Dr. Siegmund Günther

Beitrag zum Klimawandel

Phänologie

 

Aloys Bockhorst (Herausgeber)

 

 

 

Cover, Design, Layout und Satz aischab

ISBN 978-3-946182-40-5

 

© Copyright aischab Münster 2017

Die Bilder sind von Ulrike Bauer.

 

1. Neuauflage 2014 (ISBN 978-3-943312-42-3) EMPIRE Verlagsgruppe Münster, erschienen im historischen Bestand der Universitäts- und Landesbibliothek Münster unter dem Titel „Die Phänologie, ein Grenzgebiet zwischen Biologie und Klimakunde“, Erstausgabe 1895 in der Aschendorffschen Buchhandlung Münster.

 

LutumLand

Sommeraspekt im Münsterland Acker – Wiesen - Bäume

 

 

Die Phänologie ein Grenzgebiet zwischen Biologie und Klimakunde_8

http://sammlungen.ulb.uni-muenster.de

 

Kornblume

Sommeraspekt: Kornblume

EPILOG

 

Unter dem Titel „Die Phänologie, ein Grenzgebiet zwischen Biologie und Wissenschaft“ erschien im Jahre 1875 ein Werk, das in heutiger Zeit besondere Anerkennung verdient. Der Titel wurde vom Herausgeber abgeändert:

Beitrag zum Klimawandel - Phänologie

So wird dem ursprünglichen wissenschaftlichen Anspruch Rechnung getragen. Im 19. Jahrhundert ist die Phänologie ein aufstrebendes Wissensgebiet und beruht weitgehend auf Beobachtungen in der Natur und dem Erkennen von Wechselwirkungen zwischen klimatischen Begebenheiten sowie Wachstum und Entwicklung von Pflanzen und Tieren. Da Tiere aufgrund ihrer Beweglichkeit schwerer zu beobachten sind, liegt das Schwergewicht in der Phänologie auf ausgewählten Pflanzenarten, die für die Region typisch sind.

In der Phänologie sind zum Beispiel der Beginn der Blüte, die Blattentfaltung oder Blattverfärbung bedeutsam. Auf der Grundlage immer wiederkehrender Erscheinungen können Phänologen Trends für die Zukunft voraussagen, zum Beispiel der Beginn der Apfelblüte im nächsten Jahr. Nur lange Beobachtungsreihen bieten gute Interpretationsspielräume.

Aber erst im 18. Jahrhundert begann diese Wissenschaft in Europa fest Fuß zu fassen und namhafte Wissenschaftler begannen mit flächendeckenden Untersuchungen (z. B. Carl von Linné im Jahre 1750).

Den großen Durchbruch erlangte dieser Wissenschaftszweig im Jahre 1882 mit Herrmann Hoffmann, der sich um einheitliche Richtlinien phänologischer Beobachtungen bemühte. In neuerer Zeit begann der Wetterdienst unter Fritz Schnelle die Phänologie für sich zu gewinnen und richtete 1957 „Internationale phänologische Gärten“ (IPG) in ganz Europa ein, die bis heute bestehen. In den 60er Jahren schwand das Interesse an der Phänologie, die für die Landwirtschaft keine Bedeutung mehr hatte. Dies änderte sich schlagartig, als weltweit Klimaänderungen festgestellt wurden, die aus phänologischen Ergebnissen ableitbar waren und sind. Es gilt nur, den entsprechenden Blickwinkel zu schärfen und die Komponenten aller Wechselwirkungen auf ein einheitliches Grundsystem zu bringen. Dies entging den Phänologen im 19. Jahrhundert nicht!

Die Herausgabe einer im Jahr 1875 erschienen Schrift zu diesem Thema soll die Ernsthaftigkeit dieser wissenschaftlichen Sparte verdeutlichen, ohne die Klimaveränderungen nicht nachgehalten werden könnten.

Die alte Ausdrucksweise blieb weitgehend bestehen, um den Charakter dieser Schrift nicht grundlegend zu verändern. Einige neuere Schreibweisen in der Rechtschreibung wurden eingepflegt.

Zahlreiche damalige Verständnisgrundlagen sind heute nach wie vor aktuell.

