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Winfried Paarmann

Das Schlangenmädchen


"Das 'Schlangenmädchen' habe ich mit großem Vergnügen und 'in einem Sitz' durchgelesen, weil ich einfach nicht aufhören konnte. Obwohl ich mit dem Jenseitigen, Unerklärlichen sonst so meine Schwierigkeiten haben, ist es mir leicht gefallen, mich ganz von der Atmosphäre vereinnahmen zu lassen. Über die vollendete Sprache dieser Prosa habe ich mich schon geäußert. Sie ist klar, einfach und eindringlich, ohne jede Künstlichkeit; sie entzückt mich immer wieder aufs Neue." Marry Capranna, Schriftstellerin und Lektorin


BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Die Erzählerin im nächtlichen Zug

 

 

Nichts ist so unwahrscheinlich wie die Wirklichkeit.

Edgar Allan Poe

 

Von dieser Geschichte erfuhr ich während einer achtstündigen Bahnfahrt von Berlin nach Graz, aus dem Mund einer fast neunzigjährigen Frau.

 

Im Mittelpunkt steht ein paranormales Phänomen. So sehr ich mich hin und wieder bereits mit Phänomenen dieser Art befasst hatte, so riss mich diese Geschichte doch rasch in einen Strudel bedrängender Emotionen. Ich lauschte mit dieser Mischung aus Irritation und Skepsis, wie dann doch mit wachsender Faszination, Gebanntsein, Geschocktsein.

Sicher, es gibt diese unerklärlichen Dinge „zwischen Himmel und Erde“, in einem gewissen Maße jedenfalls, wie ich meine Glaubenssätze beschrieben hätte. Und doch: Wenn man konkret und authentisch mit ihnen selbst konfrontiert wird, was macht man damit?

 

Immer wieder nahm ich die kleine, stramm sitzende Dame mit jenem zweiten, heimlichen Blick ins Visier, der sie auf ihre Zurechnungsfähigkeit hin prüfte. Doch sie schien klar bei Verstand. Sie sprach mit leisem, unaufdringlichem Ton und doch mit einer beachtlichen Intensität, die von Satz zu Satz Betroffenheit spüren ließ. Nein, auch für eine Geschichte der ausufernden Fantasieausschmückungen, in die sie ihre Dramatisierungs- und Fabulierlust investierte, war sie zu abgeklärt und zu alt.

 

Wer sich auf das Ungewöhnliche, eben das Paranormale nicht einlassen will oder kann, der sollte diese Geschichte nicht lesen.

 

Meine Mitreisende erwähnte, sie selber habe vor Jahren mit der Niederschrift der Geschichte begonnen. Sie war sogar noch einmal an den Ort der Ereignisse gereist, um sich an alles besser erinnern zu können. So bat ich sie, mir ihre Aufzeichnungen, vollendet oder nicht, zuzuschicken. Dann hörte ich zunächst nichts mehr von ihr.

 

Zwei Jahre darauf allerdings, kurz nach ihrem Tod, erhielt ich eine Post ihres Sohnes: ein begonnenes Manuskript in einem Umschlag, der mit meinem Namen versehen war. Die erbetene Geschichte - nach wenigen Seiten leider nur noch ein dünnes, stichwortartiges Protokoll, gelegentlich mit einigen akribisch durchgeformten, „literarisch hochgestimmten“ Absätzen oder doch außergewöhnlichen Wortwendungen durchsetzt. Ich spürte den Anspruch, dem sie sich selbst offenbar zuletzt nicht gewachsen fühlte.

 

Die Ergänzungen befanden sich unverändert in meinem Kopf. Ich schrieb sie schließlich auf, wie ich mir die Geschichte nach jener nächtlichen Bahnfahrt gewünscht hatte: erzählt aus dem Mund jener alten Dame, so nah am Leben und an der Wahrheit, wie ich selber sie hörte.

 

Der Sommer der Schrecken und Wunder

 

Ich bin zurückgekommen an diesen Ort, um diese Geschichte hier zu erzählen.

