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Der Autor

 

Thomas Zotz, geb. 1944, studierte Geschichte, Latein, Geographie und Ur- und Frühgeschichte in Freiburg i. Br., Wien und Hamburg. Nach der Promotion 1972 an der Universität Freiburg i. Br. war er bis 1989 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Geschichte in Göttingen tätig, danach lehrte er an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg bis zu seiner Entpflichtung 2010 mittelalterliche Geschichte mit dem Schwerpunkt mittelalterliche Landesgeschichte des deutschsprachigen Südwestens.

Thomas Zotz

Die Zähringer

Dynastie und Herrschaft

Verlag W. Kohlhammer

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Umschlagbild: Siegel Herzog Bertolds IV. von Zähringen. Staatsarchiv Solothurn, Urkunde von 1181.

1. Auflage 2018

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-022066-9

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pdf:     ISBN 978-3-17-030972-2

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mobi:   ISBN 978-3-17-030974-6

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Für Gertraud

Inhaltsverzeichnis

 

 

 

  1. Vorwort
  2. Einleitung
  3. Spuren und Zeichen der Erinnerung
  4. Streiflichter der Forschungsgeschichte
  5. Konzeption und Anliegen dieses Buches
  6. 1 Ursprung der Familie in der Ottonenzeit: Königsnähe und hoher Rang
  7. Genealogische Zeugnisse und frühe Verwandtschaft
  8. Bezelin von »Villingen« und Kaiser Otto III.
  9. 2 Der gewundene Weg zur schwäbischen Herzogswürde im 11. Jahrhundert
  10. Die Königsnähe Bertolds I., seine Heirat mit Richwara und der Anspruch auf Schwaben
  11. Herzog Bertold I. von Kärnten: Spannungen mit Heinrich IV. und Einsatz für die Kirchenreform
  12. Markgraf Bertold II. und Agnes von Rheinfelden: eine bedeutungsträchtige Verbindung
  13. Die Brüder Bertold II. und Gebhard an der Spitze der päpstlichen Partei in Schwaben
  14. Der staufisch-zähringische Friede: Momentane Entspannung und Hypothek für die Zukunft
  15. 3 Die Zähringer in spätsalischer Zeit und die Formierung ihrer Herzogsherrschaft
  16. Die Dynastie der Zaringi und ihr Verhältnis zu Kaiser Heinrich V.
  17. Herrschaftsaufbau nach der Schwerpunktverlagerung an den Oberrhein: Besitz, Ämter, Lehen
  18. Das personelle Netzwerk: adlige Entourage und Ministerialität
  19. 4 Herzog Konrad, das Rektorat von Burgund und die Staufer
  20. Übertragung des Rektorats von Burgund durch König Lothar III.
  21. Herrschaftspraxis und herrschaftliche Verdichtung in den zähringischen Landen
  22. Herzog Konrad und die Staufer: ein ambivalentes Verhältnis
  23. Bündnis mit Heinrich dem Löwen und späte Aussöhnung mit Konrad III.
  24. 5 Die Zähringer und Kaiser Friedrich I. Barbarossa
  25. Herrschaftsübergang an Bertold IV.: St. Peter und die Rolle der Herzoginwitwe Clementia
  26. Burgund im Schnittfeld zähringisch-staufischer Interessen
  27. Intensivierung der Zähringerherrschaft zwischen Jura und Genfer See
  28. Bertold IV. und Friedrich Barbarossa: Kooperation und Konflikte
  29. Herrschaft und Politik Bertolds IV. im Südwesten und Nordwesten des Reiches
  30. 6 Herzog Bertold V. auf dem Weg in den Thronstreit
  31. Die Situation von Familie und Dynastie der Zähringer
  32. Das zähringisch-staufische Verhältnis zur Zeit Kaiser Heinrichs VI.
  33. Bertolds Thronkandidatur 1198 und ihre Folgen: herrschaftlicher Zugewinn am Oberrhein
  34. Der Zähringer auf der politischen Bühne des gespaltenen Reiches bis 1212
  35. 7 Burgund und der ducatus Zaringiae unter dem »letzten Zähringer«
  36. Herrschaftliche Initiativen und Herrschaftspraxis Bertolds V. in Burgund
  37. Das Wirken Bertolds V. in den alten Kernräumen der Zähringer
  38. Hof, höfische Kultur und literarisches Mäzenatentum der späten Zähringer
  39. 8 Friedrich II. und der Ausklang der Zähringerzeit
  40. Herzog Bertold V. und König Friedrich II.
  41. Der Tod Bertolds V. und die Auseinandersetzung um das zähringische Erbe
  42. 9 Erben und Nachfahren, Zähringermemoria und Zähringertradition
  43. Die Grafen von Urach-Freiburg, die Grafen von Kyburg und die Habsburger
  44. Zähringergründungen: die Städte Bern und Freiburg im Breisgau und das Kloster St. Peter
  45. Späte Erinnerung: Die Markgrafen von Baden und Großherzöge als Herzöge von Zähringen
  46. Schluss
  47. Die Zähringer in der Fürstengesellschaft vom späten 11. bis zum frühen 13. Jahrhundert
  48. Die Zähringer und das Königtum: eine wechselvolle Konstellation
  49. Herrschaftsformen und Herrschaftspraxis der Zähringer: Zeittypisches und Spezifisches
  50. Anmerkungen
  51. Stemma der Zähringer
  52. Abkürzungen
  53. Quellen- und Literaturverzeichnis
  54. Abbildungsnachweise
  55. Register

Vorwort

 

 

 

Rund 125 Jahre nach Eduard Heycks Geschichte der Herzoge von Zähringen (1891) werden die Zähringer nun erneut Gegenstand einer Gesamtdarstellung. Angesichts dieses langen Zeitraums, in dem die Zähringerforschung auf zahlreichen Feldern neue und wichtige Einsichten gewinnen konnte, erscheint es nicht einfach, in überschaubarem Umfang Geschichte und Herrschaft dieser fürstlichen Dynastie im hochmittelalterlichen Reich zu beschreiben und zu würdigen. Die Aufgabe wurde allerdings wesentlich erleichtert dank dem von Ulrich Parlow erarbeiteten Werk Die Zähringer. Kommentierte Quellendokumentation zu einem südwestdeutschen Herzogsgeschlecht des hohen Mittelalters (1999).

Meine Beschäftigung mit den Zähringern begann bereits im Rahmen der Dissertation über den hochmittelalterlichen Breisgau (1974), der zu einem der herrschaftlichen Kernräume der Herzöge von Zähringen werden sollte, erfuhr aber erst während meiner Tätigkeit an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg im Breisgau von 1989 bis 2010 jene Vertiefung, die es erlaubte, dieses Buch über eine Thematik zu schreiben, die mir über die lange Zeit vertraut geworden ist.

