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Christiana Thiede / Ulrich Dietze

Reklamationen lösungsorientiert bearbeiten

So vermeiden Sie Kunden- und Imageverluste

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN Buchausgabe: 978-3-86936-877-1

ISBN epub: 978-3-95623-788-1

Lektorat: Susanne von Ahn, Hasloh

Umschlaggestaltung: Martin Zech Design, Bremen | www.martinzech.de

Titelfoto: Liderina/Shutterstock

Autorenfoto Christiana Thiede: Alexander Kalk

Autorenfoto Ulrich Dietze: Christian Weiße

Satz und Layout: Lohse Design, Heppenheim | www.lohse-design.de

© 2018 GABAL Verlag GmbH, Offenbach

Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung, auch auszugsweise,

nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.

Das E-Book basiert auf dem 2018 erschienenen Buchtitel "Reklamationen lösungsorientiert bearbeiten" von Christiana Thiede und Ulrich Dietze, ©2018 GABAL Verlag GmbH, Offenbach

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Inhalt

Vorwort

1Wie gehen Sie mit Reklamationen richtig um?

1.1Reklamationen als Chance nutzen

1.2Welche Reklamationskultur herrscht im Unternehmen?

2Schwierige Kunden – die gibt’s doch gar nicht!

2.1Schwierige Kundentypen

2.2Der „gefährliche“ stille Kundentyp

3Was erwarten Kunden im Reklamationsfall?

3.1Kunden erwarten gute Erreichbarkeit

3.2Kunden erwarten Freundlichkeit und höfliches Verhalten

3.3Kunden erwarten Fach- und Entscheidungskompetenz

3.4Kunden erwarten Interesse und Verantwortlichkeit

3.5Kunden wollen ernst genommen werden

3.6Kunden erwarten schnelle Lösungen

3.7Kunden erwarten Zwischeninformationen bei längerer Klärung

3.8Kunden erwarten Verständnis für ihre Probleme

3.9Kunden erwarten Ehrlichkeit

3.10Kunden erwarten kulantes Verhalten

3.11Kunden erwarten eine Aufklärung der Reklamationsursache

3.12Kunden wollen sich stets willkommen fühlen

3.13Welche Erwartungen können Sie erfüllen?

4Die fünf Phasen eines professionellen Reklamationsgesprächs

4.1Die Begrüßungsphase

4.1.1Begrüßung im persönlichen Kontakt

4.1.2Begrüßung am Telefon

4.2Die Zuhör- und Aggressionsabbauphase

4.2.1Den Kunden ausreden lassen

4.2.2Wann und wie unterbricht man einen Kunden richtig?

4.2.3Verbale Angriffe richtig parieren

4.2.4Der Kunde macht Kollegen schlecht oder beschwert sich über Mitarbeiter

4.3Die Konfliktbereinigungsphase

4.3.1Die falschen Sätze zum falschen Zeitpunkt

4.3.2Die richtigen Sätze zum richtigen Zeitpunkt

4.3.3Warum gehen Kunden verloren?

4.3.4Wenn die Telefonzentrale der erste Ansprechpartner ist

4.3.5Professionelles Weiterverbinden

4.3.6Den Anrufgrund herausfinden

4.3.7Der Kunde will nur mit einem Vorgesetzten sprechen

4.3.8Der gewünschte Ansprechpartner ist nicht erreichbar

4.3.9Negative und positive sprachliche Verstärker

4.4Die Problemlösungsphase

4.4.1Hintergrundinformationen zum Reklamationshergang einholen

4.4.2Professionell Rückrufe vereinbaren und absichern

4.4.3Mit der Zwei-Gespräche-Methode Lösungen präsentieren

4.4.4Lösungen wertgerecht präsentieren

4.4.5Wenn die Reklamation nicht eindeutig aufklärbar ist

4.4.6Die Lösungsakzeptanz durch Präsentieren von Alternativen erhöhen

4.4.7Verhalten bei Rabatt- und Kulanzforderungen

4.4.8Wenn der Kunde die Lösung nicht akzeptiert

4.5Die Abspannphase

4.5.1Lösungsvorschlag mit Kundenverpflichtung

4.5.2Gesteuerter Gesprächsausstieg

5Wie verhält man sich, wenn ein Kunde droht …?

