Inhaltsverzeichnis

Versuch über den Begriff des Republikanismus
Über das Studium der griechischen Poesie
Elegien aus dem Griechischen
Georg Forster
Über Lessing
Vorrede zu Die Griechen und Römer
Über Goethes Meister
Über die Philosophie
Gespräch über die Poesie
Über die Unverständlichkeit
Beiträge zur Geschichte der modernen Poesie
Über die Sprache und Weisheit der Indier
Friedrich Schlegel

Ästhetische & Politische Werke

Versuch über den Begriff des Republikanismus, Über das Studium der griechischen Poesie, Georg Forster, Über Lessing, Über Goethes Meister, Gespräch über die Poesie, Über die Unverständlichkeit
e-artnow, 2017
Kontakt info@e-artnow.org
ISBN 978-80-268-6345-8

Viele Gattungen der alten Poesie sind in dem Zeitalter, auf der Stelle, wo sie sich bildeten und blühten, auch auf ewig verblüht. Ihr Geist hat sich nach den Naturgesetzen der Metempsychose, welche auch im Reiche der Kunst gilt, in andre Gestalten verlohren, oder er ist der Erde gen Olymp entflohen, wie einst die Scham und die Gerechtigkeit vor den wachsenden Greueln des eisernen Geschlechts. Andern Gebilden der Kunst ward mehr als eine Woge in der ewigen Fluth und Ebbe des Lebens zu Theil. Sie durchlebten mehr als einen Sommer der Bildung, und oft entsproßte dem Stamm, der schon verdorrt schien, ein neues Gewächs, dem alten ähnlich, ja gleich, und doch verwandelt.

Nächst dem Epos hat sich diese Metamorphose der sich selbst verjüngenden Poesie nirgends schöner offenbart und bewährt als in der Elegie. So groß war die Lebenskraft oder die Bildsamkeit dieser vielgestalteten Dichtart, daß sie seit ihrem Entstehen fast nie aufgehört hat zu blühen, und daß sie auch noch, nachdem so viele andre Dichtarten untergegangen, oder in Mißbildung entartet waren, den Geist der feinsten und edelsten Bildung athmete, und das Schönste und Reizendste was das Leben und die Kunst dieses Zeitalters noch hatte und haben konnte, in zierlichen Formen für die Nachwelt bewahrte. Auch die Priester andrer Dichtarten huldigten ihr nicht selten, und eine Geschichte der Griechischen Elegie würde nur wenige der großen Stifter und Heroen der Poesie nicht nennen dürfen.

Ja so allgemein ist ihr Karakter, so weltbürgerlich ihre Gesinnung, daß sie es ungeachtet ihrer zarten Weichheit doch nicht verschmähte, die härtere Sprache des großen Roms zu reden, ja sogar aus dem südlichen Mutterlande nach Norden zu wandern. Die Römer glaubten in dieser Kunstart den Griechen näher gekommen zu seyn, und sind ihren Vorbildern hier wenigstens treuer geblieben als in vielen andern Fächern. Unter den Deutschen der jetzigen Zeit hat man das klassische Metrum derselben nachgebildet, und ein Dichter, von dem es nie entschieden werden kann, ob er größer oder liebenswürdiger sey, hat zu seinen frühern unverwelklichen Lorbern auch den Namen eines Wiederherstellers der alten Elegie gesellt.

Sie ist nun nicht mehr bloß eine schöne Antiquität: sie ist hier einheimisch, und lebt unter uns. Wer mag, dieses Wunder vor Augen, misbilligen, wenn jemand glaubte, keine Bestimmung sey der Elegie zu groß, und sich in Vermuthungen über alle die Metamorphosen verlöhre, welche ihr auch die Zukunft wohl bereitet? Wenn aber gleich Ahndungen der Art die Kunstgeschichte umschweben dürfen und müssen, so ists doch gefahrloser und schöner, sich vorzüglich an diese zu halten, und die Gestalt gleichsam vor unsern Augen werden und wachsen zu sehen. Auch ist es dem Gegenstande gemäßer: denn die Elegie umarmt die Gegenwart, aber sie blickt gern in die Vergangenheit, lieber als in die Zukunft. Die natürliche Stimmung der Kunstgeschichte ähnelt bey dieser Dichtart der Stimmung des Künstlers selbst. Man möchte sagen, es sey etwas Elegisches, bey den Bruchstücken der alten Poesie mit stiller Liebe zu verweilen, die gleich Blättern wechselnden Geschlechter der Poesie mit heiterm Ernst zu betrachten, wie sie entstehen und vergehen; die zarte Anmuth der Vorwelt nachzubilden, was man dabey fühlt oder denkt, zu sagen, sie zu uns und uns zu ihr zu versetzen.

Es ist wohlthätig, nach der großen Aussicht auf das unermeßliche Weltall der alten Poesie, nun auch den Blick wieder auf eine Gattung zu beschränken, sich ihr inniger zu nähern, und mit der Theilnahme eines Freundes oder Liebenden in alle Einzelnheiten ihrer Natur und ihrer Geschichte zu folgen, bald nur zu genießen, und bald das Gefühl durch Nachdenken zu erhöhen; und wenn die Art selbst so mannichfaltig und umfassend ist, wie diese, so kann sie den, welcher sie noch nicht genossen, zu jener Aussicht vorbereiten, durch die auch der nicht beschränkte Geist sich weit über sich selbst erhoben fühlt.

Da die Natur der Elegie so historisch, und da Goethe dem Propertius so ähnlich ist, scheint es beynah überflüßig, vor dem irrigen Sprachgebrauch der Neuern, und den damit verknüpften Vorurtheilen, wie vor allen nicht geschichtlichen Begriffen von der Elegie zu warnen. Jener Sprachgebrauch scheint das Wesen der Elegie in klagende Empfindsamkeit zu setzen, welche in dem großen Gebiet der alten nur eine sehr kleine Stelle einnimmt. Zwar redet auch im Mimnermos und Colon eine schöne Trauer über die Nichtigkeit des flüchtigen Lebens; und zur Zeit des Simonides, Pindaros, Euripides und Antimachos verstand man unter Elegie oft vorzugsweise Klaggesänge, besonders über verstorbene Geliebte. Aber wie vieles umfaßte nicht selbst die alte und mittlere Elegie der Griechen, was außerhalb der Gränzen jenes Begriffs liegt? Schlachtgesänge voll befehlender Würde und geflügelter Kraft, wie die von Kallinos und Tyrtaeos, sinnreiche Bemerkungen und Einfälle über die Natur sittlicher und über die sittlichen Verhältnisse natürlicher Dinge, wie die von Theognis und viele von Solon und Mimnermos. Und die Muse der spätern Elegie, welche die sonst das Aeltere gern vorziehenden Griechen am höchsten schätzten, und die Römer mit Bewunderung nachbildeten, ist die befriedigte Sehnsucht, die glückliche Liebe (voti sententia compos). Sie ist ganz der Anmuth geweiht, und der Leidenschaft. Nachläßig und reizbar wie sie ist, liebt sie erotische Tändeleyen und verirrt auch wohl in priapejische Gemählde.

