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Hell’s Knights – Befreiung

MC Sinners 1

Bella Jewel

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© 2018 Sieben Verlag, 64823 Groß-Umstadt
© Umschlaggestaltung: Andrea Gunschera
© Englische Originalausgabe 2013 Bella Jewel
© Übersetzung: Corinna Bürkner

ISBN Taschenbuch: 9783864437700
ISBN eBook-mobi: 9783864437717
ISBN eBook-epub: 9783864437724

www.sieben-verlag.de

Inhalt

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Epilog

Über den Autor

Prolog

Das Leben ist nicht einfach, wenn du niemanden hast. Alles, was du tust, machst du allein. Da ist niemand, auf den du dich stützen kannst. Da ist niemand, der dir hilft, wenn du in Schwierigkeiten gerätst. Niemand, mit dem du weinen und keiner, mit dem du dein Lachen teilen kannst. Du kommst klar, aber nur, weil dir nichts anderes übrig bleibt. Aber wer bin ich, dass ich hier rumjammere? Wie sagt man so schön? Es gibt immer jemanden, dem es noch schlimmer geht als dir. Das ist wahr. Es stimmt absolut. Egal wie mies es dir geht, irgendwem geht’s immer mieser. Tröstet einen das? Absolut nicht, aber so ist es nun mal, und manchmal braucht es nicht mehr als das Wissen darum.

Meine Familie … was soll ich dazu sagen? Nicht gerade eine tolle Truppe. Mein Vater ist ein megawichtiger Biker und hat mich das letzte Mal gesehen, als ich vier Jahre alt war. Ja. Vier. Meine Mutter war für ihn irgendein erbärmlicher One-Night-Stand. Zumindest vermute ich das, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass ihr irgendein Mann, der noch ganz richtig im Kopf ist, willentlich ein Baby angehängt hätte. Sie war auf keinen Fall Mutter-des-Jahres-Material. Während meiner Kindheit hat sie gesoffen, und jetzt ist sie an einer Überdosis gestorben. Ich bin einundzwanzig Jahre alt, und auch wenn das mit Sicherheit ein Alter ist, in dem man allein leben kann, ist es nicht alt genug, um zu überleben, wenn du die Schulden deiner Mutter am Hals und einen verrückten Zuhälter an den Fersen kleben hast. Derzeit habe ich gerade mal zwanzig Dollar auf meinem Konto. Gerade genug, um mir zwei Mal hintereinander eine Mahlzeit bei McDonald’s zu leisten.

Ich bin nicht verbittert. Okay, zumindest versuche ich, es nicht zu sein. Nur weil mein Leben kein Abbild von Glückseligkeit ist, laufe ich nicht griesgrämig durchs Leben. Nein, das werde ich nicht tun, denn ich bin ein zielstrebiges und starkes Mädchen. Das gerade im Zug sitzt, auf dem Weg zu ihrem Vater, denn er ist alles, was ich noch habe. Auch wenn ich mich nicht an ihn erinnere. Darüber hinaus ist er der Präsident eines riesigen Motorradclubs. Ich könnte mir vorstellen, dass er nicht überaus glücklich darüber sein wird, mich zu sehen. Er klang jedenfalls nicht sonderlich glücklich, als er erfuhr, dass meine Mutter gestorben ist.

Es ist ein beschissenes Gefühl, niemanden in seinem Leben zu haben, der einen liebhaben will. Nicht einen einzigen Menschen.

Kapitel 1

Vergangenheit

Sie will nicht aufwachen, und ich weiß sofort, dass etwas nicht stimmt. Gewaltig nicht stimmt. Ich greife nach ihren Schultern, umfasse ihre Arme mit meinen Fingern und schüttle sie. Sie bewegt sich nicht. Gott, nein, das darf nicht passieren. Nicht jetzt, nicht hier. Ich schüttle sie nochmal, aber ihr Kopf kippt zur Seite. Ihre Haut hat einen grauen Farbton angenommen, von dem ich mir sicher bin, dass er eben noch nicht da war. Ich schlucke und fühle, wie es mir hochkommt. Ich weine nicht. Meine Tränen sind fest verschlossen an einem Ort, an den ich nicht mehr herankomme. Ich betrachte ihren leblosen Körper und mir wird klar, das hier ist ihr Ende. Ich stehe auf, während sich Schuld in meiner Brust breit macht. Ich kann hier nicht bleiben. Ich muss hier weg. Ich werde die Polizei benachrichtigen und ihnen sagen, dass es eine Überdosis war. Dann bin ich weg. Für immer. Ich werde nicht zurückschauen. Mein Blick liegt starr auf der Frau, die mich in diese Welt gebracht hat, aber ich fühle nichts. Ich bin nicht mal sauer darüber, dass ich ihr gesagt habe, was ich über das Leben denke, das sie mir gegeben hat. Ich bin nicht traurig, dass sie gestorben ist. Ich bin noch nicht mal glücklich darüber, dass ich von nun an nicht mehr in ihrem Schatten leben muss. Nein, die einzige Sache, die ich fühle, ist eine tiefsitzende Leere, bis in mein Innerstes hinein, die sich dort verankert und alle anderen Empfindungen blockiert, die sich vielleicht versuchen zu regen.