5.1… die Zusammenarbeit zu beenden und zur Konkurrenz zu wechseln?

5.2… einen Anwalt einzuschalten?

5.3… Negativpropaganda über soziale Netzwerke, Presse oder andere Medien zu betreiben?

5.4… die Rechnung zu mindern oder die Zahlung zu verweigern?

5.5Gesprächsleitfaden für Mahngespräche

6Wie bringt man Reklamationen zu einem positiven Abschluss?

6.1Was spricht gegen und was für ein Follow-up-Gespräch?

6.2Konkreter Nutzen von Follow-up-Gesprächen bei Reklamationen

7Wie lassen sich Reklamationen im Vorfeld vermeiden?

7.1Ein gutes Umfeld bereiten

7.2Leitfaden zum Übermitteln negativer Nachrichten

8Reklamationen professionell erfassen und dokumentieren

8.1CRM-Software zur Reklamationsbearbeitung

8.2Checkliste zur Erfassung und Dokumentation einer Reklamation

8.3Mustervorlagen für die schriftliche Reklamationsbearbeitung

Nachwort

Anhang

TQS-Checkliste Kundenreklamation

TQS-Gesprächsleitfaden Reklamationen deutsch

TQS-Gesprächsleitfaden Reklamationen englisch

TQS-Gesprächsleitfaden Telefonzentrale

Professionelles Gesprächsnotizblatt

Vorlage Mahngespräche

TQS-Vorlage Eingangsbestätigung Reklamation

TQS-Vorlage Zwischenbescheid Reklamation

TQS-Vorlage Ergebnis berechtigte Reklamation

TQS-Vorlage Ergebnis unberechtigte Reklamation

TQS-Vorlage Terminverzug

Lösung negative und positive sprachliche Verstärker

Literaturverzeichnis

Die Autoren

Die Deutsche Vertriebsberatung stellt sich vor

Weiterbildung 4.0

Vorwort

Kundenreklamationen und Beschwerden sind neben Preisverhandlungen im Vertrieb häufig angstbesetzte Themen. Schwierig wird es, wenn eindeutige Regeln fehlen, um im Reklamationsfall schnelle Lösungen zu finden. Unternehmen, die über klare Richtlinien zur Reklamationsbearbeitung verfügen, haben deutliche Wettbewerbsvorteile. Mitarbeiter entwickeln keine Vermeidungsstrategien mit teuren Kulanzlösungen, sondern handeln zielorientierter und denken unternehmerischer.

Dieses praxisorientierte Buch soll Ihnen helfen, eigene Unzulänglichkeiten zu erkennen und Abhilfe zu schaffen. Es zeigt Ihnen, wie Sie Reklamationen nicht nur als Plage empfinden, sondern so professionell behandeln, dass Kunden- und Imageverluste der Vergangenheit angehören. Es werden Handlungsweisen aufgezeigt, die sich sofort im Arbeitsalltag umsetzen lassen, sowie Strategien zur zukünftigen Reklamationsvermeidung. Alle Vorgehensweisen sind im täglichen Umgang mit Kunden intensiv getestet und immer weiter verfeinert worden. Sie bekommen Instrumentarien an die Hand, die Ihnen helfen, alte Verhaltensmuster zu überprüfen und schrittweise zu verändern. Sie erfahren, wie Sie eine Reklamationskultur entwickeln, die Ihnen echte Erfolgserlebnisse verschafft und auf die Sie stolz sein können.

Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Lesen und viel Erfolg bei der Umsetzung.