Die Bruchstücke dieses Zeitalters, in welchem die elegische Kunst nach dem Urtheile der Alten ihren Gipfel erreichte, zuerst zu übersetzen und zu erklären, schien auch darum das schicklichste, weil diese der vollständiger erhaltenen und uns bekanntern römischen Elegie näher liegen, und doch von diesem Standpunkt aus die Aussicht auf die ältere Griechische Elegie nicht mehr so ganz entfernt ist. Auch sind die Bruchstücke glücklicherweise von der Art, daß sie viel Stoff und Veranlassung zum Nachdenken über die eigentliche Natur der Elegie geben können, dir hier schon auf Nebenwegen zu lustwandeln scheint; und doch, wenn erotische Anmuth und Bildung die Seele der spätern Griechischen Elegie sind, kann wohl nichts elegischer gefunden werden, als das köstliche Bruchstück des Hermesianax.

I. Bruchstück von Phanokles.

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Das Werk, zu welchem diese Stelle von der Liebe des Orpheus zum Kalais gehörte, hieß die Schönen oder die Eroten; eine mythische Elegie von den berühmten Knaben und Jünglingen der Vorzeit und von der Liebe der Götter und Helden zu ihnen; eine erotische Sagenlehre oder Archaeologie. Die Richtung dieser Liebe aufs männliche Geschlecht kann derjenige, welcher es nicht anerkennt, daß Schönheit das einzige Gesetz und die wahre Sittlichkeit der Empfindungen ist, daß der freye Mensch unnatürlich seyn darf, und daß manches, was an sich Verirrung ist, für eine bestimmte Zeit und Stufe der Entwicklung nothwendig und also auch gut seyn kann, am besten für bloße Poesie halten, ohne dabey länger zu verweilen, als um sich zu erinnern, daß Apollo und Hyakinthos Trotz jenes Fehlers doch wohl natürlicher und gesitteter seyn könnten, als alle, die dagegen reden.

Oder wie einst, von Oeagros erzeugt, der Thrakier Orpheus,
    Kalais aus dem Gemüth liebte, des Boreas Sohn.
Oftmals saß er nunmehr in den schattigen Hainen, besingend
    Sein Verlangen, und nie war ihm der Busen in Ruh.
Sondern im Geiste geheim schlaflose Bekümmerniß immer
    Härmt' ihn, er schaute nur an Kalais blüh'nde Gestalt.
Aber die Bistoniden, umdrängend, tödteten jenen,
    Grausame, welche für ihn schneidende Schwerter gewetzt,

Weil er im Thrakischen Volke zuerst die männliche Liebe,
    Hatte gelehrt, und nicht weibliches Sehnen erfüllt.
Und sie hieben sein Haupt mit dem Erz ab, warfen alsbald es
    In die Thrakische See hin mit der Laute zugleich,
Fest mit dem Nagel daran es heftend, daß in dem Meere
    Beyde zusammen genetzt schwommen von blaulicher Flut.
An die heilige Lesbos nun spülte sie dunkel das Meer an.
    Da sich der Leyer Getön über die Wellen erhob
An die Inseln und Küsten, die salzbeschäumten, begruben
    Männer das hell vordem tönenden [sic] Orphische Haupt;
Legten die Laut' ins Grab, die klingende, welche die stummen
    Felsen, des Phorkos sogar grause Gewässer besiegt.
Seitdem waltet Gesang und der Saiten gefällige Kunst dort,
    Unter den Inseln ist keine so liederbegabt.
Als die streitbaren Thraker der Frau'n feindselige Thaten
    Hörten, und alle darum schrecklicher Kummer befiel:

Zeichnete jeder die Gattin, damit sie, die schwärzlichen Punkte
    Tragend am Leibe, hinfort dächten des grausenden Mords.
Also zahlen dem Orpheus bis jetzt, dem erschlagnen, die Weiber
    Bußen für jene Gräu'l, welchen [sic] an ihm sie verübt.

Die schöne Einfachheit, welche dieses Bruchstück unterscheidet, und ihm Ansprüche auf ein verhältnismäßig höheres Alterthum zu geben scheint, gefällt auch in dem noch erhaltenen Distichon desselben Dichters:

Aber der Mören Gespinnst ist unauflöslich, und niemand
    Kann ihm entgehn, so viel unser die Erde nur nährt.

Zwar kann die Zeit, wenn Phanokles lebte und blühte, nicht mit Genauigkeit bestimmt werden. Wenn es aber auch gar keine Winke darüber gäbe, so würde ihm doch schon der in dem Bruchstücke vom Orpheus sichtbare Hang, alte Sitten sinnreich durch alte seiner Absicht gemäß ausgebildete und der Gegenwart angeschmiegte Sagen zu erklären, seine Stelle in der Periode der elegischen Kunst anweisen, wo die Dichter zugleich auch Gelehrte, Liebhaber und Kenner des schönen Alterthums, waren, und wo die erotische Poesie, nicht zufrieden, die lieblichen Freuden der Gegenwart, die zarte Leidenschaft des Dichters selbst, durch eine gebildete Darstellung zu verewigen, auch die Vergangenheit nach ihrer eigenthümlichen Ansicht verwandelte, und die Gestalten der Vorwelt mit dem Geist der reizendsten Sinnlichkeit neu beseelte.

II. Bruchstück des Hermesianax.

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Die Griechische Poesie hat einen entschiedenen und ursprünglichen Hang, die Vergangenheit und die Gegenwart zu verweben und zu verschmelzen. Auch wenn sie, um sich zu vervielfältigen, sich in bestimmte Arten theilt, und nur auf ein Stück ihrer vollständigen Bestimmung beschränkt, weiß sie durch Abschweifungen, die doch immer wieder auf den Hauptzweck zurückführen, ihren Sinn für das Weltall zu offenbaren. Sie spielt wenigstens in Bildern, Beziehungen, Gleichnissen und Beyspielen in die angränzenden Gebiete hinüber, und erhebt sich über die Schranken ihrer Gattung ins Unendliche, ohne doch dem Gesetz ihrer einmal angenommenen Eigenthümlichkeit im mindesten untreu zu werden, weil sie sich das Fremdartigste zu verähnlichen weiß und die Welt umzubilden und anzueignen strebt.

So liebt das alterthümliche Epos Beschreibungen und Gleichnisse aus der lebendigsten Gegenwart der Natur; und so liebt die leidenschaftliche Elegie mythische Beyspiele auszuwählen, und in schöne Kränze zu flechten. Sie spart die Blumen nicht und liebt auch hier den geschwätzigen Überfluß, wie die weiche Empfindung selbst, deren schöner Ausdruck sie seyn will. Alles was dazu mitwirken kann, mag es sich noch so sorglos im Lustwandeln zu verirren scheinen, geht doch grade zum Ziel und kann in ihr nicht eigentlich Episode genannt werden.

Auf diesem Wege hatte sich auch die klagende und tröstende Elegie des Antimachos über den Tod seiner geliebten Lyde zu einem Werke von weitem Umfang entfaltet: und nach einigen Bruchstücken zu urtheilen enthielt auch die größte Elegie des Mimnermos auf seine geliebte Nanno viel alte Sage.

