Vorrede

Inhaltsverzeichnis


Die Geschichte dieser Verschwörung habe ich vorzüglich aus des Cardinals von RetzConjuration du Comte Jean Louis de Fiesque, der Histoire des Conjurations, Histoire de Gènes und Robertsons Geschichte Karls V. – dem dritten Theil – gezogen. Freiheiten, welche ich mir mit den Begebenheiten herausnahm, wird der Hamburgische Dramaturgist entschuldigen, wenn sie mir geglückt sind; sind sie das nicht, so will ich doch lieber meine Phantasieen als Facta verdorben haben. Die wahre Katastrophe des Komplotts, worin der Graf durch einen unglücklichen Zufall am Ziel seiner Wünsche zu Grunde geht, mußte durchaus verändert werden, denn die Natur des Dramas duldet den Finger des Ohngefährs oder der unmittelbaren Vorsehung nicht. Es sollte mich sehr wundern, warum noch kein tragischer Dichter in diesem Stoffe gearbeitet hat, wenn ich nicht Grund genug in eben dieser undramatischen Wendung fände. Höhere Geister sehen die zarten Spinneweben einer That durch die ganze Dehnung des Weltsystems laufen und vielleicht an die entlegensten Grenzen der Zukunft und Vergangenheit anhängen – wo der Mensch nichts, als das in freien Lüften schwebende Factum sieht. Aber der Künstler wählt für das kurze Gesicht der Menschheit, die er belehren will, nicht für die scharfsichtige Allmacht, von der er lernt.

Ich habe in meinen Räubern das Opfer einer ausschweifenden Empfindung zum Vorwurf genommen. – Hier versuche ich das Gegentheil, ein Opfer der Kunst und Cabale. Aber so merkwürdig sich auch das unglückliche Project des Fiesco in der Geschichte gemacht hat, so leicht kann es doch diese Wirkung auf dem Schauplatz verfehlen. Wenn es wahr ist, daß nur Empfindung Empfindung weckt, so müßte, däucht mich, der politische Held in eben dem Grade kein Subject für die Bühne sein, in welchem er den Menschen hintenansetzen muß, um der politische Held zu sein. Es stand daher nicht bei mir, meiner Fabel jene lebendige Gluth einzuhauchen, welche durch das lautere Product der Begeisterung herrscht; aber die kalte, unfruchtbare Staatsaction aus dem menschlichen Herzen herauszuspinnen und eben dadurch an das menschliche Herz wieder anzuknüpfen – den Mann durch den staatsklugen Kopf zu verwickeln – und von der erfindrischen Intrigue Situationen für die Menschheit zu entlehnen – das stand bei mir. Mein Verhältniß mit der bürgerlichen Welt machte mich auch mit dem Herzen bekannter, als dem Kabinet, und vielleicht ist eben diese politische Schwäche zu einer poetischen Tugend geworden.

Personen des Stücks

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Andreas Doria, Doge von Genua. Ehrwürdiger Greis von 80 Jahren. Spuren von Feuer. Ein Hauptzug: Gewicht und strenge befehlende Kürze.

Gianettino Doria, Neffe des Vorigen. Prätendent. Mann von 26 Jahren. Rauh und anstößig in Sprache, Gang und Manieren. Bäurisch-stolz. Die Bildung zerrissen.

(Beide Doria tragen Scharlach)

Fiesco, Graf von Lavagna. Haupt der Verschwörung. Junger, schlanker, blühend-schöner Mann von 23 Jahren – stolz mit Anstand – freundlich mit Majestät – höflich-geschmeidig und eben so tückisch.

(Alle Nobili gehen schwarz. Die Tracht ist durchaus altdeutsch.)

Verrina, verschworner Republikaner. Mann von 60 Jahren. Schwer, ernst und düster. Tiefe Züge.

Bourgognino, Verschworner. Jüngling von 20 Jahren. Edel und angenehm. Stolz, rasch und natürlich.