Christiana Thiede und Ulrich Dietze

1 Wie gehen Sie mit Reklamationen richtig um?

Die Bearbeitung von Reklamationen gehört bei den meisten Vertriebsmitarbeitern zu den unbeliebtesten Aufgaben. Ein Grund dafür ist, dass man Ressentiments fürchtet. Sowohl von den eigenen Kollegen oder einzelnen Abteilungen wie auch von Vorgesetzten. Ein anderer Grund ist, dass gerade Reklamationen häufig mit starken Emotionen verbunden sind. Verbale Angriffe und Drohungen von Kundenseite sind keine Seltenheit und da hilft es wenig, wenn man gesagt bekommt: „Das dürfen Sie nicht persönlich nehmen.“

1.1Reklamationen als Chance nutzen

Wie schafft man den Balanceakt, einerseits den nötigen Abstand zu wahren, andererseits dem Kunden nicht das Gefühl zu geben, er werde nach Schema F „abgearbeitet“?

Sie kennen bestimmt den Spruch: „Reklamationen sind Chancen, die sich nutzen lassen.“ Das hört sich theoretisch gut an. Aber wie sieht die Praxis aus?

Mühen des Alltagsgeschäfts

Links ein Stapel Kundenanfragen, die natürlich so schnell wie möglich bearbeitet werden sollen. Rechts ein Stapel offene Angebote, die dringend nachtelefoniert werden müssen. Und permanent klingelt das Telefon, man kann sich auf nichts richtig konzentrieren.

Ein Kollege ist krank, ein weiterer hat Urlaub und der dritte ist auf einer Weiterbildungsmaßnahme. Da kommt bei dem Mitarbeiter, der eine Reklamation annehmen muss, wohl kaum der Gedanke auf: „Oh, das passt ja prima, eine Superchance, meinen Kunden weiter an unser Unternehmen zu binden.“ Ist folgende Reaktion nicht viel realistischer? „So ein Mist, warum trifft es immer mich, wäre ich doch bloß nicht ans Telefon gegangen!“

Oft vorschnelle Kulanz

Die Praxis zeigt, dass oft viel zu schnell Kulanzlösungen angeboten werden in der Hoffnung, dass Kunden dann wieder zufrieden sind und keine weitere Arbeit bereiten. In der Regel geht der Kunde sogar auf die Kulanz ein, aber das ist keine Garantie dafür, dass er mit der Abwicklung wirklich zufrieden ist und auch zukünftig wieder bei Ihnen kauft. Gerade bei unberechtigten Reklamationen kann das eine heikle und vor allem teure Angelegenheit werden. Weniger für den Mitarbeiter, aber für das Unternehmen.

Wissen Sie eigentlich, wie viele unzufriedene Kunden reklamieren? Man kann damit rechnen, dass auf eine offen geäußerte Beschwerde sechs schwerwiegende und 20 bis 50 weniger schwerwiegende „verschwiegene“ Beanstandungen fallen. (Goodmann 1989)

Reklamationen bieten Handlungsmöglichkeiten

Was bedeutet das für uns im Vertrieb? Dass wir im Grunde überhaupt nur bei diesen offen angezeigten Reklamationen eine Chance bekommen, etwas besser zu machen oder Missverständnisse aus dem Weg zu räumen oder bei Fehlern, die der Kunde selbst verursacht hat, Abhilfe zu schaffen. Wenn wir im Rahmen von Vertriebsanalysen Reklamationszahlen erfragen und zu hören bekommen, Beschwerdemanagement sei eigentlich kein großes Thema, werden wir hellhörig. Es wird nämlich nicht bedacht, dass die Dunkelziffer je nach Branche sehr viel höher liegen kann. Immerhin bedeutet es für einen Kunden einen gewissen Aufwand zu reklamieren, den er möglicherweise scheut. Aber ein Kunde vergisst diese Unzulänglichkeiten eben auch nicht, und irgendwann ist es genug und er geht.

