cover
Titelseite

INHALT

Das alte Schloss …

Ihre Stiefel waren zu sehen. …

Sie stieß die Flügeltür auf …

Schulwissen, …

Sie kamen in Dreierreihen durch. …

Angemessenheit. …

„Hühnchen oder Fisch?“, …

Walküre bekam …

Für eine so ernste Angelegenheit …

Tee und Kekse …

Walküre erwachte …

Omen war ein Morgenmensch. …

„Es tut mir leid“, …

Walküre hatte es sich …

Der Präsident der Vereinigten Staaten …

Die viertelstündige Fahrt …

Walküre runzelte die Stirn. …

Ein Schrei so voller Entsetzen …

Es war bereits später Abend, …

Das Energiefeld sirrte …

Es war ein Montagmorgen, …

Nachdem sie in der Nacht …

Skulduggery legte den Kopf schräg. …

Walküre packte Quidnunc …

Nero war mit Abyssinia …

Walküre keuchte. …

Walküre ertrank in Erinnerungen. …

An diesem Tag …

In diesem Städtchen …

Walküre öffnete die Augen. …

Omen winkte wie verrückt, …

Skulduggery rief am nächsten Morgen …

In dem kleinen Putzraum …

Sebastian musste an sich halten, …

Walküre schlenderte …

Omen meldete sich, …

Walküre schlüpfte …

Es war nicht einfach, …

Wie Schatten schwebten sie …

Walküre hielt vor dem Haus …

Er folgte Tanith …

Es war dunkel, …

Es stank auf der Toilette. …

Temper Fray stürmte …

Es dauerte eine knappe Stunde, …

Temper mochte es nicht, …

Walküre tauchte …

Nero teleportierte sie …

Das Landhaus, …

Walküre ließ das Schwert fallen …

Die Adresse auf der Karte …

Im Hotel Mitternacht …

„Ich bin hier. …

Der Bentley hielt …

Die Straße war …

Nachdem sie fünf Minuten …

Die Stadt vor ihnen …

„Ich kapier’s nicht.“ …

Dunkelheit. …

Der Axtmann machte …

Walküre wischte sich, …

Abyssinia klopfte sich …

Die Brücke wurde …

„Caisson“, flüsterte Abyssinia. …

Cadaverus hielt inne, …

Omen stolperte nach vorn …

Walküre fand im Erdgeschoss …

Temper stolperte über …

Walküre hielt das Seil …

Walküre sprang in …

Die kleine Unruh …

Er ließ sie stehen, …

„Mitternacht“, …

Walküre blickte …

Cadaverus griff …

Omen und Temper …

Walküre schickte ihren Geist …

Morgenröte vertrieb die Dunkelheit, …

Omen hatte dort, …

Nachdem Reverie beide …

Er fand sie Stunden später. …

Normalerweise verließ Flanery …

 

 

 

 

Dieses Buch ist Reggie gewidmet.
 
Was bleibt noch über dich zu sagen, mein Freund?
 
Du bist klug, und doch absichtlich dumm. Du siehst gut aus und bist doch irgendwie hässlich. Du hast wunderschönes Haar, trägst aber immer einen Hut.
 
Du hast mir jetzt drei Mal das Leben gerettet – im Gegensatz zu den mickrigen paar Mal, als ich deines gerettet habe –
und du hast mir mehr über die isländische Küche beigebracht, als ich je wissen wollte (Geht’s noch, Alter – Hákarl?
Geht’s noch?), aber es gibt da etwas, das ich dir schon
seit Jahren sagen wollte, nur hat sich die passende Gelegenheit nie ergeben.
 
Erinnerst du dich noch an dieses Mädchen, deine Brieffreundin, damals, als wir noch in die Schule gingen?
 
Das war ich. Sorry, Alter.
 
Und aus dem Nichts
kam das Alles

Vignette

DAS ALTE SCHLOSS hob sich dunkel vor dem Sternenhimmel ab. Die großen Fenster waren leer, und die Zinnen ragten wie Zähne aus der Mauer. Auf diesen Zinnen standen, unbeeindruckt vom kalten Wind, der um die Berggipfel wehte, Pestlinge, monströse Teile aus Schorf und Geschwüren, in denen vergiftetes Blut und verwesendes Fleisch blubberte.

809 Meter westlich und 193 Meter höher lag Skulduggery Pleasant auf einem schneebedeckten Felsvorsprung auf einer Decke. Er legte seine rechte Augenhöhle ans Zielfernrohr seiner Waffe und optimierte die Schärfeeinstellung.

Er veränderte noch ein ganz klein wenig seine Haltung, ließ sich tiefer auf die Decke sinken und lag dann reglos da. Sein behandschuhter Finger zog langsam den Abzug zurück, und Walküre hob ihr Fernglas und richtete es auf den am nächsten stehenden Pestling.

Der Schuss löste sich mit einem lauten Knall, den der Wind fortriss, doch sie waren so weit vom Ziel entfernt, dass es ein paar Sekunden dauerte, bevor die Kugel traf.

Der Pestling zuckte leicht zusammen und blickte auf seine Brust hinunter. Einen Augenblick später begann er zu zittern. Die Naht, die ihn zusammenhielt, franste aus, und das Ding zerfiel. Die einzelnen Körperteile lösten sich voneinander, die gestohlenen Innereien quollen heraus, und er brach in sich zusammen. Was blieb, war ein Haufen dampfenden Fleisches in der kalten Luft.

Skulduggery visierte das nächste Ziel an und stellte das Fernrohr wieder scharf.

„Glaubst du, sie empfinden Schmerz?“, fragte Walküre.

Skulduggery hielt einen Moment inne und blickte sie an. „Bitte?“

„Die Pestlinge. Glaubst du, sie empfinden Schmerz?“

„Nicht wirklich“, antwortete er und konzentrierte sich wieder auf die Zieleinstellung seines Gewehrs.

„Aber sie haben ein Gehirn, richtig? Und sie denken, selbst wenn sie nicht die Hellsten sind. Und wenn sie denken, können sie womöglich auch etwas empfinden. Und wenn sie in der Lage sind, körperlich etwas zu empfinden, können sie dann nicht auch Gefühle entwickeln?“

Skulduggery drückte erneut ab. Walküre machte sich nicht die Mühe zu verfolgen, ob die Kugel ihr Ziel traf. Selbstverständlich traf sie es.

„Sie haben ein Gehirn“, gab Skulduggery ihr recht, „das man den Toten zusammen mit den Gliedmaßen und inneren Organen gestohlen hat. Alles wurde verformt und verdreht und wie Teile einer Maschine an den Pestlingen befestigt – denn nichts anderes sind sie. Sie sehen lebendig aus, doch alles an ihnen ist künstlich. Hast du Schuldgefühle, weil wir das hier tun?“

„Nein.“ Sie beobachtete, wie er sein nächstes Ziel ins Visier nahm. „Irgendwie schon.“

„Sie sind nichts anderes als Hohle.“ Er brachte seine Augenhöhle ans Zielfernrohr.

„Aber Hohle haben kein Gehirn.“

„Ich habe auch kein Gehirn.“

„Aber Hohle können nicht denken.“

„Glaub mir, Pestlinge denken lediglich darüber nach, wie sie jemanden auf möglichst hässliche Art und Weise umbringen können.“

Walküre schaute durch ihr Fernglas. „Deshalb bringen wir sie vorher um? Besonders aufgeklärt ist das nicht gerade, oder?“

„Wir töten sie nicht“, erklärte Skulduggery. „Diese cleveren kleinen Patronen zerlegen ihre Ziele in Einzelteile, sie bringen niemanden um.“

Er drückte ab, und sie schaute zu, wie der nächste Pestling in Einzelteile zerlegt wurde. Schwarzes Blut spritzte heraus.