Calcagno, Verschworner. Hagrer Wollüstling. 30 Jahre. Bildung gefällig und unternehmend.

Sacco, Verschworner. Mann von 45 Jahren. Gewöhnlicher Mensch.

Lomellino, Gianettinos Vertrauter. Ein ausgetrockneter Hofmann.

Zenturione, Zibo, Asserato, Mißvergnügte.

Romano, Maler. Frei, einfach und stolz.

Muley Hassan, Mohr von Tunis. Ein confiscirter Mohrenkopf. Die Physiognomie eine originelle Mischung von Spitzbüberei und Laune.

Deutscher der herzoglichen Leibwache. Ehrliche Einfalt. Handfeste Tapferkeit.

Drei aufrührerische Bürger.

Leonore, Fiesco’s Gemahlin. Dame von 18 Jahren. Blaß und schmächtig. Fein und empfindsam. Sehr anziehend, aber weniger blendend. Im Gesicht schwärmerische Melancholie. Schwarze Kleidung.

Julia, Gräfin Wittwe Imperiali, Dorias Schwester. Dame von 25 Jahren. Groß und voll. Stolze Kokette. Schönheit, verdorben durch Bizarrerie. Blendend und nicht gefallend. Im Gesicht ein böser moquanter Charakter. Schwarze Kleidung.

Bertha, Verrinas Tochter. Unschuldiges Mädchen.

Rosa, Arabella, Leonorens Kammermädchen.

Mehrere Nobili, Bürger, Deutsche, Soldaten, Bediente, Diebe.

Der Schauplatz Genua. – Die Zeit 1547.

Erster Aufzug

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Saal bei Fiesco
Man hört in der Ferne eine Tanzmusik und den Tumult eines Balls.


Erster Auftritt
Zweiter Auftritt
Dritter Auftritt
Vierter Auftritt
Fünfter Auftritt
Sechster Auftritt
Siebenter Auftritt
Achter Auftritt
Neunter Auftritt
Zehnter Auftritt
Eilfter Auftritt
Zwölfter Auftritt
Dreizehnter Auftritt

Dreizehnter Auftritt

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Vorige ohne Bertha.

Calcagno. Eh wir weiter gehn, noch ein Wort, Genueser!

Verrina. Ich errath’ es.

Calcagno. Werden vier Patrioten genug sein, Tyrannei, die mächtige Hyder, zu stürzen? Werden wir nicht den Pöbel aufrühren, nicht den Adel zu unsrer Partei ziehen müssen?

Verrina. Ich verstehe. Höret also, ich habe längst einen Maler im Solde, der seine ganze Kunst verschwendet, den Sturz des Appius Claudius fresco zu malen. Fiesco ist ein Anbeter der Kunst, erhitzt sich gern an erhabenen Scenen. Wir werden die Malerei nach seinem Palast bringen und zugegen sein, wenn er sie betrachtet. Vielleicht, daß der Anblick seinen Genius wieder aufweckt – Vielleicht – Bourgognino. Weg mit ihm! Verdopple die Gefahr, spricht der Held, nicht die Helfer. Ich habe schon längst ein Etwas in meiner Brust gefühlt, das sich von nichts wollte ersättigen lassen – Was es war, weiß ich jetzt plötzlich (indem er heroisch aufspringt). Ich hab’ einen Tyrannen!

(Der Vorhang fällt.)

Zweiter Aufzug

Vorzimmer in Fiescos Palast.

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Erster Auftritt
Zweiter Auftritt
Dritter Auftritt
Vierter Auftritt
Fünfter Auftritt
Sechster Auftritt
Siebenter Auftritt
Achter Auftritt
Neunter Auftritt
Zehnter Auftritt
Eilfter Auftritt
Zwölfter Auftritt
Dreizehnter Auftritt
Vierzehnter Auftritt
Fünfzehnter Auftritt
Sechzehnter Auftritt
Siebzehnter Auftritt
Achtzehnter Auftritt
Neunzehnter Auftritt

Neunzehnter Auftritt

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Fiesco, der nachdenkend auf und nieder geht.

