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GedankenReich Verlag

Denise Reichow

Heitlinger Hof 7b

30419 Hannover

www.gedankenreich-verlag.de

 

CYBEREMPATHY

 

Text © E.F. v. Hainwald, 2018

Cover & Umschlaggestaltung: Phantasmal Image

 

Lektorat: Teja Ciolczyk

Korrektorat: Die Buchstabenflüsterin

Satz & Layout: Phantasmal Image

Covergrafik © shutterstock, Künstler: Tithi Luadthong

Innengrafiken © shutterstock, Künstler: Nitichai & Liu Zishan

Druck: bookpress

 

ISBN 978-3-947147-47-2

 

© GedankenReich Verlag, 2018

Alle Rechte vorbehalten.

 

Dies ist eine fiktive Geschichte.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

 

Widmung

 

eins

 

Die sanfte Melodie wandelte sich nach zehn Minuten in ein ohrenbetäubendes Piepsen. Leon wedelte schlaftrunken mit der Hand in Richtung Kommode, um den Wecker auszuschalten, doch das in der Luft schwebende Holo-Display war zu weit entfernt. Schließlich richtete er sich auf, kroch aus dem Bett und schlug genervt brummelnd nach der Anzeige, wodurch der Ton sofort verstummte. Herzhaft gähnend schlurfte er ins Bad.

Das gelbliche Licht hinter den dunkelblauen Fliesen war gedimmt und wurde langsam heller, damit sich seine Augen daran gewöhnen konnten. Er hatte im ersten Moment immer das Gefühl, dass er einen schwebenden Käfig aus Lichtstrahlen betrat. Leon ging zum Waschbecken, schnappte sich seine Schallzahnbürste und blickte in die digitale Reflexion seines markanten Gesichtes. Er tippte auf die Projektion, ließ sie rotieren und beäugte kritisch seine braunen Haare, die ihm knapp über die Augenbrauen fielen. Leon trimmte sich mit Regelmäßigkeit einen dezenten Dreitagebart. Zum einen war das sehr pflegeleicht und zum anderen schien es den Frauen zu gefallen. Zufrieden ließ er das Bild in eine normale Frontalansicht zurückgleiten und begann seine Zähne zu reinigen.

Während der Schall die Nerven unter seinem Zahnschmelz zum Kribbeln brachte, vergrößerte Leon mit zwei Fingern sein Abbild und inspizierte seine neuen bernsteinfarbenen Augen. Ursprünglich war die Iris dunkler gewesen, aber er hatte etwas Auffälligeres gewollt, damit er in der Masse der Geschäftspartner besser in Erinnerung blieb. Deswegen hatte er sie vor nicht allzu langer Zeit durch genetische Manipulation verändern lassen. Da Leon sein Äußeres jedoch weitestgehend mochte und nicht völlig umkrempeln wollte, hatte er eine Anpassung innerhalb seines natürlichen Farbspektrums veranlasst. Dadurch behielten sie weiterhin ihre Lebendigkeit, ganz im Gegensatz zu den Menschen, die sich derart verbiegen ließen, dass sie schon auf den ersten Blick optimiert wirkten.

Nachdem er seine Morgentoilette verrichtet hatte, in eine schwarze Hose aus synthetischem Stoff geschlüpft war und ein dazu passendes Hemd übergeworfen hatte, begab er sich in die Küche. Im Gegensatz zu seinem chaotischen Schlafzimmer, welches seiner Meinung nach ein sockenfressendes Dimensionstor beherbergte, war sie penibel sauber. Leon ließ es zu, dass das Haussystem es automatisch reinigte. Das raubte dem Raum jedoch leider sämtliche Individualität.

»System?«, fragte er und ein leises Piepen ertönte.

»Online«, antwortete es mit einschmeichelnder Frauenstimme. »Haben Sie Wünsche, Administrator?«

»Kaffee wie immer, dazu ein leichtes Frühstück«, orderte er, während er den letzten Knopf von seinem Hemd verschloss.

»Kaffee, schwarz mit Zucker. Obstteller. Nahrungsergänzungspulver mit Vanillegeschmack«, ratterte die Frauenstimme herunter – Leon mochte Süßkram zum Frühstück.

Die Leisten der stählernen Küchenschränke begannen in einem zarten Blau zu leuchten und neben ihm wurde ein Hologramm projiziert, welches das Gericht um seine eigene Achse rotieren ließ und die Inhaltsstoffe und Nährwerte auflistete.

»Ja, ich weiß«, sagte er und mit einem Wink wischte er die Projektion auf die Arbeitsplatte.

Leon rieb sich das Kinn und überlegte, ob er es noch schaffen würde, ein wenig elektronisches Workout zu machen. Schon wenige Minuten, in einem muskelstimulierenden Anzug, während leichten Trainingseinheiten genügten, um eine gesunde Körperform zu erhalten. Früher hatte er am liebsten Ausdauersportarten wie Antigravitations-Squash betrieben, aber die Arbeit ließ ihm mittlerweile kaum noch Zeit dafür.

»Das wird wohl nichts mehr«, seufzte er, als er sich vom System die heutigen Termine vorlesen ließ. »Wenn ich heute nicht vorbeischaue, ist sie enttäuscht.«

»Ich weise darauf hin, dass sportliche Aktivitäten möglich gewesen wären, wenn die Weckzeiten eingehalten worden wären und …«, begann das System belehrend.

»System – schweig!«, grummelte Leon. »Du bist ja schlimmer als meine Mutter.«

Die weibliche Stimme erwiderte nichts darauf und sein Essen glitt aus der Fertigungseinheit seines Kühlschranks.

Leon schlang schnell das mundgerecht geschnittene Obst herunter, hustete, als er sich an den trockenen Nahrungsergänzungsmitteln verschluckte, und ließ den Kaffee schlussendlich halb voll stehen, um sich eilig auf den Weg zu machen.

Er trat auf den breiten Boulevard, welcher sich direkt vor seinem Wohnkomplex befand und strahlender Sonnenschein, sowie ein laues Lüftchen, begrüßten ihn. Natürlich war nichts davon naturgegeben. Das Sonnenlicht war unzählige Male durch Reflexionskonstruktionen nach unten geleitet worden und der sanfte Wind war der immerwährende Hauch der Belüftungsanlagen. Die Höhenwinde der Atmosphäre wären reißend, daher war die Stadt hier oben nach außen abgeschirmt. Wenngleich Leons Wohnung auf der 31. Ebene der Stadt privilegiert lag, so war es dennoch nicht ausreichend, um direkten Sonnenschein erhaschen zu können.

Leon schloss kurz die Augen, atmete tief durch und reihte sich in den Strom der Menschen ein, die geschäftig hin- und herliefen. Er blickte nach oben und sah verschwommen weitere Straßen weit über sich, die sich wie ein Spinnennetz von Hochhaus zu Hochhaus spannten.

Die Stadt war auf kleinstem Raum gebaut worden – zumindest, wenn man sie horizontal betrachtete. Sie nahm nur die Grundfläche einer Kleinstadt ein, ragte allerdings viele Kilometer in den Himmel und in die Erde. Das hatte ihr den passenden Namen Skyscrape eingebracht. War sie zu Zeiten der letzten großen Kriege noch ein Einzelfall gewesen, so war es mittlerweile weit verbreitet Siedlungen auf diese Weise zu konstruieren. Dadurch schonte man die Ressourcen der Erdoberfläche, trotz der immer weiter steigenden Zahl der Erdenbewohner, auch wenn man dadurch nicht mehr viel von der Natur außerhalb zu Gesicht bekam.

