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Unterwegs mit Eberhard Fohrer
Im Geschichtsstudium hatte ich einen Professor, dessen Spezialgebiet die mittelalterlichen Kaiser waren. Er berichtete gerne von ihren Zügen ins „welsche“ Land, wo sie zunächst in Pavia zum König und danach vom Papst in Rom zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches gekrönt wurden. Wahrscheinlich hat er mich mit seiner Begeisterung angesteckt, denn eine meiner ersten italienischen Reisen war der geschichtsträchtige „Gang nach Canossa“, wo Heinrich IV. vor fast tausend Jahren zähneknirschend vor Papst Gregor VII. Buße tat. Geschichte, Kunst und Kultur, das ist sicherlich einer der großen Anziehungspunkt Italiens, der andere aber ist zweifellos die unvergleichliche italienische Lebensart, die dem deutschen „Michel“ recht fremd ist - die Lässigkeit, das freundliche Miteinander, die Unaufgeregtheit. „Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn, im dunklen Laub die Goldorangen glühn ...“ Die unsterblichen Verse Goethes sind zum Symbol für die Italiensehnsucht der Deutschen geworden, die es seit Jahrhunderten über die Alpen in den Süden zieht. Den Königen und Kaisern folgten Künstler, Schriftsteller und Musiker, darunter Albrecht Dürer, Richard Wagner, Thomas Mann Hermann Hesse und viele weitere Berühmtheiten. Heute sind es Millionen Urlauber, die das Land zwischen Alpen und Meer lieben gelernt haben. Ich kann mich da nur einreihen: Auch ich liebe es immer wieder, das Land zu bereisen, „wo ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht, die Myrte still und hoch der Lorbeer steht ...“ Ich wünsche Ihnen einen erfrischenden und anregenden Aufenthalt am Ort unserer Sehnsucht.
Oberitalien - Die Vorschau
Oberitalien, das sind acht vielfältige Regionen an der Sonnenseite der Alpen, einzigartig gelegen zwischen Hochgebirge und Po-Ebene, Apennin und Meeresstrand: vom ewigen Eis der Gletscher hinab in die riesige Schwemmebene des Po, auf schmal-verwinkelten Straßen hinauf in die abgelegenen Höhen des Apennin, kristallklare Bergseen und gigantische Felstürme in den Dolomiten, prachtvolle Belle-Époque-Villen und subtropisch anmutende Vegetation an den großen Badeseen, üppige Weinhänge in Piemont, Venetien und Friaul, endlose Meereslagunen und stille Pinienwälder an der Adria, windgegerbte Küstendörfchen und mondäne Kurorte an der Riviera.
Nahezu überall sind die Altstadtzentren mehr oder minder unversehrt erhalten, vom Mittelalter bis zum 18./19. Jh. findet man alles, was in Deutschland vielerorts den Bomben und stereotypen Betonzweckbauten zum Opfer gefallen ist. Fast jeder Weiler besitzt eine trutzige Burg, um die sich Pflastergassen und kleine Plätze schmiegen. Andererseits bedeutet Oberitalien aber auch heftige Industrialisierung, ausufernde Großstädte mit chaotischem Verkehr und flächendeckende Landwirtschaft, die kein Fleckchen ungenutzt lässt.
Als Reisender muss man selektieren, zu vielfältig sind die geografischen Strukturen und regionalen Besonderheiten. Auffallend und reizvoll sind zunächst vor allem die topgrafischen Erscheinungsformen Oberitaliens, nämlich Hochgebirge, Mittelgebirge, Hügelland und Ebene, die sich sowohl landschaftlich als auch klimatisch stark unterscheiden. Vom Alpenhauptkamm stoßen gewaltige Bergmassive hinunter ins hüglige Voralpengebiet, dazwischen erstrecken sich zahlreiche malerische Seen. Wie ein Keil schiebt sich anschließend die Po-Ebene zwischen Voralpen und Apenninhänge. Sie beginnt westlich von Turin und mündet in einem riesigen Flussdelta an der adriatischen Küste. Sengende Hitze kann den Aufenthalt im Hochsommer zur Qual machen, doch liegen hier einige der schönsten Kulturstädte. Südlich davon bildet der lang geschwungene Apennin die Grenze zur mediterranen Klimazone. Nach Norden geschützt, drängen sich die Orte der ligurischen Riviera dicht ans Meer. Die Engräumigkeit der Region ist reizvoll, bedeutet aber auch starke Verkehrsbelastung. Im Gegensatz dazu bildet die Adria von Grado bis Rimini einen einzigen flach abfallenden Strand, der erst südlich von Cattolica durch ein grünes Vorgebirge sein Ende findet.