Ich wende mich ab, meine Finger zittern, während ich ihr Handy hochhebe und die drei Ziffern tippe, die einen Krankenwagen kommen lassen. Als jemand drangeht, erzähle ich einfach, was ich weiß, während mein Blick auf der leblosen Hülle meiner Mutter haftet. Sie wird jetzt ganz blau, ein widerlicher Blauton, der mir Übelkeit verursacht. Ich lege in dem Moment auf, als der Mensch mir sagt, ich solle ausharren und sie wären gleich da. Ich bin mir sicher, dass sie das werden, und sie werden meine Mutter an diesen kalten Ort bringen, wo sie hingehört. Sie werden kommen und sie von ihrem Leben befreien, während ich … ich werde nicht hier sein. Denn ich werde mich jetzt selbst von diesem Leben befreien. Auf die einzige Art und Weise, die ich kenne. Indem ich abhaue.

Gegenwart

Ich streiche mein dunkelbraunes Haar hinter die Ohren und hebe die Sonnenbrille an, um das große dreistöckige Haus zu betrachten, das von Stacheldraht umzäunt direkt neben dem Highway steht. Es ist die Adresse, die man mir gegeben hat. Offenbar verbringt mein Vater die meiste Zeit hier. Eine ganze Reihe glänzender Harley Davidsons parkt vor dem Haus, als wären sie perfekt aufgereiht. Musik dröhnt aus dem großen Backsteinhaus, das offensichtlich schon bessere Zeiten gesehen hat. Ist das ein zertrümmertes Fenster? Das kann ja heiter werden. Ich gehe weiter zum Tor und rüttle daran. Verschlossen. War ja klar. Links von mir sehe ich ein paar alte Paletten gestapelt. Lächelnd werfe ich mir meinen Rucksack über die Schulter und schlendere hinüber.

Bei den Paletten angekommen, klettere ich drauf und greife mit einer Hand nach dem Zaun, dann ziehe ich mich darüber, wobei ich mich am Pfosten festhalte. Etwas unsanft lande ich auf dem Hintern im Staub, aber bin total stolz auf meine Einbruchskünste. Nachdem ich mich auf die Füße gestellt und hellbraune Staubflecken von der Jeans geklopft habe, laufe ich auf das Haus zu. Als ich zu der übergroßen Eingangstür komme, klopfe ich laut, aber niemand öffnet. Ich gebe auf und wandere ums Haus, bis ich einen alten Schuppen sehe, aus dem Stimmen dringen. Beim Näherkommen entdecke ich eine schmale Tür zur Linken. Ich hole tief Luft, gehe hinüber, und öffne die Tür.

Nach dem Eintreten brauchen meine Augen einen Moment, um sich an die Umgebung zu gewöhnen. In dem Augenblick in dem ich in der Lage bin, klarer zu sehen, fällt mein Blick auf vier Männer, die um einen Tisch herum sitzen. Zwei von ihnen rauchen, sie alle trinken Bier. Einer von ihnen steht auf, als er mich sieht, und während er auf mich zukommt, stelle ich fest, dass dieser Mann mein Vater ist. Ich erkenne das daran, dass ich mich selbst in seinem Gesicht sehe. Schnell wird mir klar, von wem ich das braune Haar und die himmelblauen Augen geerbt habe. Er ist groß und muskulös. Ich bin klein und zierlich. Das scheint der größte Unterschied zwischen uns zu sein. Seine Arme sind mit Tattoos übersät und sein Haar hängt zum Zopf geflochten über der Schulter. Um seinen Mund herum trägt er einen gepflegten kleinen Bart.

Ich bin nicht sicher, was ich erwartet habe, wenn ich meinen Vater wiedersehe. Ich kann mich nicht an ihn erinnern, also habe ich keine Ahnung, was ich mir von diesem Moment verprochen habe. Ich glaube, dass er ein Biker ist, hat mich annehmen lassen er sei fett, mit Bierbauch, eklig und würde schlecht riechen. Ich habe nicht diesen gutaussehenden, gepflegten Mann erwartet, der auf mich zu schlendert. Meine Mutter, Gott hab ihre wertlose Seele selig, hatte solch einen miesen Geschmack was Männer anbelangt, dass ich mich wundere, wie sie sich dieses Exemplar hatte schnappen können. Ich bin sicher, meine Mutter war irgendwann mal hübsch gewesen, aber ich erinnere mich nur an eine Frau mit lichtem Haar, vergammelten Zähnen und einem fiesen Temperament.

