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Der scheinbar leichte Auftrag, eine Fabrikantentochter, die mit einem Arbeiter durchgebrannt ist, wieder zur Familie zurückzuführen, erweist sich als Pulverfass.

In Pécherots zweitem Band der Krimi-Trilogie aus dem Paris der Zwischenkriegszeit tritt wieder ein bemerkenswertes Personal auf: Neben Nestor Burma sind das ein Zauberkünstler, im Zivilstand Bestatter, ein glatzköpfiger, Rinderblut trinkender Schmuggler, eine Leiche ohne Kopf, die sich als Trotzkis ehemaliger Sekretär entpuppt und kein Geringerer als André Breton höchstpersönlich, der Waffen nach Spanien schmuggeln hilft.

In Frankreich sind die Tage der Volksfront gezählt. Das Land wird erschüttert durch Attentate der rechtsextremen Cagoule, deren versuchter Staatsstreich nur wenige Monate zuvor vereitelt wurde.

Die Lage in Europa wird immer angespannter. Hitler hat Österreich annektiert. Der Völkerbund schweigt, als Mussolini in Äthiopien einmarschiert. Auf der anderen Seite der Pyrenäen tobt der Spanische Bürgerkrieg.

Patrick Pécherot beherrscht die Kunst, Zeit und Figuren auferstehen zu lassen wie ein Panoptikum und sie in eine spannende Krimihandlung einzubetten.

Patrick Pécherot, 1953 in Courbevoie geboren, Journalist. 2002 erhielt er den »Grand Prix de Littérature Policière« für Nebel am Montmartre, den ersten Band einer Trilogie über das »populäre« Paris der zwanziger und dreißiger Jahre. Außer Krimis schreibt er Jugendbücher und Comics. Der dritte Band der Trilogie, Boulevard der Irren, erscheint 2012 bei Nautilus auf Deutsch.

www.pecherot.com

PATRICK PÉCHEROT

BELLEVILLE –
BARCELONA

KRIMINALROMAN

AUS DEM FRANZÖSISCHE
ÜBERSETZT VON CORNELIA WEND

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Der Verlag dankt Heribert Becker für die

Das Glossar auf den Seiten 219-224

Die Originalausgabe des vorliegenden Buches

Edition Nautilus Verlag Lutz Schulenburg

Und nicht zu vergessen: verrostete Waffen.

LÉO FERRÉ, Les Anarchistes

Paris, 1938, die Tage der Volksfront sind gezählt. Eine politische Krise löst die andere ab, eine Regierung folgt auf die nächste. Gruppen der extremen Rechten wollen die Republik stürzen. Das Land wird erschüttert durch Attentate einer dieser Gruppen, der Cagoule, deren versuchter Staatsstreich nur wenige Monate zuvor vereitelt wurde.

Die Lage in Europa wird immer angespannter. Hitler annektiert Österreich und hat es als Nächstes auf die Tschechoslowakei abgesehen. Die Völkergemeinschaft schweigt, als Mussolinis Italien in aller Ruhe in Äthiopien einmarschiert. Auf der anderen Seite der Pyrenäen tobt der spanische Bürgerkrieg. Die Front der untereinander zerstrittenen Republikaner, denen es an internationaler Unterstützung fehlt, wird von den Truppen General Francos durchbrochen.

In der UdSSR löst Stalin eine neue blutige Säuberungswelle aus. In Moskau sind die Schauprozesse in vollem Gange, die Jagd auf Oppositionelle kennt keine Grenzen mehr.

Es droht ein allgemeiner Flächenbrand. Um das zu vergessen, singt man Tout va bien, lacht über die Possen von Fernandel oder ist gefesselt von Eugène Weidmann, dem jungen Serienmörder, dessen Prozess in Versailles beginnt.

In Belleville, in den Räumen der Agentur Bohman – Ermittlungen, Nachforschungen, Observationen – langweilt sich ein Detektiv. Er weiß noch nicht, dass die Welt um ihn herum ins Taumeln geraten ist.

I

Die junge Frau war weiß im Gesicht wie ein Clown, aber niemandem war zum Lachen zumute. Außer der dicken Dame, die in der ersten Reihe vor sich hingluckste. Ein kurzes, abgehacktes Lachen, wie ein Hustenanfall. So ein heiseres Gekratze, mit dem man versucht, sich im Griff zu behalten, und das allen anderen auf die Nerven geht. Das war insofern ungünstig, als die Nerven aller bereits bis zum Zerreißen gespannt waren. Unter den Anwesenden sah ich zwei oder drei, die der Dicken gern eine geknallt hätten. Damit sie endlich Ruhe gab.

Die bleiche junge Frau tangierte das nicht, die konnte so leicht niemand mehr aus der Ruhe bringen. Sie lag dort, umgeben von vier Kerzen, den Kopf auf Blumen gebettet, steif wie eine Statue. Sie ruhte auf einem Brett, das auf zwei Böcken lag. Ihr Körper war mit einem Laken bedeckt, und angesichts der Formen, die sich darunter abzeichneten, war es ein echter Jammer, dass man der Schwester bei ihrer letzten Ruhe keine Gesellschaft leisten konnte.