Warum sich die Menschen immer noch eigene Transportmittel zulegten, war Leon ein Rätsel. Die öffentlichen Bahnen brachten die Leute nicht nur von einer Stadtebene zu einer anderen, sondern machten auch oft Zwischenstopps in verschiedenen Hausetagen. Dadurch kam man bequem und zuverlässig zu seinem Arbeitsplatz oder an andere öffentliche Plätze. Wenn man auf einer Ebene den Ort wechseln wollte, so tat man dies am besten zu Fuß, denn der Weg war durch die geringe Grundfläche oft nicht besonders weit. Nichtsdestotrotz waren die Straßen des Boulevards hoffnungslos mit unzähligen, knapp über den Boden schwebenden Fahrzeugen verstopft. Die Bessergestellten schossen weiter oben mit teuren Jets durch die Gegend und genossen somit Staufreiheit. Der Wunsch nach Komfort und Besitz war bei den Menschen eben bis heute ausgeprägt.

Leon genoss diese kleinen Spaziergänge. Sie entschleunigten sein Leben und er betrachtete gern die mächtigen Bäume, welche die Straßen säumten. An den großen Boulevards half man der Natur ein wenig auf die Sprünge: Die Bäume blühten immerzu in den schönsten Farben. Da der natürliche Zyklus auch Ruhephasen benötigte, hatte man kurzerhand die genetisch veränderten Pflanzen mit unzähligen Holografie-Projektoren bestückt. Die mikroskopisch kleinen Geräte fügten sich in die Zellstruktur ein und bezogen Energie aus den Fotosynthese-Produkten der Flora. Ihr Nutzen bestand einzig darin, eine Vielzahl an Blüten an die Äste zu projizieren, sodass es den Anschein hatte, die Bäume würden auf ewig blühen. Die Lichtreflexe auf den gigantischen Glasflächen der Gebäude dahinter, erweckten den Anschein, als würde man auf eine Wasseroberfläche blicken, und komplettierten das Gesamtbild.

Nach kurzer Zeit öffnete sich die Straße zu einem großen Platz, in dessen Mitte ein Wasserfall direkt aus der obersten Stadtebene hinabstürzte. Da er erst viele Ebenen weiter unten auf einen Widerstand treffen würde, war das Rauschen des Wassers nur ein leises Flüstern. Der atemberaubende Anblick dieses Wunderwerks täuschte über dessen Einfachheit hinweg: Es war das Kondenswasser der obersten Ebenen. Dort war die Außentemperatur so niedrig, dass die Luftfeuchtigkeit an den beheizten Gebäuden hinablief wie immerwährender Regen. Man lebte dort hinter Glas, welches auch vor der starken Höhensonne schützte.

Hier lag Leons Ziel: das große Theater. Es war ein schwerelos anmutender Bau aus Stahlsäulen und gewölbtem Glas. Ornamente aus Halbbögen und senkrechten Linien verliehen ihm einen Hauch vergangener Zeiten – die erwartungsvolle Nostalgie vergangener Jahrhunderte war perfekt in die moderne Architektur eingeflossen.

Zwischen den beiden Haupteingängen bewegte sich ein gigantisches Werbe-Hologramm. Organisch anmutende Linien flossen in die Bildmitte und verbanden sich zu einem vielfarbigen Geäst. Hinter ihnen glitzerte die Andeutung einer weitläufigen urbanen Landschaft in schillernden Farben. Sie bildeten eine Art Blüte, die sich öffnete, und aus ihr erhob sich grazil eine schlanke Frau in einem roten Abendkleid, welches sie umfloss wie Wein. Das Bild zoomte auf ihr elfenhaftes Gesicht, welches von langen, blonden Haaren umweht wurde. Sie öffnete ihre Lider und offenbarte smaragdgrüne Augen, die erfüllt von Sanftheit in die Ferne blickten. Sie hob ihr Kinn und breitete die Arme aus, als würde sie die ganze Welt umarmen wollen. Während ihr Kleid in hunderte Bänder zerbarst und diese sie umflatterten wie Schmetterlinge, erschien eine geschwungene Schrift, welche nur ein Wort formte: Janica. Leon lächelte, eilte die flachen Stufen hinauf und betrat das Theater durch den linken Eingang.

»Herzlich willkommen«, begrüßte ihn die warme, männliche Stimme des Theatersystems. »Sie besuchen uns außerhalb der Vorstellungszeiten, wie kann ich Ihnen behilflich sein?«

»Ich möchte in den großen Saal«, antwortete Leon und hielt seine Handfläche über einen kleinen orangefarbenen Kristall im Empfangsbereich.

»Identifizierung erfolgt. Legitimierter Besuch zu jeder Tageszeit. Besucherstatus erteilt. Schön Sie erneut begrüßen zu dürfen, Leon«, entgegnete das System und er schlenderte zum Hauptsaal im Herzen des Gebäudes.

Schon auf dem Gang konnte er sie hören – diese Stimme würde er unter Tausenden wiedererkennen. Leon öffnete vorsichtig die Tür eines Seitenzugangs und schlüpfte lautlos hinein. Die Akustik des Raumes umhüllte ihn sofort wie ein hauchdünnes Seidentuch. Er trat an die geschwungene Balustrade und blickte auf die große Bühne. Obwohl die tiefroten Vorhänge nicht beiseitegezogen waren, die Sängerin in keinem hellen Lichtkegel stand und statt einem Abendkleid ein luftiges, apfelgrünes Sommerkleidchen trug, tat das ihrer Ausstrahlung keinen Abbruch.

Leon saugte den Anblick in sich auf, als hätte er sie noch nie zuvor gesehen. Ihre schlanken Beine machten einen graziösen Knick, ihre Hüften wiegten sich unmerklich zu der Melodie ihres Gesangs, die Fingerspitzen ihrer rechten Hand ruhten beinahe zerbrechlich auf ihrer Brust. Mit der anderen Hand strich sie durch die langen Wellen ihres golden schimmernden Haares. Dort stand ein Mensch, der es nicht nötig hatte, sich genetisch zu optimieren – sie war eine naturgegebene Schönheit und damit eine Rarität. Die Sängerin hatte die Augen geschlossen und ihre vollen Lippen formten Worte, welche von ihrer Stimme eine Qualität verliehen bekamen, die kein anderer Mensch je erreichen würde.

Doch dies alles war nur eine Illusion. Leon wusste es nur zu gut, und doch ließ er sich jederzeit bereitwillig davon einfangen und umgarnen. Denn der eigentliche Zauber lag nicht in ihrer Stimme oder ihrem Äußeren – er war in ihrem Herzen. Ihre Empfindungen, während sie sang, waren so tief und rein, dass sie jeden im Raum mit sich rissen, wie ein Sturm aus Millionen Blütenblättern. Da war Freude, Leichtigkeit, Glück und Liebe in einem Kaleidoskop der Gefühle. Wie konnte Leon sie nicht lieben? Ihr Sein war einzigartig und sie teilte es hingebungsvoll mit der ganzen Welt.