Ich blicke auf die Landstraße vor dem Fenster meiner kleinen Pension und schaue über sechzig Jahre zurück - in jenen Sommer der Schrecken und Wunder.

Alles wie damals, alles anders. Die schmale Dorfstraße mit ihrer Abzweigung, an welcher der kleine Dorfladen liegt. Sie ist noch mit denselben Steinen gepflastert, und auch die meisten Häuser, Viele schon damals baufällig und alt, erkenne ich wieder.

Man hat eine Reihe von Pappeln gefällt, und gegenüber dem Dorfladen befindet sich nun eine kleinere Poststation. Die Zeit ist hier mit trägen Schritten vorangegangen. Ab und zu das Summen und Dröhnen eines Automotors, das Scheppern über dem holprigen Pflaster. Damals fuhren hier Pferdekarren und Fahrräder, manchmal ein Traktor.

Von damals bis jetzt: über ein halbes Jahrhundert Zeit. Alle Bilder sind wieder lebendig. Die Geschichte vom kleinen Zigeunermädchen, vom „Schlangenmädchen“, will ich erzählen.

Die „kleine Zigeunerin“ wurde sie von den Leuten genannt, in den sechs Wochen, in denen sie damals hier auftauchte. Nach ihrem Verschwinden schrieb auch die lokale Presse über sie. Ich habe die Zeitungsnotiz gut aufbewahrt, sie liegt neben mir. Und auch die anderen Artikel habe ich noch: Alle berichten sie von den verendeten Tieren auf den Gehöften, der panikartigen Unruhe in den Ställen, der Jagd nach den Schlangen. Nirgends ein Satz, nirgends eine Vermutung, dass es einen Zusammenhang gab zwischen dem Mädchen und den Schlangen. Und schließlich, ein Vierteljahr später, die Berichte von dem verheerenden Brand, der acht der Gehöfte zerstörte.

Es war ein Sommer, der an Rätseln, Schrecken und Wundern alles übertraf, was meinem klaren Denken möglich erschien.

Ich schaue auf diese bekannten Hügelketten. Drei Fußstunden von hier würde ich in klaren Umrissen die Gipfel der Karpaten erblicken, drei Fußstunden in der anderen Richtung stünde ich am Ufer der Mures, diese Silberader durch Siebenbürgen, wie meine Tante sie nannte.

Der Dorfladen. Der Feldweg hinauf zum kleinen Gehöft. Das Gehöft meiner achtzigjährig verstorbenen Tante, auf dem ich jene Sommerwochen verbrachte. Gegenüber das andere Gehöft auf der kleinen Anhöhe, in dem mir mehrmals ein unerwartetes Gastrecht zu Teil wurde. Es ist zugewachsen von einer dichten Wand von Sträuchern und Hecken, seit Jahren unbewohnt und verwaist, wie man mir sagt.

Ich bin eine alte, hinfällige Frau geworden, doch mein Geist ist nüchtern wie damals, ohne Trübung und wach.

Nur mit den wenigsten Leuten im Dorf teile ich noch die Erinnerung an diese Zeit. Auch von dem sonderbaren und geheimnisvollen Ehepaar auf der Anhöhe im Nachbargehöft wissen nur noch wenige. Ihrem damaligen Alter entsprechend müssten sie seit langem verstorben sein. Doch niemand kann eine genauere Auskunft geben. Sie seien zuletzt häufig auf Reisen gewesen, so sagte man mir, möglicherweise wieder zur See und in ferne Kontinente. Schließlich kehrten sie nicht mehr zurück.

Auch diese zwei sind unverzichtbarer Teil der Geschichte.

Ich habe viel gelesen, in den fünfundachtzig Jahren meines Lebens. Ich schreibe ohne Anspruch auf Originalität. Gibt es gleichwohl den eigenen Anspruch eines Ideals, so weiß ich: Dieses besteht aus den abertausend Mustern wunderbarer Wortgebilde, die mich selbst beim Lesen anrührten, bestürzten, verzauberten und die auf den Grund meiner Seele fielen. Sie spielen dort geheimnisvoll ihre Musik, der ich lauschen und die ich in Bescheidenheit nachahmen kann.

