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Nr. 12

 

Der Mutaktor

 

Die letzte Verhandlung – das Finale für Olymp steht an

 

Susan Schwartz

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

 

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. Der Weg nach Shoraz

2. SHAREE

3. Ich, Ypheris Bogyr, Teil 1

4. Shoraz

5. Onara Gholad: die Landung

6. SHEONA: Was Anrin verheimlicht hat

7. Ich, Ypheris Bogyr, Teil 2

8. Warten in der Wüste

9. Ich, Ypheris Bogyr, Teil 3

10. Warten auf den Sturm

11. Der Mutaktor

12. Der Intensivator

13. Ihr habt hier nichts mehr verloren

14. ETSI

15. SHEONA

16. Talin Buff

17. Ypheris Bogyr

18. Abschied

Lesermagazin

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

Das Jahr 1550 Neuer Galaktischer Zeitrechnung: Seit über 3000 Jahren reisen die Menschen zu den Sternen. Sie haben zahlreiche Planeten besiedelt und sind faszinierenden Fremdvölkern begegnet. Sie haben Freunde ebenso wie Gegner gefunden, streben nach Verständigung und Kooperation.

Besonders Perry Rhodan, der die Menschheit von Beginn an ins All geleitet hat, steht im Zentrum dieser Bemühungen. Mit der Gründung der Liga Freier Galaktiker tragen diese Bestrebungen inzwischen Früchte. Eine neue Ära des Friedens bricht an.

Aber nicht alle Gruppierungen in der Milchstraße sind mit den aktuellen Verhältnissen zufrieden – besonders die Tefroder hegen eigene Pläne. Rhodan wird in diese Aktivitäten verwickelt, als er zur Museumswelt Shoraz reist.

Onara Gholad zwingt den Kaiser von Olymp, dem Sternenreich der Tefroder beizutreten. Aber die Freihändler revoltieren. Perry Rhodan kann aus seiner zeitweiligen Gefangenschaft entkommen, wird jedoch zu einer Geisel. Er soll gegen ein geheimnisvolles Artefakt ausgetauscht werden. Die Ereignisse streben dem Höhepunkt zu – und im Zentrum steht DER MUTAKTOR ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Perry Rhodan – Der Terraner wird zum Faustpfand.

Ypheris Bogyr – Der Prospektor enthüllt sein wahres Gesicht.

Gucky – Der Mausbiber glaubt an ein Happy End.

Sichu Dorksteiger – Die Ator will Perry Rhodan befreien.

Onara Gholad – Die Tefroderin greift nach der ultimativen Waffe.

1.

Der Weg nach Shoraz

 

Angespannte Stille herrschte in der Zentrale der SHASTA. Die Vibrationen der Schiffsaggregate wirkten sich fast körperlich aus, wie ein unangenehmes Kribbeln auf der Haut, das sich nicht wegkratzen ließ.

Das Raumfahrzeug war ein tefrodischer 80-Meter-Aufklärer und ähnlich wie terranische Kugelraumer aufgebaut. Die Kommandostationen ringsum waren mobil. Sie konnten frei nach Bedarf angeordnet werden.

Ypheris Bogyr und Perry Rhodan hatten zwei Funktionsplätze nebeneinander eingenommen: Pilot und Navigation.

Ein Stück hinter ihnen lag Mahé Elesa.

Mahé Elesa Bogyr, verbesserte sich Rhodan in Gedanken. Er rieb sich die Schläfen. Sein Zellaktivator arbeitete auf Hochtouren, doch er fühlte sich noch immer benommen, hatte kein stabiles Körpergefühl.

Die Rückenlehne des Sitzes mit Elesa darauf war nach hinten geklappt, sodass die Prospektorin wie auf einer Bahre ruhte.

Sie war tot.

Vor nicht mal einer Stunde während der Flucht erschossen.

Rhodans ehemaliger Mitgefangener hatte dabei offenbart, dass sie Ypheris Bogyrs Mutter gewesen war. Und beide waren auch keine Terraner, sondern Tefroder.