Sicherlich wird es Unternehmen geben, bei denen wenig oder kaum Reklamationen vorkommen. Andererseits sollte man einmal die Gegenfrage stellen: Hat der Kunde denn überhaupt eine Möglichkeit, seine Reklamation loszuwerden? Fälschlicherweise werden Kunden, die sich beschweren, oft als Querulanten eingeschätzt. Von unbelehrbaren Kunden einmal abgesehen, ist aber genau das Gegenteil der Fall. Eine Reklamation ist bereits ein Angebot zur Kooperation. (Haeske, 2001, S.20)

Aus dieser Warte hört sich der Spruch „Reklamationen sind Chancen“ doch ganz anders an. Ein Kunde, der reklamiert ist ein Kommunikator. Auf lange Sicht gilt es also, ein Reklamationsmanagement aufzubauen, das den Mitarbeitern hilft, schnell und souverän zu reagieren, keine unnötigen Kosten zu verursachen und Strategien zur zukünftigen Reklamationsvermeidung zu entwickeln. Dann kann man Reklamationen wirklich als Chance begreifen und nutzen.

1.2Welche Reklamationskultur herrscht im Unternehmen?

Ein immer enger werdender Wettbewerb erfordert immer effizienteres Arbeiten, oft bei dünnen Personaldecken. Darunter kann auch der Kundenservice und damit die Reklamationsbearbeitung leiden.

Folgen ungenügender Reklamationsbearbeitung

Ungenügende Reklamationsbearbeitung aus Sicht des Kunden kann dazu führen, dass Kunden

imageskeptischer gegenüber allen neuen Angeboten sind,

imagebewusst oder unbewusst nach weiteren Fehlern suchen,

imageüberhöhte Forderungen stellen oder noch höhere Preisnachlässe fordern,

imagemit Regress, der Presse, dem Anwalt oder dem Wechsel zu einem anderen Anbieter drohen,

imageNegativpropaganda machen,

imageweniger oder vielleicht gar nicht mehr kaufen.

Das Tagesgeschäft in vielen Unternehmen wie auch das eigene Erleben als Kunde bestätigen aber auch die Tatsache, dass, wer sich bei Reklamationen gut behandelt fühlt, das Unternehmen überdurchschnittlich oft weiterempfiehlt. Das klingt paradox. Wie kann das sein?

Kundenbindung durch gelungene Reklamationsbearbeitung

Die Kunden fühlen sich in einem solchen Fall mit ihren Sorgen und Nöten aufgehoben, denn sie werden nicht nur anhand von Umsatzzahlen ernst und wichtig genommen. Kunde und Verkäufer tauschen zusätzliche Informationen aus, die das gegenseitige Verständnis verbessern. Das vertieft die Kunden-Lieferanten-Beziehung.

Bevor Sie sich jetzt Gedanken machen, wie Sie in der Reklamationsbearbeitung noch besser werden können, ist es hilfreich, sich darüber klar zu werden, wie es mit der Reklamationskultur im eigenen Unternehmen steht. Dazu können Sie sich folgende Fragen stellen:

1.Gibt es feste Regeln in der Reklamationsbearbeitung?

Werden alle Kunden innerhalb ihres Status (Stamm- oder Neukunde? A- oder B-Kunde?) gleich behandelt? Kennt jeder Mitarbeiter seine Aufgaben und Entscheidungsspielräume? Ist der Außendienst nicht großzügiger als beispielsweise ein Innendienst- oder Servicemitarbeiter?

2.Wie tolerant ist man Fehlern von Mitarbeitern gegenüber?

Darf man offen zugeben, einen Fehler gemacht zu haben, oder muss man schlimme Konsequenzen fürchten?

3.Wie gut ist der interne Informationsfluss?

Welche Personen oder Unternehmen sind noch involviert? Wie wird sichergestellt, dass jeder Betroffene dem Kunden gegenüber auskunftsfähig ist? Wie wird der Kunde bis zur Problemlösung begleitet?

4.Was wird zur zukünftigen Reklamationsvermeidung getan?

Werden Beanstandungen gründlich genug analysiert? Welche Vorkehrungen werden getroffen, damit die gleichen Fehler nicht zum wiederholten Mal auftreten?