Als das Lied endete, schlug sie die Augen auf, richtete ihre tiefgrünen Augen auf Leon und winkte ihm zu – sie hatte seine Liebe gespürt.

»Hallo, Leon!«, rief sie lachend. »Kaum zu glauben, dass du es doch geschafft hast, du Schlafmütze! Wie hat dir mein neuer Song gefallen?«

»Er war wunderbar!«, rief er ihr inbrünstig zu.

Du bist wunderbar, dachte Leon, während sein Herz aufgeregt gegen seine Brust hämmerte.

Schon bald würde er ihr einen Ring als immerwährendes Symbol ihrer Verbundenheit an den Finger stecken.

 

Grafik5

 

Die Werkstatt von Rye wirkte steril. Im Gegensatz zu Leon war sein bester Freund scheinbar am glücklichsten, wenn er putzen durfte. Es gab nirgendwo herumliegendes Werkzeug, leere Kaffeetassen oder Aufzeichnungen, als Leon durch die Tür trat.

Ähnlich penibel widmete Rye sich auch seiner Arbeit: Holo-Technologie. Hologramme jeglicher Art waren immer gefragt, vor allem in der Werbebranche, auf die er sich spezialisiert hatte. Da die Qualität seiner Projektionen beinahe lebensecht war, lief das Geschäft sehr gut. Trotzdem war es in der Werkstatt still.

»Rye?«, rief Leon. »Das Gebäudesystem sagte mir, du wärst hier! Hallo?«

»Ich bin hier!«, hörte er ihn rufen.

Leon schaute sich suchend um und sah dann eine Hand hinter den wuchtigen Armaturen der Prisma-Schleifmaschine winken. Er ging zu der Apparatur, stützte sich mit seinen Ellbogen auf dessen obere Kante und spähte dahinter.

»Ist dir ein Staubkorn dahinter geflogen, oder was machst du da?«, grinste Leon ihn an.

Der im Schneidersitz auf dem Boden hockende Rye hob den Kopf, zog skeptisch seine Augenbrauen nach oben und schaute ihn durch die in sein Gesicht hängenden, wirren schwarzen Haarsträhnen an.

»Quatsch keinen Unsinn. Die Schleifmaschine hat heute Morgen den Geist aufgegeben und ich habe keine Ahnung, warum«, brummte Rye missmutig.

Zum Scherzen ist ihm schon mal nicht zu Mute, dachte Leon.

Sein Freund hatte sein Arbeitshemd abgelegt und saß in einem weißen Achselshirt hinter dem Gerät. Er schwitzte. Trotzdem hatte er nicht versäumt ein paar knallgelbe Arbeitshandschuhe überzustreifen, die bereits völlig mit Silikon verschmiert waren – typisch für ihn: Solange man Schmutz vermeiden konnte, waren alle Maßnahmen tragbar. Nach dem Glanz seiner Haut zu urteilen, musste er schon seit Stunden da unten hocken.

»Muss was Ernstes sein, wenn du schon so lange das Problem nicht lösen kannst«, meinte Leon.

»Ja, verdammt. Ich habe deswegen heute keinen einzigen Auftrag fertigstellen können«, entgegnete sein Freund und schlug mit der Handfläche gegen den Stahl, der es frech wagte, nicht einmal zu zucken.

Er lehnte sich an die Wand hinter ihm, streckte sich und legte die Arme nach oben gestreckt an den Beton. Lautstark seufzend schloss er die Augen und kaute nachdenklich auf seiner Unterlippe. Leon wusste, er würde ihm nicht helfen können. Von digitaler Holografie-Technik verstand er nichts. Er fühlte jedoch Ryes Ärger, also bot er ihm trotzdem seine Hilfe an:

»Kann ich dich vielleicht irgendwie unterstützen?«

»Nein, nein«, Rye schüttelte den Kopf ohne die Augen zu öffnen. »Ich kann mir ja gerade nicht einmal selbst helfen. Ein Auftrag muss heute Nacht fertig werden. Ich werde wohl ein Ersatzgerät mieten müssen und dann die Produktionsfirma kontaktieren. Zum Glück habe ich noch Garantie darauf.«

Er ließ die Arme sinken, legte die Hände in den Schoß und schaute mit hängenden Schultern in die Öffnung der Schleifmaschine, aus der Kabel heraushingen, wie Fetzen aus einer klaffenden Wunde. Erneut spürte Leon seine Niedergeschlagenheit. Rye schaute zu ihm auf.

»Hast du nicht Termine? Heute war doch Janicas Generalprobe, oder? Sag mir nicht, du hast sie erneut verschlafen«, seine dunklen Augen funkelten belustigt und das drückende Gefühl in Leon ebbte ab.

»Nur beinahe. Sie war atemberaubend wie immer. Ich habe nur noch einen Beratungstermin und dann treffe ich mich mit ihr zum Abendessen«, Leon lächelte bei dem Gedanken daran.

»Ich hätte nicht gedacht, dass du in deinem Job mal so erfolgreich sein würdest«, meinte Rye sich erhebend und quetschte sich aus dem engen Zwischenraum, in dem er gewerkelt hatte. »Du warst schon immer sehr fantasievoll, aber du bist nun ständig ausgebucht. Wirklich bemerkenswert.«

»Du bist eben der Pragmatische, ich der Kreative. Es hat zwar mit der Realitätssimulation im Studium nicht geklappt, doch die Erschaffung neuer Erinnerungen ist beinahe das Gleiche«, Leon zuckte mit den Schultern.

Eigentlich war es sogar noch besser: Er konnte so das Leben selbst beeinflussen. Als Erinnerungskonstrukteur entwarf er emotional veränderte Situationen in den Köpfen seiner Kunden, die so niemals passiert waren. Dadurch veränderten sich ihre Prägungen und Wertigkeiten. Man konnte schreckliche Erinnerungen loslassen und mit neuer Kraft in die Zukunft blicken. Die Realität veränderte sich – zumindest im Gefühl seiner Patienten. Das reichte jedoch oftmals dafür aus, dass sie es auch wirklich tat. Leon empfand jedes Mal Euphorie, wenn er erfuhr, dass sich das Leben einer seiner Kunden gewandelt hatte.

»Wenn ich jemanden in meinem Hirn herumschrauben lassen würde, dann dich«, lachte Rye und zog seine Handschuhe aus. »Du kennst eh schon meine ganzen dreckigen Geheimnisse.«

»Nach so vielen Jahren und gemeinsamen Eskapaden ist das ja klar«, grinste Leon und knuffte seinem Freund gegen die nackte Schulter. »Aber ich bin sicher, ich würde noch etwas finden, von dem du nicht einmal selbst etwas weißt.«

»Lass das nicht deine Kunden hören«, tadelte sein Freund ihn mit einem unsicheren Blick. »System?«

»Online«, antwortete eine hohe Frauenstimme.

»Kontaktiere den Kunden für die neue Kybernetikwerbung. Es gibt einen Tag Verzug«, wies er sie an.

»Soll ein Preisnachlass hinzugefügt werden?«, fragte diese piepsig.

»Nein. Wir hoffen, dass er kulant ist«, seufzte er.