Meine Absicht ist es, nichts auszuschmücken und nichts zu verfälschen. Und zugleich ist mir doch bewusst, dass der spröde Bericht allein oft die Wahrheit - diese Wahrheit der doppelten, der manchmal mehrfachen Böden der Realität - nicht wirklich einfangen kann.

Alle Bilder der damaligen Sommerwochen sind wieder lebendig.

 

Die „kleine Zigeunerin“

 

Während ich mit den Futterrationen den Rundgang durch die Viehgatter machte, stand plötzlich dieses Mädchen vor mir:

Zwölf vielleicht, von zarter Statur, auffallend dunkelhäutig, mit schwarz glänzendem, bis auf die Schultern hängendem Haar.

Sie trug ein kurzes, gemustertes Trägerröckchen, um den Hals ein seidenes, rotgepunktetes Tuch. Vorgelehnt stand sie am Viehgatter mit den zwei hellgrauen, erst im Frühjahr geborenen Kälbchen, die braune Hand auf der Schnauze des einen, den Daumen direkt ein Stück auf die zitternde, feuchte Lippe gestreckt.

Ein kleiner Blitz des Erschreckens in ihren Augen, als sie mich wahrnahm. Dann der zunehmende Ausdruck von Abwehr.

Die schwarzen Augen blieben starr auf meine gerichtet, fast drohend, etwas wie eine funkelnde Waffe.

Ich sprach sie an, in sanfter Tonlage, meinte ein winziges Lächeln auf diesen schmalen, doch weich geschwungenen Lippen zu sehen. Das aber war in Sekundenbruchteilen erloschen, das Mädchen wich langsam nach hinten aus, rückwärtsgehend, die Schritte allmählich beschleunigend. Ich rief, immer noch sanft, immer noch keinen Fuß rührend, doch das Mädchen entfernte sich auf die hintere Stalltür zu, durch sie ins Freie.

Seit dem vorherigen Abend machte mir eine fiebrige Erkältung zu schaffen, ich hatte mich ohne wärmende Kleidung dem kühlen Regentag ausgesetzt. Das Gehen und Bewegen, selbst das klare Sehen bereitete Mühe, so verzichtete ich darauf, ihr zu folgen.

 

Ich hatte von dem Mädchen im kleinen Dorfladen erzählen hören:

Die „kleine Zigeunerin“, seit etwa zwei Wochen schon trieb sie sich hier in der Gegend herum, gelegentlich auch auf den Höfen. Mehrmals versuchte sie, eins der Kaninchen zu entwenden, einmal auch drei frisch geschlüpfte Küken. Sogar ein erst vor Tagen geborenes Lamm hatte sie auf den Armen davonzutragen versucht.

Stellte man sie zur Rede, nahmen ihre Augen einen so dunklen, feindlichen Glanz an, dass es den Leuten die Sprache verschlug. Man zögerte sogar, ihr das Beutetier zu entreißen oder sie zu verfolgen, wenn sie kurz darauf fortlief.

Wie ich darüber hinaus erfuhr, hatte sie auf dem Gehöft des etwas älteren Ehepaars Quartier gefunden, das auf der kleinen Anhöhe direkt neben dem meiner Tante lag. Keiner wusste woher sie kam. Und offenbar war es bisher keinem gelungen, eine Auskunft von ihr zu erhalten. -

Kaum eine Stunde nach dem Zusammentreffen im Stall sah ich das Mädchen auf dem kleinen Rübenacker direkt vor meinem Gehöft. Immer wieder bückte es sich, sammelte Rüben in seinen Rock, diesen in unbefangener Art in die Höhe ziehend.

Ein paar Mal war ich entschlossen, ihr auf den Acker zu folgen. Doch die Arbeiten auf dem Hof hielten mich fest, und immer noch kämpfte ich mit der Fieberschwäche. Erst am späteren Abend konnte ich schließlich aufbrechen, ein seltsamer Zustand von bedrängender Neugier und Unruhe hatte mich überkommen.