Bedarfsanalyse beugt Reklamationen vor

In diesem Zusammenhang sollte auch die Frage gestellt werden, inwieweit Produktanforderungen im Vorfeld bei der Bedarfsanalyse ausreichend ermittelt werden. Werden Vorangebotsgespräche in der notwendigen Tiefe geführt? Nur weil der Kunde ein Produkt mit Artikelnummer anfragt, heißt das noch lange nicht, dass es auch das richtige für ihn sein muss. Nach dem Einsatzzweck zu fragen, kann sehr hilfreich sein, auch um eventuelle Probleme vorausahnen zu können.

Nicht jeder Fehler lässt sich vermeiden, aber wenn Ärger erst dann entsteht, wenn der Kunde seine Reklamation angezeigt hat, besteht unbedingt Handlungsbedarf. Verhaltens- und Prozessregeln müssen für alle verbindlich sein.

2 Schwierige Kunden – die gibt’s doch gar nicht!

Als Verkäufer sind wir Dienstleister. Das bedeutet wörtlich, „Dienst am Kunden“ zu leisten. Dienst kommt von dienen. Viele Menschen sind der Meinung, wer sich nicht auf jeden Kunden neu einstellen könne, der sei im Verkauf schlichtweg falsch. Andererseits: Kunden sind auch nur Menschen. Sicher gibt es Menschen, die Ihnen mehr oder auch weniger liegen. Das heißt ja nicht, dass Sie mit manchen Menschen nicht zurechtkommen, aber vermutlich gibt es Kundentypen, die eine gewisse Herausforderung für Sie darstellen. Falls nicht, dann lesen Sie bitte nur den Abschnitt vom gefährlichen stillen Kundentypen.

2.1Schwierige Kundentypen

Aggressive und ungeduldige Kunden

Im Seminar fällt den Teilnehmern bei der Frage nach sogenannten „schwierigen“ Kunden in der Regel immer zuerst der aggressive Kundentyp ein, danach der ungeduldige oder genervte Kunde. Kennen Sie solche Sprüche von Ihren Kunden auch: „Das dauert ja ewig, bis Sie mein Angebot finden, so lange kann ich nicht warten.“ Oder: „So schwer kann das doch nicht sein, die paar Zahlen rauszusuchen?“ Wenn man dann noch ein deutliches Ausatmen oder Pusten in der Telefonleitung vernimmt, kann einen das ganz schön unter Druck setzen. Plötzlich ist die Konzentration hin und es dauert alles noch viel länger. Wie stark der Druck ist, hängt natürlich auch von der eigenen Tagesform ab oder davon, wie man überhaupt zu dem Kunden steht. Wenn die Chemie nicht stimmt, ist der Tag vielleicht bereits gelaufen.

Wenn sich Aggressionen schreiend Luft machen, gehört schon eine ordentliche Portion Selbstbeherrschung dazu, dem standzuhalten und sich nicht einschüchtern zu lassen oder schlimmstenfalls selbst laut zu werden. Zu einer weiteren Steigerung kann das Ganze führen, wenn außer den genannten Punkten noch Arroganz in der Stimme mitschwingt. Das hängt natürlich immer auch mit dem eigenen Charakter zusammen: Wie sind wir gestrickt? Wo fühlen wir uns angegriffen? Viele haben ein Problem damit, wenn man ihnen das Gefühl gibt, nicht ernst genommen zu werden. Besonders anstrengend für Verkäufer ist der unfaire, unehrliche oder extrem fordernde Kunde. Da fühlt man sich oft einfach machtlos.

Hinterhältige Kunden

Ein Seminarteilnehmer sagte einmal: „Das finde ich alles nicht so schlimm, den Umgang mit solchen Menschen lernt man mit der Zeit, irgendwann wird jeder wieder ruhig. Schließlich will der Kunde ja auch etwas von uns. Was ich aber wirklich schwierig finde, sind die betont Beherrschten. Die melden sich scheinbar freundlich am Telefon, fragen noch, wie es einem geht, und wenn man sagt ‚Danke gut‘, kommt ein ‚aber sicher nicht mehr lange‘, als hätte derjenige echten Genuss daran, einen auflaufen zu lassen. Gewürzt wird das Ganze mit einer saftigen Drohung, die Rechnung keinesfalls zu bezahlen oder am besten gleich alles seinem Anwalt zu übergeben.“

