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Justin C. Skylark

 

Bis dass der Tod euch scheidet

 

 

 

Impressum

© dead soft verlag, Mettingen 2010

http://www.deadsoft.de

© the author

http://www.jcskylark.de

 

Cover: Irene Repp

http://www.daylinart.webnode.com

Coverbild: Raisa Kanareva – fotolia.com

 

Dieser Text ist Fiktion. Übereinstimmungen mit lebenden oder toten Personen sind zufällig.

 

3. überarbeitete Neuauflage 2018

ISBN 978-3-934442-27-6

ISBN 978-3-96089-229-8 (epub)

 

Inhalt:

Black Metal und EBM haben recht wenig gemeinsam, findet Dylan Perk, der cholerische Sänger der Electro-Band RACE. Für eine Festival Tournee muss er allerdings über seinen Schatten springen, denn ausgerechnet die norwegische Black Metal Band Wooden Dark, mit ihrem gefürchteten Frontmann Thor Fahlstrøm, soll mit von der Partie sein. Schon bei ihrem ersten Zusammentreffen stellt sich heraus, dass sich der streitsüchtige Dylan  und der geheimnisvolle Thor in nichts nahe stehen. Ein Kampf um Macht und Stärke beginnt, in dem Dylan gefährlich dicht an seine Grenzen gerät – und letztendlich doch seinen Gefühlen unterliegt. In dieser Geschichte stoßen zwei Männer aufeinander, die unterschiedlicher nicht sein können, sich dennoch wie magisch anziehen.

 

 

Kapitel 1

 

Er beugte sich leicht über das Waschbecken und spuckte aus. Es war eindeutig Blut, das sich zäh dem Abfluss entgegen schlängelte, doch er hatte schon schlimmere Dinge erlebt.

Ein Blick in den Spiegel zeigte, dass seine Unterlippe ramponiert war. Das war auch nicht tragisch. Von Weitem würde man die Verletzung nicht sehen können. In zwei Tagen würden sie wieder in England und die Platzwunde verheilt sein.

Er spürte eine kühle Hand im Nacken. Zum Glück kein Coolpack, wie letztens, als er Nasenbluten hatte, und die plötzliche Kälte des Kühlelements seinen Körper binnen einer Sekunde fast schockgefroren hatte.

„Was war denn diesmal, Dylan?“, fragte Tony. Daumen und Zeigefinger massierten den Nacken des Verletzten, der noch immer nachdenklich in den Spiegel starrte und dann missmutig knurrte: „Nichts Wichtiges.“

Tony hob die Augenbrauen an. Nichts Wichtiges. Eigentlich war nichts wichtig, was Dylan sagte und tat, was er anstellte oder sein ließ. Trotzdem stand es jeden Tag brühwarm in der Zeitung. Das war doch auch nicht normal.

Zoff gab es eigentlich ständig. Während der Fahrt, nach der Show und manchmal auch davor. Dass sich Dylan diesmal mit dem Roadie angelegt hatte, der fast einen Kopf größer war, als er, das war mal wirklich ungewöhnlich. Die Zeitungen würden berichten, jede Wette. Die Reporter lauerten doch überall.

„Dann ist Schluss für heute“, äußerte sich Tony in seiner bestimmenden Art. Die passte sogar zu seinem Äußeren. Er war groß und stämmig, und seine langen, schwarzen Haare waren meist zu einem Zopf gebunden. Optisch hätte er besser in die Mittelalter-Szene gepasst. Doch es schien, als hätte er es zu seiner Lebensaufgabe gemacht, den hageren Dylan mit dem Herz für Electro auf Schritt und Tritt zu beaufsichtigen, quasi dessen Kindermädchen zu spielen. So auch heute.

„Lass mich wenigstens noch einen Drink nehmen und die Fans abchecken“, startete Dylan eine der Verhandlungen, die meist zugunsten von Tony ausgingen. Und mit dem legte sich selbst Dylan nicht gerne an.

„Ein Dosenbier im Hotel, mehr ist nicht drin.“ Tonys Hand lag noch immer fest in Dylans Nacken. Und er löste sie auch nicht, als er den Sänger langsam aus dem Bad schob, zurück in den Backstage-Bereich, vorbei an der Security.