Der Herausgeber

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Beginnende Rapsblüte in den Baumbergen

 

 

 

EINLEITUNG

 

Jedes organische Wesen ist in seiner Entwicklung abhängig von der Umgebung, an welche es gebunden erscheint, und zwar sind es die klimatischen Zustände, welche in dieser Hinsicht einen besonders mächtigen Einfluss ausüben. So konnte es denn auch nicht fehlen, daß schon in ziemlich früher Zeit das Augenmerk der Naturforscher auf die erwähnte Abhängigkeit sich richtete und daß man bald daran dachte, eine fest – womöglich zahlenmäßig zu fixierende – Gesetzmäßigkeit zwischen den Entwicklungsstadien der Organismen und der ihnen entsprechenden Klimaphasen auszumitteln. In gewisser, freilich noch ganz äußerlicher Weise hatte sich schon das Altertum derartige Regeln zurecht gemacht.

Näheres hierüber findet man bei Ideler 1806. Man knüpfte gerne an feststehende astronomische Ereignisse an (Auf- und Untergang von Sternen usw.) wie bei den Athenern, später aber auch ebenso bei den Römern an gewisse Erscheinungen im Pflanzenleben, die für das praktische Leben Bedeutung besaßen und z. B. eine bestimmte Art landwirtschaftlicher Arbeiten notwendig machten. Zunächst war das Zusammentreffen ein zufälliges, abermals erblickte man darin auch einen Kausalzusammenhang.

Aufgabe der Astronomen war es, die „Phänomene“ zu verfolgen, sie mit den Hauptveränderungen der Witterung zu verbinden und beide Tatsachenreihen in der Form von „Parapegmen“ tafelmäßig zusammenzustellen, welche man dann der öffentlichen Besichtigung zugänglich machte. Man besitzt noch Parapegmen von Geminus. Auch Caesar gab einen phänologischen Kalender heraus, dessen sich nach Plinius die Landleute gerne bedienten. Auch die späteren agronomischen Schriftsteller wie Columella und die „Geoponiker“, legten Wert auf solche Tabellen. Jener führt die „providentia in motibus astrorum et ventorum“ auf Eudoxus und Meton (fünftes vorchristliches Jahrhundert) zurück.

Man kann auch in den antiken Angaben über die Erscheinungen am Himmel und auf der Erde den Ursprung des jetzt üblichen Wortes Phänologie erblicken, obwohl dieses selbst natürlich neueren Datums ist.

Nach der verdienstvollen Schrift von E. Ihne 1884, welche für alle Arbeiten auf diesem Gebiete und natürlich also auch für die vorliegende Studie eine unentbehrliche Grundlage darbietet, ist das Wort Phänologie in unserem Sinne durch den belgischen Naturhistoriker C. Morren in Aufnahme gebracht worden. Die Biographie 1860 desselben, verzeichnet unter seinen vielen Abhandlungen nur eine einzige aus dem Jahr 1842, welche sich mit diesem Gegenstande befasst. Diese Arbeit lag dem Verfasser nicht vor.

Schon an und für sich ist es klar, daß die Tierwelt für Untersuchungen fraglicher Art ungleich weniger als die Pflanzenwelt in Betracht kommen kann. Das Tier bewegt sich frei von Ort zu Ort, die Pflanze ist wesentlich an ihren Standort gebunden. Es kann uns deshalb nicht wundern, daß zu dem, was man als Tierphänologie bezeichnen könnte, noch nicht viele Beobachtungen vorliegen. Wertvolles Material für eine spätere systematische Bearbeitung dieser überaus verwickelten Probleme hat Hoffmann 1887 für ihre jeweiligen Orte geliefert. Es handelt sich größtenteils um die periodische Wiederkehr solcher Tiere, die infolge ihrer Lebensgewohnheiten einen großen Teil des Jahres hindurch abwesend sind.

Wenn somit im Folgenden von Phänologie gesprochen wird, so versteht es sich von selber, daß wir ausschließlich die Phänologie der Gewächse im Auge haben.

Unsere Darstellung zerfällt in drei Bestandteile. Der erste derselben ist rein geschichtlich, und es geht unsere Absicht hier dahin, alle früheren Versuche zu registrieren und zu beleuchten, welche rein empirisch, und ohne irgendwelche theoretische Voreingenommenheit, die Bedingtheit des pflanzlichen Lebens durch meteorologische Faktoren zu erforschen strebten.