Skulduggery stand auf. „Das war der Letzte.“ Er ergriff Walküres Hand und zog sie auf die Füße. Das Scharfschützengewehr ließ er auf der Decke liegen. Sie reichte ihm seinen Hut. Er war schwarz wie sein Dreiteiler, wie das Hemd und die Krawatte. Auch Walküre war ganz in Schwarz. Sie trug die Schutzkleidung, die Grässlich Schneider vor Jahren für sie angefertigt hatte, und darüber den schweren Mantel mit der pelzgefütterten Kapuze.

Von Osten zogen Wolken auf. Sie schrammten über die zerklüfteten Berggipfel und verdeckten die Sterne. Unter dem Felsvorsprung, auf dem sie standen, verlor sich die Bergwand im Dunkel. Der Wind stupste Walküre an, als wollte er sie über den Rand in die kalte Leere hinunterstoßen. Sie empfand den fast unwiderstehlichen Drang, einen großen Schritt nach vorn zu machen.

„Alles in Ordnung?“, fragte Skulduggery.

Ihr von der Kälte taubes Gesicht war schlaff geworden. Sie arrangierte ein Lächeln darauf. „Bestens“, erwiderte sie und zog ihren Mantel aus. „Gehen wir.“

Er schlang einen Arm um ihre Taille. „Bist du sicher, dass du es nicht allein versuchen willst?“

„Wenn ich wüsste, dass ich fliegen könnte, jederzeit. Aber ich habe meinen Leuten gesagt, dass ich zum Abendessen zu Hause bin. Wenn ich vorher in den Tod stürze, würden sie das für unhöflich halten, deshalb …“

Sie hoben ab und schwebten vom Felsen. Unter ihnen tat sich die Welt auf. Skulduggery lenkte den eisigen Wind ab, sodass sich auf Walküres Kopf kein Haar bewegte. Es war seltsam still, als sie so dahinflogen. Die Luft war erfüllt vom Heulen und Kreischen der Berge ringsherum, doch es erreichte sie nicht.

„Mir ist der Gedanke gekommen, dass du vielleicht erst anfängst zu fliegen, wenn es nicht anders geht“, meinte Skulduggery.

„Lass mich nicht fallen.“

„Hör mir mal einen Moment zu. Das Ausmaß deiner Kräfte ist uns immer noch ein Rätsel, richtig? Du kannst Blitze aus deinen Fingerspitzen abschießen, hast zweifellos zerstörerisches Potenzial und mindestens die hellseherischen Fähigkeiten eines Sensitiven der vierten Ebene. Außerdem bist du früher schon geflogen.“

„Schweben ist nicht fliegen.“

„Jede Wette, dass du fliegen würdest, wenn ich dich fallen ließe.“

„Ich weiß nicht, ob ich es ausdrücklich genug gesagt habe, aber lass mich nicht fallen.“

„Der unmittelbar bevorstehende Tod könnte die mentale Blockade lösen, die dich daran hindert.“

„Es wäre aber kein unmittelbar bevorstehender Tod. Du würdest mich auffangen. Es besteht keine Gefahr. Du würdest mich retten, weil du mich immer rettest. Wenn du mich fallen ließest, würdest du damit lediglich erreichen, dass ich eine Stinkwut auf dich hätte.“

Skulduggery schwieg einen Moment.

Lass mich nicht fallen“, wiederholte Walküre.

Er seufzte und sie flogen weiter hinüber zum Schloss, wo sie neben einem Haufen Pestlingresten landeten. Ein plötzlicher Windstoß brachte den Gestank von fauligem Fleisch und menschlichen Ausscheidungen mit. Er drang Walküre in Nase und Mund, und sie würgte. Als Skulduggery die verdorbene Luft mit einer Handbewegung wegschob, machte Walküre einen Satz auf die Zinnen zu, da sie das Gefühl hatte, sich gleich übergeben zu müssen – doch dann schluckte sie und es gelang ihr, alles bei sich zu behalten.

„Manchmal tut es mir leid, dass ich keinen Geruchssinn habe“, bedauerte Skulduggery. „Heute Abend ist das nicht der Fall.“

Walküre spuckte aus, wischte sich über den Mund und blieb einen Augenblick, wo sie war, um sich zu erholen. Sie war sicher, dass man ihr einmal die richtigen Bezeichnungen für die verschiedenen Teile der Befestigungsanlagen genannt hatte, konnte sich jedoch beim besten Willen nicht mehr daran erinnern.

Da ihr der Wind die Haare ins Gesicht wehte, band sie sie zu einem Pferdeschwanz zusammen. Dann holte sie eine Holzkugel ungefähr in der Größe eines Golfballs aus ihrer Tasche, umfasste sie mit beiden Händen und drehte die beiden Hälften in entgegengesetzte Richtungen. Eine durchsichtige Blase blubberte heraus, hüllte sie ein und verharrte dann so. Diese Taschentarnkugeln hatten nicht annähernd die Reichweite ihrer normalgroßen Versionen, waren aber genauso effektiv und vor allem wesentlich einfacher mitzunehmen.

Skulduggery holte seine eigene Tarnkugel heraus, drehte die beiden Hälften ebenfalls in entgegengesetzte Richtungen und verschwand aus ihrem Blickfeld.

Sie steckte ihre Kugel wieder in die Tasche und trat näher an ihn heran. Ihre Tarnblase verband sich mit seiner, und plötzlich sah sie ihn wieder.

Nebeneinander stiegen sie eine Steintreppe hinunter. Ein Schneeschauer jagte ihnen im Dämmerlicht hinterher. Kurz bevor sie am Fuß der Treppe anlangten, hob Skulduggery die Hand. Auf der letzten Stufe glänzte ein Stolperdraht.

„Ganz schön hinterhältig“, fand Walküre.

Sie übersprangen die letzten paar Stufen, und kurz bevor sie landeten, fing Skulduggery Walküre auf, und sie blieben in der Luft stehen.

„Druckempfindliche Platten“, erklärte er.

„Noch hinterhältiger.“

Sie schwebten über den Gang und hielten am Ende kurz an, damit Walküre die Tür öffnen konnte. Auf der anderen Seite setzten sie auf dem Boden auf und nahmen die steinerne Wendeltreppe nach unten. Skulduggery ging voraus.

Im Flur standen zwei Wachen am offenen Fenster. Sie trugen schwarze Helme und Sicheln auf dem Rücken. Ripper. Es war eiskalt auf diesem Flur, doch sie standen reglos da, die Arme an den Seiten, als könnte die Kälte ihnen nichts anhaben, und beobachteten die Straße, die zum Schloss führte.

„Welchen willst du?“, fragte Skulduggery.

Walküre wies mit dem Kinn auf den am nächsten Stehenden. „Den da“, sagte sie leise, obwohl sie wusste, dass ihre Stimme außerhalb der Blase, die sie einhüllte, nicht zu hören war.

„Zähle bis zehn“, erwiderte Skulduggery, entfernte sich und verschwand aus ihrem Blickfeld.

Walküre näherte sich dem Ripper von hinten. Bei zehn trat sie dicht an ihn heran. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie der andere Ripper verschwand, als Skulduggery dasselbe tat.