Auf eine ähnliche Weise führt Hermesianax in dem merkwürdigsten aller elegischen Bruchstücke seiner Freundin Leontion, nach welcher eine Sammlung seiner Elegien in drey Büchern benannt ward, das Beyspiel der größten Dichter und Denker in der einfachsten Ordnung an, indem er das Schönste und Eigenthümlichste von dem, was die Poesie oder die Geschichte über die berühmtesten Leidenschaften erzählte und darbot, mit leichter Hand hervorhebt, und bedeutsam und zierlich ausbildet; mit einer Fülle von Geist und Dichtung, die gedrängt ist, und doch leicht, zart und flüchtig.

So anziehend das kostbare Stück dem Liebhaber der Poesie und des Schönen durch seine unbeschreibliche Anmuth, und dem Freund der alten Geschichte durch die Menge interessanter Anspielungen und Andeutungen ist, so merkwürdig ist es denen, welche die Kunst üben, die schriftlichen Denkmahle und Bruchstücke des klassischen Alterthums zu ergänzen und zu reinigen, durch seine Verdorbenheit. Nachdem es durch Ruhnkenius zuerst gerettet worden war, hat es Ilgen durch seine unermüdlichen Bemühungen vollständiger lesbar gemacht, mehre von jenem unberührt gelassene Schäden mit leichter und glücklicher Hand geheilt, hie und da auch die alte Leseart durch eine bessere Auslegung gerettet. Diesen ist der Übersetzer größtentheils gefolgt, doch hat er einige Male die alte von Beyden verworfne Leseart anders erklärt und beybehalten. Lücken in der Übersetzung zu lassen, wo die Vermuthungen nicht ganz sicher waren, schien ihm durchaus zweckwidrig. Man mag noch so sehr gegen das Ergänzen alter Statuen seyn, so müssen doch die abgestoßnen Nasenzipfel angesetzt werden, weil die Gesichter sonst gar zu verschimpft aussehn. Das Emendiren ist überdem eine Ergänzung, die ohne Schaden der Statue wieder abgenommen werden kann, und der Übersetzer verrichtet es nun vollends an einen [sic] Gipsabguß. Es kommt weniger darauf an, welche unter zwey doch nicht ganz unähnlichen Beschaffenheiten dieser oder jener Stelle die richtige ist, als auf den Geist und Karakter des Gedichts im Ganzen.

Gleichwie Agriope'n auch der geliebte Sohn des Oeagros,
    Heim, mit der Cither bewehrt, führte, dem Thrakischen Spiel,
Aus dem Hades; und schifft' an unerbittlicher Stätte,
    Dort wo Charon drängt in das gemeinsame Boot
Seelen der Abgeschiednen, und wo fernhallend der See tobt.
    Wie er die Flut hinwälzt durch das gewaltige Schilf.
Aber es wagt' an den Wogen die Cither einsam zu spielen
    Orpheus, und lenkte den Sinn nächtlicher Götter beredt.
Auch den Kokytos bestand er, den unter den Brauen unselig
    Lächelnden und das Gesicht jenes entsetzlichen Hunds,
Dem entflammt die gellende Stimm', und entflammt ist das Auge,
    Wild, mit welchem der Kopf, dreyfachgetheilet, erschreckt.
Dort nun Gesang anhebend, erweicht' er die hohen Gebieter,
    Das Agriope Hauch liebliches Lebens empfing,

Auch der Mene Sohn ließ unverherrlicht im Liede
    Nimmer Musaeos, der Huld Liebling, Antiope seyn,
Die, an Eleusis Fuß, der gefeyerten Mutter und Tochter
    An mit geheimem Sinn stimmte das Jubelgeschrey.
Wann sie Demetern dienend, der Rharischen, festlichen Klanges,
    Orgien hielt: sie ist selbst noch im Hades berühmt.
Ferner sag' ich, sein väterlich Haus um die Fremde verlassend,
    Habe Hesiodos sich reichlich mit Wissen geziert,
Gern gewandt nach Askraea, dem Helikonischen Flecken.
    Um Eoea bemüht, um die Askraeerin dort,
Duldet' er viel, und schrieb der Heldinnen sämtliche Bücher,
    Wo mit des Mädchens Preis jeglicher Hymnus beginnt.

Jener Sänger sogar, den Zeus Verhängniß beschirmet,
    Aller, die Musendienst üben, geliebtester Gott,
Strebte zum ärmlichen Ithaka hin, der große Homeros,
    Mit Gesängen, zu lieb, kluge Penelope, dir.
Viel ausstehend um sie, betrat er das kleinere Eiland,
    Ließ sein Geburtsland fern räumig an Fluren, zurück.
Also weinet' er Ikaros Stamm, und das Volk des Amyklas,
    Sparta auch, und gedacht' eigenes Kummers dabey.
Aber Mimnermos ferner, der diesen lieblichen Ton einst,
    Vieles duldend, erfand, lindes Pentameters Hauch,
Brannte für Nanno: und oft, erschöpft von den vielen Gefechten,
    Wandelt' er kraftlos schon, mit zu dem Schmause gesellt.
Doch Hermobios haßt' er, den lästigen; und dem Pherekles,
    Zürnend wie seinem Feind, sandt' er ein solches Gedicht.

Auch Antimachos hat, von der Liebe zum Lydischen Mädchen
    Lyde vcrwundet, des Stroms Flut, des Paktolos, berührt.
Als er die Urne der Todten verwahrt in trockenem Boden
    Mit Wehklag' und Gestöhn, kam er, verlassend das Land,
Hin zu Kolophons Höhe, und erfüllte mir Trauer die Bücher,
    Ihr geweiht: ihm gab Linderung jegliches Leid.
Auch wie viel Alkaeos, der Lesbier, Weisen gelehrt hat,
    Sappho tönend, der Brust lieblich erregte Begier,
Weißt du: es liebte der Sänger die Nachtigall, oft mit des Liedes
    Klug geordnetem Sinn ängstend den Tejischen Mann.
Denn es gesellte zu ihr der süße Anakreon auch sich,
    Wann sie geschmückt in der Schaar Lesbierinnen erschien.
Samos verlassend nun wandert er oft, und oft der Geburtsstadt
    Traubenbegabte Flur, unter dem Speere gebeugt,

Zur weinblühenden Lesbos: es sah von drüben ihn oftmals
    Lektons Vorgebirg auf dcm Aeolischen Meer.
So die Attische Biene, vom hügelreichen Kolonos
    Kommend, wann sie den Reihn führte des tragischen Chors,
Sang den Bakchos und Eros; es weckte Theoris Gestalt erst
    Anmuth, welche von Zeus Sophokles eigen bekam.
Auch von jenem sag' ich, dem stets sich bewachenden Manne,
    Welcher von Jugend auf hegend den Haß, an den Frauen
Alles an allen verfolgte: verletzt von dem krummen Geschosse
    Hab er nicht zu entfliehn nächtlichen Qualen vermocht.
Er durchirrte die Au'n Makedoniens, viel um Aegino,
    Die als Schaffnerin dort dient' Archelaos, bemüht.
Bis dann endlich ein Gott dem Euripides sandte Verderben,
    Da er in Todesnoth grimmigen Hunden gewehrt.