Es waren nicht die einzigen dramatischen Höhepunkte im Laufe dieser sich überstürzenden Ereignisse gewesen.

Langsam wiederholte Rhodan das soeben Gehörte: »... Schwester? Diese ... Onara Gholad ist deine ... Schwester?«

»Ja. Jedenfalls zur Hälfte.« Bogyr drehte seinen Sessel zu ihm.

Nach wie vor war der Ministrahler auf den Terraner gerichtet. Zu weit entfernt, um schnell zuzupacken. Oder in Deckung zu springen.

Der Tefroder war zu schnell. Zu schnell, als dass es normal wäre. Und Rhodan war gegenwärtig langsam. Zu langsam für seine Verhältnisse.

Nachdem wohl alles eine einzige Lüge gewesen war, wollte Rhodan nicht herausfinden, ob Bogyr tatsächlich abdrücken würde. Jenen Mann, mit dem er eine Gefängniszelle geteilt und gemeinsam den Sadismus der Wärter durchlitten hatte, hatte Rhodan gekannt. Diesen Mann jedoch, der nun mit ihm auf der Flucht war und ihn an die Tefroder ausliefern wollte, den kannte er nicht.

Der Ausdruck von Bogyrs tief liegenden, dunkelgrünen Augen war nicht zu deuten. Selbst in den seltenen Momenten, wenn Bogyr gelacht hatte, war sein Blick stets von Misstrauen durchsetzt gewesen. Nun hatte er sich verändert ...

»Während unserer Flugetappe haben wir ein wenig Zeit«, fuhr Bogyr ruhig fort. »Es ist eine ... reichlich komplizierte Geschichte, die nicht in einer Minute abgehandelt werden kann.«

»Und du willst sie erzählen? Auf einmal? Die Wahrheit?«, stieß Rhodan zornig hervor und wies nach hinten. »Das wäre vielleicht nie passiert, wärt ihr beide ehrlich gewesen!«

Mahé Elesas Tod konnte er noch nicht recht fassen. Sie war so lebensfroh gewesen, mit allen Wassern gewaschen, voller Energie. Eine vollblütige Prospektorin, die sich unermüdlich durchs Leben kämpfte, keine Gefahr scheute. Obwohl sie wahrscheinlich jahrelang im Gefängnis von Adarem lebendig begraben gewesen war, hatte sie nie die Zuversicht verloren, wieder freizukommen. Und nun ... vorbei. Von einer Sekunde zur nächsten. Gerade als sie es endlich fast geschafft hatte.

»Von Wahrheit habe ich aktuell nicht gesprochen«, erwiderte Bogyr ungerührt. »Ich will dir meine Geschichte erzählen, die aber unweigerlich subjektiv ist. Subjektivität hat nur selten mit Wahrheit zu tun.«

»Ich bin mir nicht sicher, ob ich sie überhaupt hören will. Mir reicht schon, was ich in der letzten Stunde erfahren habe.«

»Aber es hängt mit dem Mutaktor zusammen, den wir auf Shoraz gefunden haben. Und somit auch mit Sichu Dorksteiger. Du und sie ... Ihr habt eine Beziehung, nicht wahr? Das war ziemlich offenkundig, als du seinerzeit in unsere Ausgrabungen geplatzt bist. Ihr steht euch nahe, das könnte nur ein Blinder übersehen. Also solltest du dich besser um sie sorgen.«

Rhodan fuhr auf. »Was meinst du damit?«

»Dass sie in größerer Gefahr ist, als du annimmst. Oder sie selbst annimmt.« Bogyr bewegte seinen Sessel einen halben Meter von Rhodans Position zurück. Er schien zu spüren, dass Rhodan kurz davor stand, ihn anzuspringen, egal mit welchen Folgen. »Mach keine Dummheiten, Perry. Falls du dich fragst – nein, ich will nicht schießen. Aber ich werde. Ohne zu zögern. Du wirst mich nicht von dem abhalten, was ich tun muss.«