Welch ein Aufruhr in meiner Brust! welche heimliche Flucht der Gedanken – Gleich verdächtigen Brüdern, die auf eine schwarze That ausgehen, auf den Zehen schleichen und ihr flammroth Gesicht furchtsam zu Boden schlagen, stehlen sich die üppigen Phantome an meiner Seele vorbei – Haltet! haltet! Laßt mich euch ins Angesicht leuchten – ein guter Gedanke stählet des Mannes Herz und zeigt sich heldenmäßig dem Tage. – Ha! ich kenne euch! – das ist die Liverei des ewigen Lügners – verschwindet! (Wieder Pause, darauf lebhafter.)Republikaner Fiesco? Herzog Fiesco? – Gemach – Hier ist der gähe Hinuntersturz, wo die Mark der Tugend sich schließt, sich scheiden Himmel und Hölle – Eben hier haben Helden gestrauchelt, und Helden sind gesunken, und die Welt belagert ihren Namen mit Flüchen – Eben hier haben Helden gezweifelt, und Helden sind still gestanden und Halbgötter geworden – (Rascher.) Daß sie mein sind, die Herzen von Genua? Daß von meinen Händen dahin, dorthin sich gängeln läßt das furchtbare Genua? – O über die schlaue Sünde, die einen Engel vor jeden Teufel stellt – Unglückselige Schwungsucht! uralte Buhlerei! Engel küßten an deinem Halse den Himmel hinweg, und der Tod sprang aus deinem kreißenden Bauche – (Sich schaudernd schüttelnd.) Engel fingst du mit Sirenentrillern von Unendlichkeit – Menschen angelst du mit Gold, Weibern und Kronen! (Nach einer nachdenkenden Pause, fest.) Ein Diadem erkämpfen ist groß. Es wegwerfen ist göttlich. (Entschlossen.) Geh unter, Tyrann! Sei frei, Genua, und ich (sanft geschmolzen) dein glücklichster Bürger!

Dritter Aufzug

Furchtbare Wildniß.

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Erster Auftritt
Zweiter Auftritt
Dritter Auftritt
Vierter Auftritt
Fünfter Auftritt
Sechster Auftritt
Siebenter Auftritt
Achter Auftritt
Neunter Auftritt
Zehnter Auftritt
Eilfter Auftritt

Eilfter Auftritt

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Vorige. Ein Deutscher der Leibwache.

Gianettino. Was soll’s?

Deutscher. Als ich das Thomasthor vorbeiging, sah ich gewaffnete Soldaten in großer Anzahl der Darsena zueilen und die Galeeren des Grafen von Lavagna segelfertig machen – Gianettino. Nichts Wichtigers? Es wird nicht weiter gemeldet.

Deutscher. Sehr wohl. Auch aus den Klöstern der Kapuziner wimmelt verdächtiges Gesindel und schleicht über den Markt; Gang und Ansehen lassen vermuthen, daß es Soldaten sind.

Gianettino (zornig). Über den Diensteifer eines Dummkopfs! (Zu Lomellin zuversichtlich.) Das sind meine Mailänder.

Deutscher. Befehlen Euer Gnaden, daß sie arretiert werden sollen?

Gianettino (laut zu Lomellin). Sehen Sie nach, Lomellin. (Wild zum Deutschen.) Nur fort, es ist gut! (Zu Lomellin.) Bedeuten Sie dem deutschen Ochsen, daß er das Maul halten soll.

(Lomellin ab mit dem Deutschen.)

Fiesco (der bisher mit Julien getändelt und verstohlen herübergeschielt hatte). Unser Freund ist verdrießlich. Darf ich den Grund wissen?

Gianettino. Kein Wunder. Das ewige Anfragen und Melden! (Schießt hinaus.) Fiesco. Auch auf uns wartet das Schauspiel. Darf ich Ihnen den Arm anbieten, gnädige Frau?