Aber der Mann aus Kythere, von pflegenden Musen erzogen,
    Der, von ihnen gelehrt, treuester Ordner dem Spiel
Bakchos war und der Flöte, Philoxenos: wie er von Klagen
    Abgehärmt, einmal reiste durch unsere Stadt,
Weißt du ja; du vernahmst die Sehnsucht nach Galatea,
    Die er der Heerden sogar zartem Geschlechte geliehn.
Kennst du den Sänger doch auch, den Eurypylos Bürger, die Koer,
    Schön aufstellten aus Erz, unter des Platanus Laub:
Wie er die flüchtige Bittts besang, Philetas; mit Schmachten
    Alle Worte, den Fluß alles Gekoses erfüllt.
Nicht auch jene sogar, so viel der Menschen das strenge
    Leben gestiftet, und ernst klügelnde Weisheit erforscht,
Die schwerlastend mit Schlüssen bestrickt ihr eigener Tiefsinn,
    Und die Tugend, des Ruhms würdig, die harte, geschätzt:

Selbst nicht diese entgingen den schrecklichen Kämpfen des Eros,
    Unter des schrecklichen Gotts lenkende Zügel gebracht.
Gleichwie Pythagoras einst, den Samier, Liebesbethörung
    Band an Theano; der klug Räthsel der Geometrie,
Linien schlingend, erdacht, und so weit der Äther den Kreis wölbt
    Wohl nachahmend geformt alles an winzigem Ball.
Oder wie Kypris, erzürnt, ihn, welchem es ziemt', in der Weisheit
    Vor dem Haufen des Volks groß zu erscheinen und hoch.
Wärmte mit mächtiger Glut, den Sokrates: nun mit dem tiefen
    Geist ergründet' er nur Sorgen von leichterm Gehalt
Immer besuchend das Haus Aspasiens; konnte kein Ende
    Finden, da er so viel Krümmen der Schlüsse doch fand.
Den von Kyrene auch zog über den Isthmos Verlangen,
    Als er in Lais Netz fiel, der Korinthierin,
Aristippos, der kluge: da mied er der Weisen Gespräche
    Abgeneigt; ihm floh nichtig das Leben dahin.

So reich und beziehungsvoll ist diese zierliche Rhapsodie von reizenden Epigrammen, daß es auch dem schnellsten Sinn selbst bey vertrauter Bekanntschaft mit dem behandelten Stoff schwer ja unmöglich fallen dürfte, gleich beym ersten Eindruck alle Feinheiten des Künstlers wahrzunehmen. Seiner Absicht gemäß, die unwiderstehliche Macht der zärtlichen Sehnsucht durch große und schöne Beyspiele zu offenbaren, umfaßt er gleichsam alle Zeitalter der Bildung und der Geschichte von den ehrwürdigen Stiftern uralter Mysterien, den dichtenden Priestern der grauen Vorzeit, bis zu seinem Freunde und Zeitgenossen, dem also schon damahls hochgeehrten und von Propertius und Ovidius so oft gefeyerten Philetas, bis zu dem auch in der Vaterstadt des Hermesianax, dem dichterreichen Kolophon, bekannten Philoxenos, dem geistvollsten und ausschweifendsten Virtuosen des üppigsten Zeitalters und der gesetzlosesten Dichtart. Alles weiß er zu brauchen und zu bilden; allegorische Priestersagen, wie die vom Orpheus; Anekdoten vom Leben der Dichter, die oft auch durch Dichter entstanden, oder ausgeschmückt waren, wie die Weiberfeindschaft des Euripides durch eifersüchtige Komiker, und wie die gegen die Zeitrechnung erdichtete Liebe des Anakreon vielleicht der neuern Komödie ihr Daseyn verdankt, die auch als erste oder zweyte Quelle der Liebe der Sappho zum Phaon zu betrachten ist; die Werke der Dichter selbst, wie bey Mimnermos und Antimachos, die ihm durch das doppelte Band des gemeinsamen Vaterlandes und der gemeinsamen Kunstart näher waren und auch in seiner Behandlung nebst dem Philetas mit besondrer Liebe und noch genauerer Unterscheidung des Eigenthümlichen hervorgehoben scheinen könnten. So auch bey Sappho und Alkaeos, der nicht glücklich liebte, nach einigen noch vorhandnen Versen von jener an ihn zu urtheilen, die in ihrer Einfalt etwas Zartes und Hohes haben; so auch beym Philoxenos, der selbst in den Latomien, in welche ihn der Tyrann, der sein Nebenbuhler war, werfen ließ, weil er die Galatea verführt hatte, ein Gedicht von der damahls schon über ihre Gränzen auf die Wege andrer Gattungen ausschweifenden dithyrambischen Gattung, welches den alten satyrischen Dramen nachstreben mochte, worin er mit Anwendung der alten Sage auf sein Unglück den Dionysios als Kyklopen, die geliebte Flötenspielerin als Galatea und sich als Odyßeus darstellte. Überhaupt würde man sehr irren, wenn man glaubte, der Liebe der alten Poeten, die freylich nicht so um die Begriffe der Ehre und die Bilder des Himmels tändelte oder anbetete, wie die romantische habe irgend ein Reiz gefehlt, den die geistreichste Geselligkeit, die reizbarste Leidenschaftlichkeit bey gebildeter und schöner Sinnlichkeit und ein zartes Gemüth verleihen können. Eben so die Liebe der Philosophen, an denen der Dichter, der die ganze Welt nur aus einem elegischen Standpunkt betrachtet, die Gewalt der Liebe wie durch einen Gegensatz zeigt; schon daß sie liebten, scheint ihm außerordentlich, da er hingegen bey den Dichtern die außerordentliche Art, wie sie ihre Liebe durch wunderbare Thaten oder durch ewige Werke bewährten, hervorzuheben sucht. Alles strebt er zu elegisiren, und auch das verschiedenartigste weiß er näher zu rücken, ähnlich zu gestalten und freundlich zu verbinden, so daß das Ganze wie aus einem Guß ist; und wenn er so ungleiche Gegenstande, wie die weise Freundin des strengen Pythagoras, die gebildete Aspasia, die erste Frau ihres Zeitalters in allen geselligen Künsten, und Lais, welche in dem seiner Hetären wegen berühmten Korinth den Preis in der Üppigkeit und Verführung verdienen konnte, in gewissen [sic] Sinn als gleich und auf gleiche Art behandelt; so weiß er doch überall das Eigenthümliche mit der feinsten Schicklichkeit herauszuheben, wie zum Beyspiel beym Sophokles die nach den Alten ihm ganz eigne Süßigkeit. Beym Homeros und Hesiodos, wo ihn Sage und Geschichte verließ, und keine Geliebte nannte, hilft er sich, da der Ruhm der Gattung und der Männer zu glänzend war, um in dieser Auswahl des Köstlichsten fehlen zu dürfen, mit einer absichtlich offenbaren Erdichtung. Es ist ihm freylich der heiligste Ernst, und er ist dabey mit ganzem Gemüthe: aber er lächelt dann auch wieder über seinen Gegenstand, über sich selbst, und die an seinem Stoff verübte Willkühr mit unschuldiger Schalkheit und kindlicher Anmuth. Er weiß um seine Kunst, und über sie spottend gefällt er sich doch mit ihr und zeigt sie gern.