Auf meinem Weg haben mich viele begleitet, denen ich mich dankbar verbunden fühle für Gespräche, Anregungen, Hilfestellungen und konstruktive Kritik, insbesondere in den letzten Jahren intensiver Arbeit an dem Buch. Zunächst liegt mir daran, an Karl Schmid († 1993), den großen Impulsgeber für die jüngere Zähringerforschung, dem ich sehr viel verdanke, und an Dieter Mertens († 2014), den kenntnisreichen und stets gesprächsbereiten Kollegen und Freund, zu erinnern. Weiter möchte ich namentlich nennen: Armand Baeriswyl, Bern; Eva-Maria Butz, Dortmund; Jürgen Dendorfer, Freiburg; Andre Gutmann, Freiburg; Martin Jones, London; Clemens Joos, Villingen-Schwenningen; Mathias Kälble, Dresden; Heinz Krieg, Freiburg; Michael Matzke, Basel; Peter Niederhäuser, Winterthur; Ulrich Parlow, Lahr; Mark Rauschkolb, Freiburg; Clemens Regenbogen, Freiburg; Volker Schupp, Freiburg; Hansmartin Schwarzmaier, Karlsruhe; Rainer C. Schwinges, Bern; Petra Skoda, Dresden; Dieter Speck, Freiburg; Johannes Waldschütz, Stockach; Tobie Walther, Freiburg; Alfons Zettler, Dortmund. Allen Kolleginnen und Kollegen, die mir freundlicherweise Einsicht in ihre in Druckvorbereitung befindlichen Beiträge zum Tagungsband Die Zähringer. Rang und Herrschaft um 1200 und zum Sammelwerk Personale Bindungen und Handlungsspielräume von Adligen und Ministerialen im Breisgau der Zähringerzeit gewährten, sei an dieser Stelle vielmals gedankt. Nicht zuletzt sage ich meiner Frau Gertraud großen Dank für ihre Unterstützung und ihre verständnisvolle Geduld, die sie mir die Jahre über entgegenbrachte. Ihr sei dieses Buch gewidmet.

Dem Verlag Kohlhammer und seinem Lektor Daniel Kuhn danke ich sehr für die sorgfältige und hilfreiche Begleitung und Betreuung meines Buches, das nun im Vorfeld des Gedenkens an den 1218 verstorbenen »letzten Zähringer« Bertold V. seinen Abschluss fand.

 

Freiburg im Breisgau im Herbst 2017

 

Thomas Zotz

 

Einleitung

 

Spuren und Zeichen der Erinnerung

Mit den Staufern und Welfen gehörten die Zähringer zu den drei führenden Adelsgeschlechtern im Südwesten des hochmittelalterlichen Reiches.1 Als Herzöge von Zähringen und Rektoren von Burgund prägten sie von etwa 1100 bis zu ihrem Aussterben 1218 die Geschichte und Kultur am südlichen Oberrhein, im Breisgau und in der Ortenau, auf der Baar und im Gebiet zwischen Jura und Genfer See, damals ein Teil von Burgund.2 Wenn man heute, rund acht Jahrhunderte nach ihrem Abtreten von der politischen Bühne, nach Spuren sucht, die sie hinterließen, so finden sich diese vor allem in den zahlreichen »Zähringerstädten« wie Freiburg im Breisgau, Villingen, Freiburg im Üchtland, Bern oder Neuenburg am Rhein, um nur einige zu nennen.3 Die Zähringer als Städtegründer leben im Gedächtnis der Menschen in Südwestdeutschland und in der Nordwestschweiz fort, und die Zähringerstädte pflegen offiziell die Zähringertradition in gemeinsamen Treffen und Jubiläumsfeiern über die heutigen politischen Grenzen hinweg. Ähnlich verhält es sich mit der gleichfalls grenzüberschreitenden gemeinsamen Erinnerung an die Staufer in deren Herkunftsland Schwaben und in Italien, dem diese als Suevi ihren Stempel aufgedrückt haben.4

Doch nicht nur in den Köpfen und Handlungen der Menschen sind die Zähringer heute noch gegenwärtig, sondern auch in sichtbaren Zeichen und Monumenten:5 Straßen heißen nach den Zähringerherzögen, so die Bertold- und die Konradstraße in Freiburg im Breisgau. Hier stand seit Anfang des 19. Jahrhunderts inmitten der Stadt der Bertoldsbrunnen mit einer Statue Herzog Bertolds III., des vermeintlichen Stadtgründers,6 nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg 1965 durch ein neues Denkmal mit Reiterstandbild ersetzt und mit zwei Inschriften versehen. Die eine gibt eine Liste der Herzöge von Zähringen, unter denen Bertolds III. Bruder Konrad entsprechend dem mittlerweile erreichten Forschungsstand als Gründer der Stadt erscheint, während die andere aus der pauschalen Widmung »Den Herzogen von Zähringen, Gründern und Herren von Freiburg« besteht.7 Das Denkmal hat im Übrigen seinen ursprünglichen Namen »Bertoldsbrunnen« beibehalten. Hier zeigen sich Unschärfen historischer Erinnerung!

Brunnen als Denkmäler im öffentlichen Raum und Alltagsleben rufen auch in anderen Zähringerstädten die Herzogsdynastie in Erinnerung: Der Zähringerbrunnen in Bern stammt von 1535 und zeigt einen Bären in Turnierrüstung mit dem in Bern gebräuchlichen Löwenwappen der Zähringer und einer lateinisch-deutschen Tafel, die an Herzog Bertold (V.) von Zähringen als Gründer der Stadt erinnert. Wenige Jahre später schuf sich Freiburg im Üchtland die Brunnen der Treue und der Tapferkeit, in deren Figuren der Volksmund Herzog Bertold IV., den Gründer dieser Stadt, sieht.8 Wahrscheinlich gibt auch das heute als »Werkmeisterstatue« am Berner Münster gedeutete Standbild eines Ritters in voller Rüstung aus dem späten 15. Jahrhundert Bertold V. wieder;9 eindeutig zeigt sich der Herzog mit dem um die Mitte des 19. Jahrhunderts von Karl Emmanuel von Tscharner geschaffenen Bronzedenkmal der Berner Öffentlichkeit.10 In Villingen errichtete die Bürgerschaft 1906 aus Anlass der 100-jährigen Zugehörigkeit der Stadt zu Baden ein Bertold-Denkmal und erinnerte damit an den Gründer des Marktes 999 und den »Stammvater« der Zähringer.11

Wenn man noch die (im Zweiten Weltkrieg eingeschmolzene) Bronzefigur Herzog Konrads von Zähringen auf dem Balkon des Neuen Rathauses in Freiburg im Breisgau aus der Zeit um 1900 hinzu nimmt und den Bertoldsbrunnen in St. Peter von 1902, der Bertold II., den Gründer des Klosters St. Peter im Schwarzwald, zeigt,12 dann ist die Reihe der in Stein und Bronze abgebildeten Zähringerherzöge komplett. Auf eindrucksvolle Weise pflegten die städtischen Gemeinwesen durch die Jahrhunderte die Erinnerung an ihre Gründer und Förderer.