Julia. Geduld! Ich muß erst die Enveloppe umwerfen. Doch kein Trauerspiel, Graf? Das kommt mir im Traum.

Fiesco (tückisch). O, es ist zum Todtlachen, Gräfin!

(Er führt sie ab. Vorhang fällt.)

Vierter Aufzug

Es ist Nacht. Schloßhof des Fiesco. Die Laternen werden angezündet. Waffen hereingetragen. Ein Schloßflügel ist erleuchtet.

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Erster Auftritt
Zweiter Auftritt
Dritter Auftritt
Vierter Auftritt
Fünfter Auftritt
Sechster Auftritt
Siebenter Auftritt
Achter Auftritt
Neunter Auftritt
Zehnter Auftritt
Eilfter Auftritt
Zwölfter Auftritt
Dreizehnter Auftritt
Vierzehnter Auftritt
Fünfzehnter Auftritt

Fünfzehnter Auftritt

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Verschworne. Die Zeit ist da!

Fiesco (zu Leonoren, fest). Lebe wohl! Ewig – oder Genua liegt morgen zu deinen Füßen. (Will fortstürzen.) Bourgognino (schreit). Die Gräfin sinkt um. (Leonore in Ohnmacht. Alle springen hin, sie zu halten. Fiesco vor ihr niedergeworfen.) Fiesco (mit schneidendem Ton). Leonore! Rettet! um Gotteswillen! Rettet! (Rosa, Bella kommen, sie zurecht zu bringen.) Sie schlägt die Augen auf – (Er springt entschlossen in die Höh’.) Jetzt kommt – sie dem Doria zuzudrücken. (Verschworne stürzen zum Saal hinaus. Vorhang fällt.)

Fünfter Aufzug

Inhaltsverzeichnis


Erster Auftritt
Zweiter Auftritt
Dritter Auftritt
Vierter Auftritt
Fünfter Auftritt
Sechster Auftritt
Siebenter Auftritt
Achter Auftritt
Neunter Auftritt
Zehnter Auftritt
Eilfter Auftritt
Zwölfter Auftritt
Dreizehnter Auftritt
Vierzehnter Auftritt
Fünfzehnter Auftritt
Sechzehnter Auftritt
Siebzehnter Auftritt

Nach Mitternacht. – Große Straße in Genua – Hie und da leuchten Lampen an einigen Häusern, die nach und nach auslöschen – Im Hintergrund der Bühne sieht man das Thomasthor, das noch geschlossen ist. In perspectivischer Ferne die See. – Einige Menschen gehen mit Handlaternen über den Platz, darauf die Runde und Patrouille – Alles ist ruhig. Nur das Meer wallt etwas ungestüm.

Siebzehnter Auftritt

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Calcagno. Sacco. Zibo. Zenturione. Verschworne. Volk. (Alle eilig, ängstlich.)

Calcagno (schreit). Fiesco! Fiesco! Andreas ist zurück, halb Genua springt dem Andreas zu. Wo ist Fiesco?

Verrina (mit festem Ton).Ertrunken!

Zenturione. Antwortet die Hölle oder das Tollhaus?

Verrina. Ertränkt, wenn das hübscher lautet – Ich geh’ zum Andreas.

(Alle bleiben in starren Gruppen stehn. Der Vorhang fällt.)

Friedrich Schiller

Die Verschwörung des Fiesco zu Genua



e-artnow, 2017
Kontakt: info@e-artnow.org

ISBN 978-80-268-7063-0

Inhaltsverzeichnis
Vorrede
Personen des Stücks
Erster Aufzug
Zweiter Aufzug
Dritter Aufzug
Vierter Aufzug
Fünfter Aufzug

Erster Auftritt

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Leonore maskiert, Rosa, Arabella fliehen zerstört auf die Bühne.

Leonore (reißt die Maske ab). Nichts mehr! Kein Wort mehr! Es ist am Tag. (Sie wirft sich in einen Sessel.) Das wirft mich nieder.