Der Typ hatte sich auf leisen Sohlen genähert, mit Trauermiene, dem Anlass entsprechend. Eine echte Bestatterfresse. Sein schwarzes Gewand war ihm zu groß. Er setzte einen Fuß vor den anderen und bewegte dabei sein Cape auf und nieder. Dann zog er das Brett weg, das der Verstorbenen als Unterlage diente. Sie rührte sich nicht, blieb in der Horizontalen, lag steif auf den Böcken. Mit geübter Geste zog er nacheinander beide Böcke unter ihr weg. Die dicke Frau stieß einen Schrei aus. Die Tote schwebte im Nichts. Um uns das zu beweisen, legte der Knilch einen Reif um ihren Körper und ließ ihn daran entlanggleiten, vom Kopf bis zu den Füßen und zurück, ohne dabei auf den geringsten Widerstand zu stoßen. Dann verbeugte er sich, die Hände vor der Brust.

Ein Offiziant blies die Kerzen aus. Im Saal wurde es dunkel, und auch bei der dicken Dame gingen die Lichter aus. Als das Licht wieder aufflammte, war die Tote verschwunden.

»Unglaublich!«

Im halb leeren Theater klatschte mein Nachbar immer noch voller Begeisterung. Ich drehte mich zu ihm um: »›Eine Leiche fiel in Ohnmacht‹, hübscher Titel für einen Fantomas, oder?«

»Monsieur, etwas mehr Respekt, Sie reden über Swami!«

Er sah nicht so aus, als wäre er zum Scherzen aufgelegt. Eher wie einer dieser armen Irren, die dem erstbesten Fakir auf den Leim gehen. Ich überließ ihn seiner Verzückung und verdrückte mich. In der Eingangshalle hing ein gemaltes Plakat, das einen Kasernenhof zeigte. Darauf wurde angekündigt, dass die Pariser am 15. Mai 1938 ein Wiedersehen mit den spaßigen Landsern von Courteline feiern konnten. Zweiundfünfzig Jahre nach ihrem Entstehen stand die berühmte »Militär-Revue in drei Akten und neun Bildern« wieder auf dem Spielplan. Während in Europa schon wieder mit den Säbeln gerasselt wurde, lachte man in Frankreich über die »Gaités de l’escadron«.

Am Ende eines mit allerlei Requisiten vollgestellten Ganges entdeckte ich die Garderoben. Die erste war leer. An die zweite Tür war eine Visitenkarte gepinnt, derzufolge hier kein Geringerer als Professor Sri Aurobindo Bakor, großer Swami von Bombay, zu finden war.

»Hallo Corback!«, rief ich, als ich die Tür aufstieß.

Der Meister schminkte sich gerade ab. Eine Wange war schon sauber, die andere noch nicht. So ähnelte er einem Minz-Lakritzbonbon. Er musterte mich finster, seine Augen waren noch schwärzer als sein Bart. Er sah aus, als wollte er nach mir schnappen.

»Wer hat Ihnen erlaubt hereinzukommen?«, bellte er.

Plötzlich hellte sich sein Gesicht auf.

»Das gibt’s doch nicht«, sagte er mit veränderter Stimme, »Pipette, du alte Pfeife! Nes…«

»Stopp! Nicht diesen Namen.«

»Oh, die Zeiten sind wohl vorbei!«

»Ich erkläre es dir…«

»Moment, ich schminke mich ab, und dann kippen wir uns einen hinter die Binde.«

Er klatschte sich eine dicke Schicht Creme ins Gesicht wie eine alte Schachtel das Make-up.

»Bist du nicht mehr bei Borniol?«, fragte ich und schnupperte an einer Dose mit Vaseline.

»Doch, damit bessere ich immer noch mein Gehalt auf. Als Sargträger verdient man sich ja schon keine goldene Nase, aber als Swami ist man wirklich arm dran.«

»Deine Requisiten können ja nicht so teuer sein.«

»Das?« Er deutete auf die Blumen und die Trauergehänge auf den Bügeln. »Nachts wird keiner beerdigt. Erzähl mir lieber was von dir. Immer noch Privatdetektiv?«

»Immer noch. Bei Bohman – Ermittlungen, Nachforschungen, Observationen.«

»Viel ist nicht gerade aus uns geworden.«

Er schnappte sich eine herumstehende Flasche, als die Tür aufging und eine Erscheinung den Raum betrat. Ihr Sari umspannte sie fester als eine Gussform die Bronzestatue. Die Tote war wieder unter den Lebenden.