Empfinden Sie solche Zeitgenossen auch als extrem unsympathisch? Möglicherweise denken Sie aber auch: „Hunde, die bellen, beißen nicht!“ Das mag in dem ein oder anderen Fall stimmen, dennoch: Drohungen nicht ernst zu nehmen, zu überhören, nicht weiter zu beachten, kann sehr gefährlich werden. Mehr dazu finden Sie in Kapitel 5 „Wie verhält man sich, wenn ein Kunde droht …?“.

2.2Der „gefährliche“ stille Kundentyp

Tatsächlich gibt es noch einen weiteren Kundentyp, der wirklich gefährlich werden kann. Können Sie sich denken, welche Art von Kunden gemeint ist? Nicht die Lauten, die Polternden, die Auftrumpfenden, sondern die eher Schüchternen, die Unsicheren, die Zögerlichen.

Diese Kunden sind überhaupt nicht auf Krawall gebürstet, sondern überlegen zigmal, ob sie etwas sagen sollen, ob sie sich dem Stress einer Beschwerde überhaupt aussetzen. Denken Sie an die Dunkelziffer aus Kapitel 1. Dazu zählen auch Kunden, zu denen Sie ein sehr gutes Verhältnis haben. Diese befürchten nämlich, dass Ihnen möglicherweise selbst Unannehmlichkeiten entstehen könnten oder die bisher gute Beziehung gestört wird. Sie reklamieren wirklich nur, wenn es sich gar nicht vermeiden lässt.

Was macht diesen Kundentyp so problematisch? Die Unzufriedenheit ist kaum zu bemerken ist, sie wird in Floskeln oder Entschuldigungen verpackt: „Guten Tag, ich will Sie wirklich nicht stören, ich sage es auch nur sehr ungern, eigentlich hat ja meistens alles geklappt, natürlich will ich auch nicht, dass Ihnen daraus Unannehmlichkeiten gegenüber Ihrem Vorgesetzten entstehen …“

Gefahr der Bagatellisierung

Klingt das für Sie übertrieben? Wir achten ja eher auf die Lauten, Unüberhörbaren. Beim stillen Kundentyp besteht jedoch die große Gefahr, die Reklamation oder Beschwerde auf die leichte Schulter zu nehmen. So sauer ist er/sie ja offenbar gar nicht. Dann war es wohl nicht so schlimm, kann ja mal vorkommen, wir sind alle nur Menschen … Wenn solche Fälle nicht sauber abgewickelt werden und es erneut Grund zu Beanstandungen gibt, kann es passieren, dass der Kunde irgendwann stillschweigend „verschwindet“. So jemand macht kein Theater, macht kein Fass auf – das kostet ihn viel zu viel Kraft.

Beispiel Hotellerie

Sicher kennen Sie die Bewertungsbögen, die in den Hotelzimmern ausliegen, auf denen Sie ankreuzen sollen, wie zufrieden Sie waren oder was das Hotel aus Ihrer Sicht besser machen sollte. Füllen Sie so etwas regelmäßig aus? Viele sind sicher zu faul dazu. Wenn es ihnen nicht gefallen hat, buchen sie das nächste Mal ein anderes Hotel, es gibt ja genug. Noch schlimmer: Sie erzählen es ihren Bekannten weiter. Wenn jemand unzufrieden mit der Leistung war, hat er oft gar keine Lust, seinen Frust nochmals schriftlich zu durchleben. Seit es Bewertungsportale im Netz gibt, hat sich das etwas geändert. Aber darauf sollte sich kein Hotel verlassen, zumal manche Bewertungen aus den verschiedensten Gründen subjektiv und oft ungerecht sind. Ein kleiner Tipp: Wenn Sie mit der erbrachten Dienstleistung außergewöhnlich zufrieden waren, loben Sie lieber einen Mitarbeiter persönlich und freuen sich über sein strahlendes Gesicht.