Der wunderbare und unauflösliche Zauber, der aus diesem Gemisch von Liebe und Witz, von schmachtender Hingegebenheit und geselliger Besonnenheit hervorgeht, darf auch für die nicht ganz verlohren gehn, welche aus Unkunde der alten Geschichte, bey der Betrachtung und dem Genuß dieses Bruchstücks das entbehren müssen, was die frühere Bekanntschaft mit dem Stoff und die Vergleichung desselben mit der Behandlung und Ausbildung des Dichters gewährt. Ersetzen kann es ihnen eine die Übersetzung begleitende Einleitung oder Nachschrift in diesem Falle um so weniger, da schon die Erläuterung des Erwähnten, wenn sie vollständig seyn sollte, sich leicht so ausbreiten könnte, daß man den Text selbst darüber aus den Augen verlöhre, und da man um die künstliche Weisheit der Auswahl ganz zu verstehen, auch das wissen müßte, was der Dichter auf seinem Wege unerwähnt liegen ließ.

Bedeutender und gefälliger Schmuck ist ein wesentliches Bedürfniß und eine schöne Zierde der menschlicher [sic] Natur und der menschlichen Kunst. Auch die Poesie liebt ihn mit angebohrner Neigung. Der wahre Dichter ist unbeschränkt frey: aber selbst seine Abwege werden ihn zum Ziele führen, und in einem ächten Kunstwerk wird selbst das, was nur Putz scheint, so innigst vom Geist des Ganzen beseelt seyn, wie das mitausdrückende Metrum und die Sprache in der Art, Stellung und Bildung der Wörter der eigensten Eigenthümlichkeit des Werks und seiner Gattung entspricht. Was man im Gegensatz dieser grammatischen und metrischen die poetische Ausbildung der Poesie nennen könnte, darf eben so wohl auch an sich gewürdigt werden, und Bedeutsamkeit, gesetzliche Freyheit in Verhältnis zu seinem Ganzen, eine gewisse Entfaltung und Steigerung, und vor allem jene Umgestaltung, durch die, was uns schon bekannt war, nun wieder neu erscheint, sind Eigenschaften, die jedes Gleichniß, Beyspiel oder Bild besitzen muß, ohne Rücksicht auf das Einzelne und die besondre Art. Aus diesem Gesichtspunkte hat das Bruchstück des Hermesianax noch außer seiner elegischen Vortrefflichkeit eine gleichsam eigenthümlichere und selbständigere: denn an Zierlichkeit und Zartheit der poetischen Mahlerey durfte diese Reihe kleiner Kunstwerke wohl vor allen den Kranz erhalten. Wenn die Beschreibungen der alten Tragödie reich und groß gegliedert mit architektonischer Festigkeit wie für die Ewigkeit dastehn; wenn in der Pindarischen Poesie oft eine hohe Gestalt von einfachen und allgemeinen Zügen sanft vor uns zu ruhen oder in mildem Glanz zu schweben scheint: so möchte man diese Bilder des Hermesianax an sorgloser Lebensfülle mit den erhobenen Arbeiten, an zierlicher Sorgfalt mit den geschnittnen Steinen des Alterthums vergleichen.

III. Das Bad der Pallas von Kallimachos.

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Dieses in der Sprache und auch durch eine gewisse Vorliebe für gymnastische Bilder zum dorischen Styl sich neigende Gelegenheitsgedicht war für ein Fest von der Gattung bestimmt, in welchen eine Handlung der Gottheit vorgestellt ward, bloß wie zum Spiel ohne alle Bedeutsamkeit und Beziehung auf ihre Geheimnisse, und welche der Natur nur eines Geschlechts, Alters oder Standes angemessen, und im Vergleich mit den großen Volksversammlungen und Kampfspielen, wo jeder freye Hellene seine Kraft und Geschicklichkeit versuchen und beweisen durfte und sollte, sehr eng umschränkt waren; so eng, daß ihre Vortrefflichkeit eben in ihrer Eigenthümlichkeit bestand. Wenn an dem Feste selbst dem Sinne blühender Jungfrauen von edelstem Geschlecht einer dorischen Stadt von altem Glanz alles so entsprach, wie in diesem elegischen Festgesange des sinnreichen und gelehrten Kallimachos, so war es in seiner Art gut und schön, und entsprach dem kleineren Zwecke, die natürlichen Gelegenheitsgedanken grade dieser Gattung verschönernd zu bestätigen, mit achtungswürdiger Treue.

Badegehülfinnen ihr der Pallas, gehet, ihr alle
    Gehet hervor! Ich hört' eben des Rossegespanns
Wiehern, des heiligen, schon; bereitet naht sich die Göttin.
    Eilt, blondlockige, nun! eile, Pelasgierin!

Niemals hat Athenäea [sic] die mächtigen Arme gewaschen,
    Eh sie den Rossen den Staub ab von den Weichen geschwemmt;
Nicht selbst, als sie mit Blut überall besudelte Waffen
    Tragend, vom frechen Heer Erdegebohrener kam.
Sondern vor allen zuerst der Pferde Nacken vom Wagen
    Löste sie, spülte dann ab in des Okeanos Quell
Schweiß und besprengende Tropfen, und reinigte ganz den verdickten
    Schaum von ihren gebißknirschenden Mäulern hinweg.
Geht, o Achaeerinnen! Noch Balsam, noch Onyxgefäße,
    (Hör' ich die Axe nicht schon laut in den Naben sich drehn?)
Balsam, ihr Badegehülfinnen, nicht, noch Onyxgefäße,
    (Denn Athenaea liebt nicht ja der Salben Gemisch)
Bringet, noch Spiegel, herbey. Schön glänzt ihr immer das Auge.
    Nicht da der Phryger den Zwist dort auf dem Ida entschied,
Schaute die große Göttin in Orichalkon, und nicht auch
    In durchsichtige Flut, Simois Wirbel, hinab;

Noch auch Hexe; nur Kvpris, das strahlende Erz in den Händen,
    Ordnete zweymal oft eben dasselbige Haar
Jene, wann sie der Bahnen an zweymal sechzig durchmessen,
    Wie an Eurotas Rand pflegte das Doppelgestirn
Lakedaemons, dann rieb, wohlkundig, sie nur die geringe
    Salbe sich ein, vom ihr eignen Gewächse gezeugt:
O ihr Mädchen! es hob die Röthe sich ihr, wie die frühen
    Rosen, oder das Korn in der Granate gefärbt.
Darum bietet allein auch jetzt das männliche Oel ihr,
    Welches den Kastor, womit selber Herakles sich salbt.
Bringt ganz golden ihr ferner den Kamm, damit sie das Haupthaar
    Ebnend, streiche mit ihm glänzende Locken hindurch.
Geh, Athenaea, hervor! schon harrt die willkommene Schaar dein:
    Jungfrau'n alle, dein groß Akestoridengeschlecht.
O Athene! es wird auch der Schild Diomedes getragen,
    Wie den Argeiern einst diesen bejahrten Gebrauch

Hat Eumedes gelehrt, der der gefällige Priester,
    Welcher, da er erfuhr, daß den beschlossenen Tod
Ihm bereite das Volk, durch Flucht dein heiliges Bildniß
    Mit sich entriß, ins Gebirg Kreons darauf sich begab,
Kreons Gebirg; und dich, du Göttliche, barg in den Klüften
    Schroffer Felsen, daher jetzt Pallatiden genannt.
Komm, Athenaea, du Städteverwüsterin, goldengehelmte,
    Die an der Rosse sich freut, und an der Schilde Getös!
Heute taucht nicht ein, ihr Wassertragenden; heute
    Trinkt von den Quellen bloß Argos, und nicht von dem Strom.
Heute traget, ihr Mägde, die Krüge zum Born Physadea;
    Oder, des Danaos Kind, füll' Amymone sie euch.
Denn es wird, mit Blüthen und Gold die Gewäßer vermischend,
    Von viehweidenden Höh'n Inachos kommen herab,
Führend ein Bad für Athene, ein liebliches. Aber Pelasger,
    Sorge, die Königin nicht wider Begehren zu sehn!
Denn wer Pallas nackt, die Städtebeschützerin, anschaut,
    Der hat dieses zuletzt unter den Dingen erblickt.
Geh, Athenaea, hervor, Ehrwürdige! Diesen erzähl' ich
    Unterdessen; es ist Andrer die Sage, nicht mein.