»Ich werde nie verstehen, warum du die Stimme deiner Liebsten als Systemstimme hast einspielen lassen«, meinte Leon. »Du bist ein hoffnungsloser Romantiker.«

»Und das sagst ausgerechnet du?«, Rye verschränkte die Arme vor der Brust und zog seine Augenbrauen nach oben. »Du bist derjenige, der bald heiratet.«

»Ach, jetzt fang nicht schon wieder damit an. Du weißt, dass ich auch nicht viel auf diese alte Institution gebe. Janica wünscht es sich und ich finde es gut, mich so von der Horde Stalker abzugrenzen, die ihr hinterhersteigt«, rechtfertigte sich Leon.

Schließlich gab es davon eine Menge. Ein Star wie Janica, die ihre Gefühle mit Gesang auf abertausende Menschen gleichzeitig übertragen konnte, hatte zwangsläufig viele Verehrer. Leon wurde oft für einen ebensolchen gehalten, da kaum jemand glauben konnte, dass jemand die Sängerin unvoreingenommen lieben würde. Manchmal zweifelte er sogar selbst an seinen Empfindungen, denn die Wucht ihrer Empathie wischte alles in ihm hinfort bis nur noch reines Glück übrigblieb. Doch Janica versicherte ihm dann stets, dass sie den Unterschied zwischen seiner Liebe und denen der Fans erkennen konnte. Die Entscheidung ihn zu heiraten zeigte deutlich, wie sicher sie sich dessen war und das beruhigte ihn zutiefst. Leon versuchte jederzeit aufrichtig zu sein, obwohl diese Heirat, zugegebenermaßen, auch gewisse gesellschaftliche Vorzüge zu bieten hatte.

»Es ist trotzdem eine vorsintflutliche Praktik jemanden so an sich zu binden. Liebe ist völlig ausreichend um beieinander zu sein. Die Zeiten, in welchen man Stand oder gar Geschlecht als Gründe vorschieben konnte, um Gefühle dieser Art zu verbieten, sind lange vorbei. Es gibt schließlich nicht nur eine Form der Beziehung«, meinte Rye.

»Jeder, wie es ihm beliebt«, sagte Leon schulterzuckend. »Du bindest deine Geliebte als Systemsprache an dich, ich heirate sie eben.«

Rye rollte mit den Augen und schüttelte lächelnd den Kopf. Leon verstand natürlich, dass er das Gefühl hatte, seine Geliebte würde ihm so näher sein, weil sie oft auf Geschäftsreise in anderen Städten war. Dort vergnügte sie sich auch ab und an mit einer schönen Frau. Das war an sich auch kein Problem für Rye, da sie stets an seine Seite zurückkehrte. Keine ihrer Liebschaften war ernsthaft. Trotzdem vermisste er sie schrecklich, manchmal so sehr, dass Leon es ebenso spüren konnte und er ihn tröstend in den Arm nehmen wollte.

»Was ist das für ein Auftrag, der so eilig ist?«, fragte Leon, um das Thema zu wechseln, denn diese Diskussion könnte sonst Stunden weitergehen.

Rye ging zu dem runden, schwarzen Tisch in der Mitte des Raumes. Mit dem Streichen seiner Hand über dessen spiegelglatt polierter Oberfläche erschien ein Schachbrett aus blauen Linien. Er tippte flink auf einige Anzeigen, das Licht bog sich nach oben und begann ein Hologramm zu formen. Als es sich vollständig verdichtet hatte, sah Leon einen beinahe lebensechten Frauenkopf, in den man rechts hineinschauen konnte. In dem Schädel befanden sich Platinen und Prismalinsen.

»Es handelt sich um die kybernetische Verbesserung von Augen. Es ist die Werbeanzeige einer Firma, welche diese Technologie so stark verbessert hat, dass die Genetik einige Zeit benötigen wird, um qualitativ bei den optischen Leistungen eines rein organischen Auges nachziehen zu können«, erklärte er.

Leon pfiff anerkennend. Die Kybernetik und Genetik standen in starker Konkurrenz zueinander. Mit dem Versprechen neuer Höchstleistungen und Komfort für den menschlichen Körper, versuchten diese beiden Bereiche neue Kunden zu gewinnen. Das Ablösen dieser Bereiche aus der Wissenschaft und die Einbindung in die Wirtschaft, hatten der Forschung einen entscheidenden Schub gegeben, weil nicht jedes Jahr um Subventionen des Staates gebettelt werden musste. Entwickelt wurde, was Profit versprach. Da die großen Kriege vorüber waren, lag dieser nicht mehr in der Rüstungsindustrie, sondern in der Kaufkraft der Bevölkerung.

»Du siehst, dass eine Projektionsebene fehlt. Dadurch wirkt es noch nicht wirklich realistisch. Die speziell dafür notwendigen Prismen kann ich leider derzeit nicht schleifen«, meckerte Rye erneut.

»Ach, die Synthies werden auch mal einen Tag warten können«, winkte Leon ab.

»Das sagst du doch nur, weil du eher zu den Bios tendierst«, antwortete Rye schmunzelnd.

»Na ja, ich behalte meinen Arm lieber und mache ihn stärker, als ihn gegen ein Stück Blech einzutauschen«, entgegnete Leon.

»Ich gebe dir da recht. Du weißt jedoch, dass die Kybernetik den Vorteil hat nicht zu altern, unanfällig für Krankheiten und jederzeit verbesserbar zu sein. Das kann man nun mal nicht wegargumentieren. Wenn du jetzt anfängst von unnatürlich zu faseln, dann lass mich noch mal einen Blick auf deine hübschen Augen werfen«, mit diesen Worten schaute Rye Leon direkt an, der aufgebend die Hände hob.

Diese Diskussion währte nun schon Jahrzehnte. Die Synthies, die Fraktion der Kybernetiker, und die Bios, die Befürworter der Genetik, waren immerzu im Mittelpunkt. Während die einen die Zukunft der Menschheit darin sahen, Organe und Körperteile durch Maschinen zu ersetzen, befanden es die anderen als sinnvoller, die Gene von Lebewesen zu optimieren und vielleicht mal einen Arm oder ein Organ hin- und her zu transplantieren. Das Argument, inwiefern es überhaupt in Ordnung war, derart in die Natur einzugreifen, war angesichts von verheerenden Krankheiten, die gegen jegliche Medizin immun erschienen, zu den Akten gelegt worden. Vertreter derartiger Glaubensarten hatten schnell ihre Anhänger verloren, denn die Angst um das eigene Leben war sehr überzeugend gewesen.

In der jetzigen Zeit gab es deshalb keine Ausrede mehr, nicht stark, schön und gesund zu sein – außer vielleicht das nötige Kleingeld. Aber die staatlichen Versicherungen sorgten für eine gewisse Grundversorgung, also lag der Unterschied meist nur in der Qualität der Verbesserungen.

Vermutlich ist das auch gut so. Ein Volk, welches nur aus hochattraktiven Superhelden besteht, wäre wohl ziemlich eintönig, dachte Leon.