Neben den Zähringerstädten bewahrt das erwähnte Kloster St. Peter das Andenken an seine herzogliche Stifterfamilie und dies aus besonderem Grund, haben doch fast alle ihre Mitglieder hier die letzte Ruhe gefunden. Im barocken Neubau der Klosterkirche der 1720er Jahre zieren die von Joseph Anton Feuchtmayer geschaffenen Standbilder der Zähringer die Pfeiler des Langhauses. Den Apostelfiguren an den Pfeilern des Mittelschiffs des Freiburger Münsters vergleichbar, sind sie quasi Stützen des Gotteshauses und Klosters. Im Chor der Kirche von St. Peter befindet sich auch das 1767/68 geschaffene Zähringergrabmal in Nachfolge der Familiengrablege (sepulcrum paternum) vor dem Kreuzaltar der früheren Kirche.13 Auch im Berner Münster kündet ein 1601 im Auftrag des Rates errichtetes Zähringer-Denkmal von Herzog Bertold V. von Zähringen, der hier nicht nur als Gründer der Stadt Bern, sondern auch als erlauchter Vater des Vaterlands gerühmt wird.14 Im Münster zu Freiburg im Breisgau wiederum, wo Bertold V. seine letzte Ruhe gefunden hat, galt lange Zeit eine ritterliche Grabfigur als Bildnis dieses Herzogs, bis die Forschung hierin das Grabdenkmal eines Grafen von Freiburg aus dem 14. Jahrhundert erkannte.15

Städte, Klöster und Kirchen als Träger sichtbarer Erinnerung an die Zähringer: Nicht zuletzt verdienen ihre noch vollständig oder als Ruine erhaltenen Burgen Erwähnung, wenngleich die meisten der zahlreichen Monumente heutzutage verschwunden sind.16 Am eindrucksvollsten gibt sich die vielgliedrige Burganlage von Burgdorf zu erkennen, die auf einem steilen Felsplateau ihre Umgebung überragt. Auch die zähringische Turmburg in Thun hat sich dank ihrer Weiternutzung als Amtshaus in eidgenössischer Zeit konserviert,17 während von der für die Familie namengebenden Burg Zähringen nördlich von Freiburg nur noch ein Rundturm Zeugnis gibt, der überdies gar nicht der ursprünglichen Anlage um 1100, sondern dem Neubau des späten 13. Jahrhunderts entstammt, als die Zähringer schon längst ausgestorben waren. In Zeiten der Burgenromantik wurde der Turm Gegenstand stimmungsvoller Bilder und ist heute ein beliebtes Ausflugsziel der Freiburger.

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Ruine der Burg Zähringen. Stahlstich um 1840.

Streiflichter der Forschungsgeschichte

Die wissenschaftliche Erforschung der Zähringer18 begann um die Mitte des 18. Jahrhunderts mit der Historia Zaringo-Badensis (1763–66) des aus Sulzburg im Markgräflerland stammenden bedeutenden Straßburger Gelehrten Johann Daniel Schöpflin.19 Als ihm 1752 von Markgraf Karl Friedrich von Baden-Durlach der Auftrag erteilt wurde, eine Geschichte des badischen Hauses zu schreiben,20 verwob er diese, wie bereits der Titel sinnfällig zum Ausdruck bringt, aufs Engste mit der Geschichte des aus demselben Stamm hervorgegangenen Zähringerhauses und trug so dazu bei, dass die Markgrafen von Baden damals begannen, ein Zähringerbewusstsein zu entwickeln.21

Es ist bezeichnend und sollte lange Zeit charakteristisch für die Zähringerforschung bleiben, dass zähringische Geschichte von da an in der Engführung mit badischer Geschichte gesehen und behandelt wurde. Damit löste sie sich von der habsburgischen Genealogie, mit welcher der zähringische wie auch der badische Stammbaum bis dahin verknüpft waren.22 Die breite, auf solider Quellenarbeit in Archiven beruhende Darstellung Schöpflins, ein eindrucksvolles Beispiel von Geschichtsschreibung im Zeitalter der Aufklärung, zeichnet sich durch wissenschaftliche Gründlichkeit und Sachlichkeit aus. Schon lange bevor das negative Urteil Ottos von Freising über die Zähringer in der jüngeren Forschung Thema werden sollte,23 entlarvte Schöpflin ihre Darstellung als Herzöge ohne Herzogtum in kritischer Analyse als staufische Parteinahme. Der das Werk beschließende Codex diplomaticus bietet eine wertvolle Quellensammlung zur zähringischen Geschichte.

Aus dem früheren 19. Jahrhundert ist das Buch des Freiburger Archivars Ernst Julius Leichtlen (Lampadius) Die Zähringer. Eine Abhandlung von dem Ursprunge und den Ahnen der erlauchten Häuser Baden und Oesterreich (1831) erwähnenswert,24 nicht so sehr, weil Leichtlen wieder den Zähringern die zeitliche Priorität vor den Habsburgern gab und die Zähringer gar vom alemannischen Herzog Gottfried aus der Zeit um 700 herleitete, sondern weil das Werk die erste, wenn auch unkritische Textwiedergabe des Rotulus Sanpetrinus, des bedeutsamen Verzeichnisses der Privilegien und Besitzungen des Klosters St. Peter im Schwarzwald, enthielt, das nach zwei weiteren Ausgaben Friedrichs von Weech (1882) und Egon Fleigs (1908) erst 2011 durch Jutta Krimm-Beumann seine maßgebliche, heutigem Standard entsprechende Edition gefunden hat.25

Als ein Markstein der Zähringerforschung kann die Geschichte der Herzoge von Zähringen aus der Feder von Eduard Karl Heinrich Heyck (1891) gelten, die ein Jahr später durch seine Ausgabe der Urkunden, Siegel und Wappen der Herzoge von Zähringen ergänzt wurde.26 Heyck schrieb im Auftrag der 1883 auf Initiative Großherzog Friedrichs I. von Baden ins Leben gerufenen Badischen Historischen Kommission, die ihrem fürstlichen Gönner mit der Geschichte der für das Haus Baden so wichtig gewordenen Zähringer eine Gegengabe darbringen wollte.27 Als gebürtiger Mecklenburger behielt er aber die notwendige kritische Distanz zu seinem Sujet; die gründliche Aufarbeitung der seit alters eine Rolle spielenden genealogischen Fragen, die chronologische Darstellung der Wirksamkeit der Herzöge und die materialreiche Auflistung der Ämter, Besitzungen und Rechte des zähringischen Hauses und deren Schicksale machen sein Werk zu einer bis heute unverzichtbaren Basis der Forschung.28

Im 20. Jahrhundert setzte zunächst Theodor Mayer mit seiner Freiburger Universitätsrede von 1935 Der Staat der Herzoge von Zähringen einen wichtigen neuen Akzent, indem er die Herrschaftsausübung der Zähringer in ihrem »Machtbereich« weniger als herkömmlichen »Personenverbandsstaat« denn als einen innovativ von Landesausbau und Städtewesen geprägten territorialen »Flächenstaat« mit dem »Städtedreieck« Freiburg – Offenburg – Villingen verstand.29 Die hier getroffene Gegenüberstellung wirkte in der späteren Mittelalterhistorie weit über den zähringischen Rahmen folgenreich nach. Dabei wird leicht übersehen, dass Mayers griffige Wendung seinerzeit in aller Deutlichkeit auf den zeitgenössischen Kontext gemünzt war: Im (später im Nachdruck weggelassenen) Schlussteil der Freiburger Universitätsrede führte Mayer aus, dass der Flächenstaat kein Königsweg der deutschen Geschichte gewesen sei, die vielmehr erst jetzt im Personenverband der deutschen Volksgemeinschaft ihre Erfüllung gefunden habe.30