Arabella. Gnädige Frau – Leonore (aufstehend). Vor meinen Augen! eine stadtkundige Kokette! im Angesicht des ganzen Adels von Genua! (Wehmütig.) Rosa! Bella! und vor meinen weinenden Augen.

Rosa. Nehmen Sie die Sache für Das, was sie wirklich war – eine Galanterie – Leonore. Galanterie? – und das emsige Wechselspiel ihrer Augen? das ängstliche Lauern auf ihre Spuren? der lange verweilende Kuß auf ihren entblößten Arm, daß noch die Spur seiner Zähne im flammrothen Fleck zurückblieb? Ha! und die starre tiefe Betäubung, worein er, gleich dem gemalten Entzücken, versunken saß, als wär’ um ihn her die Welt weggeblasen und er allein mit dieser Julia im ewigen Leeren? Galanterie? – gutes Ding, das noch nie geliebt hat, streite mir nicht über Galanterie und Liebe.

Rosa. Desto besser, Madonna. Einen Gemahl verlieren heißt zehen Cicisbeo Profit machen.

Leonore. Verlieren? – ein kleiner aussetzender Puls der Empfindung und Fiesco verloren? Geh, giftige Schwätzerin – komm mir nie wieder vor die Augen! – eine unschuldige Neckerei – vielleicht eine Galanterie? Ist es nicht so, meine empfindende Bella?

Arabella. O ja! ganz zuverlässig so!

Leonore (in Tiefsinn versunken). Daß sie darum in seinem Herzen sich wüßte? – daß hinter jedem seiner Gedanken ihr Name im Hinterhalt läge? – ihn anspräche in jeder Fußtapfe der Natur? – Was ist das? wo gerath’ ich hin? Daß ihm die schöne majestätische Welt nichts wäre, als der prächtige Demant, worauf nur ihr Bild – nur ihr Bild gestochen ist? – daß er sie liebte? – Julien! O deinen Arm her – halte mich, Bella!

(Pause. Die Musik läßt sich von Neuem hören.)

Leonore (aufgefahren). Horch! War das nicht die Stimme Fiescos, die aus dem Lärme hervordrang? Kann er lachen, wenn seine Leonore im Einsamen weinet? Nicht doch, mein Kind! Es war Gianettino Dorias bäurische Stimme.

Arabella. Sie war’s, Signora! Aber kommen Sie in ein anderes Zimmer.

Leonore. Du entfärbst dich, Bella! du lügst – ich lese in euren Augen – in den Gesichtern der Genueser ein Etwas – ein Etwas. (Sich verhüllend.) O gewiß! diese Genueser wissen mehr, als für das Ohr einer Gattin taugt.

Rosa. O der Alles vergrößernden Eifersucht!

Leonore. (schwermüthig schwärmend). Da er noch Fiesco war – dahertrat im Pomeranzenhain, wo wir Mädchen lustwandeln gingen, ein blühender Apoll, verschmolzen in den männlich-schönen Antinous. Stolz und herrlich trat er daher, nicht anders, als wenn das durchlauchtige Genua auf seinen jungen Schultern sich wiegte; unsere Augen schlichen diebisch ihm nach und zuckten zurück, wie auf dem Kirchenraub ergriffen, wenn sein wetterleuchtender Blick sie traf. Ach, Bella! wie verschlangen wir seine Blicke! wie parteiisch zählte sie der ängstliche Neid der Nachbarin zu! Sie fielen unter uns wie der Goldapfel des Zanks, zärtliche Augen brannten wilder, sanfte Busen pochten stürmischer, Eifersucht hatte unsere Eintracht zerrissen.

Arabella. Ich besinne mich. Das ganze weibliche Genua kam in Aufruhr um diese schöne Eroberung.