Das Beste an der ganzen Sache war allerdings, dass das äußere Erscheinungsbild keinen Grund mehr zu Konflikten gab. Geschlecht, Hautfarbe, Aussehen – und wer es mochte auch die Anzahl der Gliedmaßen – alles konnte verändert werden. Es gab keine Randgruppen mehr, auf die man irgendwelche Schuldfragen wälzen konnte. Was machten schwarze Schafe für einen Sinn, wenn sie schon morgen pink sein konnten? Das war einer der Gründe, warum es schon seit langem keine Kriege oder Verbrechen mit diesen Hintergründen mehr gab. Man konnte werden, wer man sein wollte und lieben, wen man sich erwählte.

»Irgendwann werden Technik und Biologie ganz verschmelzen, dann hat diese Diskussion ein Ende«, murmelte Leon.

»Das stimmt wohl. Ich hoffe, dann haben die Menschen endlich alle Konflikte beigelegt und können sich als Gesamtheit größeren Aufgaben widmen«, sinnierte Rye.

»Die Menschheit ganz ohne Konflikte?«, Leon schaute verblüfft zu seinem Freund und begann dann schallend zu lachen. »Du bist wirklich ein hoffnungsloser Romantiker! Habe ich nicht Recht, System?«

»Keine Antwort auf diese Frage in der Datenbank gefunden«, reagierte die künstliche Stimme von Ryes Partnerin.

Der schnaubte nur und warf seine Handschuhe nach Leon.

 

Grafik7

 

»Oh, du hast dich sogar extra für mich umgezogen? Manchmal bist du echt süß«, sagte Janica lächelnd, als Leon seinen Mantel auszog und an die Garderobe hängte.

»Äh, na klar. Bin doch den ganzen Tag in dem Hemd herumgelaufen«, antwortete er und grinste schief, denn sie konnte nicht wissen, dass Ryes verdreckte Handschuhe das vorherige völlig ruiniert hatte.

Die Sängerin hatte ihr Sommerkleidchen in ein schlichtes grünes Kleid, dessen Ränder kleine Rüschen zierten, ausgetauscht. Sie hakte sich bei ihm unter und gemeinsam schlenderten sie zu ihrem reservierten Tisch. Er lag ein wenig abseits in einer Nische. Die runde, hölzerne Tischplatte war in auf hochglanzpoliertes Messing gefasst. Die in Ornamenten versteckten Antigravitationsmodule ließen es in angenehmer Höhe schweben und gewährleisteten durch das Fehlen von Tischbeinen maximale Beinfreiheit. Die beiden machten es sich auf dem ausladenden Sofa dahinter gemütlich. Ein Holo-Display materialisierte sich vor ihnen und pries die heutigen Spezialitäten des Restaurants an. Leon tippte sich durch die Angebote. Auf einmal kicherte Janica neben ihm.

»Was ist los?«, schmunzelte er.

»Du solltest die frittierten Bananen auf jeden Fall bestellen«, antwortete sie amüsiert.

»War meine Lust auf sie so stark?«, fragte Leon.

»In der Tat! Mein Bauch hat gekribbelt, als dein Appetit mich berührt hat. Du musst geradezu gierig auf sie sein«, meinte sie und wischte zurück zu dem erwähnten Gericht.

»Ich liebe die Dinger einfach!«, Leon kratzte sich verlegen am Hinterkopf.

Ein warmes Gefühl breitete sich in seiner Brust aus, denn Janicas Sympathie streifte ihn auf liebevolle Weise. Lächelnd bestellte er die Bananen und ein Hauptgericht. Nachdem sie ebenfalls ihre Wahl getroffen hatte, dauerte es nicht lange und die Bestellungen wurden von einer dekorativ gestalteten Drohne serviert. Beim Essen schauten sie sich immer wieder grinsend an.

»Wenn du dich weiter so freust, werde ich kaum etwas von meinem Essen mitbekommen«, sagte Janica und zwinkerte Leon zu.

»Sprach eben die Dame, welche bei ihrer Vorspeise auch meine Speicheldrüsen in Wallung versetzt hat«, Leon wedelte belehrend mit der Gabel in der Luft herum.

Die beiden hatten ihre Gefühle noch tiefer vernetzt, als es normalerweise der Fall war. Wenn man sich liebte, hegte man irgendwann den Wunsch sich noch näher zu sein. Dadurch war die Übertragungsgrenze noch weiter verringert worden.

Das Cybernet war der Segen der Menschheit – genauer gesagt: Es war ihre Rettung. Ketzerische Stimmen hatten sogar in den ersten Jahren Begrifflichkeiten wie gottgewollt oder evolutionär logisch verwendet, je nachdem, was für ein Weltbild sie pflegten. Das Cybernet verband die Gefühlswelt der Menschen digital miteinander. Empfindungen waren elektronische Impulse, welche unter anderem zur Ausschüttungen diverser chemischer Substanzen im Körper führten. Die Gründe für diese Ströme waren ganz unterschiedlich, aber das war irrelevant. Wichtig war, sie simulieren, aufnehmen und digital übersetzen zu können. Als dieser Geniestreich gelungen gewesen war, hatte es nur ein wenig Fleißarbeit bedurft. Durch dieses revolutionäre System spürte man die Empfindungen anderer Menschen.

In den ersten Feldversuchen waren die Testpersonen mit erstaunlicher Regelmäßigkeit durchgedreht, irgendwann hatte man seine eigenen Befindlichkeiten kaum noch erkennen können. Die Regelung der Übertragungen auf eine bestimmte Mindeststärke hatte das Problem jedoch schnell gelöst: Es wurden nur Empfindungen übertragen, die auch stark genug waren. Bei engen Freunden oder gar Liebenden konnte man die Grenze jedoch senken, da sich beide schon vorher recht nah waren.

Niemand hätte damals gedacht, dass diese Erfindung die gesamte Welt derart verändern würde. Nach und nach schlossen sich immer mehr Personen freiwillig an das Cybernet an und fühlten so Freud und Leid ihrer Mitmenschen. Man verstand sich nicht nur besser, man nahm auch mehr Rücksicht aufeinander. Wer wollte schon den Schmerz des anderen fühlen?

Im globalen Maßstab bedeutete das: Wenn ein Volk von einem schrecklichen Krieg oder Not gebeutelt wurde, fühlten es andere ebenso, denn die Masse dieser Empfindung war kaum zu ertragen. Nachdem die Menschen sich Jahrtausende lang gegenseitig massakriert, vergewaltigt und gequält hatten, begann endlich eine Zeit des Friedens. Natürlich versuchten einige diktatorische Staaten sich dessen zu erwehren – Menschen lieben es Macht zu haben – eine Nichtanbindung an das Cybernet machte jedoch schnell klar, dass man etwas zu verbergen hatte. Internationale Untersuchungen und entsprechende Einmischungen waren die Folge und beendeten irgendwann solcherlei Staatsformen.

Der weltumspannende Einsatz des Cybernets hatte zu großen Zusammenschlüssen von Nationen geführt und letztendlich zur Einheit des Planeten. Die Menschheit war nun ein großes Ganzes und der Aufbruch als Gattung in die Weiten des Universums schien der logische nächste Schritt auf den es nun galt hinzuarbeiten. Man blickte aufgeregt in die Zukunft.

»Ich bin immer wieder erstaunt, dass du vor einem Auftritt nicht aufgeregt bist«, meinte Leon und legte das Besteck auf seinen geleerten Teller.

