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THEMA

Ausländische Priester in der deutschen Kirche: Zwischen Notlösung und weltkirchlicher Avantgarde

Von Karl Gabriel

Interkulturelle Lernprozesse in der Kirche?

Plädoyer für eine polyloge Katholizität Von Franz Gmainer-Pranzl

Wider eine theologische „Begleitlyrik“

Die Replik von Karl Gabriel auf Franz Gmainer-Pranzl

„Sich auf die Verhältnisse einstellen können“ – eine Herausforderung (nicht nur) für ausländische Priester

Die Replik von Franz Gmainer-Pranzl auf Karl Gabriel

Globalisierter Glaube mit Migrationshintergrund und die Suche nach seinem ersten Artikel

Von Hans-Joachim Sander

PROJEKT

Zwischen Erdgipfel und Erdgöttin

Öko-Theologie in interkultureller Perspektive

Von Dietmar Müßig

INTERVIEW

Eine tiefe Einsicht in die Strukturen von Ungerechtigkeit gewinnen

Ein Gespräch mit Carolin Auner

PRAXIS

Auslandseinsatz Deutschland

Von Rockson Chullickal OCD

In der Fremde heimisch werden

Erfahrungen und Überlegungen eines Missionars

Von Franz Weber MCCJ

Einführung und Begleitung von ausländischen Priestern in der Erzdiözese Bamberg

Von Anne Kurlemann

Brücken des Verstehens in der interkulturellen Begegnung

Von Chibueze Udeani

FORUM

Sie schauen das Antlitz Gottes – Seelsorge nach Fehl- und Totgeburt

Von Teresa Loichen

Öffnen Sie die Tür!

Von Wunibald Müller

POPKULTURBEUTEL

Schiffbruch mit Tiger

Von Matthias Sellmann

NACHLESE

Glosse von Wolfgang Frühwald

Impressum

Rezension

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Hildegard Wustmans Mitglied der Schriftleitung

Liebe Leserin, lieber Leser,
in den 1960er Jahren rief man Gastarbeiter ins Land, weil es an eigenen Arbeitskräften mangelte. Zeitversetzt ist dies nun auch in der katholischen Kirche der Fall. So ist es inzwischen keine Seltenheit mehr, dass in einer Gemeinde am Niederrhein, in Bayern oder Oberösterreich ein indischer, polnischer oder nigerianischer Priester am Altar steht und in der Pastoral tätig ist. Diesen Männern geht es vielfach wie den ersten Arbeitsmigranten: sie beherrschen die Sprache oftmals nur ungenügend, kommen meist für einen befristeten Zeitraum, fühlen sich fremd und haben Heimweh. Obgleich sie gerufen wurden, um hier zu helfen, sind sie nicht überall willkommen. Denn das, was sie mitbringen, scheint nur bedingt kompatibel zu sein mit der hiesigen Kultur und den Gepflogenheiten in den Gemeinden. Das alles sind Gründe für eine wechselseitig vertrackte Situation. Dies haben inzwischen auch die deutschen Bischöfe erkannt, denn sonst hätten sie wohl kaum eine Untersuchung in Auftrag gegeben, die sich dem Thema ausländischer Priester in deutschen Diözesen annimmt. In seinem Beitrag stellt Karl Gabriel die zentralen Ergebnisse dieser Studie vor. Franz Gmainer-Pranzl beleuchtet die Frage, ob innerhalb der deutschsprachigen Kirche durch den Einsatz von ausländischen Priestern ein Prozess begonnen hat, der den Charme von Weltkirche erlebbar werden lässt. Hans-Joachim Sander stellt in seinem Beitrag die besondere Bedeutung von Migrationserfahrungen für die Verkündigung des Glaubens in globalisierten Zeiten hervor. Dass in einem solchen Prozess des globalen Glaubens Zumutungen wie positive Entdeckungen stecken können, belegen die Beiträge von Rockson Chullickal OCD, der als indischer Karmelit im Rheinland tätig ist, und von Franz Weber MCCJ, der auf seine Jahre als Combonimissionar in Brasilien zurückblickt. Anne Kurlemann berichtet davon, wie die Erzdiözese Bamberg durch gezielte Schulungsmaßnahmen versucht, ausländische Priester besser für den Einsatz vorzubereiten und in ihrem Arbeitsalltag zu begleiten und Chibueze Udeani plädiert in seinem Beitrag für das Einüben einer Kommunikation, die Brücken baut.