Das Mädchen war längst vom Acker verschwunden, ich folgte dem Feldweg, der direkt zum Anwesen auf der benachbarten Anhöhe führte.

Schließlich stand ich am Eingang zum Innenhof Ich wendete noch einmal die Schritte, umwanderte die beiden efeuumwachsenen Seitenflügel, die eine üppige Gartenwildnis umgab. Nirgends im Haus brannte Licht, kein Laut kam von innen. Wieder rührte mich diese seltsame Verwunschenheit an, die ich schon einmal gespürt hatte und in der ich mich lediglich wie ein störender Eindringling fühlte.

Einem spontanen Impuls folgend, ging ich schließlich auf einen seitlich gelegenen, von einigen leeren Kaninchen- und Hühnerställen umgebenen Schuppen zu. Sanft knarrend öffnete sich die Tür nach Innen und ich betrat einen kleinen, dämmrigen Raum, in dessen hinterer rechter Ecke sich ein kniehoher, fast quadratischer Bretterverschlag befand.

Hier lag sie, regungslos, offenbar schlafend - und überall um sie, neben ihr, über ihr lagen kleine Kaninchen gebettet. Kein einziger Zentimeter mehr, der vom Boden noch sichtbar gewesen wäre. Die Kaninchen, Wie eine große, weiß und grau gemusterte Decke um sie gelegt, schliefen offenbar ebenfalls, kaum dass um Millimeter nur eins ihrer Ohren zuckte, dass eins der Schnurrbarthaare vibrierte.

Ich stand mit angehaltenem Atem. Erstmals spürte ich: Ich hatte den Raum eines dunklen Rätsels berührt. Ein heimlicher Sog ging davon aus, der mich doch gleichzeitig in Beklemmung versetzte. Fast eine Minute verharrte ich vor dem Bretterverschlag, in welchem weiterhin alles regungslos blieb.

 

 

 

 

Mein Fieber hatte sich am nächsten Tag nicht gebessert. Doch die Arbeitsverrichtungen auf dem Hof ließen mir keine Wahl - wie jeden Morgen trieb mich die Pflicht auf die Beine.

Am späten Nachmittag bemerkte ich erneut das Mädchen im Hof. Sie stand, das rotgepunktete Tuch um den Hals, direkt vor dem Holzverschlag der Kaninchenställe.

Insgesamt siebzehn Kaninchen gab es darin, darunter sechs fast fleckenlos weiße. Das Mädchen hatte, wie ich jetzt sah, ein Loch in den Maschendraht des einen seitlichen Käfigs gerissen und streckte die Hand durch die Öffnung.

Ich trat ruhig näher, fixierte sie mit den Blicken, den Abstand dreier Meter vorsorglich wie eine Bannmeile Wahrend.

„Nimm dir eins, wenn du willst. Doch du musst den Draht nicht zerreißen.“

Ich ging an die Reihe der Käfige, während das Mädchen geduckt, katzenhaft leicht an die Seite sprang, schob den unter der Holzumrahmung verborgenen Riegel zur Seite und griff eins der Kaninchen heraus.

„Dieses?“

Kein Nicken, nicht einmal eine Bewegung des Kopfes. Doch schließlich streckte das Mädchen den Arm danach aus.

„Du liebst Kaninchen?“

Diesmal ein flüchtiges Nicken.

„Auch kleine Lämmchen?“

Wieder dies winzige Nicken.

„Alle haben sie sicher Platz dort in deinem Schuppen?“

Mich traf ein erschrocken funkelnder Blick, als habe ich verbotener Weise an ein Geheimnis gerührt.

Das Kaninchen lag sanft in die Arme des Mädchens gebettet, ruhig schimmernde Augenbälle, nach hinten gesenkte Ohren, als sei es der ihm seit Wochen Vertraute Platz.

„Noch eins!“ Das Mädchen zeigte auf die Kaninchenställe, die Geste war unmissverständlich.

Ich lächelte kurz. „Immerhin - es scheint, sie mögen dich auch.

Wie heißt du?“

Wieder die schon bekannte, undurchdringliche Wand dieser Augen. Schwarze Starre, kein Wimpernzucken.