»Ich habe dir schon mal gesagt, dass du bessere Laken nehmen musst. Du weißt genau, dass dieser Stoff meine Haut reizt«, maulte sie und enthüllte dabei den Ansatz ihrer Brüste. Sie klopfte sich eine Zigarette aus einem Päckchen, das zwischen einem Lidstrich-Fläschchen und schmutzigen Wattestücken lag.

»Ist doch wahr!«, sagte sie an mich gewandt. »Sehen Sie, ich habe lauter rote Flecken.«

»Das ist ja furchtbar«, sagte ich teilnahmsvoll, ihre Kippe unter meiner Nase. »Nicht mal vor der Schönheit hat Corback Respekt.«

Sie stieß eine Rauchwolke aus: »Ah! Siehst du. Dein Freund ist ganz meiner Meinung. Dabei kenne ich ihn nicht mal.«

Ich hatte das Gefühl, dass die Stimmung kippte: »Ich möchte nicht länger stören.«

Corbeau schien das zu begrüßen.

»Lucia ist nach der Trance immer nervös. Mach dir keinen Kopf, morgen geht es ihr schon wieder besser. Komm doch mal vorbei, dann können wir über alte Zeiten reden. Rue Curial 3. Merk’s dir, ja?«

Ich verzog mich, während die Kleine nörgelte: »Ein Leichentuch aus Seide bringt dich auch nicht um.«

Im leeren Theater packten die Mädchen vom Einlass ihre Siebensachen. Draußen war die Nacht hereingebrochen, und die Bistros hatten sich gefüllt. Ich stopfte meine Pfeife, ging die Rue de Belleville hinunter und stieß dabei immer wieder Rauchwölkchen aus wie eine kleine Lokomotive.

Dieser Corbeau. Das war nun sicher zehn Jahre her. Schon als wir uns kennenlernten, malochte er im Bestattungswesen. Das war in Belgien. Dort hatte er eine Zaubernummer in einem Zirkus. Um die Reisekosten aufbringen zu können, hatte er die Versicherung beschwindelt. Ein vorgetäuschter Arbeitsunfall, eine erlogene Geschichte mit einem Nagel, der aus einem Sarg herausstand. Wer mit verwesenden Leichen zu tun hat, kann sich schon beim kleinsten Wehwehchen eine Infektion holen. Das wollte der Arzt nicht riskieren. Vierzehn Tage Krankschreibung waren immer noch günstiger als so eine verdammte Tetanus-Infektion. Mit dem Attest in der Tasche tauchte Corback in Gent auf. Lebœuf stellte ihn mir damals vor. Auch so ein Kumpel aus der guten alten Zeit. Wenn er nicht gerade Tresore knackte, mimte er auf der Bühne den Herkules. Eine Tätowierung auf seinem Bizeps stellte klar, dass er weder Gott noch Herrn gelten ließ. Corbeau teilte diese Philosophie, also hatten sie sich für ein paar Brüche zusammengetan. Für den guten Zweck. Für ihren. Für unseren.

In der Rue des Couronnes war meine Pfeife erloschen. Ich steckte sie in die Tasche und ging in die Passage Plantin. Die Gaslaternen waren runtergedreht, die Nacht war hier so schwarz, dass man die Hand nicht vor Augen sah. Ideal zum Tresore knacken, dachte ich, da ich gerade mit den Gedanken bei Leboeuf war. Der knackte jetzt vermutlich gerade etwas ganz anderes, nämlich Francos Panzer. Während die braven Bürger in ihren warmen Federbetten lagen, nahm er in Spanien die Panzer unter Beschuss. Ohne großes Tamtam darum zu machen. Weil manche Sachen es wert sind, dass man für sie seine Haut riskiert.

Apropos Haut riskieren: Da in der Ecke wurde sie offensichtlich gerade jemandem über die Ohren gezogen. Das hörte man. Da hatten sie einen in der Mangel. Dafür habe ich einen Riecher. Ich reckte die Nase in die Richtung, aus der das dumpfe Geräusch der Faustschläge kam.

Sie gingen zu viert auf einen los, der versuchte, die Schläge abzuwehren. Schwieriges Unterfangen, wenn man auf dem Pflaster liegt und die anderen nicht mit aufmunternden Sprüchen geizen: »Verdammter Kanake! Deine Goldzähne sollen dir im Hals stecken bleiben.« So was in der Richtung und noch Netteres.

»Bin schon da, Messieurs!«, rief ich. »Zu fünft schaffen wir den Lump bestimmt.«

Sie waren überrumpelt. Ehe sie reagieren konnten, hatte ich schon einen flachgelegt. Sein Zinken krachte unter meinem Faustschlag, und der Typ sackte wie ein Haufen alter Wäsche zusammen. Dann lief es nicht mehr so prächtig. Ich spürte, wie mich jemand von hinten packte. Mein Nacken krachte, und die kleine Straße färbte sich vor meinen Augen rot. Flüssiges Rot. Alles begann zu schwanken. Ich nahm nur noch Wortfetzen wahr. Und Geräusche. Eine Menge Geräusche. Schritte, Stimmen, Schläge. Das nahm kein Ende. Als ich auf den Knien war, kam ich mir vor wie ein Stier, der den Todesstoß erwartet. Stierkämpfe waren nie mein Fall gewesen. Da fiel ich lieber gleich in Ohnmacht.