Von weltkirchlichen Erfahrungen berichten außerdem Dietmar Müßig, der ein Institut in La Paz mit seinem schöpfungstheologischen Schwerpunkt vorstellt, sowie Carolin Auner, die von den „Jesuit Volunteers“ erzählt.

Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre
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Prof. Dr. Hildegard Wustmans, Mitglied der Schriftleitung

Ausländische Priester in der deutschen Kirche: Zwischen Notlösung und weltkirchlicher Avantgarde

Der folgende Beitrag stellt die wichtigsten Ergebnisse einer empirischen Studie zur Situation und zu den Bedingungen des pastoralen Einsatzes ausländischer Priester in den deutschen Diözesen dar. Gleichzeitig wird danach gefragt, welche Faktoren und Bedingungen für ein Gelingen bzw. Misslingen der pastoralen Tätigkeit ausländischer Priester verantwortlich zu machen sind. Am Schluss werden Folgerungen aus den Ergebnissen der Studie für den künftigen Einsatz ausländischer Priester gezogen. Karl Gabriel

Von 2007 bis 2009 wurden alle Priester, die nicht in deutschen Diözesen inkardiniert sind, aber hauptamtlich in der deutschen Seelsorge arbeiten, mittels eines umfangreichen Fragebogens befragt (Gabriel/Leibold/Achtermann). Gleichzeitig wurden 10 deutschlandweit ausgewählte Gemeinden mit einem ausländischen Priester in ethnographischen Fallstudien untersucht. In Experteninterviews kamen zusätzlich die für den Einsatz ausländischer Priester verantwortlichen Personaldezernenten der deutschen Diözesen zu Wort. Es ging um die Chancen und Probleme, die sich aus der Sicht der Personaldezernenten rund um den Einsatz ausländischer Priester ergeben. Auftraggeber der am Institut für Christliche Sozialwissenschaften in Münster durchgeführten Studie war die Kom-mission Weltkirche und die zu ihr gehörende Wissenschaftliche Arbeitsgruppe für weltkirchliche Aufgaben. Als Teil der Untersuchung ergaben die Nachforschungen in allen deutschen Diözesen, dass im Jahr 2007 insgesamt 1302 ausländische Priester tätig waren. In der neuesten Arbeitshilfe der Deutschen Bischofskonferenz zur Statistik der Katholischen Kirche in Deutschland für das Jahr 2012/13 wird eine Zahl von 1742 ausländischen Priestern angegeben (Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, 13). Über Unterschiede in der Abgrenzung hinaus, wer zu den ausländischen Priestern zu rechnen ist, deutet die Zahl darauf hin, dass der Anteil der ausländischen Priester in den deutschen Diözesen seit 2007 eher gestiegen als gefallen ist. Die folgende Darstellung konzentriert sich auf die wichtigsten Ergebnisse aller drei Untersuchungsteile: der schriftlichen Befragung aller ausländischen Priester, der ethnographischen Gemeindestudien und der Experteninterviews der Personaldezernenten.

