Zum Herausgeber
Dr. Rüdiger Thiesemann absolvierte eine Ausbildung zum Krankenpfleger, ab 1983 übte er diesen Beruf auch neben seinem Medizinstudium bis 1990 aus. Mit einem Stipendium der Hans-Böckler-Stiftung konnte er 1994 sein 3. Staatsexamen und Approbation als Arzt erlangen. Als erster Forschungsassistent einer Hamburger Geriatrie-Einheit promovierte er unter Prof. Dr. Meier-Baumgartner und Prof. Dr. von Renteln-Kruse zum umfassenden geriatrischen Assessment. Für seine Dissertationsschrift wurde er 1996 mit dem damals höchstdotierten deutschen Gerontologie-Preis ausgezeichnet (Max Bürger Preis der DGGG zusammen mit Prof. Dr. Wahl).
Die postgraduierte Weiterbildung als Internist absolvierte er am Katholischen Marienkrankenhaus Hamburg bis 2003. Die Zusatzbezeichnungen »Klinische Geriatrie, Physikalische Therapie und Balneologie, Spezielle Schmerztherapie« erwarb in seinen späteren Positionen als Oberarzt in Wuppertal, Bergisch-Gladbach und als Chefarzt in Remscheid. Nach einem postgraduierten Studium wurde er Master of Science für Interdisziplinäres Schmerzmanagement. Mit diesen Kenntnissen baute er 2014-2017 zwei Geriatrische Abteilungen in Cuxhaven und Bremerhaven auf.
Er ist seit 2016 Mitherausgeber der Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie, Mitglied am Lehrstuhl für Geriatrie der Privaten Universität Witten Herdecke und hat als Mitautor der »Leitlinie Multimorbidität« die Deutsche Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie – deren geschäftsführendes Vorstandsmitglied er 2010-2016 war – an der Universitätsklinik Hamburg und der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin vertreten.
Nach fünfzehn Jahren kehrte er 2018 mit seiner Ehefrau nach Hamburg zurück um sich dort zukünftig der Familie und der hausärztlichen Medizin für ältere Menschen zu widmen.
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1. Auflage 2018
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© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Print:
ISBN 978-3-17-033006-1
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pdf: ISBN 978-3-17-033007-8
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Liebe Leserinnen und Leser, geschätzte Kolleginnen und Kollegen,
Sie kennen vielleicht das Gefühl, dass sich manchmal auf dem Arbeitsplatz oder zu Hause einstellt, dass man/frau vor lauter unerledigter Aufgaben nicht mehr weiß, was als Erstes, Zweites, Drittes gemacht, abgearbeitet oder gelesen werden muss.
Oder das Gefühl, Sie gehen am Strand entlang und sehen vor lauter Muscheln, Muschelkalkresten die einzelne, die besondere Muschel nicht mehr, die Sie gerne verschenken würden – an eine besondere Person. Vor lauter Steinen bleibt der eine Bernstein verborgen, derjenige, der eine einzigartige durchscheinende Sichtweise und einen kostbaren Inhalt aufweist.
Umso größer ist die Freude, dass dieser einzigartige Naturfund und Schmuckstein sich auf einmal einfindet, nämlich genau dann wenn man/frau nicht mehr damit rechnet.
Dieses Buch versucht so ein Schmuckstück einzurahmen, ihm eine deutschsprachige Einfassung zu geben. Dieses Schmuckstück wurde von der amerikanischen Gerontologischen Gesellschaft 2013 veröffentlicht: 29 evidenzbasierte Empfehlungen zur Kommunikation mit älteren Erwachsenen, die in diesem Buch als transkulturelle Übersetzung vorgelegt werden (GSA; The Gerontological Society of America 2013).
Die ursprüngliche Paperback-Hochglanz-Broschüre fand sich in meinen unübersichtlichen Stapel an eingegangener Fachliteratur, Memos, Emails, Aufsetzen und Dringlichkeiten, die in meiner damaligen Funktion als Sekretär der Deutschen Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie aufgelaufen waren.
Es kam damals – nach 20 Jahren als Arzt und Geriater und nach einem halben Jahrzehnt in der Kranken- und Altenpflege nur noch selten vor, dass ich mit dem ersten Blick auf eine neue Publikation dachte: »Unglaublich, das fehlt in Deutschland, das ist werteverschiebend, humanistisch und zugleich innovativ, das passt auf alle, die in der Pflege und in der Medizin, in der Sozialarbeit und in den Therapieberufen mit älteren Menschen arbeiten.«
Mit dem Studium der GSA-Empfehlungen wurde mir bewusst, wie wichtig dieses auch für die Weiterentwicklung der Gerontologie und Geriatrie in Deutschland werden könnte und wie eingeengt meine Sichtweise als Klinikarzt gewesen war. Wie Sie der Originalbroschüre als auch dem Geleitwort von James Appleby, dem Geschäftsführer der GSA entnehmen können, sind mit Health Care Workers viel mehr Menschen und Berufsgruppen gemeint, als ich oben erwähnte; auch der kulturelle Kontext, in dem sich Gesundheitsdienstleistung abspielt ist in Nordamerika größer. Seit 2013 hat sich durch die globale Migrationsverstärkung auch in deutschen Kliniken und Pflegeeinrichtungen einiges geändert (z. B. die Anzahl syrischer Patienten/Mitarbeiter), so dass es mir eine Freude ist, erstmals in einem geriatrisch-gerontologischen Buch eine translationale Publikation mit Sprachwissenschaftlern, Kulturwissenschaftlern, Gerontologen und Geriatern zum Themenfeld Sprache und Gerontologie in Kliniken vorzulegen.