Mädchen, es liebt' einmal Athenaea der Nymphen in Thebe
    Eine so sehr, zog weit allen Gespielinnen vor
Sie, des Tiresias Mutter; und niemals schieden die beyden.
    Sondern, wenn sie nunmehr Thespiäs altes Gebiet,
Jetzo Koronea, und jetzt Haliartos besuchte,
    Durch der Boeoter Flur lenkend ihr schönes Gespann;
Jetzo Koronea, wo lieblich duftend ein Hain ihr
    Grünt, wo Altär' am Strom dort des Koralios stehn:
Oftmals stellte die Gottin sie neben sich dann auf den Wagen.
    Weder der Nymphen Geschwätz, weder der Reigen im Chor
War ihr süß und gefällig, wenn nicht anführte Chariklo.
    Aber es warteten noch häufige Thränen auf die,
War sie gleich Athenaea's gcmüthliche liebe Genossin.
    Denn da sie einst des Gewands haltende Spangen gelöst
Am schönfließenden Born des Helikonischen Rosses,
    Badeten sie; das Gebirg ruht' in der Mitte des Tags.
Nur mit den Hunden noch Tiresias, eben am Kinne
    Zart gebräunt, umirrt' einsam den heiligen Ort.
Folgend unlöschbarem Durste, gelangt' er zur Welle des Bornes,
    Armer! und sah ungern, was zu erschauen nicht ziemt.
Aber, obschon erzürnt, doch redet' ihn an Athenaea:
    Was für ein Gott, o du, welcher die Augen von hier
Nie wegträgt, Eueride, hat schadenden Weg dich gcführet?
    Also sprach sie, es fiel Nacht auf des Jünglinges Blick.
Dieser stand sprachlos; denn Weh' umstrickte die Kniee
    Fest ihm, die Stimme hiclt bange Bestürzung zurück.
Aber es schrie die Nymphe: Was thatest du mir an dem Knaben,
    Hohe? Der Freundschaft Bund, Göttinnen, ehrt ihr ihn so?
Mir zu entreißen des Sohnes Gesicht! Du hast Athenaea's,
    Mein unglückliches Kind, Hüften und Brüste gesehn.
Aber du schauest die Sonne nicht mehr. O wehe mir Armen!
    Helikon! künftig von mir nimmer betretnes Gebirg!
Kleines vergiltst du mit Großem fürwahr: um wen'ge Gazellen,
    Wenige Rehe gebracht, nimmst du die Augen des Sohns.
So den geliebten Knaben mit beyden Armen umschlingend,
    Hob die Mutter nun an, weinend, das Jammergetön
Klagender Nachtigallen. Und ihrer Genossin erbarmte
    Gleich sich die Göttin, und sprach tröstende Worte zu ihr:
Herrliches Weib, nimm alles zurück, so viel du im Zorne
    Vorgebracht, nicht ich habe geblendet dein Kind.
Ist es ja doch Athenaeen nicht süß, die Augen der Knaben
    Weg zu rauben; doch so saget des Kronos Gesetz:
Wer der Unsterblichen einen, wofern der Gott es nicht selber
    Wählet, erblickt, dem kommt theuer das Schauen zu stehn.
Herrliches Weib, was geschah, nicht wiederruflicher Art ists,
    Weil es also mit ihm lenkte der Mören Gespinnst,
Damals, als du ihn eben gebahrst: du aber empfange,
    O Eueride! nunmehr jenes beschiedene Loos.
Ach wie viel wohl böte dereinst Brandopfer Kadmeis,
    Und Aristaeos wie viel, flehend, den einzigen Sohn,
Blühend in zarter Jugend, Aktaeon blind nur zu sehen!
    Und Mitjäger ja wird dieser der mächtigen seyn,
Artemis; aber es rettet noch Jagd, noch auf den Gebirgen
    Oft gemeinsam geübt, Zielen des Bogens ihn dann
Wann er, obschon unwillig, der Göttin liebliches Bad sieht,
    Sondern ihn werden selbst, ihren Gebieter zuvor.
Eigene Hund' aufzehren; die Mutter wird die Gebeine
    Sammeln des Sohns, umher streichend im Wald' überall.
Und sie wird Glückseligste dich, und Gesegnete nennen.
    Daß du geblendet den Sohn auf den Gebirgen empfingst.
O Genossin, deshalb nicht jammere! Diesen erwartet,
    Dir zu Liebe, von mir mancherley Ehrengeschenk.
Denn ich mach' ihn zum Seher, besungen von kommenden Altern,
    Daß er weit in der Kunst rage vor allen hervor.
Kennen soll er die Vögel: was günstige, welche nach Willkühr
    Fliegen, und welche Art schädliche Fittige schwingt.
Viel Verkündungen wird den Boeotern, viele dem Kadmos
    Er weißagen, und einst Labdakos großem Geschlecht.
Einen Stab auch will ich, der recht ihm lenke die Füße,
    Und vieljährigcs Ziel will ich dem Leben verleihn.
Er allein, wann er stirbt, wird unter den Schatten verständig
    Wandeln umher, von des Volks großem Versammler geehrt.
Sprach es und winkte dazu; untrüglich ist aber, was winkend
    Pallas verheißt: denn dieß gab von den Töchtern allein
Zeus Athenaeen, zu erbcn vom Vater jegliches Vorrecht.
    Keine Mutter, wißt, brachte die Göttin ans Licht,
Sondern die Scheitel des Zeus. Zeus Scheitel winket Betrug nie;
    Unvollendet auch nicht blieb, was die Tochter gewinkt.

Augenscheinlich nun naht Athenaea sich; aber die Göttin,
    Ihr Jungfrauen, empfangt, denen die Sorge gebührt,
Mit lobredendem Munde, mit Jubelgeschrey! und Gebeten.
    Heil dir, Göttin! beschirm' Argos Inachische Stadt.
Heil dir, wann du sie treibest hinaus, und wieder herbey lenkst
    Deine Ross', und verleih Segen des Danaos Land.