DIE SITUATION AUS DER SICHT DER BEFRAGTEN AUSLÄNDISCHEN PRIESTER

Zwei Herkunftsländer – Indien und Polen – stellen mehr als 50 Prozent der ausländischen Priester. Hierin zeigt sich ein Ergebnis der gezielten Einsatzprogramme der Diözesen. Neben den indischen Priestern mit 29,2 Prozent und den polnischen Priestern mit 25,9 Prozent spielen nur noch die Afrikaner mit 11,8 Prozent – konzentriert auf die Nigerianer und Kongolesen – eine hervorgehobene Rolle. Mit 54 Prozent ist der Anteil der Ordenspriester unter den ausländischen Priestern für deutsche Verhältnisse außerordentlich hoch. Der Einsatz der ausländischen Priester stärkt damit das Element der Orden in der deutschen Seelsorge. Was die Aufenthaltsdauer angeht, ergibt sich folgendes Bild: annähernd zwei Drittel der Priester (65,1%) sind seit mindestens fünf Jahren in Deutschland tätig. Viele von den ausländischen Ordenspriestern (41,8%) sind seit über zehn Jahren hier. Von einer „Stippvisite” ausländischer Priester kann daher keine Rede sein. 198 Priester (von insgesamt 606) haben angegeben, dass ihr Aufenthalt befristet ist. Knapp zwei Drittel (64,8%) haben ihre Stelle in Deutschland gar nicht oder einmal gewechselt. Sie arbeiten mit einer gewissen Kontinuität in ihrem Arbeitsbereich. Nur ganz wenige unterbrechen ihren Einsatz in Deutschland, um zwischenzeitlich in ihr Heimatland zurückzugehen. Die Auswertung der Umfrage zu den Motiven und angegebenen Gründen des Einsatzes in Deutschland zeigt: In der Mehrzahl kommen die Priester aus dem Ausland nach Deutschland im Auftrag ihres Bischofs oder Ordensoberen. Die Beauftragung spielt auch hinsichtlich der persönlich angegebenen Gründe die Hauptrolle. Im Rahmen ihres Auftrags möchten sie – so eine deutliche Mehrheit – den Glauben in Deutschland neu entfachen. Der Satz „Mein Bischof/Ordensoberer hat mich geschickt” erweist sich als dominante Aussage zu den Gründen ihres Einsatzes: 70,5% der Priester haben ihn gewählt. Dies schließt eigene, persönliche Motive nicht aus. So ist das Motiv „Mithelfen, den Glauben in Deutschland neu zu entfachen” nach der Beauftragung mit 33,5% das meist gewählte Statement. Besonders oft stimmen indische und polnische Priester dieser Aussage zu. Unmittelbar berufsbezogene Motive spielen bei etwa einem Viertel der Priester eine Rolle, ein gutes Sechstel erhofft sich Impulse für das eigene Glaubensleben. Es fällt auf, dass deutlich mehr indische als polnische Priester (50,3% zu 40,8%) mithelfen wollen, den Glauben in Deutschland wieder neu zu entfachen.

ATMOSPHÄRE

Nach eigenen Angaben sind die ausländischen Priester zu über 50% in gemeindeleitenden Funktionen tätig. Ihre eigene Situation schätzen die ausländischen Priester insgesamt positiv ein. Wenn sie auf ihre fehlende oder begrenzte Vorbereitung im eigenen Heimatland hinsichtlich Sprache, Kultur und kirchlicher Realität in Deutschland zurückschauen, sind sie davon überzeugt, ungeheuer viel gelernt zu haben. Auch hinsichtlich ihrer sprachlichen Kompetenzen bestätigen sie sich große Fortschritte und sehen in ihren sprachlichen Fähigkeiten kein gravierendes Hindernis für eine erfolgreiche seelsorgliche Arbeit. Sie zeichnen ein Bild von überwiegend positiven Entwicklungen und harmonischen Beziehungen in den Gemeinden. Auf die Frage „Fühlen Sie sich in Ihrem Seelsorgebereichwohl?“ geben jeweils ca. 43% an, sich sehr wohl zu fühlen bzw. 43% „eher wohl“. Nur knapp 6% äußerten, sich „eher unwohl“ und „sehr unwohl“ zu fühlen. Besonders gute Noten erhielt die Zusammenarbeit mit den Priesterkollegen vor Ort. Die überwiegend positive Bewertung der Entwicklungen in der Gemeinde durch die ausländischen Priester steht in einem gewissen Kontrast zu den Ergebnissen der ethnographischen Gemeindestudien.

BEDINGUNGEN DES GELINGENS UND MISSLINGENS: ERGEBNISSE DER GEMEINDESTUDIEN

Die ethnographischen Gemeindestudien können belegen, dass es Fälle eines gelingenden pastoralen Einsatzes ausländischer Priester in deutschen Gemeinden gibt. Drei der zehn Fallstudien lassen sich als positive Beispiele betrachten. Was haben sie gemeinsam? Es handelt sich durchweg um außerordentlich qualifizierte Priester. Von ihrer Gesamtorientierung her lassen sich sich als „globale Priester” charakterisieren. Sie verfügen über eine lange Erfahrung im Ausland und sind überall in der Welt einsetzbar. Man könnte sie auch als hochqualifizierte Fachleute der Seelsorge bezeichnen. Sie bringen eine außerordentlich hohe Sprachkompetenz mit, verfügen über für die Seelsorge relevante Zusatzqualifikationen zum normalen Theologiestudium und zeichnen sich durch eine hohe Anpassungsfähigkeit und Sensibilität für die kulturellen und religiösen Gegebenheiten in Deutschland aus. Für das Gelingen spielt das Passungsverhältnis zwischen Priester und Gemeinde eine wichtige Rolle, wobei die Anpassungsfähigkeit der „globalen Priester” die Passung wesentlich erleichtert. Diese Priester besitzen eine charismatische Begabung, die ihnen in der Gemeinde und darüber hinaus Autorität verschafft.