Die Kommunikation mit Älteren ist der eine Bernstein, der eine Natur(be)fund, derjenige, der eine einzigartige durchscheinende Sichtweise und einen kostbaren Inhalt aufweist.
Die Person, für den dieser Fund gedacht ist, sind Sie, die Sie mit älteren Menschen arbeiten. Die einzigartige durchscheinende Sichtweise betrifft die Art und Weise des Umganges mit älteren Menschen, den wir in Kliniken, Praxen und Heimen pflegen oder eben nicht pflegen.
In Zeiten, in denen Mediziner/Medizinerinnen und (zunehmend) auch Pflegende in quasi-industriellen Rahmenbedingungen gezwungen werden, ihr Wissen/ihre Praxis an die ältere Frau oder älteren Mann zu bringen, gibt es kaum noch Zeit mit den älteren Menschen zu reden, sich auszutauschen, sich auf Augenhöhe – wie ich mit diesem Buch gelernt habe – »besser auf Lippenhöhe« zu begegnen – und zu warten bis sich der individuelle Mensch pro oder contra entschieden hat. Die Zeit, die es braucht, sich als älterer Mensch für/gegen eine Magenspiegelung, für/gegen eine Mundpflege, eine Computertomografie, Rippenfellpunktion, für/gegen einen Einlauf, sich für/gegen einen Antrag zur Pflegeversicherung oder vieles andere zu entscheiden, ist eine unabweisbare Mindestbedingung für eine sachgerechte Versorgung.
Dass dieser neue Kommunikationsumgang nicht nur aus humanistischen sondern auch fachlichen und aus juristischen Gründen unabdingbar ist, soll mit diesem Werk untermauert werden. Es wird Zeit, dass nicht nur die Menge der »Arbeitspakete« im Klinik-Einrichtungs-Alltag verändert wird, sondern auch die Art und Weise wie Informationen mit den Betroffenen geteilt werden.
Ich rechne mit Kritik auch von Ökonomen, Geschäftsführern und ärztlichen Kollegen, die es nicht einsehen oder umständehalber nicht einrichten können, sich bei der (Krankenhaus-)Visite mit dem Stuhl ans Krankenbett »auf Lippenhöhe« zu setzen, wenn sie denn mit den Betroffenen sprechen wollen oder mit dem MRT/der OP zu warten bis ein älterer Mensch sich entschieden hat. Die Anwendung und Umsetzungen der amerikanischen Empfehlungen könnte erforderlich machen, die Zeiten zu messen, die es benötigt, um mit 28 Senioren auf einer Krankenhaus- oder Pflegestation ein- oder mehrmals am Tag zu sprechen und zu warten bis sich der individuelle Mensch pro oder contra entschieden hat. Und hierfür Forschung zu betreiben.
Ob hieraus ein juristisch bzw. praktikabler Weg zu einem Mindest-Kommunikations- oder -Bedenkzeit-Korridor entsteht, der auf die Verweildauer oder die Qualitätsmarker anzurechnen ist, bleibt Zukunftsszenario. Im siebten Altenbericht der Bundesregierung wird festgehalten, dass Kommunikation auch zur Daseinsvorsoge gezählt werden kann; auch sie »schaffe[n] erst die Voraussetzungen für die Einzelnen, ihre grundrechtlichen Freiheiten wahrzunehmen.« (Deutscher Bundestag 2016).
Ob dieses Buch die Kommunikation verbessern kann oder für den beruflichen Arbeitsalltag hilfreich sein wird, werden Sie als Leserin/Leser mitentscheiden und ggf. mitentwickeln müssen. Sicher wird es in den deutschsprachigen wissenschaftlichen Feldern der Pädagogik, Pflege, Geragogik, Psychologie, Soziologie, Linguistik, Medizin, Pflege und anderen viele Befunde geben, die den amerikanischen Empfehlungen entgegenstehen, sie widerlegen und ergänzen.
Aber wie dem auch sein mag, auch hier bleibt es die Kommunikationsform zwischen den Beteiligten Menschen, Betreibern und Fachgesellschaften, die entscheidend ist.