„Keine Interviews, heute!“

Tonys Stimme war ermahnend. Die Bodyguards formierten sich ohne weitere Anweisungen. Dylan schlüpfte in seine schwarze Felljacke, senkte dabei aber den Kopf, hob den rechten Arm, um sein Gesicht, und somit auch die verletzte Unterlippe, aus dem Rampenlicht zu halten. Es gelang ihm nur teilweise. Das Gedränge war groß, die Reporter kaum abzuwimmeln.

Es dauerte einige Minuten, bis Dylan auf dem Rücksitz des Grand Cherokees mit den getönten Scheiben Platz nehmen und entspannt durchatmen konnte. Es tat wirklich nur seine Lippe weh. Der Faust, die in sein Gesicht geschnellt war, konnte er nicht zeitig ausweichen. Dabei legte er Wert auf gute Kondition und Schnelligkeit. So etwas konnte nie schaden. Besonders dann nicht, wenn man sich die Welt gerne zum Feind machte.

Weswegen gab es eigentlich diesmal Streit?

„So, geschafft!“ Tony nahm neben ihm Platz und zog die Wagentür zu. Das hinderte die Presse nicht daran, gegen die Scheibe zu klopfen und Fotos zu machen. Auch der Wagen hinter ihnen, in dem die anderen Bandmitglieder saßen, wurde umlagert. Zum Glück waren sie diesmal nicht mit dem großen Tourbus unterwegs. Das hätte womöglich Verkehrsopfer gefordert.

„Fahr los!“, befahl Tony dem Fahrer des Wagens. „Zum Hotel, ohne Umwege.“

 

Das Hotelzimmer war abgedunkelt, jedoch fiel ein Strahl der Sonne aufs Bett, sodass Tony problemlos die Tageszeitung studieren konnte.

Natürlich schrieb man wieder über Dylan Perk. Etwas anderes schien die Menschheit zwischen Politik- und Börsennachrichten derzeit nicht zu interessieren.

Ein kleiner Trost vielleicht, dass sein Gesicht diesmal nicht auf der Titelseite erschien, sondern lediglich eine mittelmäßige Berichtsspalte am Ende der Zeitung über den neusten Eklat informierte.

Der Roadie, der am Tag zuvor handgreiflich geworden war – oder war Dylan wieder der Angreifer gewesen? – wollte sich nicht zu dem Vorfall äußern.

Tony rechnete mit keiner Anzeige. Gegen Dylan Perk würde vielleicht kein Kläger gewinnen. Jedenfalls hatte es zuvor noch niemand versucht.

Das Foto, das den Artikel begleitete, war schlecht. Dylan hatte seinen Arm vor das Gesicht gehalten. Man erkannte ihn nur anhand der schwarzen Haare, die wie Stacheln von seinem Kopf abstanden. Dylan verbrachte oftmals über eine Stunde damit, seine Frisur zu richten.

Aber die aufgeplatzte Lippe war auf dem Bild erkennbar. Ebenfalls das getrocknete Blut an seinem Kinn.

Tony legte die Zeitung beiseite. Sein Schützling war kein Skandal-Rocker, wollte es nie werden. Doch das verdammte Temperament, das ständig mit ihm durchging, konnte man nicht wirklich zügeln. Sogar Tony hatte oftmals Probleme damit und ebenso keine Lösung für diesen Fall parat.

Es ließ sich kaum vermeiden, dass man den großen, blassen Sänger der Gruppe RACE, als Electro-Freak oder Schwarze Furie betitelte.

Trotz allem, mochte man ihn. Einen derart großen Erfolg hatte die Band nie geplant. Die Mädchen der Schwarzen Szene vergötterten ihren Dylan wie einen Popstar, dabei machte er keinen Hehl daraus, dass er schwul war.

Vielleicht war das der Grund, warum sich Dylan oftmals nicht zusammenreißen konnte und regelrecht ausflippte, erwischte man ihn zur falschen Zeit am falschen Ort.