II

Zwei Tage vorher war dieser Typ reingekommen, ohne anzuklopfen. Er hatte offensichtlich nicht gelernt, dass man wartet, bis man dazu aufgefordert wird. Ein schöner Mann. Der Ansatz zur Korpulenz unterstrich nur seinen sozialen Status. Graue Schläfen, feiner Schnurrbart. Sein dunkelroter Teint verriet möglicherweise eine gewisse Neigung zum Bluthochdruck, aber dieses kleine Problem war nicht der Anlass seines Besuches.

In seinem Alpaka-Anzug machte er den Eindruck eines Kolonialherrn auf Plantagenbesuch. Er zog seinen Panama-Hut ab, und da kein Diener zur Stelle war, der ihm den Hut abnahm, warf er ihn auf meinen Schreibtisch. Dann setzte er sich. Er streifte seine Handschuhe ab, für das ein armes Pekari sein Leben geopfert hatte, dann sagte er:

»Ich möchte, dass Sie meine Tochter wiederfinden.«

Aus seinem Mund hörte sich das merkwürdig an. So als spräche er von seinem Regenschirm. Ich konnte es mir nicht verkneifen, ihn im gleichen Ton zu fragen: »Haben Sie sie verlegt?«

Er bedachte mich mit einem mitleidigen Blick, so als hätte sich der Dorftrottel mal wieder eine Dummheit geleistet.

»Ich vermute, diese Art von Humor gehört zum guten Ton in Ihrer Branche, mein Anliegen eignet sich jedoch nicht für derlei Scherze.«

»Okay, dann versuchen wir es noch mal anders. Seit wann ist Ihr Kind verschwunden, Monsieur? Monsieur…«

»Beaupréau. Louis Beaupréau. Aude verließ unser Heim vor acht Tagen.«

»Ist sie weggelaufen?«

»Legal hat sie das Recht dazu. Sie ist volljährig.«

»Seit wann?«

»Seit einer Woche.«

»Netter Geburtstag. Und Sie haben nicht daran gedacht, die Polizei zu benachrichtigen?«

»Es wäre wohl nicht sehr geschickt, diese Herren in eine … Liebesaffäre hineinzuziehen.«

»Ah!«

»Aude hatte immer schon eine romantische Ader. Unter dem Einfluss dieser Bücher, für die die Jugend so schwärmt, begann sie, von Dachkammern, Fabrikschornsteinen und volkstümlichen Bällen zu träumen. Schließlich fraß sie einen Narren an einem Hilfsarbeiter. Der Junge ist kein Umgang für sie. Ich möchte, dass Sie ihr klarmachen, dass das nur Kindereien sind. Ich trage es ihr nicht nach. Ich bin da sehr offen…«

»Wie ein Abteil erster Klasse.«

»Bitte?«

»Es soll nicht jeder einsteigen.«

»Verschonen Sie mich mit Ihren geistreichen Bemerkungen und sagen Sie mir lieber, was Sie verlangen. Ist das Mädchen in einer Woche wieder da, gebe ich Ihnen das doppelte Honorar.«

»Ich nehme Tariflohn. Das Doppelte davon kommt teuer für Sie.«

Er legte einen Packen Scheine auf den Schreibtisch. Einer von denen, die sich den sozialen Frieden kaufen.

»Der Auftrag ist so gut wie erledigt, Monsieur Beaupréau. Und wie sehen unsere Turteltäubchen aus?«

Mit herablassender Geste reichte er mir einen Umschlag. Ich entnahm ihm das Foto der jungen Dame. Das Porträt zeigte ein hübsches Puppengesicht. So, wie zu erwarten war. Ihr Blick verriet eine gewisse Zerbrechlichkeit. Nur ein Anflug, kaum wahrnehmbar, wie ein Haarriss in einer Vase.

Das zweite Foto stammte aus einer Zeitung. Darauf war eine Gruppe kräftiger Kerle zu sehen, sie lachten, unter den Blaumännern zeichneten sich ihre muskulösen Oberarme deutlich ab. Die vorne hatten sich hingehockt, wie Spieler eines Fußballteams für einen Schnappschuss. Die anderen standen dahinter, legten sich die Arme über die Schultern wie Waffenbrüder, die zusammen ein Abenteuer erleben.

Ein Akkordeon prangte auf dem Zementboden einer Werkshalle, man erkannte im Hintergrund Maschinen. Zwischen zwei Stahlträgern war ein aus einem alten Laken genähtes Transparent gespannt, das sich redlich mühte, aufgebläht zu wirken. Darauf wurde der Welt mitgeteilt, dass die Fabrik Bornibus bestreikt wurde.