Sie schlang ihren rechten Arm um den Hals des Rippers, umfasste ihren linken Oberarm und legte die Hand hinter seinen Helm. Er hob die Hände und versuchte, sich zu befreien. Dann stemmte er einen Fuß gegen die Wand und drückte sie beide nach hinten. Walküre hielt ihn weiter fest, den Kopf gesenkt, die Augen geschlossen. Sie trat ihm gegen das Bein und schleifte ihn rückwärts ein Stück weg, und als er sich kaum noch wehrte, legte sie ihn auf den Boden.

Sie blickte auf, sah den anderen Ripper aus Skulduggerys Blase fallen, auf dem Boden landen und liegen bleiben.

Langsam ging sie zum Ende des Flurs, wo Skulduggery so plötzlich wieder in ihrer Tarnblase auftauchte, dass sie zusammenzuckte.

„Sorry“, entschuldigte er sich.

Sie tat seine Entschuldigung mit einer Handbewegung ab. „Ich bin sicher, dass ich dich genauso erschreckt habe wie du mich.“

„Nicht wirklich.“

Sie nahm seinen Hut und warf ihn aus dem Fenster. Es überraschte sie kein bisschen, dass er einen Augenblick später wieder hereinschwebte und auf seinem Kopf landete.

Er rückte ihn zurecht. „Bist du fertig?“

„Es würde dich nicht umbringen, wenn du zugeben würdest, dass du dich ab und zu ein wenig erschreckst“, meinte sie.

„Ich erschrecke mich nicht“, erwiderte er und ging weiter. Sie holte ihn ein, bevor er ihre Blase verließ, und passte sich seinem Schritt an. „Ich sehe die Geschehnisse voraus und stelle mich entsprechend darauf ein.“

„Du siehst nicht alles voraus.“

„Natürlich nicht. Wo bliebe da der Spaß?“

„Ich sage ja nur, dass du vor mir nicht den Unerschütterlichen spielen musst.“

„Ist es dir nach all den Jahren unseres Zusammenseins schon mal in den Sinn gekommen, dass ich einfach nicht zu erschüttern bin?“

„Niemand ist unerschütterlich, Skulduggery.“

„Ich schon.“

Sie erreichten eine Tür, hinter der ein Tunnel zu einem Zimmer führte. In diesem Zimmer entschieden sie sich für einen Bogengang, der sie wieder zu einer Treppe führte. Sie stiegen hinunter und immer weiter hinunter, bis anstelle von Fackeln in Wandhalterungen Glühbirnen von der Decke baumelten, und durch den Fußboden das monotone Sirren von Elektrizität zu spüren war. Sie mieden große Gruppen von Rippern, durchquerten Räume mit Wissenschaftlern in weißen Kitteln, die sich leise unterhielten, und gingen weiter, bis sie zu einem Plexiglasfenster kamen. Dahinter lag ein großes Labor voller Maschinen, die ununterbrochen blinkten.

Doktor Nye saß auf einem Hocker und arbeitete mit gebeugtem Rücken an den verschlungenen Innereien eines alten, rostigen Apparates. Nyes dürre Gliedmaßen wirkten kürzer, als Walküre sie von ihrer letzten Begegnung in Erinnerung hatte. Damals hatte das Zwitterwesen vor ihr gestanden, und sein Kopf war fast an der Decke angestoßen, doch es überraschte sie nicht sonderlich. Crengarrione schrumpften, wenn sie älter wurden, und ihre Haut wurde gewöhnlich heller. Jetzt schätzte sie Nye höchstens noch auf drei Meter, und seine Haut hatte einen zarten Grauton angenommen.

„Es sieht alt aus“, murmelte sie. „Gut.“

Sie fanden die Treppe, stiegen hinunter und erreichten die zweiflügelige Tür zu Nyes Labor. Zwei Ripper bewachten sie.

„Ich nehme den da“, entschied Walküre und ging zu dem Ripper auf der rechten Seite. Auf halbem Weg begann die Tarnkugel in ihrer Tasche zu vibrieren.

Erschrocken zog sie sie heraus. Die beiden Hälften tickten unaufhaltsam in ihre Ausgangsstellung zurück. Viel schneller, als sie es hätten tun sollen, zählten sie bis zum Zusammenfallen der Blase herunter. Walküre versuchte, die Hälften zurückzudrehen oder zumindest zum Anhalten zu bringen, doch es nützte alles nichts.

Die Blase zog sich zusammen.

Vignette

IHRE STIEFEL WAREN ZU SEHEN.

Walküre kauerte sich hin, bevor einer der Ripper sie entdeckte. An der Wand waren zwei Sigillen angebracht – jetzt sah sie sie. Eine davon erkannte sie wieder: Es war eine Sperrsigille, die auf Teleporter einwirkte. Die andere sorgte höchstwahrscheinlich dafür, dass Walküres Tarnkugel nicht mehr richtig funktionierte.

Und die Blase zog sich weiter zusammen. Nicht ganz, nur so weit, dass der obere Teil ihres Kopfes zu sehen war. Ihr lief die Zeit davon.

Sie steckte die Tarnkugel wieder ein und kroch rasch zu dem Ripper hinüber. Die Blase zog sich ein Stück zusammen. Er hörte ihre Schritte und griff nach seinen Sicheln.

Walküre zog ihrerseits ihre Waffen – Elektroschocker, die sie sich auf den Rücken geschnallt hatte – und griff an. Der erste Schlag traf seinen Helm, doch dem zweiten wich er mit einer Drehbewegung aus. Walküres Tarnblase fiel jetzt vollends in sich zusammen, genau wie die von Skulduggery. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie er Feuer warf, als der Ripper mit rotierenden Sensen angriff.

Walküre kannte das Vorgehensmuster und konterte, wich rasch zur Seite hin aus und trat dem Ripper gegen das Knie, wirbelte herum und traf ihn mit dem Schocker in die Rippen. Seine Kleider absorbierten die elektrische Ladung. Er schien den Schmerz nicht zu spüren.

Als er seine Deckung fallen ließ, ergriff sie die Chance und entschied sich für einen Schwinger, den sie sofort bereute. Ein Sensenblatt ratschte über ihren Bauch. Ohne ihre Schutzkleidung hätte es sie aufgeschlitzt. Er trat gegen ihren Knöchel, sie verlor den Halt, stürzte und kam mit einer Rolle rückwärts wieder auf die Füße. Er donnerte ihr das Knie in die Wange, und die Welt kippte seitlich ab.

Er stürzte sich auf sie. Sie ließ einen Schocker fallen und schoss aus ihren Fingern weiße Blitze ab. Sie trafen ihn in die Brust und ließen ihn einen Salto rückwärts schlagen. Er rollte sich ab und kam wieder hoch. Seine Jacke qualmte.

Walküre hob den heruntergefallenen Schocker wieder auf und verband sein Ende mit dem Ende des anderen Elektroschockers. Sie rasteten ein, Walküre drehte und verlängerte den Stab dadurch. Als der Ripper auf sie zugerannt kam, schlug sie ihm damit aufs Bein, wirbelte herum und ließ den Stab gegen seinen Kopf krachen. Der Ripper wankte nach hinten, und sie folgte ihm. Der Stab traf ein Mal, zwei Mal und dann mit einer Drehung wie beim Twirling ein drittes Mal. Der Ripper ließ eine seiner Sicheln fallen.

