Wo Kinder sind, sind Geschichten.

Danke für beides.

AS

Hallo, hallo, hier spricht Maluna Mondschein

Ich bin die kleine Gutenacht-Fee aus dem Zauberwald. Meine Hobbys sind Fahrradfahren, Schwimmen und mich mit meinen Freundinnen treffen.

Ups. Warte mal. Was ist das denn für ein Quatsch? Fahrrad fahren? Ich habe ja nicht mal eins. Und warum sollte ich überhaupt Fahrrad fahren, wenn ich doch FLIEGEN kann. Und Schwimmen? Na ja, vielleicht weißt du schon, dass ich es erst vor Kurzem gelernt habe. Und das auch nur meiner Freundin Nike, dem Seefräulein, zuliebe. Denn nur zur Erinnerung – Wasser ist regenplitschgruselig nass! Und deshalb: nix für mich, ganz entschieden nix für mich.

Aber eines stimmt schon: Mich mit meinen Feenfreunden zu treffen, ist wirklich das Allerbeste. Nach Mondgeschichten erzählen mit meinem Wolf, natürlich. Und nach blau-roten Tupfenkuchen essen mit Ranunkel. Und nach Feengeschenke verteilen. Oder war die Reihenfolge doch anders?

Egal, Freunde zu haben, ist jedenfalls das ALLERBESTE überhaupt. Und was meine so alles erlebt haben, das werden sie dir gleich selbst erzählen.

Aber irgendwie war der Anfang oben trotzdem nicht richtig. Denn vielleicht verstehst du nur … wie hieß das noch gleich? Flughafen, Bushaltestelle …? Ach, jetzt weiß ich wieder, wie dieser Spruch heißt. Du verstehst vielleicht nur Bahnhof, weil du mich noch gar nicht kennst?

Also noch mal von vorne.

Ich heiße Maluna Mondschein und wohne im Zauberwald. Und der ist so was von weit weg, da bräuchte ich jetzt dreiundzwölfzig Seiten, um dir zu beschreiben, wie weit weg. Hinter dem hintersten Hinten nämlich und ferner als die entfernteste Ferne von der Ferne und so weiter.

Dort im Zauberwald wohne ich in einem moggelwuggeligwarmen Feennest im Stamm eines riesengroßen Nussbaumes, der auf dem Feenhügel steht. Und da wir gerade von Freunden reden: Dieser Baum ist auch mein Freund. Ja, wirklich. Er ist groß und stark und mächtig. Er beschützt mich vor Regen, Schnee und Sturm. Und im Sommer ist es wunderbar kühl in meiner Höhle und herrlich schattig auf der Sonnenterrasse im alten Vogelnest.

Das einzig Ärgerliche ist, dass ausgerechnet mein Feenhügel der Lieblingstreffplatz von drei Zauberwaldkindern ist. Die drei sind auch allerbeste Freunde. Und wenn der kleine Bär, der kleine Drache und der kleine Zauberer unter meinem Baum herumtoben, dann werfe ich ab und an mal eine Nuss nach ihnen, damit sie nicht gar so viel Krach veranstalten. Denn schließlich muss ich genau dann wieder aufstehen, wenn die drei endlich zu Hause in ihren Bettchen liegen und die Äuglein zumachen.

Liegst du denn schon im Bett?

Oh, ich hoffe es, kleiner Schatz, denn zugedeckt und an einen von deinen kostbarsten Lieblingsmenschen gekuschelt ist das beste Drumherumgefühl beim Vorlesen überhaupt.

Oder wenn du dich gerade ein winziges bisschen so fühlst wie kurz vor dem Auspacken deines ersten Geburtstagsgeschenks, dann ist es auch gut.

Denn jetzt wollen wir unbedingt anfangen, was hältst du davon?

Einverstanden?

Wunderbar, dann bitte einfach umblättern.