In den nächsten Jahrzehnten wurden die Zähringer immer wieder Gegenstand von Einzelstudien; so analysierte Theodor Mayers Schüler Heinrich Büttner aus verschiedenen Blickwinkeln das »politische Kräftespiel« am Oberrhein und in Burgund im hohen Mittelalter und thematisierte nachdrücklich das Gegenüber von Zähringern und Staufern.31 Aus Schweizer Perspektive widmeten Hans und Paul Hofer ihre Aufmerksamkeit den dortigen Zähringerstädten,32 während auf deutscher Seite Berent Schwineköper,33 Walter Schlesinger34 und Hagen Keller35 Probleme der Zähringerstädte allgemein und speziell die Gründungsgeschichte von Freiburg im Breisgau behandelten. Die Freiburger Dissertation von Marita Blattmann (1988) über die Freiburger Stadtrechte brachte den entscheidenden Fortschritt in der Erforschung des Freiburger Stadtrechts und seiner großen Verzweigung.36 Angesichts des weiten Herrschafts- und Einflussbereichs der Zähringer interessierte sich nicht nur die deutsche und schweizerische, sondern auch die belgische Forschung für die Zähringer, was sich in den Arbeiten von Jean-Louis Kupper über die Politik der Zähringer im Raum zwischen Mosel und Nordsee und über den ihrem Haus zugehörigen Bischof Rudolf von Lüttich spiegelt.37 In diesem Zusammenhang ist noch die Marburger Dissertation von Hartmut Heinemann von 1982 über die Geschichte der Zähringer in Burgund zu erwähnen.38 Mit ihr wurde die Tätigkeit der Zähringer als Rektoren (Verwalter im Herzogsrang) von Burgund grundlegend aufgearbeitet.

Den gewichtigen Markstein der Zähringerforschung des ausgehenden 20. Jahrhunderts bildete die von dem Freiburger Stadtarchivar Hans Schadek und dem Freiburger Mittelalterhistoriker Karl Schmid39 organisierte Zähringer-Ausstellung von 1986 im Augustinermuseum der Stadt Freiburg im Breisgau.40 Vorbereitet durch eine multidisziplinäre Ringvorlesung an der Freiburger Universität, bot die von über 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gestaltete Präsentation von Exponaten und Dokumentationen zähringischer Geschichte, Kultur und Tradition ein umfassendes Bild dieser südwestdeutschen Herzogsdynastie – knapp ein Jahrzehnt nach der spektakulären Staufer-Ausstellung in Stuttgart 1977.41 Damit wurde den Zähringern nicht nur die ihnen gebührende Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zuteil, wenngleich nicht in dem ohnehin außergewöhnlichen Maße wie den Staufern in Stuttgart, sondern es kamen im Zuge der Ausstellung, maßgeblich auf Initiative Karl Schmids, wichtige neue Forschungen, etwa zum Burgenbau der Zähringer,42 in Gang. Die facettenreiche Vielfalt historischer, kunsthistorischer, archäologischer und germanistischer Studien ist in den zwei Begleitbänden der Zähringer-Ausstellung versammelt.43 Als bedeutsame Frucht der Grundlagenforschung ist nicht zuletzt die regestenartige Quellendokumentation zur Geschichte der Zähringer zu nennen, die Ulrich Parlow in seiner von Karl Schmid angeregten Freiburger Dissertation vorlegte.44

In den rund drei Jahrzehnten seit der Freiburger Zähringerausstellung griff die Forschung in Deutschland wie in der Schweiz deren Impulse weiter auf und setzte neue Akzente. So befasste sie sich mit Fragen der Titelführung der Herzöge von Zähringen,45 mit dem Neben- bis Gegeneinander von Zähringern und Staufern auf dem Boden des Herzogtums Schwaben wie in Burgund,46 mit den unter zähringischem Einfluss stehenden Klöstern wie St. Blasien47 und St. Peter,48 mit den Städten der Zähringer,49 vornehmlich Freiburg im Breisgau,50 Villingen mit seinem Jubiläum 199951 und Freiburg im Üchtland, das im Jahre 2007 seiner Gründung 1157 gedachte.52 Daneben steht die adlige und ministerialische Entourage der Zähringer im Fokus des Interesses,53 aber auch in geweiteter Perspektive die personalen Bindungen und Handlungsspielräume von Adligen und Ministerialen unter und neben den Zähringern in einer ihrer Kernlandschaften, dem Breisgau.54 Die 2016 von der Abteilung Landesgeschichte der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg in Zusammenarbeit mit dem Alemannischen Institut und dem Zähringer-Zentrum veranstaltete Tagung in St. Peter zum Thema Die Zähringer. Rang und Herrschaft um 1200 zog eine Bilanz der Forschung und erweiterte sie um neue Fragestellungen.55

Nicht zuletzt liegen eine Reihe von Quellenbeständen, die für die Geschichte der Zähringer bedeutsam sind, in neuen kritischen Editionen vor: das Schenkungsbuch des Hirsauer Priorats Reichenbach,56 die Urkunden des Klosters St. Blasien57 und nicht zuletzt der bereits erwähnte Rotulus Sanpetrinus.58 So erscheinen die Umstände günstig, um – weit über ein Jahrhundert nach Heycks Standardwerk – die reiche Ernte der jüngeren Forschung in eine neue Darstellung zur Geschichte der Zähringer einzubringen.

Konzeption und Anliegen dieses Buches

Für die Herzogsdynastie der Zähringer waren die räumliche Nähe und Konkurrenz der Staufer, des anderen bedeutsamen Adelshauses im Südwesten des hochmittelalterlichen Reiches, über den ganzen Zeitraum ihres Bestehens hinweg prägend: zunächst im Bereich des Herzogtums Schwaben, das im späten 11. Jahrhundert beide Familien beanspruchten, während danach die Staufer darüber allein verfügten. Mit deren Aufstieg zur Königs- und Kaiserwürde 1138 bzw. 1155 änderten sich die Rangverhältnisse, und fortan begegneten sich – keineswegs auf Augenhöhe – die Zähringer und Staufer in Region und Reich. Doch nicht nur im Südwesten des Reiches, auch in Burgund, dem neuen, seit 1127 den Zähringern zugewachsenen Herrschaftsraum, kreuzten sich die Interessen der beiden Familien. Die Besonderheit der räumlichen Gemengelage und die Rangabstufung zwischen Zähringern und Staufern verleihen der Geschichte ihrer Beziehungen einen besonderen Charakter und Reiz.