Sie wollte ihm den Rest geben, doch er wich aus, wich erneut aus, wich schneller aus, als sie zuschlagen konnte. Er sprang hinüber zur Wand, stieß sich ab und schlug einen Salto über ihren Kopf hinweg. Sie wirbelte herum, doch er stand zu dicht vor ihr. Er packte den Stab und wollte ihr einen Kopfstoß verpassen, der ihr die Nase gebrochen hätte, wenn sie nicht den Kopf gesenkt hätte. Trotzdem sah sie Sterne. Sie schwankte und merkte, wie ihr der Stab entrissen wurde.

Der Ripper ließ den Schocker fallen, schwang seine Sichel und zielte auf ihren Hals. Sie hob einen Arm, und ihre Schutzkleidung rettete sie erneut. Sie entriss ihm die Waffe, die scheppernd auf den Steinboden fiel.

Walküre rannte geduckt auf ihren Gegner zu und umfasste mit beiden Händen seine Taille. Fauchend hob sie ihn von den Füßen und schleuderte ihn gegen die Wand. Dann ergriff sie seinen Helm, suchte nach den beiden Schließen und riss ihm das Teil vom Kopf. Der Ripper wich blinzelnd zurück, sie donnerte ihm den Helm gegen den Kiefer, und er ging zu Boden. Sie schlug so lange zu, bis sie dachte, es sei wahrscheinlich genug.

Da ließ sie den Helm fallen und kam wieder zu Atem.

„Du hast ihm den Helm abgenommen“, stellte Skulduggery fest. Er stand neben dem reglosen Ripper. „Wie hast du das denn gemacht?“

Sie zuckte mit den Schultern. „Ich habe mich der Situation entsprechend verhalten. Komm jetzt, wir haben einen Arzttermin.“

Vignette

SIE STIESS DIE FLÜGELTÜR AUF und Dr. Nye hob eine langfingrige Hand.

„Keine Störung bitte“, sagte es in seinem typischen hohen Flüsterton. „Ich habe strikte Order erlassen, nicht gestört zu …“

Es blickte auf, und seine kleinen Augen weiteten sich und der breite Mund öffnete sich, als er sich erhob. Der Stuhl fiel polternd hinter ihm um.

Skulduggery hielt seine Pistole in Hüfthöhe. „Sobald du einen Alarm auslöst, erschieße ich dich. Ich denke, in diesem Punkt sollte von Anfang an Klarheit herrschen.“

Nye ging nicht mehr weiter rückwärts und hob die Arme. „Ich bin unbewaffnet.“

So aus der Nähe sah Walküre, dass die Fäden, mit denen Nyes Mund und Augen früher einmal zugenäht waren, immer noch aus seiner Haut ragten. Sie ging auf ihn zu. „Du tust so, als seist du nicht erfreut, uns zu sehen, Doktor. Das verletzt meine Gefühle. Ich dachte, wir hätten damals, als du mich obduziert hast, eine Beziehung aufgebaut.“

Skulduggery kam um den Tisch herum. „Die Jahre waren gut zu dir. Klar, du bist deutlich geschrumpft, aber davon abgesehen siehst du großartig aus. Wie hast du deine Zeit verbracht? Das Letzte, was ich von dir gehört habe, war dein Ausbruch aus dem Ironpoint-Gefängnis. Wer hat dich noch mal befreit? Eliza Scorn?“

„Wie geht es Eliza?“, erkundigte sich Walküre. „Hast du in letzter Zeit etwas von ihr gehört?“

„Ich habe seit Jahren keinen Kontakt mehr zu Eliza Scorn“, antwortete Nye. „Und ich war nicht der Einzige, den sie befreit hat. Da waren auch noch andere.“

„Aber sie hat dich hierher gebracht“, entgegnete Skulduggery. „Du hattest alles verloren, als wir dich ins Gefängnis gesteckt haben, dafür haben wir gesorgt. Sie hat dir geholfen.“

Nye fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Seine Zunge war klein und rosa. „Sie hat die Bedeutung meiner Arbeit erkannt.“

Walküre griff nach einem Skalpell und ging langsam weiter auf das Zwitterwesen zu. „Die zum Ziel hat, den Sitz der Seele zu lokalisieren. Wie bist du vorangekommen? Hast du ihn schon gefunden?“

„Ich glaube ja.“

„Und was jetzt? Was willst du jetzt mit der Seele machen, nachdem du herausgefunden hast, wo sie sich versteckt?“

„Die Seele zu finden, war nur der erste Schritt. Jetzt folge ich ihr, wohin sie mich führt. Ich tue niemandem weh dabei. Ich führe an niemandem Experimente durch. Ihr könnt das ganze Schloss durchsuchen. Ich habe keine Patienten hier.“

„Wirklich nicht?“, hakte Walküre nach. „Liegt nicht doch irgendwo jemand gefesselt und mit geöffnetem Brustkorb auf einem Tisch, die Organe daneben auf einem Tablett, und dieser Jemand halluziniert, dass Freunde und Familienmitglieder kommen und ihn retten? Nein? Das ist ja dann schon mal ein Fortschritt. Du bist praktisch geläutert. Skulduggery?“

„Du bist ganz sicher, dass niemand gefoltert wird, Doktor?“, fragte Skulduggery. „Dass vielleicht jemandem die Haut abgezogen wird? Ich habe von einem Experiment gehört, das du während des Kriegs durchgeführt hast. Du hast Gefangene enthauptet und ihre Köpfe in Bechergläsern am Leben erhalten.“

Nye wich zurück. „Was willst du?“

„Du bist verhaftet und gehst zurück ins Ironpoint.“

„Und dieses Mal verlangen wir eine kleinere Zelle, verlass dich drauf“, ergänzte Walküre. „Was Gemütliches.“

„Du kannst es dir aber auch leichter machen“, bot Skulduggery ihm an, „indem du uns sagst, wo Abyssinia ist.“

Nye wurde noch blasser, auch wenn dies niemand für möglich gehalten hätte.

„Wow, dein Pokerface lässt dich im Stich“, stellte Walküre fest. „Das heißt, wir können die Stelle überspringen, an der du uns sagst, du weißt nicht, wovon wir reden, – und wir dir drohen und du früher oder später zusammenbrichst – und kommen direkt zu dem Teil, wo du unsere Fragen beantwortest. Also, wo ist sie?“

„Ich weiß es nicht.“

„Ich will dich nur warnen: Wir suchen seit fast sieben Monaten nach Abyssinia. Hast du gehört? Sieben Monate. Und wir haben weder sie gefunden noch das fliegende Gefängnis, das sie beschlagnahmt hat, noch einen ihrer Anti-Sanktuariumsfreunde. Darüber sind wir beide ausgesprochen verärgert. Unsere Geduld ist am Ende, Doktor. Als wir erfahren haben, dass sie diesem entzückenden Schloss vor gerade mal zwei Tagen einen Besuch abgestattet hat … Also, ich will nicht lügen: Ich habe ein paar Tränen vergossen. Tränen des Glücks. Und als wir erfahren haben, dass du hier arbeitest, war das, als hätte ich alle meine Geburtstage an einem Tag gefeiert. Nicht nur, dass ich meinen guten alten Freund Dr. Nye mal wieder zu sehen bekomme, nein, Dr. Nye darf uns bei unserer Suche helfen und uns sagen, wohin Abyssinia gegangen ist.“

„Ich schwöre euch, ich weiß es nicht.“

„Weshalb war sie dann hier?“, wollte Skulduggery wissen.