»Tun musst?«, fragte Rhodan zornig. »Was hast du vor, abgesehen von meiner Auslieferung an die Tefroder? Und was ist dieser verdammte ... Mutaktor? Ich nehme an, du redest von der Shoziden-Box? Woher kennst du diese andere Bezeichnung?«

»Tja.« Bogyr grinste freudlos. »Er begleitet mich sozusagen schon mein ganzes Leben lang. Dass er gefunden wurde, ist der bisherige Höhepunkt. Sagen wir so: Er und ich sind untrennbar miteinander verbunden.«

Rhodan spannte die Beinmuskeln an, sammelte Kraft. So weit entfernt war Bogyr nun auch wieder nicht. Zur Hölle mit seiner Schwäche! Konnte er nun Dagor oder nicht? Wenn er antäuschte, sprang, sich drehte und ...

Bogyr hob leicht den Arm mit der Waffe. »Lass es«, wiederholte er – keineswegs warnend oder gar drohend, sondern fast sanft. »Glaub mir, trotz deiner vielen Jahrtausende Erfahrung und sogar im Vollbesitz deiner Kräfte hättest du gegen mich keine Chance.«

»Das haben schon Kosmokraten, Chaotarchen und Entitäten zu mir gesagt!«, zischte Rhodan. »Und ich bin immer noch hier.«

»Hör mir einfach zu, und entscheide dann«, schlug Bogyr vor. »Ich bin nicht dein Feind. Zumindest im Moment noch nicht.«

»Und später?«

»Wer weiß?« Diesmal grinste er offen.

Rhodan war ein Mann des Wortes, nicht der Gewalt. Doch im Moment wünschte er sich, Bogyr dieses Grinsen mit der Faust aus dem Gesicht zu schlagen. Seine Freunde Atlan und Reginald Bull hätten es wahrscheinlich längst getan, ungeachtet der Konsequenzen. Trotzdem. Er brauchte Informationen. Deshalb musste er sich zusammenreißen.

»Was. Ist. Der. Mutaktor?«, wiederholte Perry Rhodan zähneknirschend.

»So ziemlich die ultimative Waffe«, antwortete Ypheris Bogyr.

2.

SHAREE

 

»Kommandantin, Shoraz ist in Sicht«, erklang die Meldung in Onara Gholads Bereitschaftsraum. Die Zentrale der SHAREE war eine verkleinerte Kopie der SHEONA, das galt auch für die Nebenbereiche – sogar die Privatunterkunft der Flottenkommandantin bestand auf der SHAREE nur aus einem einzigen, schlicht gehaltenen Raum.

Gholad stand aufrecht vor dem Außenbeobachtungsholo, das von weiteren dreidimensionalen Datenanzeigen und Statusmitteilungen gesäumt wurde. In der Mitte schob sich zuerst ein dünner Nebel, dann das ganze Shorsystem näher heran. Die beiden Gasriesen außen, danach folgte ein gelber Punkt – ihr Ziel – sowie auf der Innenbahn dahinter ein öder, brauner Steinklumpen. Eine unbedeutende gelbe Sonne bildete das Zentralgestirn.

Aus dieser Entfernung betrachtet, war Shoraz gar nicht mal so hässlich. Ein wenig mehr Leuchten, und man hätte den Planeten für einen zu groß geratenen Goldklumpen halten können.

In gewissem Sinn war er das auch – er barg den gigantischen Schatz der Shoziden, die vor Millionen Jahren auf dieser Welt havariert waren. Das Wissen unzähliger Völker hatten sie mit sich geführt.

Onara Gholad hatte einen Frevel begangen, indem sie diese Welt hatte beschießen lassen. Ein Akt der Barbarei – das war ihr selbstverständlich bewusst, und es hatte ihr keine Freude bereitet. Sie hatte durchaus Sinn für Schönheit, für uraltes Wissen, Artefakte. Doch sie musste zwangsläufig Druck ausüben, und dabei gab es eben Kollateralschäden. Skrupel konnte sie sich in ihrer Position und bei der angestrebten Karriere nicht leisten. Allerdings hatte sie vorausschauend dafür gesorgt, dass die Schäden nicht zu groß wurden.