Wenn schon die Richtung des Ganzen an bestimmte Personen, das Gegenwärtige, Lokale, die plötzlichen Sprünge des hervortretenden Dichters diesen elegischen Hymnus, der von allen epischen des Kallimachos von Grund aus und unendlich verschieden ist, der lyrischen Gattung, auch nach allgemeineren, noch nicht durch die Strenge der scheidenden Kunst bestimmten Begriffen von derselben, aneignet: so könnte eine Geschichte, welche ein so seltsames Gemisch von Willkühr und Nothwendigkeit, von Zufall und Absicht enthält, für die Elegie, welche so gern mit streitenden Empfindungen spielt, und Widersprüche verkettet, ein sehr angemessener und glücklicher Stoff scheinen. In jedem Fall wäre die Voraussetzung, die Beschaffenheit des Rhythmus, der überall in der alten Poesie der Natur des Ganzen wunderbar innig und tief entspricht, könne bey einem so absichtsvollen Künstler zufällig seyn und von keiner Bedeutung, durchaus geschichtswidrig[.]

Vergleicht man diese Elegie des Kallimachos mit dem Bruchstücke des Hermesianax, so kann es befremden, daß jener der berühmtere war. Ohne uns in Vermuthungen darüber zu verlieren, ob diese Sonderbarkeit des Kunsturtheils der Alten eben so natürlich und nothwendig war, wie das verschiedene Vorziehen der Ilias und der Odyssee bey den Alten und bey den Neuern, müssen wir nur kurz erinnern: daß der elegische Hymnus des Kallimachos wie seine elegischen Epigramme doch nur eine Nebenart war, und daß wir nur aus seinen erotischen Elegien würden beurtheilen können, warum er für das Haupt seiner Gattung gehalten ward. Er konnte wie der überströmende Philetas leidenschaftlicher, antithetischer, ja sogar gefeilter seyn, wenn er gleich an natürlicher Anmuth den Hermesianax nie erreicht haben kann.

Über die Sprache und Weisheit der Indier

Inhaltsverzeichnis
Vorrede.
Erstes Buch. Von der Sprache.
Erstes Kapitel. Von der indischen Sprache überhaupt.
Zweites Kapitel. Von der Verwandtschaft der Wurzeln.
Drittes Kapitel. Von der grammatischen Structur.
Viertes Kapitel. Von zwei Hauptgattungen der Sprachen nach ihrem innern Bau.
Fünftes Kapitel. Vom Ursprunge der Sprachen.
Sechstes Kapitel. Von der Verschiedenheit der verwandten und von einigen merkwürdigen Mittelsprachen.

Zweites Buch. Von der Philosophie.
Erstes Kapitel. Vorläufige Bemerkungen.
Zweites Kapitel. System der Seelenwandrung und Emanation.
Drittes Kapitel. Von der Astrologie und dem wilden Naturdienst.
Viertes Kapitel. Die Lehre von zwei Principien.
Fünftes Kapitel. Vom Pantheismus.

Drittes Buch. Historische Ideen.
Erstes Kapitel. Vom Ursprunge der Poesie.
Zweites Kapitel. Von den ältesten Wanderungen der Völker.
Drittes Kapitel. Von den indischen Kolonien und der indischen Verfassung.
Viertes Kapitel. Vom orientalischen und indischen Studium überhaupt, und dessen Werth und Zweck.

Indische Gedichte.
I. Anfang des Ramayon.
II. Indische Kosmogonie aus dem ersten Buche der Gesetze des Monu.
III. Aus dem Bhogovotgita.
IV. Aus der Geschichte der Sokuntola nach dem Mohabharot.

Elegien aus dem Griechischen

Inhaltsverzeichnis
I. Bruchstück von Phanokles.
II. Bruchstück des Hermesianax.
III. Das Bad der Pallas von Kallimachos.

Vorrede zu Die Griechen und Römer

Inhaltsverzeichnis

Eine Geschichte der Griechischen Poesie in ihrem ganzen Umfange umfaßt auch die der Beredsamkeit und der historischen Kunst. Die wahrhafte Geschichte des Thucydides ist nach dem richtigen Urtheil eines Griechischen Kenners zugleich ein schönes Gedicht; und in den Demosthenischen Reden, wie in den Sokratischen Gesprächen ist die dichtende Einbildungskraft zwar durch einen bestimmten Zweck des Verstandes beschränkt, aber doch nicht aller Freiheit beraubt, und also auch der Pflicht, schön zu spielen, nicht entbunden: denn das Schöne soll sein, und jede Rede, deren Hauptzweck oder Nebenzweck das Schöne ist, ist ganz oder zum Theil Poesie. – Sie umfaßt ferner die Geschichte der Römischen Poesie, deren Nachbildungen uns nur zu oft für den Verlust der ursprünglichen Werke schadlos halten müssen. – Die Geschichte der Griechischen Kritik und die Bruchstücke, welche sich etwa zu einer Geschichte der Griechischen Musik und Mimik finden möchten, sind ihr so unentbehrlich als die Kenntnisse der ganzen Griechischen Göttersage und Sprache in allen ihren Zweigen, und nach allen ihren Umbildungen. – In den verborgensten Tiefen der Sitten und Staatengeschichte muß dasjenige oft erst entdeckt werden, wodurch allein ein Widerspruch, eine Lücke der Kunstgeschichte aufgelöst, ergänzt, die zerstreuten Bruchstücke geordnet, die scheinbaren Räthsel erklärt werden können: denn Kunst, Sitten und Staaten der Griechen sind so innigst verflochten, daß ihre Kenntniß sich nicht trennen läßt. Und überhaupt ist die Griechische Bildung ein Ganzes, in welchem es unmöglich ist, einen einzelnen Theil stückweise vollkommen richtig zu erkennen.

Wie unermeßlich die Schwierigkeiten einzelner vielleicht sehr kleiner Theile dieses großen Ganzen sind, darf ich mit Stillschweigen übergehn. Alle Kenner wissen, wie viel Zeit und Anstrengung es oft kostet, nur eine falsche Zeitangabe zu berichtigen, einen Nebenzweig der Göttersage prüfend zu reinigen, die vollständig gesammleten Bruchstücke auch nur eines einzigen Dichters bis zur Reife zu verarbeiten.

Eine vollendete Geschichte der Griechischen Poesie aber würde auch nicht etwan dem Gelehrten allein Gewinn bringen, und nur dem Geschichtsforscher allein eine bedeutende Lücke in der Geschichte der Menschheit ausfüllen. Sie scheint mir zugleich eine wesentliche Bedingung der Vervollkommnung des Deutschen Geschmacks und Kunst , welche in unserm Antheil an der Europäischen Bildung nicht die unbedeutendste Stelle einnimmt.

Vielleicht redet die erste Abhandlung mehr vom Modernen, als die Aufschrift dieser Sammlung erwarten läßt, oder zu erlauben scheint. Indessen war es doch nur nach einer nicht ganz unvollständigen Charakteristik der modernen Poesie möglich, das Verhältniß der antiken Poesie zur modernen , und den Zweck des Studiums der klassischen Poesie überhaupt und für unser Zeitalter insbesondre zu bestimmen.

Diese Abhandlung über das Studium der Griechischen Poesie ist nur eine Einladung, die alte Dichtkunst noch ernstlicher als bisher zu untersuchen; ein Versuch (die Mängel desselben kann niemand lebhafter empfinden als ich) den langen Streit der einseitigen Freunde der alten und der neuen Dichter zu schlichten, und im Gebiet des Schönen durch eine scharfe Gränz bestimmung die Eintracht zwischen der natürlichen und der künstlichen Bildung wieder herzustellen; ein Versuch, zu beweisen, daß das Studium der Griechischen Poesie nicht bloß eine verzeihliche Liebhaberei, sondern eine nothwendige Pflicht aller Liebhaber, welche das Schöne mit ächter Liebe umfassen, aller Kenner, die allgemeingültig urtheilen wollen, aller Denker, welche die reinen Gesetze der Schönheit, und die ewige Natur der Kunst vollständig zu bestimmen, versuchen, sei und immer bleiben werde.