„Wenn … wenn ich es euch sage, müsst ihr mich gehen lassen.“

„Okay.“

„Ich glaube, du lügst.“

„Natürlich lüge ich. Du gehst wieder ins Gefängnis, Doktor. Das Einzige, worauf du Einfluss hast, ist die Größe deiner Zelle.“

Nach kurzem Zögern gab Nye nach. „Sie hat keinen Gegenstand gesucht, sondern eine Person. Jemanden namens Caisson.“

„Und wer ist Caisson?“

„Abyssinia sagte, er sei ihr Sohn.“

„Verstehe.“ Skulduggery schwieg einen Augenblick. „Arbeitet er hier? Ist er Wissenschaftler oder Laborassistent?“

Nye zögerte.

Walküre verschränkte die Arme vor der Brust. „Er war Patient hier, stimmt’s? Möglich, dass du im Moment keine Experimente an Menschen durchführst, aber bis vor zwei Tagen war das der Fall.“

„Als ich hier herkam, bestand die Einrichtung bereits seit Jahrzehnten. Ich wurde hergebracht, um einen Wissenschaftler zu ersetzen, der verschwunden war. Meine Aufgabe war klar: Ich sollte die Arbeit meines Vorgängers fortführen. Gleich bei meinem ersten Rundgang durchs Haus hat man mir das Zimmer gezeigt, in dem Caisson lag – aber ich habe nicht an ihm gearbeitet.“

„Wie lang waren bis dahin Experimente an ihm durchgeführt worden?“

„Soviel ich weiß, seit diese Einrichtung in Betrieb ging.“

„Will heißen?“

„Seit sechzig Jahren.“

Walküre runzelte die Stirn. „An ihm wurden sechzig Jahre lang Experimente durchgeführt?“

„Nein. Hier wurden sechzig Jahre lang Experimente an ihm durchgeführt. Wo er vorher war, weiß ich nicht.“

„Was weißt du sonst noch über ihn?“, fragte Skulduggery.

„Nichts. Es war nicht mein Job, an Caisson zu experimentieren.“

„Wessen Job war es dann?“

„Der eines Kollegen. Doktor Quidnunc.“

„Ist er heute hier?“, fragte Walküre.

„Ich habe ihn seit einer Woche nicht mehr gesehen, seit Caisson von hier weggebracht wurde.“

„Caisson wurde bereits vor einer Woche weggebracht?“, hakte Walküre nach. „Dann war er schon weg, als Abyssinia hier auftauchte? Weshalb wurde er weggebracht?“

„Genau weiß ich es nicht“, antwortete Nye, „aber ich vermute, jemand hat erfahren, dass Abyssinia auf dem Weg hierher ist. Daraufhin hat man uns aufgetragen, das Haus zu evakuieren. Caisson wurde als Erster weggebracht.“

„Und warum bist du immer noch da?“

„Ich und eine Handvoll weiterer Wissenschaftler haben uns geweigert zu gehen. Ich kann nur für mich selbst sprechen, doch meine Arbeit hatte eine kritische Phase erreicht und ich konnte sie unmöglich im Stich lassen.“

„Abyssinia war sicher nicht erfreut, dass ihr Sohn nicht mehr da war“, vermutete Skulduggery.

„Das war sie nicht“, bestätigte Nye. „Sie hat viele Ripper getötet.“

„Hast du ihr gesagt, wohin er gebracht wurde?“

„Ich hatte und habe diese Information nicht.“

„Wer hat ihn weggebracht?“

„Ich weiß es nicht. Eine kleine Gruppe von Leuten. Der Inhaber dieser Einrichtung hat sie geschickt.“

„Was uns zurückführt zu Eliza Scorn.“

Nye schüttelte den Kopf. „Eliza Scorn ist nicht Eigentümerin dieser Einrichtung. Soviel ich weiß, hat sie lediglich Befehle ausgeführt, als sie mich hier herbrachte.“

„Wer ist dann dein Arbeitgeber?“

„Tut mir leid, ich weiß es nicht.“

„Du arbeitest für jemanden und weißt nicht einmal, für wen?“

„Was spielt es für eine Rolle? Meine Arbeit ist wichtig und muss finanziert werden. Wer die finanziellen Mittel bereitstellt, ist mir gleichgültig.“

Walküre seufzte. „Was ist mit Abyssinia? Hat sie irgendetwas gesagt, das uns zu ihr führen könnte? Vergiss nicht, du willst uns auf jeden Fall glücklich machen.“

„Sie hat keine diesbezüglichen Informationen verlauten lassen.“

„Hast du ihr von Quidnunc und seinen Experimenten erzählt?“, fragte Skulduggery.

„Ja.“

„Hast du ihr gesagt, wo sie den guten Doktor finden kann?“

„Ich weiß nicht, wo er ist.“

„Wie kommt es dann, dass du noch am Leben bist? Du weißt nichts Hilfreiches, du hast in derselben Einrichtung gearbeitet, in der an ihrem Sohn Experimente durchgeführt wurden … Warum hat sie dich nicht getötet, Doktor?“

„Weil ich mit ihr dasselbe gemacht habe wie mit euch“, erwiderte Nye.

„Und das wäre?“

„Ich habe euch hingehalten.“

Die Schatten verdichteten sich und kamen in Bewegung, und aus der Dunkelheit trat eine Frau in einem schwarzen Umhang. Ihr Gesicht war unter einer Stoffmaske verborgen. Nur ihre Augen waren zu sehen.

Skulduggery hob seine Pistole, der Umhang der Frau schlug nach ihm, Skulduggery wich aus und drückte ab. Der Umhang schluckte die Kugeln, holte erneut aus und durchschnitt den Tisch, um an Skulduggery heranzukommen. Skulduggery machte einen Satz zur Seite, und seine Hand füllte sich mit Feuer, doch der Umhang wehte hinterher und hüllte ihn ein – und als der Stoff sich zurückzog, war Skulduggery verschwunden.

Die Frau wandte sich Walküre zu, doch diese hatte sich bereits hinter Nye gestellt und trat ihm gegen die Beine. Es fiel auf die Knie und sie packte es an der Kehle, wobei sie die Frau nicht aus den Augen ließ.

„Ich muss zugeben, das war ziemlich cool, selbst für eine Totenbeschwörerin“, bemerkte Walküre. „Aber falls du etwas in der Art bei mir versuchst, grille ich die Stabheuschrecke hier.“

Die Frau in Schwarz erwiderte nichts darauf. Ihr Umhang schlängelte sich um sie.

„Du würdest mich nicht töten“, behauptete Nye. Seine Stimme klang etwas verzerrt. Seine Haut fühlte sich ölig an.