Beaupréau deutete mit dem Kinn darauf: »Pietro Lema, der Zweite von links.«

Der Angebetete war ein gut aussehender Kerl. Der geborene jugendliche Held: um die dreißig, melancholischer Gesichtsausdruck, dunkle Haare und ebenso dunkle Augen. Der dazu gehörende schlanke Körper wirkte kräftig und strahlte zugleich eine gewisse Lässigkeit aus. So ein Typ muss sich nicht groß ins Zeug legen, um Eindruck zu schinden. Und als reichte das nicht, hatte er auch noch diesen leicht ordinären Touch, der jedes unbedarfte junge Mädchen in Verwirrung stürzt.

Beaupréau stand auf und klopfte sich das Sakko ab: »Ich melde mich in vier Tagen wieder bei Ihnen. Sagen wir Freitag, siebzehn Uhr.«

Eine Sache beschäftigte ihn offensichtlich. Er kam noch mal auf das Thema zurück: »Aude macht gerade eine verspätete Pubertät durch. Sie lehnt alles ab, was mit der Familie zu tun hat, das betrifft insbesondere mich. Es wäre insofern angeraten, möglichst nicht zu erwähnen, dass ich mich an Sie gewandt habe. Ist das klar?«

Um sicher zu gehen, dass ich es auch wirklich kapiert hatte, ergänzte er: »Sagen Sie ihr nicht, dass ich Sie schicke. In ihrem Zustand hätte das womöglich zur Folge, dass sie sich sperrt. Besser ist, Sie überzeugen sie davon, dass … dieser … also dieses Individuum nicht der Mann ist, für den sie ihn hält. Sie verstehen doch, was ich meine, nicht?«

Dass er mich so unverblümt als Idioten behandelte, hätte mich unter anderen Umständen vielleicht beleidigt, aber in Anbetracht der Summe, die er gezahlt hatte, durfte er sich auch das leisten. Im Rausgehen warf er noch einen Blick auf das Geld auf dem Schreibtisch. Er schien kurz zu zögern, aber dann ging er.

Draußen wartete ein Auto auf ihn, unter dessen Motorhaube sicher an die 46 Pferdestärken ungeduldig mit den Hufen scharrten. Beaupréau verschwand im Inneren des Wagens, nachdem er ein paar Worte mit dem Chauffeur gewechselt hatte, dessen Kopf kahl war wie ein Ei. Es war ja bald Ostern.

Im Nebenzimmer erwachte die Schreibmaschine zum Leben.

»Yvette? Schon zurück?«

»Ja … Ich hatte keinen großen Hunger. Ich bin hinten reingekommen, um Sie nicht zu stören.«

Die Sekretärin des Chefs war eine sparsame Natur. Nicht mal Fasten beeinträchtigte ihre Arbeitskraft. Kaum war die Pause um, da hackte sie schon wieder eifrig wie ein Grünspecht auf die Tasten ein. Normalerweise wurde ich bei dem Höllenlärm zum Nervenbündel. An dem Tag klang es wie Musik in meinen Ohren. Beaupréaus Zaster zierte den Schreibtisch wie ein hübsches Sträußchen. Gemessen an der Arbeit, die ich dafür zu leisten hatte, war der Strauß allerdings reichlich groß ausgefallen. Bevor ich die Scheine in den Tresor legte, nahm ich etwas für mich ab. Es versprach ein schöner Tag zu werden. Durch das offene Fenster drang der Duft des frischen Grüns der Bäume, der Caféterrassen und der ersten Früchte der Saison. Kaum war er da, trödelte der Frühling schon herum. Ich ging runter, um ihm dabei Gesellschaft zu leisten.

Ich suchte mir bei Gopian einen Platz. Das war ein nettes Lokal in der Avenue Bolivar mit Blick auf die Buttes-Chaumont. Gopian hatte die paar Kröten, die er aus seiner Heimat Armenien mitgebracht hatte, dort investiert, zusammen mit dem bisschen, was er in zwanzig Jahren in Belleville zusammengekratzt hatte. In seiner Zweizimmerwohnung in der Rue Piat hatte er sich als Schuhmacher die Gesundheit ruiniert, Tag und Nacht über seine Werkbank gebeugt, inmitten der Lederdämpfe, die sein Zimmer erfüllten. Dabei hatte er zusammenbekommen, was er brauchte, um eine Lizenz für eine Kaschemme zu erwerben, und er war stolz darauf, das ganz allein geschafft zu haben. »Wir armen Armenier sind die Könige unter den Schuhmachern. Aber aufgepasst, wir sind keine Stiefelputzer

Seither war er darum bemüht, auf seinem Herd die Düfte Anatoliens mit denen Ménilmontants zu vereinen.

Gopian servierte mir einen Raki und Pistazien.