Denn mittlerweile hatte sie als Tamrätin das volle Verfügungsrecht über alles, was sich auf Shoraz befand. Und dort waren in jedem Fall weit mehr als bloß hübsche, kleine Nippesfiguren und Harfenbäume zu entdecken.

Nämlich verschüttete Technologien der Shoziden, die im Schutz des trockenen Sands überdauert hatten. Dinge, die sie gesammelt hatten: Waffen, Dokumente und Konstruktionspläne von Erfindungen, die ausgewertet werden konnten.

Gholad würde im Anschluss an diese Episode die Ausgrabungen beschleunigen, indem sie so viele Wissenschaftler und Geräte anforderte, wie nötig waren, um so schnell wie möglich einen Nutzen zu erzielen – in jeder Hinsicht. Was die Tefroder nicht selbst verwenden konnten, würde verkauft und versteigert werden.

Vetris-Molaud würde ihr ohne Frage alles zur Verfügung stellen, worum sie bat. Denn er würde höchst zufrieden sein, mit Olymp nicht nur einen der bedeutendsten Wirtschaftsfaktoren der Galaxis in die Hände zu bekommen, sondern in absehbarer Zeit auch das einzigartige Wissen und die Gerätschaften der Shoziden.

Spätestens ab dem Zeitpunkt, wenn sie ihm den Mutaktor als Überraschungsgeschenk der neuen Tamrätin persönlich überreichte, würde er von ihrem Plan überzeugt sein.

Die Rivalität mit der Liga wäre danach in Bälde beigelegt, und die Tefroder würden endlich den ihnen gebührenden Platz errungen haben – als Herrscher der Milchstraße.

Seit Jahren hatten Demirius und sie das geplant – selbst Schwierigkeiten waren einkalkuliert gewesen, und nun würde der Plan zu dem erwarteten guten Ende gebracht. Wie vorgesehen innerhalb des veranschlagten Zeitraums von einer Woche bis zwei Wochen. In Kürze würde Falk Anrin sich auf den Weg zu Demirius Gholad machen – mit dem vom Kaiser von Olymp unterzeichneten Beitrittsvertrag.

Ypheris Bogyrs Funkruf mit der Aussage, dass er Rhodan zu ihr brachte – das war eine überaus positive Überraschung gewesen. Hatte er sich also endlich besonnen! Genau darauf hatte Gholad gehofft – und es hatte bei Bogyrs störrischem Charakter nur fern von ihr gelingen können: in der Hölle von Adarem.

Demirius würde sicherlich hocherfreut sein, wenn er das erfuhr und Onara mit ihrem Bruder und dem Mutaktor zu Hause eintrafen. Die Familie Gholad würde ganz oben angekommen sein, unangefochten, unantastbar. Die vier Brüder waren bereits in strategisch wichtigen Positionen untergebracht, nun ging es um die Eroberung der Spitze: den engsten Kreis um den Hohen Tamaron. Dies würde gelingen, indem sie Vetris-Molaud die Milchstraße auf dem Silbertablett servierten.

 

*

 

Onara Gholad ging in den Ruheraum nebenan und öffnete den mobilen Kleiderschrank, den sie von der SHEONA mitgebracht hatte. Für den bevorstehenden Anlass zog sie nicht den normalen Standard an – seit ihrer derzeit noch inoffiziellen Ernennung ohnehin nicht mehr.

Für Shoraz benötigte sie geschlossene Schutzkleidung. Passend zu ihrer Augenfarbe wählte sie einen schwarzen, bei bestimmtem Lichteinfall rötlich schimmernden Kampfanzug mit Falthelm. Er verfügte über einen guten Schutzschirm und eine voll ausgestattete Mikropositronik.