„Ich würde dich nicht töten wollen“, korrigierte Walküre ihn. „Ich würde niemanden töten wollen. Aber wenn dein beeindruckender Bodyguard versucht, mich zu töten, werde ich dich schneller umbringen, als deine Knopfaugen blinzeln können.“

Nye gab ein leises Geräusch von sich. Es klang wie ein Lachen. „Dann sieht es so aus, als befänden wir uns in einer Pattsituation.“

„Ganz und gar nicht“, entgegnete Walküre. „Eine Pattsituation bedeutet, dass wir gleich stark sind. Aber wir alle wissen, dass das nicht der Fall ist.“ Sie blickte die Frau in Schwarz an. „Ich habe mich ein bisschen mit Totenbeschwörung befasst, wusstest du das? Solomon Kranz hat mir das eine oder andere beigebracht. Daher weiß ich, dass du schattenlaufen kannst. Das hast du mit Skulduggery gemacht, stimmt’s? Aber ich weiß auch, dass die Distanz beim Schattenlaufen begrenzt ist, er also bereits auf dem Weg hierher ist, und das verdammt schnell. Es dauert nur noch ein paar Sekunden, dann stürmt er durch diese Tür, und wenn das passiert … wird’s alles andere als schön. Ich brauche also nur zu warten, denn die Zeit ist auf meiner Seite. Doch für dich tickt die Uhr. Hörst du es? Das Ticken in deinem Kopf?“

„Ich gehe nicht zurück ins Ironpoint“, meldete sich Nye. „Ich habe nur noch wenige Jahre zu leben, und die will ich nicht in einer Gefängniszelle zubringen. Whisper – töte sie.“

„Whisper – warte“, verlangte Walküre und verstärkte ihren Griff um Nyes Hals. „Warum muss es immer aufs Töten hinauslaufen, hm? Warum immer aufs Kämpfen? Warum ist Gewalt immer die Standardreaktion?“

Nye hob eine Hand, um Whisper Einhalt zu gebieten, obwohl die Frau sich nicht gerührt hatte. „Hast du eine Alternative zu bieten?“, fragte es.

„Gib mir Quidnunc, und ich lass dich gehen, bevor Skulduggery zurückkommt.“

„Ich weiß nicht, wo Quidnunc ist“, erwiderte Nye. „Aber ich weiß von einer Sache, die dich möglicherweise zu ihm führen könnte.“

„Hast du diese eine Sache auch Abyssinia verraten?“

„Ja.“

„Dann spielen wir also Fangen.“

„Genau.“

Walküre erwog die Optionen, die sie nicht hatte. „Okay. Abgemacht.“

„Zuerst musst du mich loslassen.“

„Ich traue dir nicht genügend, um dich loszulassen, Doktor.“

„Dann solltest du besser eine Entscheidung treffen, bevor das Skelett zurückkommt, Miss Unruh. Die Zeit läuft.“

Walküre musste fast lächeln. Sie ließ Nyes Hals los und trat zurück, als es aufstand. Es drehte sich zu ihr um und blickte auf sie herab, während Whisper sich hinter es stellte. Ihr Umhang umwehte beide.

„Quidnunc leidet an Liquefaktionsnekrose“, sagte Nye. Die Schatten zogen sich zusammen und Walküre war allein.

„Huch“, entfuhr es ihr.

Die Tür flog auf und Skulduggery stürmte herein, die Pistole in der einen und Feuer in der anderen Hand. „Wo sind sie?“

„Weg. Du hast sie gerade verpasst.“

Einen Augenblick lang stand Skulduggery einfach nur da, dann schüttelte er die Flammen aus seiner Hand und steckte die Pistole wieder unter sein Jackett. „Das ist ärgerlich. Bist du okay?“

Sie zuckte mit den Schultern. „Alles bestens. Quidnunc hat, äh, eine liquide Aktionsnekrose.“

„Du meinst Liquefaktionsnekrose?“

„Wahrscheinlich. Was ist das?“

„Eine Art Organfäulnis, die Mevolent während des Kriegs als Waffe eingesetzt hat.“

„Dasselbe, was auch Tesseract hatte? Dann trägt Quidnunc eine Maske wie er?“

„Vielleicht. Jedenfalls braucht er dasselbe Serum, das auch Tesseract am Leben erhalten hat, und an dieses Serum ist schwer heranzukommen. Wenn wir in Erfahrung bringen, wer es herstellt, finden wir Quidnunc.“

„Cool. Allerdings hat Nye auch Abyssinia von dem liquiden Aktionsdingens erzählt.“

„Liquefaktionsnekrose.“

„Er hat ihr das auch gesagt.“

„Dann haben wir keine Zeit zu verlieren.“ Skulduggery ging zur Tür, drehte sich dann aber noch einmal um. „Es sei denn, du hast Hunger. Hast du Hunger? Du hast seit heute Mittag nichts mehr gegessen.“

„Mir knurrt der Magen, ja.“

„Dann holen wir eine Pizza“, bestimmte Skulduggery und marschierte hinaus.

Vignette

SCHULWISSEN, sinnierte Omen Darkly, als er sich den Test anschaute, den er zurückbekommen hatte, war wohl nicht das Gebiet, auf dem zu brillieren ihm bestimmt war.

Die Corrival-Schule war zwar tatsächlich eine Schule für Zauberer, doch hieß das nicht, dass es in allen Fächern darum ging, Feuerbälle zu werfen oder Energieströme aus Händen, Augen oder Mund abzuschießen – auch wenn der Lehrplan ziemlich viele solcher Sachen aufwies.

Meist saßen die Schüler jedoch an ihren Tischen, lasen in Übungsheften und kritzelten Antworten – so ziemlich dieselben Sachen, die Omen gemacht hatte, als er in Galway noch auf eine Schule der Sterblichen ging. Meist war es in Corrival sogar noch schlimmer. Weil er mehr Fächer hatte – auf Omens Stundenplan standen nicht nur Geschichte und Naturwissenschaften, sondern auch die Geschichte und die Naturwissenschaften der Sterblichen –, war sein Schultag länger. Im Sport ging es nicht nur um Kampftechniken und Selbstverteidigung, so anstrengend diese Dinge auch sein konnten – darüber hinaus musste man sich eine Sportart aussuchen und sie auch ausüben, und zwar ohne Magie. Den Schülern wurde beigebracht, wie sie das Beste aus ihren zauberischen Fähigkeiten machen konnten, aber auch, wie man in der Welt der Sterblichen lebt, sich verhält und Karriere macht. Was mehr Arbeit, mehr Tests und mehr Gelegenheiten zu versagen bedeutete.

Omen faltete den Test so zusammen, dass er die fette rote 6 nicht mehr sah. Es war keine große Sache. Der Test war schwer gewesen, das sagten alle, auch die klügeren Schüler. Welche Chance hatte er denn, wenn selbst die Besten aus der Klasse die Aufgaben verzwickt fanden? Klar, rein technisch gesehen hatten sie dennoch bestanden, wie fast alle anderen in seiner Klasse auch, aber er hielt ohnehin nicht viel von Noten. Er zog es vor, sich sein Wissen draußen anzueignen, auf der Straße, wo es zählte.

Omen kaute auf seiner Lippe herum. Seine Eltern würden ihn wahrscheinlich umbringen, wenn sie es erfuhren.

Er stopfte den Test ganz nach unten in seine Tasche. Corrival war ein Internat, und das zählte in seinen Augen zu den positiven Dingen – man war unzufriedenen Elternfiguren weniger ausgesetzt. Natürlich war die Chance, dass ein nicht bestandener Test sie überhaupt nicht interessierte, ziemlich groß. Omen hatte mehr oder weniger zufällig eine Beziehung zu seinen Eltern entwickelt, die ausschließlich auf ihren geringen Erwartungen basierte. Er lief im Hintergrund ihres Lebens so mit, während ihr ganzes Augenmerk auf seinem Zwillingsbruder Auger lag. Auger war laut einer Prophezeiung dazu bestimmt, einen Kampf gegen den König der Nachtländer auszufechten und die Welt zu retten. Damit er eine reelle Chance in diesem Kampf hatte, war Auger von Geburt an stark, schnell und clever – ganz zu schweigen von talentiert, ausgesprochen strebsam, mutig, bescheiden, einfallsreich, charmant, witzig, groß und gutaussehend. Denn gutes Aussehen war offenbar eine entscheidende Qualität für jeden Auserwählten, der etwas auf sich hielt.