3 Was erwarten Kunden im Reklamationsfall?

So verschieden, wie die Menschen sind, so unterschiedlich sind die jeweiligen Erwartungen an eine perfekte Reklamationsabwicklung. Aus diesem Grund führen wir im Auftrag unserer Klienten in der Vorbereitungsphase auf ein Seminarprojekt auch Einzelkundenbefragungen (mit deren Kunden) durch. Diese werden vor der Schulung und geraume Zeit danach angesetzt, um zu messen, inwieweit sich durch die optimierte Reklamationsbearbeitung die Kundenzufriedenheit verbessert hat.

Die Kundenperspektive einnehmen

Um Kundenerwartungen möglichst genau zu verstehen, ist es hilfreich, einmal den Standpunkt zu wechseln. Wir alle sind permanent Konsumenten. Im Privaten, wenn wir einkaufen gehen, wenn wir eine Reise buchen, ein neues Auto kaufen oder einen Handwerker erwarten, sind wir Kunden. Im Beruf, wenn Sie zum Beispiel verschiedene Angebote bei Ihren Lieferanten einholen müssen, sind Sie in der Kundenposition.

Wie möchten Sie im Reklamationsfall behandelt werden? Was ist Ihnen wichtig, worauf legen Sie Wert?

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AUFGABE

Bitte überlegen Sie beim Lesen dieses Kapitels, welche der folgenden zwölf Punkte (Unterkapitel) Sie garantiert erfüllen können, und markieren Sie diese. Am Ende zählen wir sie zusammen.

3.1Kunden erwarten gute Erreichbarkeit

Wussten Sie, dass 93 % der Kunden in Deutschland die schlechte Erreichbarkeit am Telefon beklagen? Vor allem anderen erwartet der Kunde, dass überhaupt jemand ans Telefon geht, damit er sein Anliegen loswerden kann.

Die Warteschleife

Da stellt sich die Frage, was gute Erreichbarkeit bedeutet. Die meisten von uns haben vermutlich sofort endlose Warteschleifen im Kopf, wo sie Musik hören müssen, die nicht unbedingt ihrem Geschmack entspricht, unterbrochen von der Ansage „Bitte legen Sie nicht auf, bleiben Sie am Apparat“, „please hold the line“, „Sie werden mit dem nächsten frei werdenden Platz verbunden“, dann wieder Musik, dann wieder die Ansage. Sehr beliebt ist auch: „Damit wir Ihren Anrufschnellstmöglich bearbeiten können, drücken Sie bitte die Eins, wenn es um Ihren Gaszählerstand geht. Haben Sie Fragen zu Ihrer Rechnung, drücken Sie bitte die Zwei. Wünschen Sie technische Informationen, drücken Sie bitte die Drei.“ Das kann dann immer so weitergehen und am Ende hören Sie: „Bei allen anderen Fragen drücken Sie bitte die Acht.“ Sie drücken die Acht, um dann zu hören: „Im Moment sind alle Leitungen belegt, bitte versuchen Sie es zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal.“ Hier besteht sicher bei vielen Unternehmen Optimierungsbedarf.

Es gibt aber auch gute Beispiele. Wenn Sie bei der Deutschen Bahn den Bahnbonus-Comfort-Service anwählen, können Sie davon ausgehen, dass nach dem zweiten Klingeln jemand abhebt oder Sie gesagt bekommen, wie lange Sie sich ungefähr noch gedulden müssen. In der Regel ist das weniger als eine Minute.

3.2Kunden erwarten Freundlichkeit und höfliches Verhalten

Ist der Kunde König?