Kapitel 1, in dem du erfährst,
warum es heute keine Feengeschenke gibt

Warte, ich habe noch was vergessen:

Ratzeschnell und tippeltoll … Na, sagt dir das was? Genau. Wenn im Zauberwald ein Kind so ins Bett geht, findet es am nächsten Tag ein Feengeschenk auf dem Fensterbrett. Als Belohnung, weil Ins-Bett-Gehen und Einschlafen für Kinder echt schwierige Aufgaben sind. Ehrlich, als Gutenacht-Fee kann ich davon ein Lied singen. Diese Ins-Bett-Geh-Sache, habe ich festgestellt, ist nämlich langweilig, doof und gemein. Ins Bett gehen liegt immer ausgerechnet dann an, wenn es gerade irgendwie spannend ist oder sonst wie nicht passt. Zusätzlich muss man vorher komplizierte Dinge erledigen, wie Ausziehen, Schlafanzuganziehen, Waschen und Zähneputzen. Als ob man als Kind nichts Besseres zu tun hätte, oder?

Und dann die Einschlaferei! Bestimmt hast du auch schon festgestellt, dass es an dir nirgendwo einen Schalter gibt, den man einfach umlegen könnte, und zack, bist du eingeschlummert. Was tust du also stattdessen?

Stinkesauer hellwach im Bett herumliegen und anfangen, dich zu ärgern?

Dir von der Dunkelheit Angst einjagen lassen?

Aufs Klo gehen?

Hunger oder Durst kriegen?

Und ganz bestimmt kommst du irgendwann auf die Idee, sicherheitshalber doch mal nachzusehen, was all die anderen gerade so machen, richtig? Und was passiert? Zack, kein Feengeschenk. Wolkenbruchblöd, oder?

Und genau deswegen bringe ich auch so gerne Feengeschenke zu den Zauberwald- und Menschenweltkindern. Weil ich es nämlich toll finde, wenn ein Kind etwas echt Schwieriges schafft.

Aber ganz manchmal, wirklich nur gaaanz, gaaanz manchmal, habe ich einfach keine Zeit, loszufliegen und Belohnungen zu verteilen. Aber das kommt selten vor. Nur höchstens alle sechsundsiebzehn Jahre mal.

Und weißt du, wann? Ich verrate es dir. Wenn über dem Zauberwald der große Supermond aufgeht.

Und jetzt wird dir erzählt, was es mit dieser geheimnisvollen Sache auf sich hat. Das kann ich leider nicht selber tun, denn ich bin viiiel zu beschäftigt. Tschüss, kleiner Schatz, und viel Spaß mit der Geschichte!

 

Wie jeder weiß, liiiebt die kleine Gutenacht-Fee den Mond. Sogar in ihrem Namen steckt er, einmal im Nachnamen und einmal im Vornamen, denn Luna bedeutet ebenfalls Mond.

Nun gibt es den Mond bekanntermaßen in nicht sonderlich vielen Formen. Mal bildet er einen Halbkreis, mal eine Sichel, die entweder wie ein richtig rummes oder wie ein falsch rummes C am Himmel steht. Oh, und wir dürfen natürlich den kugelrunden Vollmond nicht vergessen. Denn damit hat es etwas ganz Besonderes auf sich. Manchmal steht er der Erde nämlich näher, und manchmal ist er weiter von ihr entfernt. Doch sehr, sehr selten kommt es vor, dass der Mond unheimlich nah an uns vorbeisaust. Und je näher etwas ist, desto größer sieht es aus, richtig? Und wenn der Mond alle Jubeljahre unfassbar riesengroß am Himmel aufgeht, dann nennt man das den SUPERMOND.

»Supermond, Supermond!«, summt Maluna vergnügt vor sich hin, während sie genau dreizehn Wärmflaschen mit Brombeer-Vanille-Veilchen-Tee füllt und in jede fünf Löffel Zucker dazugibt.

»Ähem, Maluna-Mäuschen, sonderbarste, äh, wunderbarste Fee des Zauberwaldes, sag mal kurz, nur damit wir Bescheid wissen, hast du da etwa gerade TEE in all die Wärmflaschen gefüllt? Bisschen viel Zucker so insgesamt, findest du nicht auch? Voll ungesund und viiiel zu süß. Und überhaupt, wofür brauchst du so viele Wärmflaschen, und warum tust du nicht einfach heißes Wasser rein und …?