Dieses Buch wurde primär von Autoren aus der Krankenhaus-Perspektive entwickelt, dennoch spricht doch vieles dafür, dass die evidenzbasierte Grundlage und die 29 Empfehlungen zur Kommunikation auch für Pflegeeinrichtungen Wirkungen entfalten könnten: in Pflegeeinrichtungen ist die Anzahl apparativer Verfahren geringer, der relative Zeitanteil für Kommunikation damit höher, die Bedeutung der Kommunikation könnte höher sein, weil die Verweildauer im Lebensabschnitt »Pflegeheim« länger ist als im Krankenhaus. Zudem beziehen sich einige der amerikanischen Quellen explizit auf Pflegeheime.
Dies Buch wäre nicht möglich gewesen ohne die Mitwirkung und Impulse und Kritik von anderen wichtigen und lieben Menschen, denen ich meinen tiefen Dank ausdrücken möchte: meinen akademischen Lehrern, insbesondere Herrn Prof. Dr. Wolfgang von Renteln-Kruse, der mich in das Themenfeld Geriatric Assessment einführte und mir den Weg wies am » Krankenbett nach der einen Information zu suchen, in dem der Zugang zur Genesung des individuellen Patienten zu finden sei« (aus meiner heutigen Sicht: die Kommunikation in der Anamnese und Behandlungsplanung).
Ich danke den Kolleginnen und Kollegen des Präsidiums der Deutschen Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie insbesondere Herrn PD Dr. Frohnhofen für sein Geleitwort und meinem ehemaligen Past-Präsidenten Dr. Manfred Gogol, der als Fellow der amerikanischen Gerontologischen Gesellschaft den Kontakt zu James Appleby herstellte und als Ko-Autor beteiligt ist, Frau Judie Lieu, die als Senior Director of Publications and Marketing der Gerontological Society of America, stets und auch über lange Verzögerungen offen und bereit war, sich für dieses gemeinsame Projekt einzusetzen. Ich danke Bernd Meyer und Feyza Evrin, die mich lehrten was Sprache und Kultur miteinander – auch in der Medizin – zu tun haben und als Autoren und Ko-Autoren beteiligt sind und die Übersetzungsarbeit maßgeblich und vorrangig bearbeiteten. Ich danke meiner Tochter Sophie Thiesemann, die mir Einblicke in moderne pflegebasierte behavioral-dialektische Behandlungssettings in der Psychiatrie und deren Kommunikation ermöglichte sowie Dagmar Kumbier, die den Zugang zum Wissen des Schulz-von Thun Institutes bahnte und mir Zugang zur Kommunikation im »Inneren (und Äusseren) Team« brachte. Ich danke den Mitarbeitern des Kohlhammer Verlages, insbesondere Herrn Dr. Poensgen und der Lektorin Frau Dr. Annegret Boll, für ihre stete Unterstützung und Beratung sowie konstruktiv-kritische Begleitung und Umsetzung von neuen und alten Ideen bei dem Verlegen meines Erstlingswerkes.
Ihnen allen und auch vielen ungenannten Kolleginnen und Kollegen sei von Herzen gedankt, die mich auch praktisch befähigten, die Kommunikation in meiner zurückliegenden Klinikphase und in der Arztpraxis anders zu gestalten. Meine Begegnungen als Arzt mit syrischen Assistenzärzten, iranischen Sozialarbeiterinnen, afghanischen Hundertjährigen, US-amerikanischen Gerontologen und deutschsprachigem Klinikpersonal aus drei Generationen haben sich seither verändert. Die Wahrnehmung des Gegenübers als Person steht wieder im Vordergrund.
Meiner Ehefrau Britta danke ich für die Geduld und Unterstützung, die sie mir trotz stürmischer Zeiten nicht nur an der Nordsee hat zukommen lassen, um dieses Werk abzuschließen. So manche Tasse Tee musste daher allein eingenommen werden. Sie gab mir Zugang zu den sehr verschiedenen Kommunikationsformen in der Gestalttherapie und der Beratungspraxis in Einrichtungen der kirchlichen Familien- und Lebensberatung.
Es wäre mir eine Freude, wenn es mir gelungen wäre, ein für die Leserschaft interessantes Werk zu gestalten. Ich freue mich auf Ihre Rückmeldung und die Kommunikation.
Rüdiger Thiesemann
Cuxhaven/Hamburg im Januar 2018
The Gerontological Society of America (2013) Communicating with older adults-an evidencebased review of what really works. In: GSA-https://www.geron.org/publications/communicating-with-older-adults (Hrsg). GSA, Washington, DC.
Deutscher Bundestag (2016) Siebter Bericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland Sorge und Mitverantwortung in der Kommune – Aufbau und Sicherung zukunftsfähiger Gemeinschaften.Bundestagsdrucksache 18/10210, Seite 29, Abs.3.
The fitness of the person of the 21st century will be defined, for the most part, in terms of his or her ability to communicate effectively.—Robert J. Ruben, MD, FACS, FAAP