Anders sieht es in den Fällen aus, in denen von „entsendeten Priestern“ gesprochen werden kann. Die „entsendeten Priester” kommen nach Deutschland, weil ihr Bischof oder ihre Ordensleitung sie nach Deutschland gesandt hat. Prägend ist der Auftrag des Bischofs oder des Ordensoberen. Das Eigeninteresse und der eigene Antrieb, in der deutschen Kirche zu arbeiten, sind nur mäßig ausgebildet. Entsprechend selten haben sich die „entsendeten Priester” langfristig auf ihren Einsatz in Deutschland vorbereitet. Trotz der routinemäßig durchlaufenen Sprachkurse und weiteren Bausteinen ihrer mehr oder weniger strukturierten Ausbildung reichen ihre sprachlichen Fähigkeiten für die Anforderungen der Pastoral nicht aus. Am Bild ihrer Heimatkirchen orientiert, fällt es ihnen schwer, sich auf die ganz anderen kirchlichen Verhältnisse in Deutschland näher einzulassen. Dass auch der Priester sich um Autorität bemühen muss und sie nicht unbegrenzt einfach besitzt, ist für sie ungewohnt. Mit aktiven Laien, insbesondere wenn sie „aufmüpfig” in Konflikten ihre Positionen vertreten, tun sie sich schwer. Handelt es sich um Frauen, erschwert sich das Verständnis noch weiter. Sie haben Schwierigkeiten, sich in die unübersichtlichen Verhältnisse in deutschen Gemeinden – zumal wenn es um Auseinandersetzungen rund um die gegenwärtigen Veränderungen der Pfarreien geht – einzufühlen.

DIE SICHT DER FÜR DIE PASTORAL VERANTWORTLICHEN

Wie sehen die befragten Personaldezernenten deutscher Diözesen die Situation rund um den Einsatz ausländischer Priester? Gäbe es die drängende Not nicht, die seelsorgliche Versorgung mit Priestern sicherstellen zu müssen, käme wohl nur der kleinste Teil der Personaldezernenten auf die Idee, sich um den Einsatz ausländischer Priester in ihren Diözesen zu bemühen. Insofern dominiert das Interesse an einer zahlenmäßig ausreichenden und möglichst guten pastoralen Versorgung der Gemeinden mit Priestern die Handlungsperspektive der Personaldezernenten. Daneben können sie sich mit dem Gedanken, der Einsatz der ausländischen Priester werfe unter Umständen auch einen weltkirchlichen „Gewinn” ab, durchaus anfreunden. Gezielte Bemühungen, den Einsatz ausländischer Priester für die Stärkung des weltkirchlichen Bewusstseins in den Gemeinden zu nutzen, lassen sich in den Interviews nicht feststellen. Dies schließt selbstverständlich nicht aus, ja es ist sogar wahrscheinlich, dass es weltkirchliche Gewinne für die deutsche Kirche im Zusammenhang des Einsatzes ausländischer Priester gibt.

Gestützt auf intensive Erfahrungen in den letzten Jahren haben die Personalverantwortlichen in den deutschen Diözesen in der Regel ein differenziertes und realistisches Bild von den Problemen des Einsatzes ausländischer Priester gewonnen. Auch in ihrer Sicht stehen die Sprachprobleme beim Einsatz ausländischer Priester an vorderster Stelle. Sie stellen fest, dass es Probleme beim in der Pastoral notwendigen „Auf-die-Menschen-Zugehen” gibt. Viele ausländische Priester sind aus der Sicht der Personalverantwortlichen nur begrenzt in der Lage, „sich auf unsere Verhältnisse einstellen zu können”. Hinsichtlich der Ausprägungen des Priesterbildes der ausländischen Priester sind sich die Verantwortlichen des Problems bewusst, dass es leicht zu erhöhten Spannungen im Verhältnis zu den haupt- und ehrenamtlichen Laien in den Gemeinden kommen kann. Defizite sehen sie hinsichtlich der theologischen Ausbildung der ausländischen Priester, ihrer religionspädagogischen Kompetenzen mit Blick auf den schulischen Religionsunterricht in Deutschland und hinsichtlich ihrer Fähigkeiten, mit den Leitungs- und Finanzproblemen in den Gemeinden angemessen umgehen zu können.

