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FrauenBibelArbeit

Herausgegeben von

Sabine Bieberstein, Anneliese Hecht,

Eleonore Reuter, Sonja Angelika Strube,

Yvonne Sophie Thöne

Band 38

Lust auf Land

Biblische Seiten
des Landlebens

Herausgegeben von
Yvonne Sophie Thöne

Wir danken Prof. Dr. Eleonore Reuter
für die zur Verfügung gestellten Abbildungen
in diesem Band.

»Die Bibel verstehen und leben«

FrauenBibelArbeit

Herausgegeben von Sabine Bieberstein,
Anneliese Hecht, Eleonore Reuter,
Sonja Angelika Strube, Yvonne Sophie Thöne
Band 38

© 2017 Verlag Katholisches Bibelwerk GmbH, Stuttgart
Alle Rechte vorbehalten

Für die Texte der Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift
© 2016 Katholische Bibelanstalt, Stuttgart

Gesamtgestaltung: wunderlichundweigand

Herstellung: Finidr s. r. o., Český Tĕšín
Printed in the Czech Republic

www.bibelwerk-impuls.de

eISBN 978-3-460-51013-5

ISBN 978-3-460-25318-6

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Yvonne Sophie Thöne

ZUM THEMA

Land-Lust oder Frust?

Zur Bedeutung des Landes in der Bibel

Bettina Eltrop

Der Boom der Landzeitschriften

Sehnsucht nach Natur und Idylle in der
Gegenwartsgesellschaft?

Mareike Egnolff

BIBELTEXTE KONKRET

Leben vom Land

Landleben im alten Israel
Sara Kipfer

Gärten – Orte des Glücks

Die Bedeutung von Gärten in der Bibel
Eleonore Reuter

„Ein Land, in dem Milch und Honig fließen“

Biblische Impulse zur Land-Sehnsucht
Burkhard R. Knipping

Ich bin dann mal – angekommen?!

Wander- und Wohnlust in Ps 84 und
anderen Sehnsuchtstexten des Psalters

Nancy Rahn

Die Sehnsucht nach Verbundenheit

Psalm 104: Die Schöpfung als „Lebenshaus“
Yvonne Sophie Thöne

Lass den Baum noch dieses Jahr …!

Lk 13,6–9 oder: In Zeiten der Katastrophen
kommt die Hoffnung aus dem Garten

Katrin Juschka

BIBELARBEITEN

Leben vom Land

Gärten – Orte des Glücks

„Ein Land, in dem Milch und Honig fließen“

Ich bin dann mal – angekommen?!

Die Sehnsucht nach Verbundenheit

Lass den Baum noch dieses Jahr …!

ANHANG

Herausgeberinnen, Autorinnen/Autor und Redaktionskreis

Vorwort

In den letzten Jahren zeigt sich eine neue Hinwendung zum Ursprünglichen und Natürlichen. Der Anbau von eigenem Obst und Gemüse im (Schreber-)Garten liegt insbesondere unter jungen Leuten wieder im Trend, Hobby-Imkerei und Hühnerhaltung werden immer beliebter, Brot selbst zu backen steht hoch im Kurs und wochenendliche Landpartien gelten nicht länger als spießig, sondern als entspannt und nachhaltig. Auch in kleinen Manufakturen hergestellte Waren wie handgeschöpftes Papier, Bekleidung in Kleinstauflage oder liebevoll angefertigte Möbel erfreuen sich zunehmender Beliebtheit; zahlreiche junge Frauen und Männer greifen im „digitalen Zeitalter“ ganz manuell selbst zu Säge und Farbeimer, zu Nähgarn und Strickwolle. Dieses Phänomen ist auch im Zeitschriftenregal ablesbar, wo seit einigen Jahren mehr und mehr sogenannte „Landzeitschriften“ anzutreffen sind.