Die kurze Charakteristik der Griechischen Poesie, in diesem Aufsatze bitte ich nicht zu prüfen, ohne den Grundriß einer Geschichte der Griechischen Poesie , welcher den zweiten Band dieser Sammlung ausmachen wird, damit zu vergleichen. Er enthält die Belege, die nähere Bestimmung, und die weitere Ausführung der hier gefällten Urtheile.

Die Freunde der modernen Poesie werden die Einleitung der Abhandlung über das Studium der Gr. P. nicht als mein Endurtheil über die moderne Poesie mißdeuten, und sich mit der Entscheidung, daß mein Geschmack einseitig sei, wenigstens nicht übereilen. Ich meyne es ehrlich mit der modernen Poesie, ich habe mehrere moderne Dichter von Jugend auf geliebt, viele studiert und ich glaube einige zu kennen. – Geübte Denker werden leicht errathen, warum ich diesen Standpunkt wählen mußte. – Giebt es reine Gesetze der Schönheit und der Kunst, so müssen sie ohne Ausnahme gelten. Nimmt man aber diese reinen Gesetze, ohne nähere Bestimmung und Richtschnur der Anwendung zum Maaßstab der Würdigung der modernen Poesie: so kann das Urtheil nicht anders ausfallen, als daß die moderne Poesie, die jenen reinen Gesetzen fast durchgängig widerspricht, durchaus gar keinen Werth hat. Sie macht nicht einmal Ansprüche auf Objektivität, welches doch die erste Bedin gung des reinen und unbedingten ästhetischen Werths ist, und ihr Ideal ist das Interessante d. h. subjektive aesthetische Kraft. – Ein Urtheil, dem das Gefühl laut widerspricht! Man hat schon viel gewonnen, wenn man sich diesen Widerspruch nicht läugnet. Dieß ist der kürzeste Weg, den eigentlichen Charakter der modernen Poesie zu entdecken, das Bedürfniß einer klassischen Poesie zu erklären, und endlich durch eine sehr glänzende Rechtfertigung der Modernen überrascht und belohnt zu werden.

Wenn irgend etwas die Unvollkommenheit dieses Versuchs entschuldigen kann, so ist es die innige Wechselwirkung der Geschichte der Menschheit und der praktischen Philosophie, im Ganzen sowohl als in einzelnen Theilen. In beiden Wissenschaften sind noch unermeßliche Strecken Land urbar zu machen. Man mag ausgehn von welcher Seite man will, so müssen Lücken bleiben, welche nur von der andern Seite her ergänzt werden können. Auch ist die Sphäre der antiken und modernen Poesie zusammen genommen so groß, daß man schwerlich in jedem Felde derselben gleich einheimisch sein kann, man müßte denn etwa nirgends recht zu Hause sein. Sind die ersten Grundlinien und äußersten Umrisse nur richtig angelegt: so kann jeder Kunstkenner, der zur Uebersicht des großen Ganzen nicht unfähig, und auch nur in einem kleinen Theile des ganzen Bezirks recht bekannt ist, von seiner Seite zur näheren Bestimmung und zur weiteren Ausführung beitragen.

Schillers Abhandlung über die sentimentalen Dichter hat außer, daß sie meine Einsicht in den Charakter der interessanten Poesie erweiterte, mir selbst über die Gränzen des Gebiets der klassischen Poesie ein neues Licht gegeben. Hätte ich sie eher gelesen, als diese Schrift dem Druck übergeben war, so würde besonders der Abschnitt von dem Ursprunge, und der ursprünglichen Künstlichkeit der modernen Poesie ungleich weniger unvollkommen geworden sein. – Man urtheilt einseitig und ungerecht, wenn man die letzten Dichter der alten Kunst bisher nur nach den Grundsätzen der objektiven Poesie würdigt. Die natürliche und die künstliche aesthetische Bildung greifen in einander, und die Spätlinge der antiken Poesie sind zugleich die Vorläufer der modernen. – So treu auch die bukolischen Dichter der Sizilischen Schule die rohe Natur nachahmen, so ist doch die Rückkehr von verderbter Kunst zur verlohrnen Natur der erste Keim der sentimentalen Poesie. Auch wird in den Griechischen Idyllen nicht immer das Natürliche, sondern oft schon das Naive d. h. das Natürliche im Kontrast mit dem Künstlichen dargestellt, welches nur der sentimentale Dichter darstellt. Jemehr sich die idyllischen Dichter der Römer von der treuen Nachahmung roher Natur entfernen, und der Darstellung eines goldnen Zeitalters der Unschuld nähern, um so weniger sind sie antik, um so mehr sind sie modern. Die Satiren des Horaz sind zwar noch, was die des Lucilius: poetische Ansichten, und poetische Aeußerungen Römischer Urbanität; wie die Dorischen Mimen und die Sokratischen Dialogen, der Dorischen und der Sokratischen Urbanität. Aber einige ursprünglich Römische Oden und Epoden des Horaz (und nicht die schlechtesten!) sind sentimentale Satiren, welche den Kontrast der Wirklichkeit und des Ideals darstellen. Der sentimentale Ton der spätern, von ihrem ursprünglichen Charakter ausgearteten Römischen Satire, wie auch nach Schillers treffender Bemerkung des Tacitus und Luzian ist unverkennbar. Die Elegien der Römischen Triumvirn aber sind lyrisch und nicht sentimental. Selbst in denjenigen hinreißenden Gedichten des Properz, wo Stoff und Geist ursprünglich Römisch ist, findet sich keine Spur von einer Beziehung auf das Verhältniß des Realen und des Idealen, welche das charakteristische Merkmahl der sentimentalen Poesie ist. Doch findet sich in allen, vorzüglich im Tibull, wie in den Griechischen Idyllen eine Sehnsucht nach einfacher ländlicher Natur aus Ueberdruß an der ausgearteten städtischen Bildung. – Aeußerst überraschend ist es, daß die Griechischen Erotiker in der Anordnung des Ganzen, im Kolorit der Darstellung, in der Manier der Gleichnisse, und selbst im Periodenbau durchaus modern sind. Ihr Prinzip ist nicht Streben nach unbestimmtem Stoff und bloßem Leben überhaupt, sondern wie auch im Oppian und noch viel früher in den Sotadischen Gedichten, ein subjektives Interesse an einer bestimmten Art von Leben, an einem individuellen Stoff. Man vergleiche den Achilles Tatius zum Beispiel mit einer äußerst mittelmäßigen Italiänischen oder Spanischen Novelle. Nach Absondrung des Nazionalen und Zufälligen wird man durch die vollkommenste Gleichheit überrascht werden.

Merkwürdig und bestätigend war es mir, daß in Schillers treffender Charakteristik der drei sentimentalen Dichtarten das Merkmahl eines Interesse an der RealitätSpielScheinernstlich glauben