Daneben sollen jedoch auch die älteren Bemühungen um das, was man exakte Phänologie nennen möchte, was aber freilich diese Bezeichnung mehr nur dem Namen als dem Wesen nach verdient, eine Stelle finden. Die Tätigkeit eines reichen Lebens hat der Gießener Botaniker H. Hoffmann an die Lösung der vorstehend angedeuteten Aufgabe gesetzt und es lässt sich nicht leugnen, daß er zu einem Ergebnis gelangte, welchem freilich wohl nicht die entscheidende Bedeutung zukommt, die er selbst seinen Errungenschaften beizumessen geneigt war, welche unter allen Umständen aber doch einen wichtigen Durchgangspunkt in der Entwicklung der Phänologie darstellt. Hiermit wird sich die zweite Abteilung unseres Essays zu beschäftigen haben.

In der dritten endlich soll eingegangen werden auf die rein geographische Auffassung des phänologischen Grenzproblemes, wie sie in neuester Zeit, vorwiegend Dank den Anregungen Ihnes zum Durchbruch gekommen ist.

Über die Persönlichkeit dieses Mannes, in dem sich, wie man wohl sagen darf, die moderne phänologische Forschung durch Jahrzehnte hindurch konzentrierte, sowie über die Eigenart seines wissenschaftlichen Strebens erteilt vortrefflich den Aufschluss Ihnes Biographie.

Der zweite Abschnitt wird uns zu Hoffmann zurückführen und uns einen Einblick in seine Leistungen gewähren.

 

METHODEN

 

Als Begründer der Phänologie muss fraglos der große Pflanzenkenner betrachtet werden, der nach so vielen Richtungen hin in seiner Wissenschaft fruchtbar und bahnbrechend wirkte. Nachdem er sehr eingehend die Verhältnisse geographischer und bodenkundlicher Natur erörtert hat, welche für eine gegebene Pflanze von bestimmendem Einflusse sind, geht Linné weiter dazu über, die Zeiten des Eintrittes einer Pflanze in eine maßgebende Entwicklungsphase als Funktionen des Klimas hinzustellen.

Mit sicherem Takte hebt er bereits alle diejenigen Phasen hervor, an welche sich der Hauptsache nach auch die späteren Vertreter der Phänologie durchweg gehalten haben. Auch lässt Linné es nicht bei einer bloß allgemeinen Skizzierung des Zusammenhanges bewenden, sondern er verlangt, um diese im Einzelfalle genauer übersehen zu können, systematische phänologische Beobachtungen. Man solle einen jährlichen Florenkalender anfertigen, der dann ein Bild von der klimatischen Verschiedenheit der einzelnen Gegenden ergeben werde. Die Pflanzenuhr, welche im Anschlusse daran gefordert wird, dürfte freilich für immer ein unerreichbares Ideal bleiben. Auch der Gedanke an phänologische Karten ist, wie wir ausdrücklich betonen möchten, das Eigentum Linnés gewesen. Man sieht, daß der Keim zu all dem, was die Folgezeit zur Entfaltung bringen sollte, bereits bei dem Vater der modernen Botanik zu finden ist.

So waren es denn auch zunächst die Schweden, welche in die von ihrem Meister vorgezeichnete Bahn eintraten. Reck, Berger und Bjerkander sind in dieser Hinsicht zu nennen. Ihnen schlossen sich 1755 Stillingfleet in England, 1762 Scopoli in Krain, 1782 Senebier in Genf, 1786 Haenke in Prag an, doch fehlte es allen diesen Beobachtungen begreiflicherweise noch sehr an Genauigkeit. Das Werk von Berger scheint, wie Ihne meint, auch in Deutschland den ersten Anstoß zu Studien dieser Art gegeben zu haben. G. Reyger in Danzig (1704-1788) räumte, worauf eben zuerst Ihne aufmerksam gemacht hat, einem größeren botanischen Werke ein Kapitel in den Vordergrund, das er „Zeit des Aufblühens verschiedener einheimischer Pflanzen im Jahre 1767“ betitelt, und ward durch dieses Begründer der deutschen Phänologie.

298 Pflanzen wurden hier auf ihre „efflorescentia“, mit Linné zu reden, geprüft, und die Darstellungsweise Reygers lässt deutlich erkennen, daß er über den klimatologischen Wert ähnlicher Bestimmungen sich ein ganz richtiges Urteil gebildet hatte. Vor allem weist er mit Nachdruck auf die Bedeutung des Standortes der zum Untersuchungsobjekte erwählten Pflanzen hin.