Und so war ich glücklich wie ein Prinz. Was gibt es Schöneres, als sich die Sonne auf den Pelz scheinen zu lassen. In meinem Job bietet sich dazu öfter die Gelegenheit. Nachdem ich das erst mal raus hatte, habe ich keine ausgelassen. Keine Beschattung ohne Zwischenstopp am Tresen. Kein Ausharren in einem Versteck, ohne der Schanktheke noch einen kurzen Besuch abzustatten. Von der schäbigen Spelunke bis zur Brasserie mit blitzendem Chrom habe ich alle erdenklichen Arten von Kneipen kennengelernt. Ich hätte eine ganze Abhandlung darüber schreiben können, aber das gehörte nicht zu meinen Aufgaben bei der Agentur Bohman. Laut Eigenwerbung »die erste Adresse in Frankreich und im Ausland für die schnelle und zuverlässige Beschaffung von Informationen«, aber genau wie überall rannte man sich auf Kosten anderer Leute die Hacken ab. Da war der Sohn, der über die Stränge schlug, die nachmittäglichen Rendezvous der untreuen Ehefrau, der mysteriöse Erbe … Alles bei Bohman, was nicht nach dem großen Los aussah – und das war eine Menge –, ging an mich, ich war der Handlanger für Beschattungen.

Während ich meinen Anisschnaps schlürfte, schielte ich nach den jungen Mädchen aus den Schneiderwerkstätten, die zurück an die Arbeit gingen. Die Sonne liebkoste ihre leichten Kleider und ging dabei nicht gerade diskret vor, sodass einem schon mal das Blut in den Kopf schoss. Die Luft trieb es wirklich ein bisschen doll – was für Durchblicke sie einem gewährte! All diese duftig-leichten Stoffe, da musste man nichts Böses im Schilde führen, um die Formen, die sie verstecken sollten, zu erraten. Das war ein Kleiderrascheln, schöner als beim Ball am 14. Juli. Und dann dieser kokette Augenaufschlag! Die Bienen machten sich einen Spaß daraus, Blicke zu werfen, die es in sich hatten. Und dazu dieses treuherzige Lächeln. Da konnte man schon mal auf falsche Gedanken kommen.

Mein Blick blieb an den Kurven eines Trios gut gebauter Sekretärinnen hängen, das die Avenue hinunterging. Als sie nur noch drei kleine bunte Flecken waren, setzte ich mich schließlich auch in Bewegung. Jeder muss mal ran.

Es war Wind aufgekommen. Am Kiosk flatterten die Zeitungen in den Ständern so ungeduldig wie Vögel in ihren Käfigen. Auf der Titelseite prangte die neue Regierung von Blum. Zwei Jahre nach der großen Sause von 1936 hielt sich die Volksfront zwar noch, aber die Stimmung war nicht mehr dieselbe. Vielleicht lag es am Brandgeruch, der aus Spanien herüberwehte, oder dem Mief, der aus Deutschland zu uns drang. Woher sollte man das wissen? Wie schön ist’s doch bei uns im Land, die Tandems sind poliert, und den Ministern fehlt kein Knopf am Jackett. Aber all das Tohuwabohu hatte einen schalen Nachgeschmack hinterlassen. Sogar die Streiks, die hier und da noch ausbrachen, hatten einen ranzigen Stich bekommen. Vielleicht eine Folge von so manchem schlecht verdauten Brocken.

Am Boulevard de la Villette wurde man von Essigdünsten begrüßt. Die Fabrik Bornibus, in der Senf und Würzsaucen hergestellt wurden, konnte also nicht weit sein. Am Eingang saß ein vorzeitig ergrauter Pförtner, der nach all den Jahren im Dienst wohl unter Nasenverstopfung litt, und zählte Fliegen. Ich begrüßte ihn jovial: »Was für ein schöner Tag!«

»Es ist Gewitter angekündigt«, widersprach er mir sogleich.

Ich zog meinen Tabakbeutel hervor: »Was gibt es Schöneres, als so einen Tabak zwischen den Fingern zu haben, oder?«

»Heißt es.«

Ich stopfte meine Pfeife, bevor ich ihm das Päckchen hinwarf: »Bedienen Sie sich, schmeckt noch mal so gut, wenn man ihn teilt.«

Er ließ sich nicht lange bitten und drehte sich eine Zigarette. Seine Nägel hatten schwarze Trauerränder, und zwischen seinen Fingern rollte das Papier hin und her wie ein nervöses Insekt.

»Arbeiten Sie schon lange hier?«

»Vierzig Jahre.«

»Da haben Sie ja eine Menge Leute gesehen.«

»Das kann man wohl sagen.«

»Sie sind wohl das Gedächtnis des Hauses.«

Er zog so heftig an seiner Zigarette wie ein Rotzlöffel, der eine Kröte aufbläst, bis sie platzt.

»Aber Sie schweigen eisern, was?«

»Kommt drauf an.«

Ich zog einen Schein und das Foto von Pietro heraus.