Omen hatte die Chance, der Auserwählte zu werden, verpasst, da er als Zweiter geboren wurde. Folglich besaß er auch keine von Augers Eigenschaften. Was er besaß, war ein tapferes Auftreten und eine Lass-dich-nicht-unterkriegen-Mentalität – aber auch die besaß er nicht wirklich.

Das Leben bestand aus einer bitteren Enttäuschung nach der anderen. Sicher, es hatte ab und zu mal Hoffnungsschimmer gegeben. Sein bester Freund zum Beispiel war ziemlich cool, und vor sieben Monaten hatte er Skulduggery Pleasant und Walküre Unruh geholfen, die Wiedergeburt von etwas uraltem Bösen zu verhindern. Mehr oder weniger.

Nein, er hatte tatsächlich geholfen. Er war dabei gewesen, hatte das Abenteuer hautnah miterlebt, was er mit einem blauen Fleck beweisen konnte. Das Problem war, dass sie das uralte Böse nicht wirklich vernichten konnten. Abyssinia war es schließlich doch gelungen, wieder lebendig zu werden. So betrachtet, hatte er Skulduggery und Walküre geholfen, ihre Mission nicht zu erfüllen. Was erklären könnte, weshalb sie sich seither nicht mehr bei ihm gemeldet hatten.

Die Tatsache, dass die Nachricht von seiner Mitwirkung sich nicht wie erwartet wie ein Lauffeuer an der Schule ausgebreitet hatte, machte die Sache nur noch schlimmer. Ein paar Leute wussten ein wenig Bescheid über das, was geschehen war, doch es hatte den Anschein, als erachteten es seine Mitschüler nicht für wert, coole Gerüchte über ihn zu verbreiten. Auf den Fluren wurde nicht geflüstert, wenn er vorbeiging, er wurde nicht mit großen Augen angestarrt, und die in Grüppchen zusammenstehenden Mädchen kicherten nicht jedes Mal, wenn er lächelte. Nach einer kurzen Phase als Abenteurer wurde er wieder zu dem unscheinbaren Jungen, der er von jeher war.

Es sei denn, er tat etwas dagegen.

Omens Magen krampfte sich zusammen, als er in Gedanken noch einmal durchging, was er sagen wollte. Er hatte diese Unterhaltung zig Mal geübt und alle Eventualitäten eingeplant. Ein Teil von ihm fragte sich, wie er bei dem Test abgeschnitten hätte, wenn er so viel Zeit darauf verwendet hätte wie darauf, auswendig zu lernen, wie er Axelia Lukt um ein Date bitten wollte. Doch solche Gedanken schlug er sich gleich wieder aus dem Kopf. Es gab Wichtigeres.

Axelia saß im Aufenthaltsraum und plauderte und lachte mit ihren Freundinnen. Sie war so nett, so klug, so hübsch, und sie hatte den süßesten Akzent und das fröhlichste Lachen, die Omen je gehört hatte. Er hätte ihrem Lachen den ganzen Tag lauschen können, so merkwürdig das auch gewesen wäre.

Omen stand auf, holte tief Luft und ging hinüber.

Er stieß mit October Klein zusammen, murmelte eine Entschuldigung, drehte sich um und ging zurück in seine Ecke.

Er holte noch einmal tief Luft und noch einmal. Und noch einmal. Ihm wurde schwindelig, und er sank gegen die Lehne seines Stuhls.

Als er sicher sein konnte, dass er nicht ohnmächtig werden und umkippen würde, stand er wieder auf. Er konzentrierte sich darauf, normal zu atmen, und schaffte es auf die andere Seite des Aufenthaltsraums, ohne mit jemandem zusammenzustoßen. Gerade als er den Mund öffnen wollte, umfasste eine starke Hand seinen Ellenbogen und zog ihn weg.

„Hey“, grüßte Auger mit einem breiten Lächeln, „wie hast du bei dem Test abgeschnitten?“

„Hm“, erwiderte Omen.

Auger nickte. „Das ist cool, richtig cool.“ Und in diesem beiläufigen Ton, den er immer anschlug, wenn er mit etwas nicht herausrücken wollte, fuhr er fort: „Hey, hast du Mahala heute schon gesehen?“

„Ja, kurz vor dem Frühstück“, antwortete Omen. „Ist alles in Ordnung?“

Auger senkte die Stimme. „Ja, klar, es ist nur … als du sie gesehen hast, ist dir da etwas an ihr aufgefallen? Etwas Ungewöhnliches?“

„Was zum Beispiel?“

Auger zuckte mit den Schultern. „Hat sie sich zum Beispiel anders verhalten? Hat sie anders geredet? Hatte sie leuchtend grüne Augen? Wirkte sie verwirrt …?“

„Komisch, aber von allem, was du gerade erwähnt hast, waren die leuchtend grünen Augen das Auffälligste.“

„Sie ist im Moment leicht besessen, irgendwie“, erklärte Auger. „Gib mir Bescheid, wenn du sie wieder siehst. Bleib weg von ihr, aber gib mir Bescheid.“

„Brauchst du Hilfe? Ich könnte dir helfen.“

„Nein, nein, alles in Ordnung. Ich hab ja Kase. Wir kriegen das schon hin. Aber ich verspreche dir, dass ich dich dazu hole, wenn es zu viel für uns wird.“

„Alles klar“, erwiderte Omen.

„Aber ich habe dich unterbrochen. Sorry. Du hast ausgesehen, als wolltest du mit Axelia reden.“ Er schob Omen zurück und stellte ihn vor dem schönsten Mädchen der ganzen Schule und ihren Freundinnen ab.

„Hey, Mädels“, grüßte er.

„Hi, Auger“, kam es im Chor zurück.

Auger nickte Omen zu und entfernte sich dann rasch, und Omen erstarrte zur Salzsäule.

Axelia schaute ihn an und lächelte. „Hi, Omen.“

„Hi.“ Sein Mund war plötzlich staubtrocken. Es war lächerlich. „Könnte ich dich einen Moment sprechen?“, brachte er hervor. „Vielleicht ein paar Schritte mit dir gehen?“

Axelias Freundinnen rissen die Augen auf, als hätte Omen ihnen gerade einen toten Vogel vor die Füße geworfen, doch Axelia hatte genügend Anstand, um ihr Lächeln beizubehalten.

„Klar“, sagte sie.

Omen erwiderte ihr Lächeln, und nebeneinander verließen sie den Raum. Das war gut. Noch hatte sie das Wörtchen nein nicht ausgesprochen, und ausgelacht hatte sie ihn auch noch nicht. Wenn er es schaffte, dass es so weiterging, hatte er eine Chance.

„Wie denkst denn du über die ganzen Flüchtlinge?“, fragte sie im Gehen.