Landzeitschriften beschäftigen sich mit den oben genannten Themen, sprich mit den „schönen Seiten des Landlebens“. Sie geben Ausflugs- und praktische Gartentipps, präsentieren individuelle, ländliche Häuser und deren Einrichtungen und bieten – selbstverständlich alles fotografisch wundervoll in Szene gesetzt – kreative DIY-Anleitungen und Rezeptideen. Dabei wird das Land – im Gegensatz zur Stadt – als Sehnsuchtsort entworfen, das für Echtheit, Natürlichkeit und Entschleunigung steht. Die Zeitschriften regen an zu einem achtsamen und nachhaltigen Lebensstil, zum bewussten Erleben der Natur. Theologisch gesprochen, stehen diese Zeitschriften für ein Leben im Einklang mit der Schöpfung, gewürzt mit einer gehörigen Portion Romantik.

Das Landleben spielt auch in der Bibel eine herausragende Rolle, wenngleich nicht nur dessen „schöne Seiten“ thematisiert werden. Das Land stellt zunächst einmal die Lebensgrundlage der Menschen dar. Auf dem Land zu leben bedeutet in erster Linie, vom Land zu leben. Im alten Israel ist Landleben also vor allem mit alltäglicher, mühsamer Arbeit assoziiert, hinzu kommt die Abhängigkeit vom Wetter, das Bangen um die Ernte durch Naturkatastrophen. Das Land gilt in der Bibel aber auch als eine Gabe Gottes. Gott ist nicht nur der Schöpfer der gesamten Erde, sondern hat seinem Volk Israel auch ein Land verheißen (Gen 12,7; 13,15), ein gutes Land, in dem Milch und Honig fließen (Ex 3,8.17; Num 13,27). Theologische und politische Aspekte fließen hier ineinander. Die lustvollen Aspekte überwiegen, wenn Gärten in den Blick genommen werden. Sie gelten als Orte der Fülle, der Schönheit, des Glücks. Sie sind ein Ort, an dem der Mensch Natur kultiviert und damit – im kleinen Maßstab – seine Macht über die Schöpfung demonstriert (Gen 2–3; Koh 2,5–6). Von der Harmonie zwischen allen Geschöpfen, Menschen und Tieren, die in friedlicher Gemeinschaft miteinander leben, sprechen Texte wie Ps 104; der Psalm vermittelt ähnliche, am Einklang mit der Welt und Umwelt orientierte Ideale wie heutige Landzeitschriften. Im Geist dieser Magazine lässt sich auch Ps 84 nicht nur als antike Pilgerliteratur, sondern auch als Sehnsuchtstext neu entdecken. Das Wecken und Bedienen von Sehnsüchten – nach Erdung, Echtheit und Entschleunigung – ist schließlich Kernkompetenz der modernen Landpublikationen. Das neutestamentliche Gleichnis vom Feigenbaum (Lk 13,6–9) zeigt abschließend, dass in Zeiten der Katastrophen die Hoffnung aus dem Garten kommt. Im Gegensatz zu heutigen Entwicklungen bedeutet dies jedoch keinen Rückzug ins Private, sondern Reflexion und Umkehr, das tatkräftige Ergreifen neuer Chancen.

Dieser Band der FrauenBibelArbeit möchte Lust auf Land machen und dabei zeigen, dass die biblischen Landtexte weitaus vielfältiger sind als die Darstellungen in den modernen Zeitschriften. Sie scheuen nicht davor zurück, auch problematische Aspekte aufzuzeigen, sie klammern schweißtreibende Arbeit, lebensfeindliche Bedingungen, Dürre und Hunger oder Kämpfe um Landbesitz nicht aus. Doch natürlich sollen auch die idyllischen Bilder des antiken Landlebens nicht zu kurz kommen, die direkt Sehnsüchte ansprechen. Zu dem Wunsch nach einem Leben in Einklang mit sich selbst, der Gemeinschaft und der Natur gesellt sich vor allem noch das Verlangen nach Gott und seiner Nähe hinzu – ein Proprium der biblischen Texte gegenüber den Landzeitschriften. Was beide eint, ist jedoch diese zutiefst im Menschen verwurzelte Sehnsucht nach einem glücklichen und guten Leben.

In diesem Sinne wünscht eine anregende und lustvolle Lektüre

Yvonne Sophie Thöne

ZUM THEMA

Land-Lust oder Frust?