»Mir geht es nur um den Einen. Der gut aussehende Dunkelhaarige dort links. Arbeitet der noch hier?«

»Lema? Nein. Solche Witzbolde bleiben nie lange.«

»Weil sie gefeuert werden?«

»Sie sagen es.«

»Ist er ein Roter?«

»Wenn man den in eine Flasche abfüllen würde, wäre er nicht von Rotwein zu unterscheiden.«

»Wissen Sie, wo der seine Bude hat?«

»Da müsste ich beim Personalrat fragen.«

Ein zweites Scheinchen gesellte sich zum ersten.

»Die Unterhaltung gefällt mir«, sagte er mit einem Grinsen. »Kommen Sie morgen wieder. Dann reden wir weiter.«

Auf dem Rückweg stieß ich dann auf die Visage von Corbeau, auf einem Plakat an einer Mauer. Seine Augen schwarz wie Kohle, sein Teint dunkler als der eines Hindu, der gerade dem Ganges entstiegen ist. So war aus meinem alten Kumpel also ein Swami geworden. An diesem Abend stellte er seine Künste im Theater von Belleville zur Schau. Da lohnte sich doch ein Abstecher. Ich hatte es nicht eilig, die Geschäfte gingen gemächlich ihren Gang wie von allein. Hatte der Alte erst mal für mich die Adresse des Verführers aufgetrieben, dann, so war ich mir sicher, würde die Süße innerhalb von vierundzwanzig Stunden in den Schoß ihrer Familie zurückkehren.

Schon verrückt, wie so ein Faustschlag in den Nacken alles verändert.

III

Ich hatte schon so manche unvergessliche Kopfnuss eingesteckt, aber die in der Passage Plantin übertraf wirklich alle. Ich brauchte sechsunddreißig Stunden, um sie zu verdauen. Sechsunddreißig komatöse Stunden, von andauerndem Brechreiz geplagt. Dieser Zustand wurde nur unterbrochen von Albträumen, durch die Corbeaus lebende Tote geisterte. In einem verfallenen Theater, begraben unter vergammelnden Blumensträußen, zersetzte sie sich langsam, und das aus lauter Skeletten bestehende Publikum ergötzte sich an ihrer Verwesung. Vom Totenglöckchen erwachte ich dann. Es läutete direkt unter meiner Schädeldecke. Als ich zu mir kam, lästerten die Skelette ganz ungeniert über mich. Ich schloss gleich wieder die Augen, in der Hoffnung, dann klarer zu sehen. Das war idiotisch. Aber der Schmerz in meiner Birne ließ tatsächlich nach. Ich machte noch einen Versuch. Schon der leichteste Wimpernschlag schien mir die Netzhaut abzureißen, aber so leicht gebe ich nicht auf. Nach einer Ewigkeit gelang es mir schließlich, die Augen offen zu halten. Die Skelette von gegenüber waren jetzt nicht mehr allein. Ein Schwarm schwarzer Schmetterlinge hatte sich zu ihnen gesellt, angezogen vom Licht einer Gaslaterne, das die Szenerie erleuchtete.

Da herrschte totales Chaos in der Ecke. Ein vertrautes Chaos, ein surrealistisches Chaos.

»Und die Schmetterlinge begannen zu singen«, murmelte ich, als ich die Collage von Max Ernst an meiner Zimmerwand wiedererkannte.

Ich war zu Hause. Ich wusste nicht, wie ich dorthin gekommen war, aber ich war in meinem trauten Heim. Ich stand auf, taumelte zum Waschbecken und hielt meine Birne unter den Wasserhahn. Durch das kalte Wasser kam ich langsam zu mir.

Beaupréau hatte mir vier Tage gegeben. Mit schmerzendem Schädel kippte ich einen mit Aspirin angereicherten Liter Kaffee herunter. Eine Stunde später fühlte ich mich schon wieder voller Tatkraft. Ich ging in Richtung Fabrik. Der Alte in seinem Kasten hatte sich nicht von der Stelle gerührt. Ein Leben lang drehte er sich dort nun schon im Kreis und ähnelte mit der Zeit immer mehr einem Goldfisch im Glas. Kaum hatte er mich gesehen, tauchte er auf.

»Bisschen spät«, warf er mir anstelle einer Begrüßung zu.

»Den Spruch können Sie sich sparen«, grummelte ich. »Ich muss nicht zur Stechuhr.«

»Das kostet Sie trotzdem ein Bußgeld.«

»Bitte?«

»Ich habe die geforderte Arbeit in der vereinbarten Zeit erledigt. Sie liefern jedoch einen Tag zu spät, das kostet ein Bußgeld. Wenn sich keiner an die vereinbarte Zeit hält, dann funktioniert nichts mehr.«

Als ich sein Gequatsche so hörte, meldete sich der Schmerz wieder.

»Sprechen Sie doch leiser.«

Der Alte bekräftigte: »Ein Tag zu spät, das kostet Strafe.«

Ich schnappte ihn am Schlafittchen: »Wo hat Lema seine Bude?«

Er sackte zusammen, ich lockerte meinen Griff.

