cover.jpg

Emilia Jones

WENN ES DUNKEL WIRD IM MÄRCHENWALD …: DIE DREI SPINNERINNEN

 

© 2017 Emilia Jones

© 2017 Plaisir d’Amour Verlag, D-64678 Lindenfels

www.plaisirdamourbooks.com

info@plaisirdamourbooks.com

© Covergestaltung: Mia Schulte

© Coverfotos: Shutterstock.com

ISBN Taschenbuch Gesamtausgabe:

978-3-86495-285-2

ISBN eBook Gesamtausgabe:

978-3-86495-342-2

ISBN eBook:

978-3-86495-347-7

 

Sämtliche Personen in diesem Roman sind frei erfunden. Dieses eBook darf weder auszugsweise noch vollständig per E-Mail, Fotokopie, Fax oder jegliches andere Kommunikationsmittel ohne die ausdrückliche Genehmigung des Verlages oder der Autorin weitergegeben werden.

 

Inhalt

 

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Autorin

 

Kapitel 1

 

Hell und kräftig strahlte die Morgensonne durch das Dachfenster in Ileanas Zimmer hinein, wobei die Bezeichnung „Zimmer“ vermutlich etwas übertrieben war. Der kleine Raum erinnerte eher an eine Abstellkammer. Vollgestopft mit dem notwendigsten an Mobiliar, bot er kaum Bewegungsfreiheit. Einzig für einen Schminktisch nebst Ganzkörperspiegel war ausreichend Platz geschaffen worden. Dies war Ileanas Lieblingsecke, nicht nur in ihrem Zimmer, sondern im gesamten Haus.

Leise klopfte es an der Tür.

Ileana lag noch im Bett, drehte sich grummelnd auf die andere Seite und presste sich das Kopfkissen auf die Ohren.

Das Klopfen wurde lauter.

Ileana rührte sich nicht.

Für wenige Sekunden herrschte Stille. Dann war eine dünne Stimme durch die Tür zu hören. „Ana? Bist du wach?“ Wieder klopfte es.

Ileana zog die Beine an und drückte den Kopf fester ins Kissen hinein. Sie wollte nicht aufstehen, und sie wollte auch niemanden sehen. Vor allem nicht ihre Mutter, die mit Sicherheit unten in der Küche saß und nur darauf wartete, ihrer Tochter eine Predigt darüber zu halten, wie sie ihre Zeit verschwendete.

„Ana? Komm schon!“ Die Stimme gewann an Kraft, und das Klopfen wurde zu einem energischen Stakkato. Da konnte Ileana sich noch so klein machen, ihr Bett wollte sie nicht verschlucken und vor der unliebsamen Störung bewahren.

„Ana!“ Die Tür wurde aufgestoßen.

Ileana riss sich die Decke über den Kopf und rollte sich nun am Kopfende des Bettes vollständig zu einer Kugel zusammen. Aber es half alles nichts. Der Eindringling näherte sich und begann an der Decke zu zerren. Nach einer gefühlten Ewigkeit gab Ileana schließlich auf, vor allem, weil sie dringend auftauchen und nach Luft schnappen musste.

Mit einem lauten „Pfffffff!“ streckte sie den Kopf ins Freie.

Laurine, ihre jüngere Schwester, stand vor ihr und bedachte sie mit einem tadelnden Blick.

Sonnenschein strahlte durch das kleine Fenster in Ileanas Zimmer und legte sich in einem hellen Kranz auf Laurines Kopf. Wie ein Heiligenschein sah das aus. Das lange Haar floss wie flüssiges Gold über ihre Schultern bis knapp oberhalb ihrer Hüfte den Rücken hinunter. Dazu die schlanke Gestalt, die vornehm blasse Haut und – wie ihre Mutter stets betonte – ein unfehlbarer Charakter. Ganz im Gegensatz zu Ileana, die ihrer jüngeren Schwester zwar äußerlich stark ähnelte, aber ansonsten als schwarzes Schaf der Familie galt.

Seit rund vier Monaten war Ileana auf der Suche nach einer passenden Anstellung. Ihre schulische Ausbildung hatte sie vorzüglich abgeschlossen, doch was den Übergang in die Arbeitswelt betraf, gab es ein paar kleine Schwierigkeiten, wie Ileana zähneknirschend sagte, wenn sie darauf angesprochen wurde. Immerhin wollte sie nicht irgendeinen Job. Nein, sie wollte einen richtig guten Job haben. Sie wollte Glamour und Schönheit verbreiten. Designen, modeln und fotografieren, am liebsten alles gleichzeitig. Sie wollte mit ihrer Arbeit die Welt verändern.