Der alltägliche Wahnsinn hatte in seinem Kopf längst Einzug gehalten. Und vielleicht genoss er es, die unberechenbare Diva zu spielen.

Das Spiel mit dem Feuer war ja auch nicht zu verachten. Zwischen Alltagstrott Studio und den Publikumsauftritten live on stage war eine gewisse Abnormität nur zu begrüßen.

 

Zuerst rekelte er sich langsam im Bett, schien zu überlegen, ob es überhaupt Sinn machen würde, die Augen zu öffnen. Ein freier Tag stand bevor. Kein Konzert. Nur ein Pressetermin am Abend, später die Rückfahrt nach London.

„Nun sag nicht, du hast wieder neben mir im Bett gepennt?“, gab Dylan von sich, als er die Lider anhob. Meist klang seine Stimme sanft, fast unmännlich, auch wenn sie oftmals Worte voller Unmut hervorbrachte.

„Es schien mir angebracht, nach dem Vorfall gestern“, erklärte Tony sein Verhalten. Mit einem Zeigefinger, an dem, wie an den anderen Fingern, ein silberner Ring steckte, deutete er auf die Zeitung.

„Es steht schon wieder in den Medien.“ Er schüttelte den Kopf. Eigentlich hatte er sich seine Arbeit anders vorgestellt. Er wollte RACE managen, sie unterstützen und auf den richtigen Weg leiten. Er wollte keine Newcomer Band groß herausbringen, noch dessen Sänger bemuttern, doch genau das war inzwischen geschehen. Es gab kein Zurück mehr.

„Man sollte mit der Band eure Musik in Verbindung bringen und nicht deine Eskalationen.“

Tony seufzte unzufrieden. Wie oft hatte er diesen Satz schon hervorgebracht?

 

Die blonde Frau im schwarzen Kleidchen, das sie sicher selten trug, es mit größter Wahrscheinlichkeit nur für Dylan angezogen hatte, fragte seit über einer viertel Stunde die Fragen, die Dylan schon zig Mal beantwortet hatte.

Trotzdem zeigte er sich zugewandt.

Tony saß ihm im Nacken. Zudem wollte er sich von seiner besten Seite zeigen.

Sein Gesicht war durch eine Sonnenbrille verdeckt. Er war ungeschminkt, was man durch die getönten Gläser nicht erkennen konnte. Er lächelte freundlich, auch wenn man seine Ungeduld erahnen konnte, immer dann, wenn er mit seinen schlanken Händen, deren Fingernägel schwarz lackiert waren, über seine schwarze Lackhose strich oder die Beine nervös übereinanderschlug.

Das Interview hätte nicht langweiliger sein können, es schien das langweiligste, welches Dylan je erlebt hatte, bis die blonde Frau zu einer sehr ungewöhnlichen Frage kam und damit unerwartet erneuten Lebensgeist in Dylans fahles Gesicht zauberte.

„In der neusten Ausgabe des Metal-Magazins ARCH äußerte sich der Sänger einer bekannten Black Metal Band extrem abwertend gegenüber Ihrer Musik. Was empfinden Sie, wenn Ihnen eine derartige Ablehnung entgegentritt?“

Dylan richtete sich etwas auf. Ablehnung? Er schielte auf die Notizzettel der jungen Frau, konnte allerdings von der weiten Entfernung keines ihrer Worte entziffern.

„Was wurde denn da behauptet?“, startete er zuerst eine Gegenfrage. Er war auf der Hut. Über Ablehnung seiner Musik hatte er noch nie in der Öffentlichkeit gesprochen. Manchmal kam es ihm vor, als ob niemand seine Musik bemängelte.

Die Reporterin sah auf ihre Notizen und zitierte:

„Die Band RACE ist eine Lachnummer mit einfallslosen Texten, anspruchslosen Computerrhythmen und Typen, die an überschminkte Clowns erinnern. Ihr Sänger ist eine …“

Die Frau stoppte. Die Röte schoss in ihr Gesicht. Zaghaft sah sie Dylan an.