Leonore (begeistert). Und nun mein ihn zu nennen! verwegenes, entsetzliches Glück! Mein Genuas größten Mann, (mit Anmuth) der vollendet sprach aus dem Meißel der unerschöpflichen Künstlerin, alle Größen seines Geschlechts im lieblichsten Schmelze verband – Höret, Mädchen! kann ich’s nun doch nicht mehr verschweigen! – Höret, Mädchen, ich vertraue euch etwas, (geheimnißvoll) einen Gedanken – als ich am Altar stand neben Fiesco – seine Hand in meine Hand gelegt – hatt’ ich den Gedanken, den zu denken dem Weibe verboten ist – dieser Fiesco, dessen Hand jetzt in der deinigen liegt – dein Fiesco – aber still! daß kein Mann uns belausche, wie hoch wir uns mit dem Abfall seiner Vortrefflichkeit brüsten – dieser dein Fiesco – Weh euch, wenn das Gefühl euch nicht höher wirft! – wird – uns Genua von seinen Tyrannen erlösen!

Arabella (erstaunt). Und diese Vorstellung kam einem Frauenzimmer am Brauttag?

Leonore. Erstaune, Bella! Der Braut in der Wonne des Brauttags! (Lebhafter.) Ich bin ein Weib – aber ich fühle den Adel meines Bluts, kann es nicht dulden, daß dieses Haus Doria über unsre Ahnen hinauswachsen will. Jener sanftmüthige Andreas – es ist eine Wollust, ihm gut zu sein – mag immer Herzog von Genua heißen, aber Gianettino ist sein Neffe – sein Erbe – und Gianettino hat ein freches, hochmüthiges Herz. Genua zittert vor ihm, und Fiesco, (in Wehmuth hinabgefallen) Fiesco – weinet um mich – liebt seine Schwester.

Arabella. Arme, unglückliche Frau – Leonore. Geht jetzt und sehet diesen Halbgott der Genueser im schamlosen Kreis der Schwelger und Buhldirnen setzen, ihre Ohren mit unartigem Witze kitzeln, ihnen Märchen von verwünschten Prinzessinnen erzählen – – das ist Fiesco! – Ach, Mädchen! nicht Genua allein verlor seinen Helden – auch ich meinen Gemahl!

Rosa. Reden Sie leiser. Man kömmt durch die Galerie.

Leonore (zusammenschreckend). Fiesco kommt. Flieht! flieht! Mein Anblick könnte ihm einen trüben Augenblick machen. (Sie entspringt in ein Seitenzimmer. Die Mädchen ihr nach.)

Zweiter Auftritt

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Gianettino Doria maskiert im grünen Mantel. Ein Mohr. Beide im Gespräch.

Gianettino. Du hast mich verstanden.

Mohr. Wohl.

Gianettino. Die weiße Maske.

Mohr. Wohl.

Gianettino. Ich sage – die weiße Maske!

Mohr. Wohl! wohl! wohl!

Gianettino. Hörst du? Du kannst sie nur (auf seine Brust deutend)hieher verfehlen.

Mohr. Seid unbekümmert.

Gianettino. Und einen tüchtigen Stoß!

Mohr. Er soll zufrieden sein.

Gianettino (hämisch). Daß der arme Graf nicht Mohr. Um Vergebung – wie schwer möchte ungefähr sein Kopf ins Gewicht fallen?

Gianettino. Hundert Zechinen schwer.

Mohr (bläst durch die Finger). Puh! Federleicht!

Gianettino. Was brummst du da?

Mohr. Ich sag’ es ist eine leichte Arbeit.

Gianettino. Das ist deine Sorge. Dieser Mensch ist ein Magnet. Alle unruhigen Köpfe fliegen gegen seine Pole. Höre, Kerl! fasse ihn ja recht.

Mohr. Aber, Herr – ich muß flugs auf die That nach Venedig.

Gianettino. So nimm deinen Dank voraus. (wirft ihm einen Wechsel zu.) In höchstens drei Tagen muß er kalt sein. (Ab.) Mohr (indem er den Wechsel vom Boden nimmt). Das nenn’ ich Credit! Der Herr traut meiner Jaunerparole ohne Handschrift. (Ab.)