Die Seen-Tour
Dutzende von kleinen und großen Gewässern liegen in den Einkerbungen ehemaliger Gletscher des südlichen Alpengebiets. Der Lenz hält früh Einzug, warme Luft drängt aus der Po-Ebene herauf, Zitronen und Oliven gedeihen. Im Sommer halten sich dagegen die Hitzegrade in angenehmen Bereichen und viele Einwohner der Ebene flüchten an die Seen.
Der Gardasee ist eines der großen Urlaubsgebiete Italiens und von deutschsprachigen Gästen vielbesucht. Mehr Ruhe findet man am benachbarten Iseo-See und am hoch gelegenen Idro-See. Der kleine Kalterer See in Südtirol gilt als wärmster Alpensee. Am Comer See findet man gediegene Badeorte wie Bellagio und Menaggio, aber auch den Camper- und Surfertreff Domaso. Im Lago Maggiore bilden die pittoresken Borromäischen Inseln ein viel besuchtes Ausflugsziel, Camper treffen sich bei Cannobio im Norden. Orta San Giulio am Lago d’Orta besitzt den Charme eines versteckten Kleinods.
Je nachdem, welche Seen man besucht, gibt es reichlich Kulturstädte in der Nähe: Verona, Brescia und Mantua liegen gleich beim Gardasee - und auch Venedig ist nicht mehr weit. Vom Kalterer See ist es nur ein Katzensprung nach Bozen und Trento, Mailand liegt nah an Comer See und Lago Maggiore, und vom Iseo-See ist man rasch im schönen Bergamo. In den umliegenden Gebieten kann man ebenfalls manche Entdeckungen machen: Seilbahnen und Sessellifte führen hinauf auf Zweitausender, und südlich vom Gardasee wurde nach der Schlacht von Solferino die „Idee des Roten Kreuzes geboren“.
Die Adria-Tour
Gängigste Einfallschneise Richtung Adriatisches Meer ist die Brenner-Route. Reichlich Kultur drängt sich hier zwischen Hochalpen und Rimini.
Wer nicht auf schnellstem Weg ans Meer will, kann zunächst den interessanten Wechsel von der alpenländischen zur mediterranen Welt erleben: Zwischenstopps lohnen in Sterzing, Brixen, Bozen, Trento und Rovereto - und schließlich in Verona mit seiner einzigartigen römischen Arena, den Skaliger-Bauten und seiner unvergleichlichen Atmosphäre zur Zeit der Opernfestspiele. Interessante Alternative zur Autobahn ist die berühmten Uferstraßen am Gardasee. Südlich des Gardasees liegt Mantua mit den Adelspalästen der Gonzaga, die mit herrlichen Fresken ausgestattet sind.
Am Südfuß der Alpen verläuft die Autobahn dann Richtung Venedig. Nicht auslassen sollte man hier Vicenza, die Stadt des Renaissancearchitekten Palladio, und Padua mit den großartigen Fresken in der Cappella degli Scrovegni und der Wallfahrtskirche des heiligen Antonius. Südlich von Padua liegt am Fuß der grünen Euganäischen Hügel das Städtchen Montagnana mit seiner perfekt erhaltenen Stadtbefestigung. Venedig, Lagunenstadt auf Millionen von Eichenpfählen und ehemalige Dogenrepublik, deren Einfluss früher über den gesamten Mittelmeerraum reichte, ist natürlich ein Kapitel für sich. Nicht weit fährt man von dort nach Treviso, wo die Weltfirma Benetton ihren Stammsitz hat, und zu diversen historischen Villen des Veneto, ebenso in die zahlreichen Badeorte der oberen Adria. Östlichste Stadt Italiens ist Triest, eine reizvolle Mischung aus Alt-Österreich, Italien und Slowenien.
Richtung Süden kommt man zu zwei weiteren Highlights: zunächst die Renaissancestadt Ferrara, nah an der Küste dann Ravenna mit seinen einzigartigen byzantinischen Mosaiken. Landeinwärts ein weiteres Muss: Bologna, Stadt der Laubengänge und kulinarischen Genüsse, mit der ältesten Universität und der fünftgrößten Kirche der Welt. Rimini, berühmtester und größter Badeort der Adria, bietet schließlich eine Welt der Kontraste - tagsüber Badetrubel am endlosen Strand, nachts tobendes Vergnügen in zahllosen Discos, landeinwärts ein stilvolles historisches Zentrum, wo man „Teutonengrill“ und Rummel schnell vergisst. In der Entroterra, dem Hinterland Riminis, wartet das „Disneyland“ San Marino auf Besucher, aber auch viele ruhige und ursprüngliche Ecken gibt es zu entdecken.