In einer Hinsicht haben die Zähringer gegenüber den Staufern, aber auch gegenüber den Welfen einen schlechteren Stand, was sich auf ihre Wahrnehmung durch die Nachwelt auswirkt: Während die Staufer, allen voran Friedrich Barbarossa,59 aber auch seine Nachfolger in zahlreichen zeitgenössischen Geschichtswerken von den Gesta Friderici imperatoris (Taten Kaiser Friedrichs) Ottos von Freising bis hin zur Chronik Burkhards von Ursberg ins rechte und gute Licht gerückt werden und auch die Welfen, das dritte Fürstenhaus im Südwesten des Reiches, mit der Historia Welforum (Geschichte der Welfen), ein monumentum aere perennius, ein Denkmal für alle Zeiten, erhielten,60 mangelt es an Werken dieser Art bei den Zähringern.61 Sie fanden keinen Hofhistoriographen, der ihnen Kränze für ihren Nachruhm geflochten hätte.62 Nicht nur das: Der staufische Chronist Otto von Freising urteilte auch noch höchst negativ über die Zähringer, was die Beschäftigung mit ihnen bis heute prägt.63

Immerhin bieten einige wenige zeitgenössische Werke Spuren zähringischer Hausüberlieferung bzw. eine den Zähringern zugewandte bis zähringerfreundliche Darstellung, so die Chronik Frutolfs von Michelsberg für die Familiengeschichte der Bertolde um die Mitte des 11. Jahrhunderts64 oder – kaum zu verwundern – die erzählenden Passagen des Rotulus Sanpetrinus,65 ferner die Chronik Ottos von St. Blasien, dem von den Zähringern bevogteten Kloster, aus dem frühen 13. Jahrhundert66 oder auch die sog. Marbacher Annalen, deren Entstehungsmodus und Datierung allerdings in der Forschung umstritten sind.67

So wird es im Folgenden darum gehen, Position und Rolle der Herzöge von Zähringen und Rektoren von Burgund in den Regionen ihres Herrschaftsbereichs ebenso wie auf der Ebene des Reiches, im Konzert der hochmittelalterlichen adligen Ranggesellschaft,68 zu beschreiben: einerseits in ihrer Konkurrenz mit den Staufern, andererseits in ihrer zeitweiligen Allianz mit den Welfen. Dabei interessieren die mehr oder weniger erfolgreichen Bestrebungen der Zähringer, sich bei allen Einschränkungen seitens der Staufer einen eigenen Handlungsspielraum zu verschaffen und eigene Akzente in der Ausübung ihrer Herrschaft zu setzen.

Eine Herzogsdynastie in staufischer Nachbarschaft: Der besondere Reiz an der Geschichte der Zähringer liegt im Wechselspiel adliger Selbstbehauptung und regional- wie reichspolitischer Einschränkung durch ein Herzogs- und Königshaus, das in seiner Wirkmächtigkeit einer ganzen Epoche den Namen gegeben hat, jedenfalls in der späteren Ordnung der Dinge durch eine rückblickende und mit Wertungen durchaus nicht sparsam umgehende Geschichtswissenschaft. Auch wenn es im Geschichtsbild der Deutschen keine »Zähringerzeit« gibt, erscheint es lohnend, die Geschicke, Erfolge und Rückschläge dieser Dynastie im Reich des hohen Mittelalters zu schildern. Dies soll nicht nur mit Blick auf die ohnehin immer wieder ins Spiel kommenden Staufer geschehen, sondern auch im Vergleich mit den Welfen, dem dritten der führenden Adelshäuser aus dem deutschen Südwesten, das sich mit dem Herzogtum Bayern und dem Herzogtum Sachsen zunächst einmal größere Freiräume gegenüber den Staufern zu schaffen wusste als die Zähringer. Allerdings traten im späten 12. Jahrhundert Friedrich Barbarossa und seine Söhne das süddeutsche Welfenerbe an, und zur selben Zeit wurde die Position der norddeutschen Welfen mit ihrem Protagonisten Heinrich dem Löwen für einige Jahrzehnte nachhaltig geschwächt.69 Vor diesem Hintergrund Bedeutung und Rolle der Zähringer im Reich des 12. und frühen 13. Jahrhunderts nachzuzeichnen und zu positionieren ist Anliegen des Buches.

 

1          Ursprung der Familie in der Ottonenzeit: Königsnähe und hoher Rang

 

Genealogische Zeugnisse und frühe Verwandtschaft

Eine Rückbesinnung auf die Genealogie der Zähringer fand um die Mitte des 12. Jahrhunderts statt, und damit zur gleichen Zeit, als Otto von Freising in seinen Gesta Friderici imperatoris die Geschichte Friedrich Barbarossas von dessen Großvater Herzog Friedrich I. und dem staufischen Schicksalsjahr 1079 her aufrollte. Die Ursprünge des Welfenhauses wurden dagegen bereits gegen 1126 wohl auf Initiative Herzog Heinrichs des Schwarzen in der Genealogia Welforum aufgezeichnet. Ihr kommt auch für die Geschichte der Zähringer Bedeutung zu, ist hier doch erstmals und zeitgenössisch das einzige Mal von den Zaringi die Rede.1 Um 1170 fand die welfische »Ursprungssuche« (Bernd Schneidmüller) ihren Höhepunkt in der wohl am Hof Herzog Welfs VI. verfassten Historia Welforum.2

Während die Hauserinnerung der Staufer und Welfen im 12. Jahrhundert jeweils in deren eigenem Umfeld angestoßen und gespeichert wurde, kam der Anstoß, die Ahnenreihe der Zähringer aufzuzeichnen, von außerhalb: Als Friedrich Barbarossa kurz nach seiner Königserhebung 1153 die Absicht hegte, seine mit Adela von Vohburg um 1147 geschlossene Ehe zugunsten einer politisch höherwertigen byzantinischen Heirat auflösen zu lassen,3 wurde eine Ahnentafel der Eheleute erstellt, damit sich so prüfen ließ, ob die verwandtschaftliche Nähe von Friedrich und Adela als Hinderungsgrund nach kanonischem Recht ins Feld geführt werden könnte.4 Diese sog. Tabula Consanguinitatis, im Briefbuch des zum Vertrautenkreis Friedrich Barbarossas zählenden Abtes Wibald von Stablo und Corvey überliefert, kann als ein – eher beiläufig zustande gekommenes – wichtiges Zeugnis zur zähringischen Genealogie gelten.5

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Tabula Consanguinitatis Wibalds von Stablo, um 1150.