FOLGERUNGEN

Nach den Ergebnissen der Studie ist der Einsatz ausländischer Priester in den deutschen Diözesen nicht dazu in der Lage, die drängenden Personalprobleme langfristig zu lösen. Geht man von Mindestanforderungen für Priester in der heutigen Seelsorge und Pastoral aus, so ist das Risiko hoch, dass sie von nicht wenigen ausländischen Priestern unterschritten werden. Sie betreffen insbesondere die notwendigen Kommunikations- und Leitungsfähigkeiten in den Pfarrgemeinden. Die „normalen” Anforderungen an die Seelsorge heute und die „durchschnittlich” von ausländischen Priestern mitgebrachten Kompetenzen passen zu wenig zusammen, als dass der Einsatz ausländischer Priester als „normale” Strategie zur Sicherstellung der Seelsorge verfolgt werden könnte. Hat man den Einsatz ausländischer Priester als außerordentliche Maßnahme zur Verbesserung der Seelsorge in den deutschen Diözesen im Blick, ergeben sich andere Bewertungen. Es gibt ausländische Priester, die hohe sprachliche Fähigkeiten mitbringen, sich auf die Situation der Gläubigen in den Gemeinden ausgezeichnet einzulassen verstehen und gewissermaßen der Weltkirche vor Ort ein Gesicht zu geben vermögen. Es lohnt sich, für diese Priester Einsatzmöglichkeiten in der deutschen Seelsorge vorzusehen und so zu einem internationalen Austausch in der Pastoral zu kommen. Bei der Auswahl muss Berücksichtigung finden, dass nur bei gefestigten, auf den Einsatz in Deutschland ausgerichteten Motivlagen der Priester die Chance besteht, dass der Einsatz positiv verläuft. Vor diesem Hintergrund bekommen die Vorteile, aber auch die Nachteile der Einsatzprogramme und Kooperationen einiger deutscher Diözesen mit Orden und Diözesen außerhalb Deutschlands Konturen. Die Programme ermöglichen eine längerfristige Planung und Sicherung des Einsatzes von ausländischen Priestern und bieten den Diözesen eine größere Unabhängigkeit gegenüber den Zufälligkeiten eigener Bewerbungen der Kandidaten und selektiven Kontakten der Bischöfe. Wo die Programme aber dazu führen, dass die deutschen Diözesen ihre Entscheidungsmöglichkeit verlieren, wen sie in ihrer Diözese zum Einsatz kommen lassen und wen nicht, sind sie als problematisch einzuschätzen. Vornehmlich die Einsatzprogramme sind dafür verantwortlich, dass über die Hälfte der ausländischen Priester allein aus zwei Ländern – Indien und Polen – kommen. Die weltkirchlichen Möglichkeiten der Gewinnung ausländischer Priester werden so nur sehr eingeschränkt wahrgenommen.

AUSBILDUNG UND BEGLEITUNG AUF BEIDEN SEITEN

Notwendig sind auch längerfristige Überlegungen, welche Gemeinden sich für den Einsatz eines ausländischen Priesters eignen. Diese sind dann auf eine mögliche seelsorgliche Tätigkeit und Leitung durch einen ausländischen Priester vorzubereiten. Dazu gehören auch interkulturelle Trainings mit dem hauptamtlichen Personal und den Aktiven in den Gemeinden. Die bisherigen Anstrengungen und Programme der Diözesen zur Vorbereitung und Begleitung des Einsatzes ausländischer Priester reichen häufig nicht aus. Notwendig wäre eine intensivere Einführung und Auseinandersetzung mit den westeuropäischen theologischen Strömungen. Die Sprachförderung muss zu einer kontinuierlichen Anstrengung werden und darf nicht zu früh angebrochen werden. Wenn sich Unverständnis und Distanz gegenüber den Ambivalenzen der westlichen Kultur zu einer ablehnenden Haltung verdichten und sich mit dem Ziel der Missionierung der deutschen Gesellschaft und Kirche verbinden, belastet dies die Pastoral und Seelsorge vor Ort. Wichtig erscheint eine klare Verpflichtung auf die pastoralen Zielsetzungen und Leitbilder der Pastoral in den Gemeinden. Nach den Ergebnissen der Studie ist davon auszugehen, dass sich zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung der ausländischen Priester leicht Diskrepanzen ergeben. Notwendig wäre deshalb eine kontinuierliche Begleitung und sensible Supervision der ausländischen Priester. Die deutschen Diözesen können auf diesem Feld durch mehr Austausch viel voneinander lernen.