„Addison?“

Die Stimme meines Vaters ist rau, dunkel und irgendwie väterlich. Allerdings bin ich stinksauer auf ihn. Ich meine, wie könnte ich das nicht sein? Er hat nie versucht, mit mir in Kontakt zu treten. Er hat nie versucht, mich zu sehen. Er hat nie auch nur versucht, mich aus dem Leben zu ziehen, in dem ich feststeckte. Ich weiß nicht, ob ich ihm das je vergeben kann. Er hat mich in der Hölle leben lassen und er hat ja keine Ahnung, wie es war mit diesen Männern, die sie immer mit nach Hause gebracht hat. Den Dealern, den Junkies, dem Müll von der Straße. Sein Leben, das Bikerleben, wäre dagegen ein Spaziergang im Park. Als er vor mir zum Stehen kommt, sehe ich ihm in die Augen. Für einen Augenblick sehen wir uns nur an, tasten uns mit Blicken ab und versuchen herauszufinden, was wir sagen könnten.

„Jackson“, sage ich. Es ist das Einzige, was mir einfällt.

Sein Mund zuckt. Hat er etwa erwartet, ich würde ihn Dad nennen?

„Du siehst genauso aus wie deine Mutter“, sagt er leise, während er mich in Augenschein nimmt.

Meine Augen weiten sich und ich fühle ein Zwicken in der Brust. Ich verdränge das Gefühl, verschränke die Arme und blaffe: „Das ist eine Beleidigung, das ist dir schon klar, oder?“

Sein Kopf neigt sich etwas zur Seite und sein Blick verengt sich. „Wie das?“

Ich übergehe das und weigere mich, es ihm genau zu erklären. Stattdessen schau ich mich im Schuppen um. „Das ist also dein Leben? Sehr … interessant. Wo ist mein Zimmer?“

„Wie bist du hier reingekommen?“

Ich hebe die Augenbrauen und schaue ihn an. „Bin über den Zaun gesprungen. Mein Zimmer?“

„Is das dein Mädel, Jacks?“

Ein älterer Mann mit einem buschigen, grauen Bart und stahlfarbenen Augen betrachtet mich mit einem beinahe lüsternen Ausdruck. Igitt. Ich gebe ihm mein bestes ‚Schau mich nochmal so an und ich knall dir eine‘-Lächeln und wende mich wieder meinem Vater zu.

„Du bist über den Zaun gesprungen?“ Er ist sichtlich schockiert.

„Das Mädel hat Eier, einfach so übern Zaun in eine Bikerhöhle zu springen“, sagt Graubart.

Ich drehe mich wieder zu ihm und schicke ihm einen weiteren finsteren Blick. Und in dem Moment bemerke ich ihn. Es ist erstaunlich, dass ich ihn vorher nicht gesehen habe, denn er ist durch und durch perfekt. Schwarze Jeans, schwarzes T-Shirt und eine schwarze Lederweste. Er hat das Gesicht eines Engels. Dunkles, verwuscheltes Haar, derartig grüne Augen, dass sie stechend sind, und ein paar Lippen die, nun ja, absolut zum Küssen sind. Er trägt ein Piercing in der Unterlippe und zwei im Ohr. Mein Blick wandert über seinen Körper. Dicke Silberkette um den Hals, tätowierte Arme, breite Totenkopfringe um die Finger und ein paar protzige, schwarze Stiefel mit silbernen Ketten. Von seiner Jeans hängt auch so eine Kette. Der Mann steht wohl auf Ketten.

„Dem stimme ich zu, Curly“, sagt er gedehnt, in einer Stimmlage, die so dunkel und rau ist, dass mein Höschen innerhalb von Sekunden feucht wird bei dem Gedanken, wie er wohl klingt, während er einem Mädchen das Hirn rausvögelt. „Das Mädel ist mutig, einfach so in eine Bikerhöhle zu springen.“

Ich lege meinen Kopf etwas schief und schaue ihn neugierig an. „Warum?“

Er grinst, und zwei perfekte Grübchen zieren seine Wangen. Er steht auf und kommt herüber. Ich sehe seine Aufnäher auf der Kutte und auf einem steht „Vizepräsident“. Ein paar andere fallen auf, die aussagen, dass er sich über die Jahre hinweg verdient gemacht hat. Jetzt kann ich auch den anderen Mann erkennen, der mit dem Rücken zu mir mit am Tisch sitzt. Er hat einen großen Aufnäher auf der Kutte, mit einem von Flammen umzüngelten Motorrad darauf und dem Schriftzug Hell’s Knights in fetten Buchstaben. Das muss der Clubname sein. Wie originell.

Als Schnuckelchen vor mir zum Stehen kommt und mich von oben bis unten abcheckt, mache ich das Gleiche. Ihn abchecken. Wie kommen Männer eigentlich darauf, zu glauben, dass sie eine Frau offen abchecken können, ihr aber nicht das gleiche Recht einräumen? Okay, Newsflash: Dieses hässliche kleine Entlein hier folgt keinen Regeln. Tatsächlich steht sie drauf, Regeln zu missachten.

„Ich hab dir gesagt, du sollst mich anrufen“, meldet sich Jackson zu Wort und schiebt sich wieder in mein Sichtfeld, wobei er den heißen Typen zwingt, einen Schritt zurückzutreten.