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Ihrer Logik entsprechend führt die Verwandtschaftstafel die Vorfahren Friedrich Barbarossas und die zähringischen Vorfahren Adelas letztlich in einem namenlos gebliebenen Elternpaar zusammen. Deren Kinder Friedrich und Berta eröffnen hier die beiden Linien: Friedrich habe Friedrich von Büren gezeugt, dessen Sohn Herzog Friedrich, der die Burg Hohenstaufen habe erbauen lassen, habe mit der Tochter König Heinrichs Herzog Friedrich gezeugt, der wiederum der Vater von König Friedrich gewesen sei. Demgegenüber nennt die Tabula als Bertas Sohn Bezelin (Koseform von Bertold) von Villingen, den Vater Bertolds mit dem Bart. Von diesem stamme Liutgard, die Mutter des Markgrafen Diepold, der Friedrich Barbarossas Gemahlin Adela gezeugt habe.6

Die Verwandtschaftstafel lässt erkennen, dass Staufer und Zähringer in ferner Vergangenheit gemeinsame Vorfahren hatten. Dabei ist bedeutsam, dass dies um die Mitte des 12. Jahrhunderts, zumindest auf staufischer Seite bekannt war, als es dieser aus den erwähnten heiratspolitischen Gründen darum ging, die verwandschaftliche Nähe zwischen Friedrich Barbarossa und Adela von Vohburg herauszustellen.7 Während die beiden Linien gemeinsamen Ursprungs zunächst gleichgewichtig erscheinen, fällt bei genauerer Betrachtung auf, wie unterschiedlich die beiden Ahnenstränge behandelt sind: Auf der einen Seite wird der gleichnamige Sohn Friedrichs von Büren, dessen Beiname vielleicht die Burg Burren bei Wäschenbeuren nahe dem Hohenstaufen meint, als Herzog (Friedrich I. von Schwaben) und Gründer der Burg Staufen und überdies als Ehemann einer Tochter des salischen Königs Heinrich (IV.) angesprochen, aus deren Ehe Herzog Friedrich (II. von Schwaben) und dessen Sohn König Friedrich (I.) stammten. Das ist eine deutliche Markierung: Die Staufer als Nachkommen der Salier!

Gegenüber dieser hochrangigen Kennzeichnung der staufischen Vorfahren und ihrer Verwandtschaft mit dem salischen Herrscherhaus nimmt sich auf der anderen Seite die Art der Nennung der zähringischen Verwandten als Bezelin von Villingen und dessen Sohn Bertold mit dem Bart recht zurückhaltend aus. Mit letzterem ist nämlich kein Geringerer als Herzog Bertold I. von Kärnten († 1078) gemeint,8 der Vater Herzog Bertolds II., welcher die Linie der Herzöge von Zähringen begründete. Hier, aber auch bei Bezelin von Villingen, der auf derselben Ebene positioniert ist wie Friedrich von Büren, entsteht der Eindruck, dass gesellschaftlicher Rang offenbar nur auf der staufischen Seite zum Ausdruck kommen sollte.

Sowohl Friedrich als auch Bezelin werden nach einer Örtlichkeit benannt, wie dies seit dem 12. Jahrhundert bei einfacheren Adligen ohne Rangtitel allgemein üblich geworden war.9 Während die mutmaßliche Gleichsetzung Friedrichs von Büren mit einem Grafen im Riesgau letztlich unsicher bleiben muss,10 lässt sich Bezelin von Villingen mit großer Wahrscheinlichkeit identifizieren: als Graf Bertold vom Thurgau, vom Breisgau und von der Ortenau. Damit tritt eine Person in den Blick, die um die Jahrtausendwende unter Kaiser Otto III. und König Heinrich II. eine gehobene Position in Schwaben innehatte.11

Wenn die Verwandtschaftstafel Bezelin lediglich über Villingen definierte, so unterschlug sie damit zwar, wie bei seinem Sohn Bertold mit dem Bart, seinen gesellschaftlichen Rang, doch rückt andererseits mit der Nennung von Villingen durchaus ein bedeutsames Element zähringischer Früh- oder genauer Vorgeschichte ins Licht; denn Graf Bertold erwirkte im Jahr 999 von Otto III. das Privileg, an seinem Ort Villingen einen Markt mit Münze, Zoll und Gerichtsbann einzurichten.12 Villingen galt mithin in der genealogischen Rückschau des 12. Jahrhunderts als Zähringerort alter Tradition, und in der Tat lässt sich hier erstmals eine gesicherte Besitz- und Herrschaftsposition der Familie erkennen, die ihr über die ganze Zähringerzeit wichtig bleiben sollte.13

Über die Bestimmung der Generationenfolge hinaus lässt die genealogische Rückbesinnung in der Mitte des 12. Jahrhunderts auf zähringische und staufische Vorfahren noch ein anderes Element erkennen, das für die mittelalterliche Adelskultur kennzeichnend war: Hier wie dort spielte der von Generation zu Generation weitergegebene Leitname eine Rolle, der einer auf Kontinuität bedachten Adelsfamilie eine innere Struktur verlieh und zugleich nach außen ihr gesellschaftliches Erkennungszeichen war.14

Um die Mitte des 12. Jahrhunderts, mitten in der Zähringerzeit, beleuchtete also die Tabula Consanguinitatis Wibalds von Stablo und Corvey die Zähringervorfahren aus staufischem Blickwinkel. Eine andere wichtige Überlieferung zur Genealogie der Zähringer findet sich im ehemaligen zähringischen Hauskloster St. Peter im Schwarzwald: Nach dem Aussterben der Dynastie wurde hier, vermutlich im späteren 13. Jahrhundert, die sog. Genealogia Zaringorum aufgezeichnet; sie ist in dem von Abt Peter Gremmelsbach 1497 angelegten Liber vitae (Buch des Lebens) des Kloster aufgezeichnet.15 Wie nicht anders zu erwarten, bietet der Text aus St. Peter ein ehrerbietigeres Bild der Familienmitglieder. Er beginnt mit den Worten: »Als erster dieses Geschlechts (der Klosterstifter) sei Graf Bezelin angeführt« (Primus namque Bezelinus comes ponatur in hac genealogia.)16 Aus dem Zusammenhang wird rasch klar, dass es sich hier ebenfalls um Bezelin von Villingen handelt, denn anschließend ist von seinem Sohn Bertold mit dem Bart, also mit der schon geläufigen Kennzeichnung, die Rede. Hier wird nun aber zusätzlich Bertolds Rang und Status angesprochen: Dieser habe zuerst das Herzogtum Schwaben, dann das Fürstentum Kärnten empfangen,17 als Erster seines Namens.

Die Aufzeichnung aus St. Peter erkannte also einen zweifachen »Anfang« in der Geschichte der Familie, zunächst mit Graf Bezelin, dann mit Herzog Bertold I. mit dem Bart. Dieser galt quasi als »herzoglicher Stammvater der Zähringer« (Alfons Zettler)18 und gab die Zählung der späteren Herzöge dieses Namens vor, wie sie in den für die Liturgie des Klosters St. Peter verzeichneten Nomina fundatorum (Namen der Stifter), gleichfalls in dem erwähnten Liber vitae überliefert, greifbar ist und wie sie sich bis heute gehalten hat.19 So kommt es, dass der erste im Jahr 1100 nach Zähringen benannte Herzog Bertold, Sohn des Kärntner Herzogs, als der Zweite bezeichnet wurde – eine etwas verwirrende Situation, die auch schon damals dazu führte, dass mitunter sein Vater Bertold I. in späterer Rückprojektion unzutreffenderweise Herzog von Zähringen hieß.