„Ein zweites! Dann geh ich.“

„Ein anderes Mal.“ Ich hatte den Draht an der Käfigtür zu flicken begonnen. „Du kannst mich besuchen kommen, mich und die Tiere.“

Ich fügte hinzu: „Du kannst mir helfen, die Tiere füttern.“

Ein leichtes Zucken ging durch die Augen des Mädchens, ein Flimmern. Dann wieder Abwehr, Starre.

Ich sah es sich plötzlich zur Seite wenden, das Kaninchen glitt auf den Boden. Das Mädchen griff sanft nach den Vorderläufen, richtete es daran auf bis in Kniehöhe. Kurz darauf hockte es selbst auf der Erde und ließ das Kaninchen aufgerichtet sich sanft vor den Knien wiegen.

„Ich habe auch Rüben von deinem Acker gestohlen.“

Diesmal ein seltsam listiges Funkeln in ihrem Gesicht. „Ich werde noch mehr stehlen. Jeden Tag, wenn ich will.“

„Einen Korb voll“, sagte ich. „Ich erlaube es dir. Jeden Tag einen, für deine Kaninchen.“

„Gut“, sagte das Mädchen. Sie war nicht erstaunt.

„Komm morgen. Komm meine Tiere füttern.“

Erstmals war es, als würde meinem Lächeln eines aus ihrem Gesicht antworten - zögernd, noch prüfend. Ich täuschte mich. Wieder folgte die abweisende Starre. Das Mädchen deutete auf die Kanin-chenställe.

„Zuerst mein zweites Kaninchen.“

Ich verschloss mit einer raschen Bewegung die Käfigtür. „Ein zweites verschenke ich nicht. Sie gehören nicht mir.“

„Eins hast du verschenkt.“ Die Mundwinkel verzogen sich etwas, beinah verächtlich und immer noch hockte sie auf der Erde.

„Ein anderes Mal. Komm mich besuchen. Komm morgen wieder!“

„Ich hol es mir doch. Ich hole sie alle.“

Ein plötzlich fast drohender Unterton in der Stimme - in den Augen erneut dieses stechende Schwarz.

Ich spürte, dass sich meine Friedfertigkeit erschöpfte.

„Wo sind deine Eltern?

Wo kommst du her?“

Die Pupillen des Mädchens weiteten sich, sie sprang in die Höhe. „Mein Geheimnis.“ Sie stand aufgerichtet, mit in steinerner Härte erstarrtem Gesicht, die Fäuste über der Brust geballt, das Kaninchen dahinter umklammernd.

Unerwartet sprang sie mit eiligen Schritten davon.

Plötzlich doch stand sie erneut im schattigen Dämmer der Balkenreihen - den Schimmer eines seltsam maskenhaften Lächelns auf ihrem Gesicht, in dem jetzt zunehmend Spott flackerte wie es sichtbar zugleich von harten, hasserfüllten Zügen gezeichnet war. Das rotgepunktete Tuch um ihren Hals war heruntergerutscht und als das Mädchen sich nun mit einer langsamen Drehung zur Seite wandte, wieder in Richtung der Stalltür, nahm ich plötzlich ein rotes Leuchten aus der Gegend des Nackens wahr - der Spalt einer breiten, offenen Wunde.

Im nächsten Moment tauchte der Nacken wieder ins schattige Dämmer. Ich sah sie auf die Stalltür zugleiten, mit einem plötzlichen Ruck hastete ich hinterher, doch augenblicklich war das Mädchen bereits durch die halb offene Tür entschwunden - in rätselhafter Schnelle und Geräuschlosigkeit.

Als ich selber ins Freie trat, War ich erneut irritiert: Ich sah das Mädchen bereits in der Entfernung von dreißig Metern auf dem Rübenacker am Ende des Hofes. Hastig sprang es über die Furchen und Schollen; das Tuch bedeckte wieder ihren Nacken.

Schließlich bog es den Weg zu den Erlenreihen und Hecken ein, der zur nahen Anhöhe führte.