»Mensch, Mensch! Du schon wieder.« Maluna schraubt die Flaschen eine nach der anderen wieder auf und wirft noch drei Stücke Kandis hinein.

»Noch mehr Zucker, also echt …«

»Tsi!« Maluna schüttelt den Kopf. »Heute kannst du mich mit deinen zwofuffzich Fragen üüüberhaupt nicht ärgern. Und mit deinem süßen Gequatsche auch nicht. Li, la, lu … Supermond, Supermond!«, summt sie. »Ich kriege Besuch. SMFFF

»Och, Feechen, du immer mit deinen Abkürzungen. Ist ja schlimmer als bei uns in der Menschenwelt. Da ärgere ich mich auch jedes Mal, wenn man nicht ordentlich …«

»Ja, ja, ist ja schon gut.« Maluna kichert. »Supermond-Feen-Freundschafts-Fest«, erklärt sie. »Oben.« Maluna deutet an die Decke ihrer Feenhöhle. »Dachterrasse.« Dann schaut sie auf ihr Handgelenk, an dem wie immer nicht die kleinste Spur von einer Uhr zu entdecken ist. »Ui, schon so spät, jetzt aber schnell, ich muss noch die …«

»Wärmflaschen hochbringen, ich verstehe. Ist ja auch ziemlich kühl heute Nacht. Aber es sind dreizehn! Und ich kenne bloß … warte … lass mich nachzählen … acht Zauberwaldfeen. Mit dir.«

Maluna schüttelt den Kopf und belädt ihren Rucksack mit den Wärmflaschen und einem Stapel gehäkelter Umhängetücher.

»Hübsch, oder? Von Sü-Sü-Sürpries«, sagt sie und bekommt einen so sommerhellen Lachanfall, dass selbst ihre quittengelbe Stimmungssträhne auf und ab zu hüpfen scheint. »Hihi, du weißt eben nicht alles«, freut sie sich, reißt die Haustür auf, und flupp!, ist sie in den Blättern des Nussbaumes verschwunden.

Im Vogelnest legt Maluna den Stapel Schultertücher zurecht, verteilt bunte Kissen und legt auf jedes eine Wärmflasche.

»Wäre doch total doof, nur Wasser reinzufüllen«, erklärt die kleine Gutenacht-Fee. »So habe ich doch jetzt zwei Mücken mit einer Hand geklatscht, oder wie das heißt. Der Tee macht die Wärmflaschen heiß, und wir haben gleichzeitig was zum Trinken. Da, guck, Strohhalme gibt’s nämlich auch. Und Wolfs Zimtmonde. Ja, mjamm, schmecken lecker«, sagt Maluna und bröselt beim Kauen fröhlich vor sich hin. »Hab ich selber gebacken. Nach Wolfs Originalrezept.«

Komm, wir nicken mal beeindruckt. Also, nicht nur, weil Maluna gebacken hat, was an sich ja schon eine Sensation ist. Nein, ganz ehrlich: Was ist das denn für eine wundervoll praktische, supergeniale Idee, diese Sache mit den Teewärmflaschen! Ich sollte geradezu mal überlegen, ob man das in der Menschenwelt nicht auch einführen könnte … Nee, ich glaube, die Wärmflaschen bei uns sind aus komischem Plastik, das wäre bestimmt nicht sonderlich gesund und würde wahrscheinlich auch gar nicht gut schmecken …

»Me-hensch?«, unterbricht Maluna meine Gedankenflut. »Hallo! Hör auf zu denken, das stört mich beim Gucken.«

»Hä?«

»Na, siehst du ihn denn nicht, du hagelplatschnieseltrotteliger Mensch, du?« Maluna deutet fuchtelnd auf den Mond.

Und jetzt muss ich wirklich zugeben, dass es mir für einen kurzen Moment die Sprache verschlägt. Der Supermond. Groß und unheimlich, unheimlich … ergreifend irgendwie.

»Super!«, hauche ich.