„Ja, das ist mir bewusst, Jackson, aber ich brauche deine Hilfe nicht.“

„Komisch, denn du bist hier, und wir lassen nicht viele Mädels auf unser Anwesen, also musst du wohl doch Hilfe brauchen“, spricht Schnuckelchen hinter Jackson stehend.

Ich mache einen Schritt um Jackson und sehe ihn finster an. „Schön, dann gib mir etwas Geld und ich verschwinde. Ich hab was Besseres zu tun, als hier mit ein paar schäbigen Bikern rumzustehen.“

Heißer Typ grinst und verschränkt seine riesen Arme vor der Brust. „Das Mädel hat ne echt große Klappe, Jacks. Am besten du zeigst ihr, wo es langgeht …“

„Wo es langgeht?“ Ich gebe ein Knurren von mir und verschränke ebenfalls die Arme. „Was bin ich denn? Sowas wie ein Hund?“

„Wenn du das möchtest, Sugar, dann soll es so sein.“

„Du arschgesi…“

„Genug!“, ruft Jackson. „Addison, Cade, genug.“

Cade? So heißt er? Na, was für ein Kackname. Ich wende mich an Jackson und funkele ihn an. „Wo kann ich unterkommen, wenn schon nicht hier?“

„Hier kannst du nicht bleiben, das ist gegen die Statuten. Ich habe ein Haus, die Straße runter. Es hat vier Schlafzimmer und zwei Badezimmer, also genug Platz für dich und deine Privatsphäre. Ich bin selten da, das sollte für dich vorerst funktionieren.“

Vorerst. Warum zupft das an etwas tief in mir drin? Ich verlagere meinen Rucksack und nicke. „Wo finde ich das?“

„Es ist nicht sicher für ein Mädel, nachts allein rumzulaufen“, sagt Cade gedehnt.

„Ich kann auf mich selbst aufpassen.“

„Was will ein kleines Mädchen wie du schon machen, wenn ein großer Mann auf einem Motorrad ein Tänzchen mit dir wagen will?“

„Halt verdammt nochmal die Klappe, Cade“, knurrt Jackson.

Ha. Mein alter Herr hat Feuer.

„Kannst du mir sagen, wie man da hinkommt, oder nicht?“, sage ich und sehe Cade finster an.

„Am Eingangstor links, Nr. 10. Ungefähr fünf Minuten Fußweg von hier“, antwortet Jackson für Cade und drückt mir einen Schlüsselbund in die Hand, ohne meinen Blick aus den Augen zu lassen.

„Danke. Ich mach mich dann auf den Weg. Ich werde nicht lange bleiben. Ich muss nur ein wenig Geld verdienen und dann verschwinde ich wieder.“

„Du brauchst einen Job, Kleine?“, fragt Graubart.

„Ja.“

„Wir hätten hier einen in der Bar auf dem Anwesen.“

„Nein“, sagt Jackson. „Sie wird nicht hier arbeiten.“

„Warum nicht?“, frage ich und verschränke die Arme.

„Du bist zu jung.“

„Ich bin einundzwanzig und soweit mir bekannt ist, gilt das als volljährig.“

„Du musst dich nicht mit einer Horde betrunkener, schmutziger alter Kerle abgeben, die sich jemanden zum Flachlegen suchen.“

Ich hebe eine Augenbraue. „Ich hab mich schon mit Schlimmerem abgeben müssen.“

„Ach echt? Mit was zum Beispiel?“, will Cade wissen.

Ich drehe mich zu ihm. „Mit Zuhältern, Dealern, Junkies. Und es gab immer genug Typen, die versucht haben, mich im Schlaf zu vergewaltigen, denn meine Mutter hat sie mit dem Versprechen angeschleift, sie könnten sich vergnügen. Blöderweise ist sie oft genug ohnmächtig geworden, von was auch immer sie genommen hat. Und natürlich sind die Kerle nicht gegangen, bevor sie nicht bekommen haben, was ihnen versprochen wurde. Man lernt ziemlich schnell, sich zu verteidigen, wenn man dreizehn ist und ein vierzig Jahre alter Junkie versucht, in dein Bett zu steigen und seine Finger dahin zu stecken, wo Finger nichts zu suchen haben.“

„Was. Zum. Geier?“, knurrt Jackson.

Ich drehe mich zu ihm um. „Du hast doch nicht etwa gedacht, meine Mutter zieht mich in einer netten Nachbarschaft groß, mit Regenbögen und Luftballons?“

Er sieht schockiert aus. Der große, böse Biker-Bad-Ass ist geschockt.

„Doch, verdammte Scheiße, das hab ich.“

„Nun, hat sie nicht.“

Ich sehe zu Cade und er beobachtet mich mit einem Blick, den ich nicht ganz einordnen kann. Ist das … Schmerz? Er blinzelt ein paar Mal, doch dann grinst er wieder.

„Ich würde sagen, gib ihr den Job, lass uns sehen, ob sie ihrem großen Mundwerk gerecht wird.“

„Nein“, sagt Jackson kurz und knapp.