„Ja“, erwiderte Omen. „Aber wirklich. Man kommt echt ins Grübeln, was? So, also, wer … wer sind sie?“

„Hm, wir wissen, wer sie sind.“

„Ja, schon, aber meine Frage ist … äh …“

„Du hast noch nichts davon gehört, stimmt’s?“

„Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich weiß, wovon du redest.“

Ihre wunderschönen blauen Augen weiteten sich ein wenig vor Überraschung. „Du hast noch nichts von dem Portal gehört, das sich gestern direkt vor der Stadtmauer geöffnet hat? Es ist praktisch direkt hinter der westlichen Mauer, Omen. Es war den ganzen Tag im Radio. Die Leute reden über nichts anderes mehr.“

„Ein Portal wohin?“

„In die Dimension, in der Mevolent immer noch regiert.“

„Echt jetzt?“

„Wie ist es überhaupt möglich, dass du nichts davon gehört hast?“

„Keine Ahnung.“

„Wir haben die ganze letzte Stunde darüber geredet. Du warst da.“

„Ich hab vor mich hin geträumt. Und es kommen Leute durch?“

„Tausende. Alles Sterbliche.“

„Weiß man, warum?“

„Sie sind da drüben Sklaven. Würdest du nicht auch fliehen wollen, wenn du könntest? Wir reden hier schließlich von Mevolent.“

Omen nickte. „Er ist ziemlich schlimm, das stimmt. Glaubst du, er verfolgt sie bis zu uns?“

Axelia schlang die Arme um sich. „Darüber will ich gar nicht nachdenken. Wir sind unseren Mevolent losgeworden – wir sollten uns nicht mit dem anderer Leute befassen müssen. Aber mehr weiß ich ohnehin nicht. Du solltest endlich im Unterricht aufpassen, Omen, vor allem nach deiner Note in dem Test.“

„Du … äh, du weißt, welche Note ich bekommen habe?“

„Ich sitze hinter dir. Ich hab sie gesehen. Sorry.“

„Aber ich bin nicht der Einzige, der nicht bestanden hat, richtig? Da waren doch noch ein paar andere. Es war ein schwerer Test.“

„Ach ja?“

„Vielleicht nicht für dich, weil du echt klug bist und so. Aber für uns gewöhnliche Leute war er schwer.“

„So klug bin ich auch wieder nicht.“

„O doch, du hast echt was drauf.“

Sie lachte. „Worüber wolltest du mit mir reden, Omen?“

Sie blieben stehen. Es war niemand in der Nähe. Plötzlich war alles sehr ruhig und sehr still. Omen nickte wieder. Er war sich bewusst, wie oft er nickte. Es war ziemlich oft.

„Na ja.“ Er bemühte sich, seinen Kopf ruhig zu halten. „In den letzten Monaten, also, ich bin wirklich froh darüber, wie wir Freunde geworden sind. Du weißt schon, mit unseren kleinen Scherzen und so.“

Axelia runzelte ganz leicht die Stirn. „Kleine Scherze?“

„Ja. Es gibt sie doch. Zwischen uns. Die kleinen …“ Sein Mund war plötzlich wieder trocken. „Scherze? Zwischen uns. Sind sie dir noch nicht aufgefallen?“

„Nein, tut mir leid, Omen.“

Sein Lachen klang panisch. „Ist schon okay. Es ist nicht so wichtig. Was ich eigentlich sagen wollte, war: Wir sind Freunde. Das sind wir doch, oder?“

„Natürlich.“

„Und das ist so schön.“ Er legte beide Hände auf sein Herz. „Es ist so schön, Freunde zu haben. Richtige Freunde, weißt du? Und ich … ich finde dich toll. Ich finde dich witzig und klug und total cool.“

„Oh, danke.“

„Du bist so viel cooler als ich.“

„Nein, bin ich nicht.“

„Und ob du es bist.“

„Du bist auch cool.“

„Das stimmt zwar nicht, aber trotzdem danke, dass du es gesagt hast.“ Er lachte, und sie stimmte ein. Das lief ja richtig gut. Omen fand, jetzt sei die richtige Zeit für den Teil, den er vor dem Spiegel eingeübt hatte. „Ich bin wirklich froh, dass wir Freunde sind – das bedeutet mir so viel, du hast ja keine Ahnung. Und ich will das nicht kaputtmachen, wirklich nicht, aber was ich sagen will … also, es ist riskant. Aber ich könnte mich nicht mehr im Spiegel anschauen, wenn ich es nicht wenigstens versuchen würde.“

Axelia nickte. „Okay.“

„Du wirst wahrscheinlich nein sagen.“ Damit wich er von seinem Manuskript ab. „Und das ist in Ordnung. Nein zu sagen, ist absolut in Ordnung. Im Grund erwarte ich es. Ich wäre … also, um ehrlich zu sein, wäre ich total sprachlos, wenn du, du weißt schon, ja sagen würdest. Mir ist klar, dass das nicht passieren wird. Hab deshalb bitte, bitte kein schlechtes Gewissen. Das Letzte, was ich will, ist, dir ein schlechtes Gewissen machen.“

„Danke, Omen.“

Er lachte, obwohl der Knoten in seinem Bauch sich fester zuzog. „Kein Problem. Aber noch einmal: Ich muss es, du weißt schon, wenigstens versuchen.“

„Natürlich.“

„Deshalb … äh … Was ich mich gefragt habe, und worauf ich nicht im Entferntesten ein Ja erwarte, aber was ich mich gefragt habe, war, ob du vielleicht, also, du weißt schon …“

„Ja?“

In seinem Herzen ging ein Feuerwerk los. „Ja?“ wiederholte er lachend. „Im Ernst?“

Axelia berührte seinen Arm. Ihre Miene spiegelte tiefe Besorgnis wider. „Was? Nein, ich habe nur … Habe ich ja gesagt?“

Sein Lachen brach abrupt ab. „Richtig.“

„Ich habe nicht ja gesagt. Ich sagte ‚Ja?‘, verstehst du? Auch wenn es vielleicht wie ein Ja ohne Fragezeichen dahinter herausgekommen ist. Es tut mir leid, Omen, Englisch ist nicht meine Muttersprache.“

„Du sprichst sie aber sehr gut.“

„Danke.“

„Du kennst so viele Wörter.“

„Ich habe dich unterbrochen. Es tut mir leid“, entschuldigte sie sich noch einmal. „Bitte sag, was du sagen musst.“

Omen kaute auf seiner Lippe herum und nickte. „Hm-hm. Also. Äh … ich glaube, wir beide wissen, wie es ausgehen wird, oder? Ich glaube … ich glaube, wir wissen es.“

„Wahrscheinlich“, bestätigte Axelia. „Wir können aufhören, wenn du willst.“

Omen nickte und bemühte sich, den Vorschlag zu überdenken, obwohl sein Gehirn nicht mehr zu funktionieren schien. Dann schüttelte er den Kopf. „Ich glaube, ich muss es doch versuchen. Wenn ich die Worte nicht ausspreche, dann … dann bekomme ich sie nie aus dem Kopf. Ist das okay für dich?“

„Sicher. Lass hören.“

Er lachte gezwungen. „Hey, Axelia, willst du mit mir gehen?“

„Nein“, antwortete sie traurig.

Seine Welt brach zusammen, und er sagte: „Okay.“

„Ich mag dich“, versicherte sie, „und ich will nicht sagen ‚als Kumpel‘, aber …“

„Als Kumpel“, wiederholte Omen und nickte wieder. „Das ist in Ordnung. Ich habe es erwartet, wirklich. Ich hoffe nur, dass es zwischen uns jetzt nicht irgendwie komisch wird. Wird es das?“

„Natürlich nicht.“

„Weil unsere Freundschaft mir viel bedeutet.“

„Ich weiß. Sie bedeutet auch mir viel.“

„Dann, also … ich nehme an, wir sehen uns.“