Zur Bedeutung des Landes in der Bibel

Bettina Eltrop

Sich mit dem Thema „Land“ in biblischen Texten zu beschäftigen ist kein harmloses Unterfangen. Mag das Thema in Deutschland zur Zeit mit einem romantischen „Zurück zur Natur“, mit Gartenträumen und einer gewissen Flucht aus der technisierten, unüberschaubaren Alltagswelt zusammenhängen – für das „Heilige Land“ (im engeren Sinn Israel/Palästina) klingen ganz andere Dinge mit: eng gesetzte Grenzen, mangelnder bis knapper Lebensraum, unsichere oder unrechtmäßige Besitzverhältnisse, gute bis sehr schwierige Bedingungen für die Landwirtschaft.

Das „Land“ gehört zu den ganz großes Themen der Bibel. Das erkennt man schon daran, dass das Thema am Anfang der Bibel breit aufgerollt wird: Es nimmt viel Raum im Buch Genesis ein und wird vor allem in den mythologischen Texten Gen 1–11 facettenreich entfaltet. Ab Gen 12 bis zum Buch Josua geht es im engeren Sinne um den Lebensraum des Gottesvolkes inmitten der anderen Völker: Verheißung des Landes, Landlosigkeit und immer wieder Neuaufbrüche. Über die Bücher der Geschichte und die Propheten zieht sich der Erzählfaden über das Neue Testament bis hin zum Buch der Offenbarung, in dessen letzten Kapiteln es schließlich darum geht, wie es sein wird, wenn die Verteilung und Nutzung des Landes keinen Streit und keine Wunden mehr entfacht, sondern es wirklich nur zum Leben und Heil für alle Menschen dient.

In der hebräischen Sprache gibt es zwei Wörter für „Land“: Der Erdboden, das kultivierbare Ackerland im Gegensatz zur lebensfeindlichen Steppe oder Wüste heißt adamah. Das Land als Festland gegenüber dem Meer und den Flüssen und als Gebiet in seinen geo-politischen Grenzen wird als eretz bezeichnet, wobei es in den biblischen Texten in der Wahl der Begrifflichkeiten auch immer wieder zu Überschneidungen und Unschärfen kommt. Aber mit den verschiedenen Aspekten beider Begriffe lassen sich die „Land“-Texte der Bibel schon einmal ganz grob einteilen:

Beim Thema „Land“ geht es ganz grundsätzlich um geschenkten Lebensraum und Lebensgrundlagen von Menschen und Tieren: um Erd-Land als Grundlage für die Möglichkeit, überhaupt zu (über-)leben, von den geschenkten Früchten des Landes zu essen, sie zu genießen und sich an den Wundern der Schöpfung zu freuen.

Sozial und wirtschaftlich ist das „Land“ ein möglicher Lebensund Wirtschaftsraum für Menschen(gruppen) im Gegensatz zu lebensfeindlichen Gebieten wie Meer, Wüste und Steppe – ab der Eisenzeit (ab 1200 v. Chr.) auch im Gegenüber zu den sich bildenden Städten.

„Land“ thematisiert auch ein bestimmtes Gebiet in seiner geographischen Gestalt und unter bestimmten geschichtlichen und geopolitischen Bedingungen.

Wichtig ist, stets im Hinterkopf zu haben, dass viele der biblischen Texte, die im Folgenden genannt werden, in einer Situation geschrieben oder in ihre Endgestalt gebracht wurden, in der das Volk Israel selbst kein Land hatte. Das Land war durch Kriege gegen die Großmächte Assur (8. Jh. v. Chr.), Babylon (6. Jh. v. Chr.) oder auch gegen Rom (1.–2. Jh. n. Chr.) verloren. Jedes Mal wurde auch ein Großteil der Bevölkerung und Eliten außer Landes gebracht. Texte über das Land entstehen in einer Situation, in der das Volk also selbst eigentlich „landlos“ ist. Vielleicht ist das Land auch gerade deswegen Thema, weil im Exil, also „außer Landes“, die Sehnsucht nach der Heimat am größten ist?