„Och, komm schon, Boss.“ Der alte Graubart wieder. „Wir brauchen ein Mädel.“

„Sie ist meine Tochter.“

„Sieh es mal so, hier kannst du wenigstens ein Auge auf sie haben.“

Jackson seufzt und wendet sich wieder mir zu. „Okay, wir versuchen es.“

„Gut“, sage ich und gehe zur Tür. „Bis dann.“

„Oh, und Addison?“, ruft Jackson.

Ich sehe über meine Schulter nach hinten zu ihm.

„Wenn du mich nochmal in meinem Club so respektlos behandelst, werde ich dich bestrafen. Deine Mama mag dein Verhalten gebilligt haben, sie war offensichtlich ein wertloses Stück Scheiße, aber ich tu das nicht. Rede verdammt nochmal nie wieder so mit mir.“

Ich lege den Kopf schief. „Du bist ein bisschen spät dran mit dem Daddy spielen, Jackson. Tatsächlich bin ich ziemlich sicher, dass du jegliches Recht darauf in dem Moment verwirkt hast, als ich dreizehn wurde und von einem Mann vergewaltigt, der dreimal so alt war wie ich.“

Mein Abgang wird von einem erstickten Keuchen hinter mir begleitet. Ich jedoch halte meinen Kopf hoch erhoben. Ich muss auf mich achten. Zu fühlen bedeutet zu verlieren und ich darf nicht verlieren. Meine Mutter mag mein Leben abgefuckt haben, als ich noch jünger war, aber das bedeutet nicht, dass ich für immer so leben muss. Ich bin jetzt frei und habe vor, mit allem, was ich habe, für ein Leben zu kämpfen, das ich verdiene.

Kapitel 2

Vergangenheit

„Schieb mich nicht weg, du Schlange“, faucht Jasper in mein Ohr, während er meinen Körper an die Wand presst.

Ich kann seinen Atem riechen, schmecke ihn hinten an meinem Gaumen. Ich möchte würgen. Ich will ihm wehtun, aber ich bin wehrlos. Ich weiß nicht, wo ich sonst hin soll, an wen ich mich wenden könnte. Das hier ist mein Zuhause und diese Menschen sind in meinem Leben, ob es mir gefällt, oder nicht. Ich winde mich in Jaspers Griff und muss weg von ihm, nur für einen Moment. Ich weiß, was er will. Er will mich gegen diese Wand ficken. Er will seinen Dreck über mich kippen. Es macht ihn an, wenn die Mädchen sich wehren, also hab ich gelernt, mich nicht zu wehren. Meistens wird ihm dann langweilig, manchmal aber auch nicht und er tut es trotzdem.

„Meine Mutter wird bald mit ihrem Freund des Abends auftauchen. Wenn du hier bist, wirft das ein schlechtes Licht auf den Service, den du bietest.“

Er zischt und ich halte den Atem an, weil ich ihn nicht mehr länger riechen möchte. Seine dreckig-grauen Augen blicken mein Gesicht an und seine dünnen, grauen Haarsträhnen fallen um sein Kinn. Keine Ahnung, wie ein Kerl sein Haar so strähnig lassen kann, es ist ekelerregend.

„Vielleicht krieg ich dich diesmal nicht, Schlange, aber das werde ich …“

Mir ist klar, dass er das wird. Er tut es immer. Mir ist es lediglich gelungen, eine Nacht oder zwei freizuschaufeln. Wenn ich Glück hab. Er wird zurückkommen und das nächste Mal wird er vielleicht nicht auf meine Versuche ihn loszuwerden hören.

„Da bin ich mir sicher“, sage ich in einem dunklen, gefährlichen Tonfall.

„Sorge dafür, dass deine Mutter heute Geld macht. Lass sie nicht wieder ohnmächtig werden vor ihrem Kunden. Dieses Miststück geht mir langsam auf die Eier.“

„Dann geh und such dir Frischfleisch und lass uns in Ruhe“, knurre ich ihn an.

Er lässt mich los und die Erleichterung in meinem Körper ist enorm.

„Ich hab schon Frischfleisch. Dich, Schlange.“

„Ich werde niemals eine deiner Huren sein, Jasper.“

„Doch, denn du weißt genauso gut wie ich, dass das hier dein Leben ist. Ob du das möchtest, oder nicht.“

„Nicht.“

Er grinst kalt, bösartig und dann dreht er sich um und geht in Richtung Tür. Dort angekommen, wühlt er in seinen Hosentaschen und holt eine Tüte mit weißem Pulver heraus. Er schmeißt mir die Tüte zu und ich fange sie einhändig.

„Pass auf, dass deine Mutter das hier nicht vorm Morgengrauen findet. Wir wissen, wie gern sie das zum Frühstück hat und wie ich gehört habe, du auch. Stell sicher, dass sie ihre Beine spreizt und die Augen offen hält heute Nacht, verstanden?“

„Fick dich.“

„Du willst nicht, dass ich zurückkomme, Schlange, denn wenn ich das tue, wird es dir nicht gefallen. Besorg mir mein Geld für heute Abend oder sieh dem, was dir sonst blüht, ins Auge. Eine weitere Woche ohne was zu essen klingt nicht sonderlich verlockend, oder?“

Bei meinem Gesichtsausdruck und meinem in diesem Moment knurrenden Magen fängt er an zu kichern.