„Bei uns ist der Kunde König“ oder „Bei uns ist der Kunde noch König“ heißt es oft. Wie ist Ihre Meinung dazu, ist das noch zeitgemäß? Bedeutet das im Umkehrschluss, dass ich mir als Verkäufer alles bieten lassen muss, auch wenn mein Kunde sich nicht zu benehmen weiß? So schwarzweiß kann man das wahrscheinlich nicht betrachten. Natürlich wird es immer wieder Menschen geben, die gern auf einen Thron gehoben werden wollen und es genießen, im Mittelpunkt des Interesses zu stehen. Wenn wir im Seminar darüber sprechen, ist allgemeiner Konsens, nur keine geheuchelte, aufgesetzte Freundlichkeit an den Tag zu legen. Partnerschaftlich, auf Augenhöhe zu kommunizieren – das entspricht heutigem Verständnis von freundlichem Umgang miteinander. Auch höfliches Verhalten sollte eigentlich selbstverständlich sein. Im persönlichen Umgang heißt das, Augenkontakt zu halten, offene Gesten zu verwenden, einen Sitzplatz anzubieten oder die Tür aufzuhalten. Am Telefon ist es vor allem wichtig, dem Kunden nicht ins Wort zu fallen und ihn ausreden zu lassen.

3.3Kunden erwarten Fach- und Entscheidungskompetenz

Unqualifizierte Mitarbeiter im Kundendienstbereich sind ein absolutes No-Go. In vielen Gewerken sind die Anforderungen heutzutage extrem komplex und spezifiziert. Im technischen Handel sind Anwendungen häufig produktübergreifend zu berücksichtigen. Ein Apothekengroßhändler muss heutzutage bis zu 160.000 Artikel im Sortiment führen, damit er am Markt bestehen kann. Das verlangt Spitzenkräfte, die sich wirklich auskennen.

3.4Kunden erwarten Interesse und Verantwortlichkeit

Sie können nicht alles wissen

Aber was machen Sie, wenn Sie wirklich nicht weiterhelfen können, weil es nicht Ihr Aufgabengebiet ist und Sie nur einen Kollegen vertreten? Oder wenn Sie gerade aus dem Urlaub zurück sind und sich in die letzten Vorgänge erst einmal einlesen müssen? Verwunderlich, wie oft selbst in renommierten Firmen Aussagen von Mitarbeitern kommen wie: „Das kann ich Ihnen nicht sagen“, „Da bin ich überfragt“, „Das ist nicht mein Aufgabengebiet“, „Wer hat Sie denn zu mir durchgestellt“, „Da müssen Sie halt später noch mal anrufen“. Das hilft doch keinem weiter, das sind Nullinformationen für Kunden. Anstatt zu sagen, was nicht geht, sagen Sie, was geht: „In dem Fall verbinde ich Sie mit Frau Klausen, das ist Ihre richtige Ansprechpartnerin“, „Ich gebe Ihnen die Durchwahl und die Mailadresse, dann können Sie sich direkt an Herrn Bartel wenden“. Und wenn Sie noch in der Ausbildung sind und wirklich nicht alles wissen können, dann klingt es professionell, wenn Sie sagen: „Ich notiere mir Ihr Anliegen und gebe es an den Kollegen weiter. Unter welcher Nummer sind Sie bis wann am besten erreichbar, damit er Sie zurückrufen kann?“

Damit zeigen Sie Interesse und Verantwortlichkeit. Kunden wissen selbst, dass nicht jeder alles wissen kann, aber sie erwarten, dass man sich um sie kümmert.

3.5Kunden wollen ernst genommen werden

Nicht überheblich klingen

Begegnen Sie Ihrem Kunden immer angemessen, auch wenn er keine Ahnung vom Produkt hat, die Bedienungsanleitung nicht gelesen hat, weil er das grundsätzlich nicht tut, und trotzdem alles besser weiß? Jetzt schmunzeln Sie vielleicht und sagen: Ja das sind natürlich spezielle Herausforderungen. Möglicherweise haben Sie sogar etwas Mitleid mit dem Kunden und denken: Das hätte mir auch passieren können, Bedienungsanleitungen versteht ja wirklich keiner. Wenn Sie es schaffen, Ihre wahren Gefühle nicht unmittelbar zum Ausdruck zu bringen, dann sind Sie schon auf dem richtigen Weg, Kunden professionell ernst zu nehmen.

3.6