»Passage Notre-Dame-de-la-Croix 12«, stammelte er. »Seien Sie doch nicht gleich sauer.«

Wenn einer vierzig Jahre lang Uhren überwacht, muss er wohl auf diese behämmerte Pünktlichkeit pochen. Sonst hält er das nicht durch. Ich steckte ihm einen Schein in die Tasche.

»Nehmen Sie es mir nicht krumm«, erwiderte ich und machte auf dem Absatz kehrt. Die Sorglosigkeit der letzten Tage hatte sich in Luft aufgelöst. Vielleicht war das eine Folge der Schläge auf den Kürbis, oder ich hatte Gewissensbisse, weil ich diesen armen Kerl durchgeschüttelt hatte. Das sind so Sachen, die können einem echt aufs Gemüt schlagen, schlimmer als ein Familienessen.

Die Passage Notre-Dame-de-la-Croix zog sich zwischen zwei Häuserzeilen hindurch, von denen der Putz abblätterte. An die vom Rauch der Fabrikschlote geschwärzten Fassaden schlossen sich stinkende Höfe und wackelige Treppen an. Eine Straße, in der die Armen wohnten. Bis hier drang die Sonne nicht vor. Wenn die Kleine dieses Elendsquartier auf sich nahm, dann musste sie ihren schönen Proletarier wirklich zum Fressen gern haben.

Ich sprach zwei Kinder an, die in der Gosse spielten: »Hallo, ich suche Pietro Lema.«

Der Größere der beiden war höchstens zehn. Aber er glaubte schon lange nicht mehr an Märchen.

»Was wollen Sie denn von ihm?«, erkundigte er sich misstrauisch.

»Ich bin ein Cousin von Aude, bin nur kurz in Paris, und wollte ihr nur mal ein Küsschen geben.«

»Ein Küsschen geben? Ah ja…«

»Schon klar«, sagte ich grinsend. »Einem Kerl wie dir muss ich ja nichts vormachen.«

Der Kleine warf sich in die Brust.

»Die Turteltäubchen sind nicht mehr da! Die sind ausgeflogen, wenn Sie verstehen, was ich meine. Die alte Schachtel war stinksauer, als sie hoch ist, um die Kohle einzustreichen. Der Eigentümer muss der ollen Concierge ganz schön den Kopf gewaschen haben.«

Ich begann währenddessen meine Pfeife zu stopfen. Der Bengel schielte nach meinem Tabak. Ich fand es etwas beunruhigend, dass mein »Caporal«-Tabak eine solche Anziehungskraft hatte: »Ich würde dir ja was anbieten, aber ich habe kein Papier.«

Der Knirps zog ein Stück Zeitung aus der Tasche: »Wohl nicht gepeilt, dass ich selber ausgestattet bin.«

Ich reichte ihm meinen Tabak.

»Und du weißt nicht zufällig, wo ich sie finden kann? Mein Zug fährt heute Abend und ich bin nicht so oft in der Gegend.«

Unter den neidischen Blicken seines Kumpels drehte sich der Knirps mit der Geschicklichkeit eines professionellen Kippenaufsammlers eine Zigarette.

»Tut mir leid«, hüstelte er.« Versuchen Sie Ihr Glück bei Marcel. Der hat ihnen geholfen, ihr Zeug wegzuschaffen.«

»Und wo finde ich diesen Marcel?«

»Den finden Sie im Alhambra, er ist der Wirt. Marcel La Bohème.«

»Danke für den Tipp, mein Sohn. Dafür bekommst du den Rest des Stoffs.«

Ich überließ die beiden Steppkes ihrem Hinterhof.

Zum Tanzen war es noch deutlich zu früh. Also bezog ich Stellung in La Vielleuse, der Brasserie am Boulevard de Belleville. Ich vertrieb mir die Zeit mit ein paar Bierchen und bewunderte dabei die Künste der Billardspieler, die ihre Kugeln auf dem grünen Filz gegeneinanderkrachen ließen. Zwanzig Jahre zuvor hatte der Spiegel bei einem Beschuss durch deutsche Kanonen einen Riss abbekommen, sodass ihr Spiegelbild unwirklich verzerrt wurde.

Als ich keine Lust mehr hatte, dort rumzusitzen, machte ich mich auf den Weg zum Ballhaus. Ganz am Ende eines schlauchartigen dunklen Ganges war das Alhambra-Musette, Amüsierbude und Tanzdiele des Viertels. Dort schwang ein bunt gemischtes Publikum zu den Klängen des Schifferklaviers das Tanzbein – Arbeiterinnen neben leichten Mädchen, Künstler neben Ganoven.

Vor mir hängte sich eine üppige Blondine bei ihrem Freier ein, um auf dem Pflaster nicht umzuknicken. Ich folgte ihnen.