„Dachte ich mir. Tu, was ich gesagt hab, Schlange.“

Dann ist er weg. Einfach so. Ich starre auf die Tüte mit dem Pulver in meiner Hand. Seufzend öffne ich sie, ziehe eine Line auf dem Tisch, gehe auf die Knie, rolle einen Fünfdollarschein auf und schniefe das Zeug ein. Er hat recht. Ich brauche es genauso wie sie. Ich brauche es, denn es ist meine einzige Flucht.

Gegenwart

Nachdem ich das Anwesen verlassen habe, laufe ich die Straße entlang. Ich kann nicht sagen, was ich gerade fühle. So viele Szenarios sind mir vorher durch den Kopf gegangen. Ich denke über die Gesamtsituation nach und darüber, was es bedeutet, jetzt hier zu sein. Meinen Vater wiederzusehen, der Horror in seinen Augen, als ich ihm von mir erzählte, lässt mich daran zweifeln, das Richtige getan zu haben. Ich habe keine Ahnung ob er sich jemals daran gewöhnen wird, dass ich hier bin, oder ob alles von hier aus eine Abwärtsspirale sein wird.

Die Dinge könnten für uns viel schlechter stehen, dessen bin ich mir sicher. Ich habe viel Zeit mit scheußlichen Menschen verbracht. Die meisten davon Zuhälter, die Gefühle für wertlose Emotionen erachten, etwas, das man nicht braucht. Kalte, herzlose Menschen, die denken es wäre in Ordnung, andere zu verletzen. Hier liegt der Unterschied zwischen diesen Bikern und den Zuhältern, an die ich gewöhnt bin. Biker kämpfen für das, was sie lieben und an was sie glauben. Zuhältern ist es egal. Sie tun, was sie tun müssen für ihr Business und Geld. Ich denke nicht, dass Biker in diese letzte Kategorie fallen. Zumindest hoffe ich, dass sie das nicht tun.

Als ich das Gesicht meines Vaters gesehen habe, während ich ihm einen Einblick in mein Leben gab, hat mir das gezeigt, dass er für mich kämpfen würde. Obwohl er mich nicht kennt. Das ist ein schönes Gefühl, auch wenn es nur kurzfristig ist und ich mich nicht daran festhalten kann. Ganz ehrlich, im Moment weiß ich nicht, wo ich hingehöre. Wie kann man überhaupt irgendwo hinpassen, wenn man sich immer nur selbst beschützt und nie jemandem vertraut hat? Ich kann es mir nicht erlauben, mich irgendwo wohlzufühlen, vor lauter Angst, dass es böse endet und die Mauer, die ich mir so mühsam um mich aufgebaut habe, einstürzt. Wenigstens weiß ich, dass ich im Moment in Sicherheit bin. Das ist alles, was ich momentan brauche. Er kann mich nicht finden und ich habe Schutz.

Während ich weiter die Straße entlanglaufe, knirschen Steine unter meinen Fußsohlen und ich überlege, was ich als nächstes tue. Ich habe kein Geld und echt keine andere Idee, wohin. Das ist es jetzt erstmal für mich, dieses Anwesen, diese Welt, dieser Job, bei dem ich in einer Bar arbeite, für Biker, die ich nicht kenne. Ich muss aber überleben, auch wenn überleben schwer ist. Ich muss einfach das tun, was ich am besten kann und das ist, mich durch die nächsten Monate kämpfen, während ich genug Geld zusammenkratze, um zu überlegen, wo es dann hingeht. Wenn ich mal raus bin aus diesem Staat, diesem verdammten Land, dann kann ich vielleicht anfangen, mein verhunztes Leben Fetzen für Fetzen zusammenzufügen, bis es irgendwann etwas ähnelt, woran man glauben kann.

Am alten, heruntergekommenen Haus meines Vaters angekommen, betrachte ich das massive Gebäude für einen Moment. Es ist hässlich. Ziemlich hässlich, aber ich hab schon schlimmer gewohnt, also kommt es mir wie ein schickes Hotel vor. Es ist groß, zwei Stockwerke hoch, und eine klapprig wirkende Veranda umrandet es. Ich vermute, es war einst weiß gestrichen, aber die Farbe blättert ab und sieht dreckig-braun aus. Ich trete durch das Gartentor und laufe zur Haustür. Sowie ich die Tür aufschließe und eintrete, muss ich seufzen. Ein typisches Männerzuhause. Bierflaschen überall, Klamotten, Pizzakartons, alles Mögliche. Ein Blick in die alte, ausgeblichene blaue Küche zeigt mir, dass der Abwasch mindestens drei Tage her ist und die Wäsche … lasst uns erstmal nicht von der Wäsche reden.