Nachdem sie ihn angelegt hatte, rüstete sie sich noch mit einem Waffengürtel samt Vibromesser sowie Hand- und Mikrostrahler aus. Man sollte ruhig sehen, dass sie bewaffnet war. Das verhalf manchmal besser zur Einsicht als Worte. Und in diesem Fall ging es nicht um Diplomatie.

Auch ein kleiner Wächter hing am Gürtel – ein Gerät, das bis zu drei Personen energetisch fesseln und handlungsunfähig machen konnte. Ihr Transport erfolgte mit bis zu drei zusätzlichen, auf Mikrobasis konstruierten Antigravgeräten, die mit dem Wächter gekoppelt waren.

Gholad überprüfte die Ausrüstung und ging dann in die Zentrale, zur erhöhten Kommandostation. Der Kommandant der SHAREE wollte seinen Platz räumen, aber sie bedeutete ihm, sitzen zu bleiben.

Sie wandte sich dem Hauptholo zu – und erstarrte.

In dem großen Globus war Shoraz nun prominent zu sehen: eine ziemlich öde Welt und dennoch hübsch anzuschauen durch die verschiedenen Gelb-, Orange- und Ockerschattierungen, die gewaltigen Sanddünen und die dunklen, schroffen Gebirgszüge.

Die SHAREE umrundete den Planeten, bis die Ausgrabungsstätte in Sicht kam – ein Feld der Verwüstung, zumindest auf den ersten Blick. Der kleine Raumhafen allerdings war in Schutt und Asche gelegt. Im Orbit schwebten zwei Kugelraumer terranischer Bauart: das kleine Forschungsschiff ETSI und die OLMIN-ZOLL-4, ein Einsatzschiff der olympischen Zollbehörde.

Die SHAREE blieb auf hunderttausend Kilometern Distanz. Sie sollte ihre Präsenz zeigen, aber nicht herausfordern.

Gholad presste die vollen Lippen zusammen, bis sie nur noch dünne Striche bildeten. »Könnt ihr mir verraten, was wir hier sehen?«, fragte sie mit leiser, scharfer Stimme.

Bereits bei diesem Klang zuckten einige zusammen.

»Wir haben die Zielkoordinaten erreicht«, antwortete der Schiffskommandant deutlich verunsichert. Auch er schien nicht zu wissen, worauf die Befehlshaberin sich bezog.

»Ach, haben wir das!«, fauchte sie sarkastisch.

»Äh ... ja?« Verwirrt sah er sie an.

Manchmal fragte sich Gholad, ob sie nur von Idioten umgeben war. Das sollten ihre besten und vertrauenswürdigsten Leute sein?

»Und wieso fällt keinem auf, dass hier ganz entschieden etwas fehlt?«, brüllte sie in den Raum.

Sie machte auf dem Absatz kehrt und verschwand wieder im Bereitschaftsraum, wo sie eine Verbindung zur SHEONA herstellen ließ. Der Stellvertretende Kommandant meldete sich umgehend.

»Falk! Wo sind meine Raumer?«, schrie Gholad unbeherrscht.

Das war etwas, was sie nicht eingeplant hatte. Gerade nun, wo sie sich auf den zweitwichtigsten Moment seit der Vertragsunterzeichnung vorbereitete, konnte sie solche Irritationen überhaupt nicht gebrauchen.

»Ich wollte dich längst in Kenntnis setzen, konnte dich aber nicht erreichen«, antwortete Anrin nervös. »Sie sind hier.«

Ihr blieb kurz die Luft weg. »Hast du sie zu dir nach Olymp beordert?«

»Nein. Und sie haben auf uns geschossen. Vor allem gezielt auf die Robotschiffe.« Anrin zögerte. »Es tut mir leid. Ich musste sie zerstören. Sie waren nicht unter Kontrolle zu bekommen.«

Gholads Wut verrauchte augenblicklich. Ihr Inneres wurde eiskalt. Eine Menge Forschungsgelder dahin, ein teurer Fehlschlag. Sie würden allerhand überarbeiten müssen, bevor sie diesen Typ Robotschiff in Serie nahmen.