»Man gewöhnt sich an alles«, Janica nippte an ihrem Glas Wein. »Eigentlich tue ich ja nur, was ich liebe. Dass die Menschen es so mögen, ist einfach Glück.«

»Eine bescheidene Art, das zu umschreiben«, sagte Leon. »Tausende Menschen starren dich an und genießen deine Gefühle. Du lässt sie tief in dich blicken und das erfordert eine Menge Mut.«

Janica fühlte seine aufrichtige Anerkennung und lächelte ihn liebevoll an. Sie stellte ihr Glas ab, faltete die Hände vor sich und stützte ihr Kinn auf ihre Finger.

»Wer hätte gedacht, dass ich in dieser Flut von Begeisterten so jemanden wie dich finden würde?«, entgegnete sie verträumt zur Seite schauend.

Leons Herz schlug ein wenig schneller und ein wohliges Kribbeln erfasste seine Beine. Er spürte ihre Zuneigung.

»Nimm es ihnen nicht übel. Du bist nun mal etwas Besonderes«, er musterte ihr schönes Gesicht. »Und das nicht nur in deiner Leistung und deinem Äußeren.«

Sie lachte leise und schloss genießerisch die Augen. Ihre langen Wimpern zuckten, als sie Leons ehrliche Wertschätzung in sich aufnahm. Sie saßen eine ganze Weile nur so da und schauten aus dem Fenster auf die Stadt hinaus. Fluggeräte zischten vorbei und die Reflexionen der untergehenden Sonne erweckte den Anschein, als würde die Stadt in Flammen stehen. Es war jedoch ein friedlicher Ameisenhaufen.

Die beiden nahmen es kaum wahr, denn sie waren ganz auf die Gefühle fixiert, welche ihre Körper zusätzlich zu ihren eigenen durchströmten. Ihre Glückshormone tanzten Walzer und jede Zelle ihres Körpers schien davon erfüllt. Leon lenkte seinen Blick wieder auf Janica. Als er ihre wohlgeformte Silhouette betrachtete, den Schwung ihres Schlüsselbeins, die Wölbungen ihrer Brüste unter dem weichen Stoff und die seidene Haut ihrer Beine, ruckte Janicas Gesicht plötzlich zu ihm. Ihre Augen waren weit geöffnet und ihre Lippen formten ein lautloses O.

»Du frecher Kerl«, lachte sie und schlug spielerisch auf seinen Unterarm.

»Was denn?«, Leons Grinsen war breit. »Du fällst eben genau in mein Beuteschema!«

»Schon klar«, sie winkte ab.

Janica hatte sofort seine Erregung gefühlt. Leon veränderte seine Sitzposition, beugte sich vor und stützte seine Ellbogen auf die schwebende Tischplatte, um dem verräterischen Kneifen in seiner Hose etwas zu entkommen.

»Aber tröste dich«, meinte seine Geliebte schulterzuckend. »Du bist auch meines.«

Ihr Blick wanderte Leons Hals hinab und ihre grüne Iris glitzerte, als sie seine breiten, gut durch das helle Hemd abgezeichneten Schultern streiften. Er atmete tief ein. Das Heben und Senken seiner Brust verstärkte die Hitze nur, die Janicas übertragene Empfindungen in ihm hervorriefen.

Offensichtlich gefiel ihr, was sie sah.

»Wir müssen jetzt leider aufbrechen, ich möchte nicht zu meinem eigenen Auftritt zu spät kommen«, sagte sie, um dem aufkeimenden, sich gegenseitig hochschaukelnden, Wechselspiel entgegenzuwirken.

Leon seufzte enttäuscht, als sich das Prickeln mäßigte, wenn auch nicht ganz verschwand.

»Du hast recht. Aber die Nacht ist ja noch lang«, antwortete er und hob ein paarmal spitzbübisch seine Augenbrauen.

»Wehe, du lenkst mich mit deiner jugendlichen Gier ab!«, schimpfte sie belustigt.

»Ich doch nicht! Niemals!«, gab sich Leon beim Aufstehen empört, woraufhin sie erneut lachte.

Als die beiden das Restaurant verließen, blinkten die Dioden am Ausgang ein paar Mal – der Geldbetrag für das Essen war automatisch abgebucht worden. Die digitale Vernetzung des Einzelnen war bereits vor dem Cybernet in der Wirtschaft eingeführt worden, benötigte jedoch keinen extra Chip mehr unter der Haut.

Die Passanten auf der Straße blickten nicht zu ihnen herüber. Janica schaffte sich Privatsphäre, indem sie die anderen Menschen mit Desinteresse überflutete. Das war vielleicht ein wenig übergriffig, aber wie sollte sie sonst einen normalen Alltag leben?

Ihr Chauffeur brachte die Zwei in einem Fluggleiter zum Theater. Nachdem er butterweich auf dem Dach gelandet war, wurde sie direkt in den Vorbereitungsraum gebracht. Leon war hier der Zutritt verwehrt, doch das machte ihm nichts aus, da sich die Sängerin nun konzentrieren musste. Also ging er an die Bar, ließ sich einen bunten Cocktail mixen und wartete auf den Beginn des Konzerts.

Es wurde schnell brechend voll. Die Tickets waren schon seit Wochen ausverkauft. Jedes Mal, wenn eine neue Aufführung angekündigt wurde, stürzten sich die Fans darauf wie wilde Hyänen. Man speicherte daher ihre Kontaktdaten, um zu gewährleisten, dass mindestens die Hälfte der Besucher Neuzugänge waren. Man wollte Janica einem breit gefächerten Publikum zeigen. Ihr besonderes Talent in der Gefühlsübertragung, welches erst durch das Cybernet erkennbar war, weckte großes Interesse. Nicht zuletzt das der Obrigkeit, denn solche Menschen bargen auch für die Politik großes Potenzial.

Nachdem Leon sein Getränk geleert hatte, quetschte er sich durch die Massen zu seinem Platz. Glücklicherweise war er als Janicas Verlobter ausreichend privilegiert, um auf einem der Balkone sitzen zu dürfen. Er nahm neben einem Pärchen fortgeschrittenen Alters Platz, welches sich angeregt darüber unterhielt, ob sie ihre Lebensdauer lieber mittels Genetik oder Kybernetik verlängern sollten – das Übliche.

Dann begann es.

Das Licht wurde gedimmt, bis der Raum in völliger Dunkelheit versank. Man vernahm das verebbende Murmeln der Besucher. Plötzlich erleuchtete ein Lichtkegel die Bühnenmitte und die schweren roten Vorhänge glitten lautlos zur Seite.

Janica schritt gemächlich nach vorn und trat vorsichtig in den Lichtschein, als würde sie eine unsichtbare Grenze überschreiten. Sie trug das rote Abendkleid, wie auf der Holo-Reklame. Es umschmeichelte ihren Körper – auch in der Realität – wie eine Flüssigkeit. Das blonde Haar war offen und fiel in großen Wellen auf ihre zarten Schultern. Sie legte lächelnd ihre rechte Hand auf das Mikrofon, welches an einem organisch gebogenen Stativ befestigt war und dem Theater erneut einen Hauch von Nostalgie verlieh – schließlich benötigte man zur Stimmübertragung kein solches Gerät mehr.