Ich blicke mich in meinem neuen Zuhause um. Es ist nicht toll, aber es ist sicher. Ich war schon an so manchen Orten, oft waren die nicht mal sauber genug für Flöhe, ganz zu schweigen für Menschen. Also weiß ich, dass das hier für mich funktionieren kann. Ich öffne den Kühlschrank, zucke zusammen und schließe ihn wieder. Mein Gott, was zur Hölle stinkt hier so bestialisch? Will ich das überhaupt wissen? Ich denke, ich kümmere mich später darum. Neben dem Geschirr, der Wäsche und der Unordnung fällt mir auf, dass mein Vater nicht oft einkauft. Ich gehe durchs Wohnzimmer die Treppen zu meiner Linken hoch. Oben angekommen, trete ich in einen langen Flur mit ausgeblichenem Holzfußboden. Mein Blick fällt auf all die geschlossenen Türen. Ich denke, ich muss sie öffnen, um rauszufinden, welches mein Zimmer ist. Ich starte den Vorgang, indem ich beim Laufen alle Türen aufstoße. Das erste Zimmer zu meiner Linken ist anscheinend das Schlafzimmer meines Vaters, denn er ist der einzige Mann, der hier wohnt. Also, zumindest glaube ich das. Das zweite Zimmer ist ein altes Bad mit cremefarbenen Fliesen, einer Dusche, die eine Grundreinigung verdammt nötig hätte, und einem verrosteten Spiegel. Die dritte Tür scheint das freie Zimmer zu sein, man sieht es an der Menge der Koffer, Kissen und alten Decken, sowie anderem Müll, der so nett auf dem Doppelbett drapiert lagert. Mit einem Seufzen betrete ich den Raum und fange an, das Bett freizuräumen und aufzuräumen.

Danach schaue ich mich um. Grüne Vorhänge, nett. Holzdielen auch hier, obwohl das Meiste davon mit einem alten, verfransten Vorleger bedeckt ist. Das Bett hat eine Matratze, auf der man tief einsinkt. Die Laken und die Kissen nehme ich sofort ab, ich werde meinen Vater nachher nach frischem Bettzeug fragen. Wenn es keins gibt, werde ich das hier waschen. Mindestens drei Mal.

Nachdem ich mich etwas frischgemacht habe, die Laken in die Waschmaschine geworfen und meine Klamotten in den alten Holzschrank geräumt habe, gehe ich nach unten. Es ist Zeit, die Küche in Angriff zu nehmen. Die nächste Stunde verbringe ich mit putzen, würgen und meinen Vater verfluchen, weil er so unfassbar faul ist. Ernsthaft, der Mann sollte wenigstens mal in einen Geschirrspüler investieren, um uns allen das hier zu ersparen. Die Küche ist ein Schweinestall. Ach, was sage ich, das ganze Haus ist einer. Ich stehe gerade vor dem Kühlschrank und rede mir gut zu, das Ding und was auch immer darin verstorben ist, in Angriff zu nehmen, als die Haustür aufgeht. Ich drehe mich um und sehe Jackson hereinkommen. Er stoppt, als er sieht, wie ich seine Küche zerlege und runzelt die Stirn. Er schmeißt seinen Helm in die Ecke und schlüpft aus seiner Lederjacke.

„Hast du jemals was von Abspülen gehört?“, frage ich und verschränke die Arme.

Er zuckt mit den Schultern und hat einen Wen-juckt’s-Ausdruck auf dem Gesicht. „Ich spüle ab, wann immer ich abspülen muss. Ich hab Besseres zu tun in meinem Leben.“

Ich beglücke ihn mit einem sarkastischen Gesichtsausdruck. „Kann mir gar nichts Wichtigeres als Abspülen vorstellen.“ Ich bin mir ziemlich sicher, dass seine Lippen zucken. Das überrascht mich. Ich könnte mir vorstellen, dass Jackson mal ein ziemlicher Hingucker war, in jungen Jahren. Tatsächlich bin ich mir dessen recht sicher. Obwohl etwas älter, habe ich keinen Zweifel, dass noch einige Frauen auf ihn stehen. An dem Tag, an dem er sich dazu entschlossen hatte, dass meine Mutter einen Versuch wert war, muss er allerdings kein Hirn im Schädel gehabt haben. Ich gehe um den Küchentresen herum und stelle mich vor ihn. „Was hast du denn Essbares im Haus?“

Er winkt ab und lässt sich auf die Couch fallen. „Du hast schon gesehen, dass ich nichts da habe. Ich kann nicht kochen. Ich kauf auch nicht ein. Dafür hat man den Lieferservice erfunden. Plus, ich bin mehr auf dem Anwesen als hier. Wenn du Essen möchtest, musst du es selbst besorgen. Ich bin sicher, dir wird schon was einfallen.“

„Jackson, wenn du willst, dass ich was zu essen machen soll, dann solltest du mir etwas Geld geben, wo du doch mein Vater bist und all das …“