»Sag ich doch.« Maluna strahlt. »Und jetzt mach dich vom vom Baum. Gleich kommen meine Gäste.«

»Dürften wir … also, dürften wir BITTE SCHÖN, vielleicht, eventuell so ein ganz winziges kleines bisschen lauschen, ja, Malunaleinchen-meinchen?«

Die kleine Gutenacht-Fee lässt sich auf ein Kissen plumpsen, legt die Teewärmflasche in ihren Schoß und wickelt sich das bunte Tuch um die Schultern.

»Von miiir aus, wenn’s uuunbedingt sein muss«, sagt sie und grinst verschmitzt. »Und wie lauten die Regeln?«

»Nix fragen, nicht dazwischenreden und muckswucksmausepausstill sein«, antworten wir prompt.

»Exakt«, sagt Maluna zufrieden. »Und jetzt pscht, ich muss genießen!«

Dann lehnt sich die kleine Gutenacht-Fee zurück und starrt so lange in den großen, strahlenden Supermond, bis nach und nach ihre Feenfreunde eintreffen.

Kapitel 2, in dem sich alle
zum SMFFF versammeln

Gerade als ich beschließe, Maluna mitzuteilen, dass ich allmählich kalte Füße, kugelrunde Mondstarr-Augen und Hunger auf Wolfs Zimtmonde bekomme, höre ich ein leises Rascheln in den Blättern. Also wirklich, da ist es heute Nacht so hell wie nie, aber diese kleinen Feen können sich im Flug anschleichen wie nichts … Kaum hat man einmal mit den Augen gezwinkert, ist das Terrassennest auch schon voll. Und es kommen immer mehr! Hör mal, wie sich alle freuen und drücken und durcheinanderschnattern. Ach, schau, jede hat etwas mitgebracht. Meine Güte, ein ganzes Supermond-Buffet, wie lecker. Hoffentlich knurrt mein Magen nicht zu laut. Gut, Ruhe also jetzt, wir lauschen …

 

»Herzlich willkommen zum Supermond-Feen-Freundschafts-Fest«, ruft Maluna und drückt ihre Freundinnen der Reihe nach an sich. »Fehlen nur noch vier«, stellt sie mit einem Blick auf die leeren Kissen fest.

Doch da hört man schon von Weitem, wie ein ziemlich ungewohntes Geräusch durch den Wald schallt. Zumindest für Feen. So hört es sich nämlich auch an, wenn der kleine Bär, der kleine Drache und der kleine Zauberer auf dem Feenhügel herumtoben.

»Jungs, halt!«, rufen Pepita, Cintilla und Maluna und rollen mit den Augen.

Und da sind sie auch schon. Zerzaust und mit roten Wangen vom rasanten Flug, landen vier Feenjungen auf Malunas Dachterrasse.

»Guten Abend, die Damen«, sagt Silvanus Waldhüter atemlos, überreicht jeder Fee ein Gänseblümchen und streicht sich die Kleidung zurecht.

Auch Ruido Raschelrausch weiß, was sich gehört, und zieht seine Mütze vom Kopf. Und da geht es auch schon los. Als Fee für Geräusche kommentiert er nämlich alles, was er sagt oder tut, mit den passenden Tönen. Und so hört sich das dann an.

»Zaack, wuuusch, weg mit der Kappe, knirsch, verbeug, knirsch, quietsch, wieder gerade machen, guten Abend, danke für die Einladung.« Dann lässt er sich zwischen Aurea und Candelia auf sein Kissen plumpsen. »Flatsch, pluff, oh, schön warm, die Flasche, darf ich etwas trinken, gluck, gluck, schluck?«

Die Feen brechen in schallendes Gelächter aus.

»KRACH, KRACH, KRA-HA-HA!!!«, lacht auch Attono Donnerhall, und jeder hält sich rasch die Ohren zu. Minimee Windhauch geht sogar ängstlich hinter Cintilla in Deckung.

»OH, ENTSCHULDIGUNG!!!«, sagt Attono rasch. Er vergisst als Fee des Gewitters immer, dass er selbst dann bis hinter den Finsterwald zu hören ist, wenn er nur ganz, ganz leise redet.

»Zzzorry echt für meinen Bruder«, zischelt Oska Zackenblitz und zieht seinen Zwillingsbruder neben sich. »Zzzieh nur, du machst der Babyfee ja Angssst.«