Im Grundsatz: Land-Lust, Fülle, Geborgenheit (Gen 1–2)

Gleich die ersten Sätze der Bibel eröffnen das Thema mit einem großen Bekenntnis: Gott ist der Schöpfer von Himmel und Erde (eretz), die ohne Gott nur Tohuwabohu, Chaos wäre (Gen 1,1–2a). Gottes Geist und Gottes Schöpfungswort jedoch verwandeln das Land zu einem wohlgeordneten Lebenshaus, in dem Pflanzen, Tiere und Menschen Platz haben (Gen 1,1–2,3). Die Pflanzen dienen Menschen und Tieren zur Nahrung, alles ist in Harmonie. Jeder Mann und jede Frau trägt Verantwortung für Gottes gute Schöpfung (Gen 1,28) – was sonst im Alten Orient nur den Königen zukommt.

Im zweiten Schöpfungstext (Gen 2,4–25) wird das Land ähnlich wie in Gen 1 als von Gott geschaffener und geordneter Lebensraum beschrieben: Der aus dem Erdboden (adamah) geformte Erdling/Mensch (adam) wird von Gott in den Garten Eden, den „Garten der Wonne“, gesetzt. Das hebräische Wort gan bezeichnet ein durch einen Wall oder Zaun umfriedetes Stück Land, das Geborgenheit und Sicherheit bietet und kultivierbar ist (siehe dazu auch den Beitrag von Eleonore Reuter auf Seite 37). Der besondere Charakter dieses Lebensraumes in Gen 2 ist, dass es sich um einen Baumgarten handelt (Gen 2,9), den Gott für den Erdling angelegt hat. Er übergibt ihn dem Menschen, damit er ihn weiter hege und pflege (Gen 2,15). Auch dies kann als implizite Anspielung auf die Privilegien der Könige der Alten Welt gelesen werden: Baumgärten waren Luxusgärten, in der Regel bei Königspalästen oder an Tempeln angelegt, um in der Hitze des Tages Schatten und Erholung und zu bieten – und im Laufe des Jahres immer wieder herrliche Früchte. In Gen 2 ist dieser königlich-göttliche Baumgarten der Lebensraum für „den“ = alle Menschen.

So werden in den ersten beiden Kapiteln der Bibel im mythologischen Gewand überzeitliche Menschheits-Träume in Sprache gefasst: Alle Menschen leben in und von der Erde; alle Menschen sind wie Könige für sie verantwortlich und dürfen die Früchte der Erde, die einfach für sie da sind, genießen. Sie erleben in ihrem Lebensraum Fülle, Geborgenheit und Gottes fürsorgliches Handeln.

Die Härte des Landes und seine Bedrohung (Gen 3–11)

Doch dabei bleiben die Schreiberinnen und Schreiber der biblischen Texte nicht stehen. Die andere Seite des Landes, die mühsame Arbeit, die das Kultivieren eines Ackerbodens bedeutet, um sich davon ernähren zu können, wird ebenfalls benannt: Nur unter großer Mühsal und Arbeit kann die Erde urbar gemacht und von ihr das nötige Brot gewonnen werden, das der Mensch zum Leben braucht (3,17–19). Dies spiegelt die Realität, dass das Land für Menschen nicht nur ein Garten der Wonne ist (3,23f.), sondern auch schwerste Arbeit bedeutet – ohne Garantie, dass am Ende die Erde Ertrag bietet (4,12).

Vor allem aber brechen die folgenden Kapitel der Genesis bewusst mit der Illusion, mit dem von Gott gut eingerichteten Lebenshaus sei einfach auch alles andere gut. So wird ab Gen 4 das Land, die Grundlage des Lebens, bedroht von Gewalttaten der Menschen. Das erzählt die Geschichte des Brudermordes Kains an Abel: Menschen tränken durch Gewalttaten und Mord an ihren Menschengeschwistern auch das Land mit Blut, das sich daraufhin weigert, Früchte zu tragen (4,10–12). Doch die menschliche Gewalt auf der Erde steigt trotzdem immer weiter, bis das in der Sintfluterzählung in Gen 6–9 zum Untergang fast aller Lebewesen und auch des Landes führt. Alles wird von chaotischen Wassermassen bedeckt – ein Bild fast wie bei der Urflut in Gen 1,2.