»Guten Abend«, sprach sie mit sanfter Stimme. »Danke, dass ihr heute ein wenig Zeit mit mir verbringt.«

Das Publikum applaudierte heftig und man erkannte sofort, welche der Zuschauer bereits vorherige Vorstellungen von ihr besucht hatten, denn diese rasteten geradezu vor Begeisterung aus und riefen lautstark ihren Namen. Neue Zuhörer klatschten zurückhaltender, da sie nicht wussten, was genau sie nun erwarten würde.

Wartet es ab, dachte Leon grinsend. Nach dem heutigen Abend wird euch der Name Janica in Begeisterungsstürme versetzen.

»Lasst uns zusammen träumen und die Welt für einen Moment anhalten«, fuhr Janica fort, hob ihre linke Hand und die Musik setzte ein.

Es waren sanfte elektronische Klänge, die auf gewisse Art an Regen erinnerten, sehr modern aber gleichzeitig von klassischer Melodieführung. Janica öffnete ihre Lippen und sang die ersten Worte. Ihre Stimme war hoch und rein wie ein Silberglöckchen. Sie nahm ihre Hand vom Mikrofon und hob sie neben ihr Gesicht. Die andere tat es ihr gleich und sie schloss die Augen. Farbige Lichtstrahlen wurden eingesetzt, um den Raum auf mystische Weise flackern zu lassen. Sie sang die erste Strophe ihres Liedes. Mit dem Refrain intensivierten sich die Lichteffekte im Saal und Holografien von abstrakten, in sich verwobenen Formen wurden eingeblendet. Es war wunderschön anzuschauen, jedoch noch nicht wirklich spektakulär.

Es setzte ein rhythmischer Bass ein. Mit den ersten Worten der zweiten Strophe streckte die Sängerin ihre Arme nach vorn und hob die Hände weiter an.

Plötzlich rissen die Zuhörer ihre Augen weit auf. Die Wucht von Janicas Gefühlen schmetterte gegen ihre Herzen und eine Welle der Freude trug sie hinfort. Ihr Bild verschwamm kurz vor Leons Augen, als ihn ein Gefühl der Schwerelosigkeit erfasste. Sie schlang ihre Arme um ihren Oberkörper und sang den nächsten Refrain voller Gefühl. Sein Herz begann sich vor Traurigkeit zusammenzuziehen, nur um im nächsten Moment, als sie ihn inbrünstig wiederholte, beinahe vor Freude zu bersten.

Die Melodie wurde durch den Tonverlauf eines Klaviers und das Schmeicheln einer Geige ergänzt. Doch kaum einer nahm die Klänge noch wahr. Die Menschen starrten Janica entweder ehrfürchtig an, sanken mit vor das Gesicht geschlagenen Händen auf die Knie oder streckten ihre Hände der Saaldecke entgegen, als wären dort funkelnde Sterne, die sie berühren konnten. Vermutlich sahen sie Visionen ihrer eigenen Träume oder verloren sich gänzlich in den unerwarteten Gefühlen – dabei war die Sängerin noch immer bei ihrem ersten Musikstück. Im Laufe des Abends würden sie in immer tiefere Sphären ihrer Emotionen vordringen.

Leon betrachtete ehrfürchtig seine Janica. Obwohl er ihr vermutlich so nah wie kein anderer war, wurde auch er immer weiter von der Empathie mitgerissen.

Mit dem Einsatz melodischer E-Gitarrenklänge begann nahtlos ihr nächster Song. Janica legte beide Hände hingebungsvoll auf das Mikrofon, näherte ihre Lippen der Wölbung des im farbigen Licht glänzenden Stahls und sang ein Lied voller Weichheit und Sehnsucht.

Leons letzter Gedanke, bevor er sich gänzlich verlor, war, dass dort, im Licht der Scheinwerfer, vor tausenden Menschen, eine wahrhaftige Göttin stand.

Vermutlich sahen das die Menschen, welche nun eins mit Janicas Gefühlen waren und wohl am liebsten niemals zu ihren eigenen zurückkehren wollten, genauso.

zwei

 

Sonnenstrahlen fielen durch die raumhohe Fensterfront von Janicas Schlafzimmer und kitzelten Leons Gesicht. Er zuckte träge erwachend mit den Augenbrauen und presste die Lider zusammen, um dem Licht noch ein wenig zu entkommen. Schließlich schlug er sie gähnend auf.

»Im direkten Morgenlicht kommt die neue Farbe gut zur Geltung«, hörte er Janica neben sich sagen, woraufhin er lächeln musste.

Die Sängerin lag nur wenige Zentimeter von ihm entfernt und er konnte ihre Wärme spüren. Ihr Gefühl der Zuneigung begrüßte kribbelnd sein Herz.

Ihr blondes Haar leuchtet wie ein Heiligenschein, dachte Leon, ihr schmales Gesicht musternd.

Wenn man bedachte, wie ihre Gefühle die Menschen jenseits ihrer Vorstellungskraft berührten, dann kam sie einer Heiligen aus den alten Religionen ziemlich nahe.

Janica kicherte leise, als sie seine Flut der Bewunderung fühlte. Leon grinste breit und konnte nicht aufhören sie anzuschauen, für ihn war sie ein Wunder. Selbstverständlich sahen ihre gierigen Fans das genauso, doch auch ohne ihre Gabe, würde er sie so betrachten. Obwohl er sich dessen nicht immer ganz sicher war, wollte er daran glauben. Selbst wenn er tatsächlich völlig unter ihrem Bann stand, so war es ein so wunderschöner Traum, dass er seiner Meinung nach niemals enden müsste.

Das Cybernet war somit auch Leons persönlicher Segen. Seine künstliche Strahlung, welche die Menschen umgab wie die Luft zum Atmen, tastete sämtliche Hirnströme und Körperprozesse ab. Das Hauptzentrum wertete alles blitzschnell aus, übersetzte es in digitale Codes und strahlte das Ganze stimulierend an die Position des aussendenden Menschen zurück. Je nachdem wie stark das gesendete Gefühl war, desto mehr und weitreichender war es für andere spürbar. Der Prozess erschien wie Magie und die Implantat freie, hochsensible Funktionsweise hatte auch Technologiegegner schnell von ihren Vorteilen überzeugt. Natürlich gab es auch ein paar Fanatiker, die daraus gleich eine Religion machen wollten, aber die hatte es schon immer gegeben, wenn etwas oder jemand die Welt tiefgreifend beeinflusste.

Leon und Janica hatten ihre persönlichen Signaturen im Hauptsystem hinterlegt und die gesendeten Emotionen darauf abstimmen lassen – wie viele andere Liebende auch. Daher mussten die beiden sich nur ansehen und wussten alles voneinander. Sie brauchten keine Krücken wie Worte oder Mimik, um einander zu erklären, was sie empfanden. Ihre Gefühle waren alles, was nötig war.

Leons Hand wühlte sich durch die weiche Bettdecke in Janicas Richtung. Als seine Fingerspitzen zärtlich ihre Wange berührten, begann eine Kettenreaktion.