Ihre Mutter meinte, sie wäre entweder übergeschnappt oder schlichtweg zu faul, um einer richtigen Arbeit nachzugehen. Das wiederum frustrierte Ileana dermaßen, dass sie vor lauter Groll kaum in der Lage war, sich ernsthaft um eine Anstellung zu bemühen. Hielt ihre Mutter sie nicht ohnehin für unfähig, egal, was sie tat?

Als könnte Laurine die Gedanken ihrer Schwester erraten, hob sie beschwichtigend die Hände und trat einen Schritt zurück.

„Ana, sei nicht böse.“ Sie sprach so leise, dass Ileana den Kopf vorreckte und die Augen halb zusammenkniff.

„Du solltest Mutter nicht so lange warten lassen. Das macht alles nur noch schlimmer.“ Ihre kleine Schwester setzte eine ernste Miene auf. Die Hände faltete sie vor dem Bauch, wie zum Gebet, ihre Fingernägel waren kurzgehalten und blank poliert, ohne Lack und ohne Schmuck, genau wie ihre Handgelenke, ihr Hals und ihre Ohrläppchen. Laurine trug an keiner Stelle ihres Körpers irgendeine Art von Geschmeide. Ganz im Gegensatz zu Ileana, die jeden Cent ihrer Ersparnisse für Glitzerkram aller Art verpulverte.

Laurine strahlte stets allein durch ihre natürliche Schönheit. Die sittsame, ach so perfekte kleine Schwester, strebte eine Karriere als Anwältin an und machte niemals, wirklich niemals, einen Fehler. Selbst den passenden Heiratskandidaten hatte sie bereits während ihres Studiums gefunden. Er wollte Richter werden, und gemeinsam wären sie dann sicherlich irgendwann das Dreamteam an sämtlichen Gerichten dieser Welt.

Am liebsten hätte sich Ileana den Finger in den Hals gesteckt und sich direkt vor ihren Füßen erbrochen. Aber das wäre wohl vollkommen übertrieben, denn natürlich wusste sie, dass Laurine keine Schuld an ihrer eigenen Unzulänglichkeit traf.

Also drückte sie den Rücken durch, versuchte sich zu entspannen und atmete einmal tief durch, ehe sie zum Sprechen ansetzte.

„Sag Mutter, ich bin sofort unten.“

Dieses Mal würde sie nicht nur stumm dasitzen oder anfangen zu weinen, während sie die Schimpftiraden ihrer Mutter über sich ergehen ließ.

Laurine strahlte, warf Ileana eine Kusshand zu, drehte sich um und verschwand sogleich.

Für einen Moment starrte Ileana ihr einfach nur hinterher. Wie leichtfüßig ihre Schwester über den Boden tänzelte, ja beinahe darüber hinweg schwebte, bis sie um die Ecke verschwand und scheinbar vollkommen lautlos die Treppenstufen hinunterglitt. Unten angekommen würde sie sicher sogleich in die Küche eilen und ihrer Mutter Bericht erstatten. Aber was würde sie ihr sagen? Würde sie erzählen, dass Ileana wieder einmal faul im Bett herumgelegen hatte? 

Ihre Mutter würde vor Zorn ausrasten. Ileana konnte die wüsten Beschimpfungen jetzt schon in ihren Ohren hören, denn immerhin waren es stets die gleichen Vorwürfe. Ileana war faul und dumm, verbrachte zu viel Zeit im Bett oder an ihrem Schminktisch. Sie gab sich keine Mühe, etwas aus sich zu machen, um vielleicht irgendwann einmal einen Job oder einen finanzkräftigen Ehemann zu finden.

„Ach ja“, seufzte Ileana und schlüpfte aus ihrem Schlafhemd, hinein in ein knöchellanges Kleid, das ihre Rundungen trotz des schlichten Schnittes auf nahezu perfekte Weise betonte. Der hellblaue Stoff passte außerdem gut zu ihrem Teint und dem blonden Haar.

Ileana drehte sich vor ihrem Ganzkörperspiegel von der einen auf die andere Seite, ohne dabei den Blick von sich selbst abzuwenden. Ja, sie gefiel sich. Brust und Po zeigten genau die richtigen Formen, um Männerblicke auf sich zu ziehen und ihre verträumten blauen Augen würden das Übrige tun, um ihr jede Tür zur Modewelt zu öffnen. Ihr Mutter hatte ja keine Ahnung, was sie allein mit einem Augenaufschlag erreichen konnte!