Andererseits – es war ein guter Feldtest gewesen. Letztlich ließen sich Verluste in einem weitreichend angelegten Plan immer verschmerzen. Demirius würde einen Weg finden, einen finanziellen Skandal zu vermeiden. Wie immer.

»Gut«, sagte sie ruhig, obwohl gar nichts gut war. Aber Anrin hatte völlig korrekt gehandelt. »Versuche, so viele Datenspeicher wie möglich zu bergen, auch Schrottteile. Wir werden genau analysieren, wo die Fehler liegen, um die Endversion zu konstruieren. Über Shoraz haben die Raumer exakt so gehandelt wie programmiert. Es kann also viel übernommen werden – aber es muss wohl auch einiges verbessert werden.«

»Zu Befehl. Ich werde dann verspätet nach Tefor aufbrechen – dieser Zwischenfall hat mich leider aufgehalten, sonst wäre ich schon unterwegs. Aber sobald ich hier alles abgewickelt habe, bin ich weg.«

»Wenigstens auf dich ist Verlass.« Sie schaltete ab.

Einen Moment lang starrte sie leer vor sich hin, dann ballte sie eine Hand zur Faust. »Deine Stunden sind gezählt, Gucky!«, gab Onara Gholad ein hasserfülltes Versprechen.

3.

Ich, Ypheris Bogyr, Teil 1

 

Es begann damit, und das dürfte keine Überraschung sein, dass Vetris-Molaud sein Mutantenkorps ausbauen wollte. Es wurmt ihn enorm, dass die Terraner beispielsweise über einen so mächtigen Mutanten wie Gucky verfügen.

Genau wie die Liga scheut der Hohe Tamaron trotz aller militärischen Expansion den offenen Krieg gegen eure Organisation. Er weiß, wo die Grenzen der Tefroder liegen, und ihm ist nicht daran gelegen, die halbe Milchstraße in einem zerstörerischen, verlustreichen Kampf in Schutt und Asche zu legen.

Bei dem gegenwärtigen Kräfteverhältnis kann er zudem nicht sicher sein, zu gewinnen. Ganz abgesehen von den vielen Außergalaktikern, die momentan offenbar die Milchstraße als lohnenswertes Ziel erkoren haben. Zuletzt die Tiuphoren, die man nur in einer gemeinsamen Offensive zurückgeschlagen konnte.

Also muss Vetris-Molaud seinen Vorteil auf anderer Ebene erringen. Und den erhofft er sich von eigenen Mutanten. Mithilfe von Parabegabten glaubt er, einen unschlagbaren Vorsprung erreichen und die Milchstraße quasi ohne Blutvergießen vereinnahmen zu können.

Dazu braucht er natürlich einen ersten Stützpunkt innerhalb der Liga Freier Galaktiker. Die Familie Gholad hat sich in den Kopf gesetzt, hierfür den Olymp-Komplex zu gewinnen. Ein direkter Versuch Vetris-Molauds ist 1518 fehlgeschlagen, wie wir wissen, und er hat sich daraufhin anderen Zielen zugewandt.

Die Familie Gholad jedoch hielt das Sternenreich der Freihändler weiter unter Beobachtung und erarbeitete insgeheim einen Langzeitplan. Dessen Vollendung würde zwar Jahrzehnte in Anspruch nehmen, aber am Ende stand das Ziel, dem Tamaron Olymp auf dem Silbertablett zu servieren.

 

*

 

Demirius Gholad – jener Mann zuvor auf dem Holo: Er ist der uneingeschränkte Patriarch des einflussreichen Familienclans der Gholad von Neu-Tefa und seit Jahrzehnten ein enger Vertrauter Vetris-Molauds. Seine vier Söhne haben die militärische Laufbahn eingeschlagen. Sie sind mittlerweile in wichtigen Positionen untergebracht.