Seine Körperwärme floss unter ihre Haut, die sanfte Berührung kitzelte ihre Nerven und Wohlbefinden breitete sich aus. Während Leon ihre Gefühle empfing und ihre eigene Temperatur in den Fingern spürte, empfand er eine innere Nähe, die sein Herz schneller schlagen ließ. Die Reflexion dessen brachte Janica zum Schmunzeln. Ihr Körper begann zu kribbeln und erwärmte sich, sodass es für Leon wie eine Aura erschien. Hitze durchströmte seine Muskeln. Durch die Verbindung spürte Janica seinen gesamten Körper, obwohl sie sich physisch noch immer nicht näher gekommen waren. Sie begann leicht zu zitterten. Eine erregende Glut stieg von Leons Bauch in seine Brust, wodurch er unwillkürlich tief ein- und ausatmete. Sie spürte seine Lust und biss sich verführerisch lächelnd auf die Unterlippe. Während sie ihre zarte Hand auf seine starke Brust legte, drehte sich die Spirale der Gefühle immer höher.

Sie überwanden die letzten Zentimeter, welche ihre Körper voneinander noch getrennt hatten, und während sie sich umarmten, überwältigte sie eine Explosion der Sinne. Es erschien ihnen, als würden zwei vorher getrennte Individuen gänzlich miteinander verschmelzen. Diese Ekstase fand schließlich auch körperlichen Ausdruck.

 

Grafik10

 

Bunte Laser schnitten gleißend helle Linien in die künstlichen Nebelschwaden, ineinander verwobene 3D-Hologramme umgaben die zahlreichen Besucher der Diskothek. Elektronische Musik, welche mit klassischen Instrumenten und dem Gesang eines aktuellen Popsternchens verwoben war, ertönte aus allen Richtungen.

In der riesigen Kuppel herrschte künstliche Schwerelosigkeit, daher vollführten die Besucher atemberaubende Flugbewegungen zwischen ihren rhythmischen, schnellen Tanzschritten. Die Frauen trugen Kleider mit weiten Stoffbahnen und lange, glitzernde Ketten. Sie umwehten ihre Silhouetten wie tautropfenbehangene Fäden. Die Männer kleideten sich entweder körperbetont, um wie jagende Adler durch die Luft zu schießen, oder mit weiten Mänteln, welche sie umflatterten, als würden sie in einem Herbststurm spazieren gehen.

Überall schwebten verschiedene Plattformen und traubenförmig angeordnete Glaskugeln. Nahe diesen Sitzgelegenheiten zogen mehrere Bars ihre Bahnen und versorgten die Partywütigen mit berauschendem Getränkenachschub – manche Traditionen sterben eben nie aus.

Rye stand an einer der verchromten Bartresen und rührte gedankenverloren mit einem glitzernden Schirmchen in seinem Cocktail. Er trug einen dunkelblauen, anliegenden Anzug, dessen Oberteil mit weißen Kunststoffplatten besetzt war. Rote Leuchtdioden betonten linienförmig seine Körperform. Leon flog auf ihn zu, legte seine Hand auf Ryes Schulter und stoppte. Sein ärmelloser, dunkelvioletter Mantel schwebte schwerelos um seine Taille. Er hatte auf den leuchtenden Krimskrams verzichtet und trug darunter nur ein graues Achselshirt und eine ebenso schlichte, schwarze Hose.

»Deine Freundin legt eine ziemlich scharfe Tanzshow hin. Wenn sie so weitermacht, wollen die Zuschauer noch, dass sie auf den Plattformen tanzt«, grinste er seinen Freund an.

Der seufzte nur und nahm einen großen Schluck aus seinem Getränk.

»Jetzt mach nicht so ein Gesicht. Es ist doch schön, dass sie endlich wieder in der Stadt ist. Heute Nacht gehört sie dir ganz allein«, sagte Leon gut gelaunt und klopfte ihm freundschaftlich auf den Rücken.

»Ich weiß ja. Aber … hätte Naliandra an unserem ersten Abend nicht mal bei mir bleiben können?«, sprach Rye mit leiser Stimme und schaute Leon todtraurig mit seinen dunklen Augen an – um seine Gefühle zu verstehen brauchte er die Hilfe des Cybernets nicht.

»So ist sie nun mal. Du liebst sie, weil sie ist, wie sie ist, oder? Naliandra ist ein freier Vogel, der jedoch weiß, wo er hingehört. Du bist ihr Zuhause«, meinte Leon mit weicher Stimme.

Sein Freund seufzte nochmals, nickte dann jedoch lächelnd.

»Du hast ja recht. Ich vermisse sie nur so sehr, wenn sie weg ist, und kann es kaum erwarten, sie in meinen Armen zu halten, sobald sie da ist. Vielleicht ist ihr der plötzliche Wechsel von unverbindlicher Gesellschaft und unserer Nähe auch zu viel«, mutmaßte Rye.

»Das kann gut möglich sein. Ihr solltet darüber sprechen, vielleicht findet ihr eine gute Vereinbarung, wodurch es für euch beide besser läuft. Ihr seid nun schon seit sechs Jahren zusammen, da darf es auch mal so etwas wie eine Regelmäßigkeit geben«, beratschlagte Leon ihn und lehnte sich an die Bar.

»Ja, ich schätze, da wir uns so selten sehen, sind wir meist mehr mit Glücklichsein beschäftigt als Probleme zu klären«, lachte Rye. »Ich beneide Janica und dich schon manchmal.«

»Du meinst, dass sie, wenn ich mal sauer bin, meine Gefühle so lässig hinfortwischt wie eine Fliege?«, Leon kniff ein Auge zu und grinste schief. »Glaub mir, es war schwer am Anfang. Ich musste ihr oft erklären, dass ich bei einer Auseinandersetzung ich selbst sein und nicht beschwichtigt werden möchte.«

»Schätze, das mag sie an dir. Jeder andere Mann würde immerfort in Lust und Liebe schwelgen wollen anstatt auch mal zu streiten«, meinte Rye und stieß ihn mit seinem Arm an.

»Vielleicht«, Leon zuckte mit den Schultern und bestellte sich einen Gin Tonic bei dem Barkeeper, welcher ihn fragend angeschaut hatte.

»Es ist erstaunlich, dass du dir keine Sorgen wegen ihrer Fans machst. Die steigen ihr doch hinterher wie brünstige Hirsche«, entgegnete Rye.

»Klar bin ich manchmal etwas eifersüchtig, wenn ihr einer den Hof macht, aber ich kann es nicht ändern. Jemanden einzusperren hat noch nie etwas gebracht. Solange sie keinen Harem hat, in der ich nur eine Nummer bin, kann ich damit leben. Ich weiß einfach, dass sie mich liebt«, antwortete Leon ganz unverblümt.

»Du bist einfach schrecklich modern«, schnaubte Rye entrüstet. »Und auch noch verdammt glücklich dabei. Ist ja nicht zum Aushalten! Hey Keeper, bring mir bitte einen Whiskey, fünfzehn Jahre alt, herb, ohne Eis!«

Leon lachte. Ausgerüstet mit neuen Getränken, stießen sich die beiden von der Bar ab und schwebten zu einer der runden Sitzkugeln.

»Du wirkst heute besonders gut gelaunt. War dein Kundentermin erfolgreich?«, schrie Rye im Flug über die Musik hinweg.

»Ich werde Bankier Alexis von der Bank Union Gesellschaft treffen«, rief Leon breit grinsend zurück.

»Der Vorsitzende der BUG? Alle Achtung, das ist ja mal ein dicker Fisch«, antwortete Rye.

»Auf jeden Fall!«, lachte Leon.