Wenn in der Aufzeichnung aus St. Peter weiterhin davon die Rede ist, Graf Bezelin habe mit seinem Bruder Gebezo (Gebhard) das Nonnenkloster Sulzburg gegründet und sei dort zusammen mit ihm beigesetzt worden, so berühren sich diese Angaben mit Nachrichten aus der frühen urkundlichen Überlieferung zum Kloster St. Cyriak im breisgauischen Sulzburg: König Otto III. übertrug im Jahr 993 auf Bitten des damals im Breisgau amtierenden Grafen Birchtilo Besitz an die von diesem offensichtlich errichtete Kirche in Sulzburg.20 Laut einer undatierten, erst im 12. Jahrhundert aufgezeichneten Urkunde stattete Birchtilo seinerseits das Kloster, in dem er seine letzte Ruhe finden wolle, mit Gütern im Breisgau aus; eine neuerdings unter Fälschungsverdacht geratene Urkunde Bischofs Adalbero von Basel von 1010 hält fest, dass Birchtilo dem Kloster unter Mitwirkung seines Bruders Gebhard seinen Erbteil (den gegenüber der früheren Urkunde leicht erweiterten Güterkomplex) übertragen und St. Cyriak an die Basler Kirche übergeben habe.21

Angesichts der Überlieferung aus St. Peter mag es zunächst naheliegen, den Breisgaugrafen und Klosterstifter Birchtilo mit Bezelin von Villingen gleichzusetzen. Damit hätte der erste sicher greifbare Vorfahr der Zähringer zu einer seit der Mitte des 10. Jahrhunderts durch das Grafenamt und durch Besitz im Breisgau verankerten Adelsfamilie gehört, jener Landschaft, die für die späteren Zähringer zu einem ihrer Herrschaftsschwerpunkte wurde. Jakob Mennel, der Genealoge Kaiser Maximilians I., wertete um 1500 die Angabe über Graf Bezelin und seinen Bruder Gebezo in der Überlieferung von St. Peter als Beleg für die Abstammung der Zähringer von den Habsburgern, die im Breisgau seit dem frühen Mittelalter verankert gewesen seien, wie Mennel anhand urkundlicher und bildlicher Zeugnisse aus den Klöstern St. Trudpert und Sulzburg beweisen zu können glaubte – ganz im Sinne Maximilians, der Gebiete links und rechts des Rheins als den ursprünglichen Besitz seines Geschlechts betrachtete.22

Auch die spätere kritische Zähringerforschung seit Heyck hat, gestützt auf die Überlieferung aus St. Peter, den Breisgaugrafen Birchtilo und Bezelin von Villingen über lange Zeit gleichgesetzt.23 Allerdings gab es auch immer wieder die heute allgemein vertretene Auffassung, die gegen die Personenidentität argumentiert: Die in St. Peter aus großer zeitlicher Distanz vorgenommene Gleichsetzung des Stifters des Sulzburger Klosters mit dem im frühen 11. Jahrhundert am Oberrhein belegten Zähringervorfahren erscheine suggestiv und habe insofern keine Beweiskraft.24 In der Tat spricht einiges dafür, dass der im Jahre 1004 in einer St. Cyriak in Sulzburg betreffenden Urkunde Heinrichs II. belegte, für den Breisgau zuständige Graf Bertold nicht mit dem früheren Grafen Birchtilo identisch ist, sondern in ihm der Zähringervorfahr gesehen werden darf, den Heinrich II. zu Beginn seines Königtums im Zuge der Neuordnung des Oberrheingebiets nach dem Tod seines Thronrivalen Herzog Hermanns II. von Schwaben 1003 hier eingesetzt hat.25 Doch ist zu betonen, dass sich die angesprochenen Fragen angesichts der spärlichen Überlieferung und der Varianten Bertold / Bezelin / Birchtilo für ein und denselben Namen nicht mit letzter Sicherheit klären lassen.26

Bereitete also die genaue Bestimmung des ersten namentlich bekannten Ahnherrn der Bertolde in der Zusammenschau der verschiedenen Überlieferungen der Forschung bereits einiges Kopfzerbrechen, so gilt dies noch weitaus mehr für die Zeit vor Graf Bezelin bzw. Bezelin von Villingen. Die Genealogia Zaringorum merkt hierzu an, dass sie die übrigen Angehörigen des Geschlechts, die in früheren Zeiten gelebt haben, mit Schweigen übergehe.27 Diese Formulierung verschleiert elegant ein Problem, das der Autor der Historia Welforum um 1170 offen anspricht: Er habe auf der Suche nach den generationes der Familie trotz intensiven Studiums von Chroniken und alten Urkunden niemanden namentlich vor dem Grafen Welf finden können, der zur Zeit Karls des Großen gelebt hat.28 Immerhin wurde in der Historia Welforum der einzigartige Versuch unternommen, die Familie bis in die Zeit jenes Herrschers zurückzuprojizieren, der damals gerade durch die von Friedrich Barbarossa betriebene Heiligsprechung besondere Aufmerksamkeit erfahren hatte.29 Doch auch für die Welfen begann irgendwann einmal eine Art »grauer Vorzeit«, wie sie für die Bertolde/Zähringer vor der Jahrtausendwende bestand, während die Linie der staufischen Vorfahren bereits vor der Mitte des 11. Jahrhunderts im Nebel der Überlieferung an Konturen verliert.30

Lässt sich nun vielleicht doch etwas über Verwandtschaft der Bertolde/Zähringer in früheren Zeiten, also jenseits der Verwandtschaftstafel Wibalds von Stablo wie auch der Überlieferung aus St. Peter, aussagen? Einen vagen Anhaltspunkt mag der Leitname der Familie bieten, verweist er doch auf die früheren Bertolde. Damit bezeichnet die Forschung die Nachkommen des alaholfingischen Herzogshauses im merowingerzeitlichen Schwaben.31 Zu diesem Verwandtschaftskreis gehörten noch im 10. Jahrhundert ein aus der Vita des hl. Ulrich von Augsburg (Ende 10. Jahrhundert) und aus der Chronik Hermanns von Reichenau (Mitte 11. Jahrhundert) bekannter Graf Adalbert (von Marchtal) († 954) und dessen Sohn Graf Bertold († 973), der zahlreichen Besitz an die Abtei Reichenau geschenkt hat und hier nach spätem, in seinem Quellenwert strittigem Zeugnis seine letzte Ruhe fand.32 Wenn um die Mitte des 12. Jahrhunderts ein zähringischer Ministeriale zu (Ober- oder Unter)Marchtal bezeugt ist,33 so wäre denkbar, dass diese Position auf das bertoldinische Erbe in Marchtal zurückgeht, das Ende des 10. Jahrhunderts von den konradinischen Schwabenherzögen übernommen worden sein könnte.34 Doch kommt diesem vereinzelten Beleg letztlich wenig Gewicht zu.