Wer aus dem Westen Deutschlands kommt und an die Adria will, kann natürlich in der Weltstadt Mailand Station machen, anschließend Parma mit seinem Baptisterium und vielleicht noch die nahen Erinnerungsstätten an den genialen Komponisten Verdi besuchen, der hier geboren wurde. Auch Brescello, die Heimat von Don Camillo und Peppone, ist nicht weit. Der Domplatz in Cremona schließlich ist einer der schönsten Flecken, um einen entspannten italienischen Abend zu verbringen.
Die Riviera-Tour
Die Qual der Wahl hat man auch hier - will man einen oder mehrere der oberitalienischen Seen besuchen, die Po-Ebene kennenlernen oder die diversen kleineren Kunststädte erkunden wie Pavia (mit der berühmten Certosa di Pavia), Bergamo, Vigevano und Cremona.
Auf jeden Fall sollte man einen Stopp machen in Mailand und/oder Turin. Die zwei größten Städte Oberitaliens bieten beide genügend Stoff für mehrere Tage Aufenthalt. Kulinarisch Interessierte lassen sich vielleicht auch die Weingebiete südlich von Turin nicht entgehen: Alba, Asti und Umgebung sind die richtigen Adressen, um einen guten Tropfen zu kosten.
Die große Hafenstadt Genua hat sich im letzten Jahrzehnt sichtlich herausgeputzt und bietet ein Stadtzentrum voller Pracht und Grandezza, dessen verwinkeltes Centro storico zudem reichlich Kolorit besitzt. Östlich von Genua trifft man auf die berühmten Cinque Terre: ein steiler Küstenstreifen, in den sich fünf Dörfer einschmiegen. Besonders auch Wanderer zieht es hierher. Westlich von Genua liegen die schon seit dem 19. Jh. bekannten Riviera-Orte Finale Ligure, Alassio, San Remo und Bordighera, wo jeder Strandflecken für den Badebetrieb erschlossen ist. Etwas ruhiger geht es noch im hübschen Noli und im kleinen Varigotti zu.
Die „Kul-Tour“
Die Auswahl ist praktisch unbeschränkt - kaum ein Ort, der nicht über eine bedeutende Kirche, ein Kastell oder ein anderes Monument verfügt. Es ist immer wieder ein Vergnügen, die Reichhaltigkeit der italienischen Architektur zu erleben. Die Liste auf S. 25 erhebt keinesfalls Anspruch auf Vollständigkeit, sondern ist eine rein persönliche Empfehlung von Städten, Museen, Kirchen und Landschaften im oberitalienischen Raum.
Die kulinarische Tour
Die Feinschmeckerprovinz im Norden Italiens heißt Emilia-Romagna, Bologna ist ihr kulinarisches Zentrum. Aus Parma stammen der gleichnamige Schinken und der weltberühmte Käse, in Modena wird der wertvolle Aceto Balsamico produziert, zu trinken gibt es perlenden Lambrusco ... Doch gut essen kann man überall in Oberitalien, sofern man die großen Abfütterungszonen der Touristen meidet - Fischsuppe an der Adria, Risotto in Mailand, Süßwasserfische an den Seen, Pesto und Farinata in Ligurien, Trüffel im Piemont, Fondue im Aosta-Tal, Jota-Suppe im Friaul ...
Die besten Weine stammen aus Friaul und dem Piemont, aber auch der Amarone di Valpolicella aus dem Veneto ist ein besonders edler Tropfen. Reizvoll zum Degustieren und gegebenenfalls Einkaufen direkt vom Erzeuger: die Valpolicella-Region bei Verona, das Gebiet um Soave, die Prosecco-Region bei Treviso, das Weingebiet der Langhe um Alba und die Weingebiete Colli Orientali und Collio im Friaul.
Die sportliche Tour
Die Windverhältnisse in den südlichen Alpen schaffen vor allem für Surfer optimale Bedingungen. Populärste Anlaufpunkte sind Riva und Torbole am Gardasee, denn in der schmalen „Düse“ am Nordende des Sees spürt man jede Brise und wenn mittags unvermittelt die Ora aus Süden einsetzt, stürzen sich binnen kurzer Zeit zahllose Surfcracks mit ihren bunten Segeln auf den heftig aufgewühlten See. Zahllose Brettflitzer treffen sich in Domaso und Cólico am Comer See. Radler finden ebenfalls um die Seen anspruchsvolle Mountainbike-Routen, außerdem viele Kilometer Radwege in der flachen Po-Ebene, z. B. um Ferrara und Ravenna. Freeclimber zieht es nach Arco nördlich des Gardasees, wo alljährlich die Weltmeisterschaften veranstaltet werden. Und an Riviera und Adria gibt es natürlich Sportmöglichkeiten aller Art: Wassersport, Golf und Minigolf, Reitställe und vieles mehr.