behandlung (unfallchirurgisch, abdominalchirurgisch etc.)

•  Schlaganfall

•  Patienten mit Sturzkrankheit

•  Leichte bis mittelgradige Demenz als Begleiterkrankung bei akuter internistischer Erkrankung (bei multimorbiden pflegefallgefährdeten Patienten)

Die geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung ist hocheffizient, wenn folgende Faktoren gegeben sind: Multimorbidität, Kombination von mehreren Funktionsstörungen, Einschränkung der Teilhabe am Leben, hohes Alter (biologisches Alter ist vor dem kalendarischen Alter zu sehen). Es besteht die Gefahr des Auftretens von Komplikationen und Folgeerkrankungen, der Chronifizierung sowie des erhöhten Risikos eines Autonomieverlusts mit einhergehender Verschlechterung des Selbsthilfestatus.

 

Geriatrische Komplextherapie korreliert mit:

•  Abnahme der Heimaufnahme um 13 %

•  Abnahme der Krankenhausaufnahme um 6 %

•  Abnahme der Sturzhäufigkeit um 10 %

•  verbesserter körperlicher Funktion (Beobachtungszeitraum: 2 Jahre)

Teilstationäre geriatrische Komplexbehandlung (Geriatrische Tagesklinik)

In einer Tagesklinik werden akut erkrankte ältere Patienten behandelt, die zwar einer stationären, jedoch nicht einer ganztägigen Versorgung bedürfen. Dem Patienten steht das gesamte diagnostische und therapeutische Spektrum zur Verfügung. Grundsätzlich können dieselben spezifischen Angebote wie im vollstationären Bereich erbracht werden. Die Geriatrische Tagesklinik kann eine Alternative zur vollstationären Krankenhausbehandlung darstellen.

In der Tagesklinik finden neben den täglichen Visiten regelmäßig einmal wöchentlich Teamkonferenzen statt. Jeder Patient wird anhand von aktuellen Befunden und bezüglich des Verlaufs im Rahmen der Teamsitzungen besprochen. Die Therapiepläne werden je nach Verlauf in den Teamsitzungen entsprechend geändert bzw. die Therapieziele den Gegebenheiten angepasst und die Behandlungsmittel entsprechend neu festgelegt. Die Teamkonferenz sichert den Informationsaustausch aller an der Diagnostik und Therapie beteiligten Mitarbeiter. Wichtige Probleme werden, wie im stationären Bereich, bereits im Rahmen der täglichen Frühbesprechung diskutiert – auch bzgl. der teilstationären Patienten.

 

Voraussetzungen für die tagesklinische Behandlung sind, neben der Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung, die folgenden Punkte:

•  Basale Alltagsaktivitäten (Aufstehen, Waschen etc.) müssen selbstständig oder mit Hilfen realisierbar sein.

•  Der Zugang zur Wohnung (z. B. Treppensteigen) muss selbstständig oder mit Hilfen realisierbar sein.