Er grinst mich an als sei ich unheimlich amüsant. „Wenn du meine Tochter sein willst, musst du die Dinge so tun wie alle Töchter, indem du dafür arbeitest. Du willst Geld, dann geh und verdien dir welches. Du möchtest, dass ich dir was zu essen kaufe? Dann tu etwas, das mir den Eindruck gibt, du hättest es verdient. Das hier ist kein Spaziergang im Park, Prinzessin. Von nichts kommt nichts, das solltest du lernen.“

Ich trete etwas näher zu ihm und fühle, wie mein Blut zu kochen beginnt, wie mein Zorn mich zu überwältigen droht. „Du denkst ich hätte keine Ahnung, wie ich mich selbst versorgen kann? Glaubst du ich weiß nicht, wie man für etwas arbeitet? Du weißt, dass ich kein wunderhübsches Leben hatte. Nichts ist mir zugeflogen, nicht eine einzige Sache. Ich werde mir jeden Krümel, den ich mir in den Mund stecke, verdienen, du blöder Drecksack.“

Jackson betrachtet mich total verwirrt und ein wenig erstaunt. Er braucht einen Augenblick, um seinen steinernen Gesichtsausdruck wiederzuerlangen.

„Ich hab kapiert, dass du ein hartes Leben hattest. Ich hab kapiert, dass nur du selbst hinter dir gestanden hat und du tun musstest, was zu tun war, um zu überleben. Ich hab auch kapiert, dass du nur vorübergehend hier sein wirst und es eigentlich gar nicht erst sein wolltest. Aber denk bloß nicht, dass du hier in mein Haus kommen kannst und so mit mir reden, wie du es gerade getan hast, sonst werde ich deinen kleinen Hintern hier rausschmeißen.“

Ich stemme die Hände auf meine Hüften. Eigentlich sollte er keine Reaktion von mir kriegen, die hat er gar nicht verdient. Und doch stehe ich kurz davor, den einzigen Mann, der mich aufgenommen hat, anzubrüllen. Der wahrscheinlich einzige Mensch, der mich beschützen kann. „Wenn du so mit mir redest, werde ich entsprechend antworten. Wenn du nicht willst, dass ich hier bin, dann hättest du es mir nicht anbieten sollen. Ich werde schon irgendwo anders unterkommen und überleben, während ich dabei bin. Wenn das hier so ein großes Problem für dich darstellt“, sage ich mit einer Geste, die den ganzen Raum umfasst, „dann sag es mir und ich packe meinen Scheiß und verschwinde. Ich brauch dich genauso wenig wie du mich.“

Ich greife nach meinem Rucksack, aber Jackson ist schneller. Er ist aufgestanden und seine Hand schließt sich schneller um meinen Oberarm, als ich blinzeln kann. Er zieht mich nah an sein Gesicht und seine Augen funkeln vor Wut.

„Mädchen“, sagt er rau und verärgert, „du magst meine Tochter sein und du magst einiges hinter dir haben, aber wenn du nochmal auf diese Weise mit mir sprichst, setzt es was.“

Ich schlucke und halte die Tränen zurück, die sich aus meinen Augen stehlen wollen. Während ich ihm meinen Arm entreiße, kommen meine nächsten Worte schwer über meine Lippen. „Mir ist klar, dass du mich hier nicht willst. Mir ist auch klar, dass ich dein Leben durcheinanderbringe, aber glaubst du, das macht mir Freude? Denkst du, ich hätte mir das gewünscht? Du willst mir eine verpassen? Nur zu, ist ja nicht so, dass das nicht schon zig Mal passiert wäre. Wenn du mich nicht hier willst, sag es. Ich werde verschwinden. Ich werde gehen und einen Weg finden, klarzukommen. Auch wenn das bedeutet, es auf die Weise zu tun, die ich gelernt habe. Ich werde tun, was immer ich tun muss, um zu überleben und auf mich aufzupassen. Es tut mir unendlich leid, dass ich dir aufgedrückt wurde, vielleicht solltest du das nächste Mal, wenn du keine Kinder willst, deinen Schwanz besser einpacken.“

Mit diesen Worten drehe ich mich um und renne die Treppen hoch, kurz bevor die ersten heißen Tränen aus meinen Augen rollen.

Nach meinem Ausbruch höre ich, wie Jackson eine Weile im unteren Stockwerk herumläuft. Wenigstens ist er nicht hochgekommen, um mich rauszuschmeißen. Ich liege zusammengerollt auf der weichen Matratze, eingewickelt in meinen Schlafanzug und überlege, was ich als nächstes tun soll. Ich muss wirklich lernen, die Klappe zu halten, oder es bleiben mir keine Optionen mehr. Jackson lässt sich ganz eindeutig nichts gefallen und vielleicht ist das was Gutes, aber er muss verstehen, dass ich mir ebenfalls nichts gefallen lasse. Vielleicht hab ich das von ihm geerbt.

Meine Neugierde übermannt mich und ich schlüpfe vom Bett und will ihm die eine Frage stellen, deren Antwort ich schon so lange wollte. Ich habe keine Ahnung, ob Jackson mit mir überhaupt noch reden will, aber es ist einen Versuch wert.