Andere, allerdings sehr unsichere Spuren führen zur Familie der Landolde, in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts Inhaber der Grafschaft im Thurgau und um die Jahrtausendwende Vögte der Abtei Reichenau.35 In einer erst aus der frühen Neuzeit überlieferten, bei Aegidius Tschudi greifbaren Traditionsnotiz des Klosters Einsiedeln wird Graf Landold »von Zähringen«, der zusammen mit seiner Frau Liutgard Besitz an das Kloster geschenkt hat, als Großvater Graf Bertolds »von Zähringen« umschrieben. Hinter Landold verbirgt sich der im Thurgau amtierende Graf Landold († 991). Mit Graf Bertold wäre dann der Sohn Bezelins von Villingen gemeint; er ist wie sein Vater als Graf u. a. im Thurgau nachgewiesen (1044, 1049),36 bevor er 1061 Herzog von Kärnten wurde. Die Angabe der Traditionsnotiz lässt sich vielleicht so deuten, dass Graf Bertold mütterlicherseits ein Enkel Landolds war, in dessen Familie er also eingeheiratet hätte.37 Doch muss dies alles hypothetisch bleiben, denn der frühneuzeitlichen Einsiedler Traditionsnotiz wird ein echter Quellenwert abgesprochen.38

Deutlicher gibt sich die verwandtschaftliche Nähe der Bertolde/Zähringer zu den Eberhardingern zu erkennen, einer von der Forschung nach ihrem Leitnamen bezeichneten gräflichen Familie, die anfangs im Thur- und Zürichgau, später im Hegau und Klettgau verankert war und seit dem späteren 11. Jahrhundert nach der Nellenburg zubenannt wurde.39 Laut einer Urkunde von 1056 hat Graf Eberhard (von Nellenburg) für das vernachlässigte Gedächtnis seiner im Kloster Reichenau beigesetzten Ahnen gesorgt und außerdem in einer von ihm auf dem klösterlichen Friedhof erbauten Kirche die sterblichen Überreste seines Vaters und seiner Brüder beisetzen lassen.40 Weiter teilt die Urkunde mit, dass ergänzend hierzu Graf Bertold (gemeint ist auch hier Bertold I., der spätere Herzog von Kärnten) für Eberhards patruus (Vaterbruder), der zugleich als Bertolds Großvater angesprochen wird, Grundbesitz im Klettgau gestiftet habe. Auch wenn eine eindeutige genealogische Zuordnung nicht gelingen will, hat das Zeugnis der zähringisch-nellenburgischen Verwandtschaft sein Gewicht und wird durch andere Belege ergänzt.41 So nahm Herzog Bertold II. ca. 1102 kraft Erbrecht Güter des verstorbenen Grafen Burkhard von Nellenburg bei Kirchheim unter Teck und in Nabern in Besitz.42

Damit tritt der schwäbische Neckargau ins Blickfeld, in dem die Bertolde/Zähringer – ähnlich wie in Villingen und auf der Baar – über frühe Positionen verfügten: In Weilheim nahe Kirchheim hat Herzog Bertold I. zusammen mit seiner Frau Richwara vermutlich in den 1050er oder 1060er Jahren ein Kloster oder ein Stift gegründet, das Anfang der 1090er Jahre von seinem Sohn Bertold II. nach St. Peter im Schwarzwald verlegt wurde.43 Oberhalb von Weilheim, auf dem Limberg, einem dem Albtrauf vorgelagerten Bergkegel, befand sich die vermutlich von Herzog Bertold I. errichtete Limburg, in der er 1078 gestorben ist.44 Nachweislich um die Mitte des 12. Jahrhunderts hatten die Zähringer die Burg Teck inne, unweit der Limburg auf einem Höhensporn des Albtraufs gelegen. Der Besitz stammte vermutlich aus dem erwähnten Erbe Burkhards von Nellenburg; dieser wird neuerdings als Erbauer der Burg angesehen.45

Bezelin von »Villingen« und Kaiser Otto III.

Von der Mitte des 11. Jahrhunderts, als die Verwandtschaft der Bertolde/Zähringer und Eberhardinger/Nellenburger in urkundlichem Rahmen thematisiert wurde, soll der Blick noch einmal zur Jahrtausendwende zurückgehen und damit in die Zeit, als der Thurgaugraf Bertold, wohl identisch mit dem in der Verwandtschaftstafel Wibalds aufgeführten Bezelin von Villingen, als erster sicher greifbarer Vorfahr der Zähringer, in Schwaben und darüber hinaus von sich reden machte;46 sein gesellschaftlicher Rang und seine Königsnähe waren Basis für die weitere Entwicklung der Familie. Das Herzogtum Schwaben, im 10. Jahrhundert die längste Zeit Randlandschaft des in Franken und Sachsen zentrierten Reiches der Ottonen und allenfalls wichtig für deren Italienzüge, gewann vor der Jahrtausendwende neue Bedeutung für das Königtum.47 Denn Kaiser Otto III. (983–1002) wollte in weit stärkerem Maße als sein Vater Otto II. und Großvater Otto I. das nordalpine Reich und das seit 951 angegliederte Regnum Italicum miteinander verbinden.48 Hierbei fiel dem bis zum Alpenkamm reichenden Herzogtum Schwaben mit seinen wichtigen Bündner Pässen eine Schlüsselrolle zu. Es kam Otto III. entgegen, dass die damaligen Herzöge von Schwaben, Konrad (982–997) und sein Sohn Hermann II. (997–1003), ihren Herrschaftsschwerpunkt eher im Elsass hatten, da im traditionellen Kernbereich Schwabens, dem Bodenseeraum, die Witwe Herzog Burkhards II. († 973) Hadwig bis zu ihrem Tod 994 offenbar großen Einfluss besaß.49

In der Folgezeit vermochte sich Otto III. in den Besitz zentraler Positionen, voran der Herzogsresidenz auf dem Hohentwiel, aber auch am südlichen Oberrhein zu bringen. Wichtige Stützen der königlichen, seit 996 kaiserlichen Herrschaft Ottos III. in Schwaben waren hierbei kirchliche Institutionen wie die Abtei Reichenau, aber auch Adlige aus der Region. Dazu gehörte der bereits erwähnte Breisgau-Graf Birchtilo, dessen Kirchen- bzw. Klosterstiftung in Sulzburg Otto III. 993 unterstützte; andere weltliche Große im Südwesten des Reiches erhielten damals vom Herrscher die Erlaubnis zur Errichtung eines Marktes. In der Ottonenzeit waren bis dahin fast ausschließlich kirchliche Institutionen, Bischofskirchen und Klöster, in den Genuss eines solchen Privilegs gekommen, das den regionalen und überregionalen Warentausch begünstigte; nun weitete Otto III. diese Politik auf adlige Laien in Schwaben aus, die er hierdurch zugleich an sich zu binden suchte.50

Graf Bertold spielte unter ihnen eine hervorragende Rolle.51 Er ist im Jahre 996 im Besitz der Grafschaft im Thurgau nachgewiesen, jener weiträumigen und für die Alpenüberquerung wichtigen Landschaft im Süden des Herzogtums Schwaben. Dieses Amt hatte zuletzt der 991 verstorbene Graf Landold inne. Folgt man der Einsiedler Traditionsnotiz, so mochte Bertold einen verwandtschaftlich begründeten Anspruch auf die Grafschaft im Thurgau geltend gemacht haben. Die entscheidende Rolle bei diesem Amtswechsel spielte allerdings in jedem Fall König Otto III.

52Liber pontificalisvassor53