„Es tut mir leid, aber die Worte, die weiter verwendet wurden, mag ich wirklich nicht in den Mund nehmen.“

Dylan schluckte verkrampft. Er konnte kaum glauben, was er gehört hatte. Wie sollte er darauf reagieren? Er drehte seinen Kopf zu Tony, der ebenso überrascht seinen Blick erwiderte und signalisierte, dass Dylan auf jeden Fall etwas dazu sagen musste.

„Zeigen Sie mir die Worte“, forderte Dylan mit ernster Stimme. Daraufhin reichte die Reporterin ihm den Zettel, mit den Worten, die über ihn gefallen waren. Es war nur ein Satz, doch der schockierte Dylan umso mehr. Still gab er der Frau die Notiz zurück.

„So etwas sollte man nicht ernst nehmen“, sagte er dazu. Dabei konnte man ihm ansehen, dass er innerlich mit sich kämpfte. Am liebsten wäre er explodiert. Am liebsten wäre er aufgesprungen, hätte den Zettel zerrissen und die Reporterin übel beschimpft und vielleicht auch bespuckt. Doch irgendetwas zügelte ihn. Und das kam selten genug vor. Er zog die Mundwinkel hoch und versuchte ein gestelltes Lächeln.

„Wer genau hat das gesagt?“, erkundigte er sich höflich. Im Hintergrund hörte er Tony, der nervös auf dem Stuhl herumrutschte. Sicher rechnete er mit einem erneuten Anfall seines Schützlings, doch nichts dergleichen geschah.

Die Frau blickte wieder auf ihre Notizen. „Thor Fahlstrøm, Sänger der Band Wooden Dark.“

Dylan überlegte. Wooden Dark? Kannte er diese Band? Er hatte zuvor noch nie etwas von denen gehört.

„Äh, entschuldigen Sie!“, ertönte Tonys Stimme. Er war aufgestanden und kam näher. „Wir haben keine Zeit mehr. Wir müssen das Interview leider beenden.“

 

Erst im Auto zum Flughafen war Dylan wieder in der Lage, über den Vorfall zu sprechen. Er hatte nichts daran auszusetzen, dass sein Manager das Interview vorzeitig beendet hatte. So musste er sich wenigstens nicht weiteren unangenehmen Fragen stellen.

Trotzdem hatte ihn das Gespräch mit der Reporterin nachdenklich gemacht, und das blieb auch vor Tony nicht verborgen.

„Was stand denn nun auf dem Zettel?“, fragte er neugierig. „Wie hat dich dieser Typ betitelt?“

Dylan hob seine Oberlippe an, zeigte seine makellosen Zähne, als wollte er Tony nur anfauchen und ihm keine wirkliche Antwort liefern.

Aber auch Clifford und Angus, die beiden Bandkollegen, fuhren mit im großräumigen Van, in dem sie sich gegenübersaßen, und sie sahen Dylan ebenso fragend an.

„Er hat gesagt, dass ich eine abgelutschte Latexfotze sei …“ Dylan biss die Zähne fest zusammen, blickte dann aus dem Fenster. Er wollte gar nicht sehen, wie seine Freunde, und erst recht nicht Tony, darauf reagierten.

Erstaunlicherweise erklang kein Gelächter, nicht einmal ein blöder Spruch, sondern tatsächliche Betroffenheit.

Clifford beugte sich ein wenig vor. „Und wer hat das gesagt?“

„Irgend so ein Thor Fahlstorm …“, zischte Dylan, dabei sah er noch immer planlos aus dem Fenster.“

„Fahlstrøm“, korrigierte ihn Tony.

„Dann eben Fahlstrøm, ist doch auch egal …“

Eine peinliche Stille setzte ein. Clifford und Angus wechselten kurze Blicke, auch mit Tony, bis Angus sich zögerlich äußerte:

„Also, egal dürfte dir das nicht sein … Thor Fahlstrøm ist Sänger der wohl berühmtesten Black Metal Band überhaupt.“

Da drehte Dylan seinen Kopf. Es war wieder dieses aggressive in seinem Ausdruck, was andeutete, dass er am liebsten ausgeflippt wäre. Doch auch Angus gegenüber wusste er, sich zu beherrschen.

„Was kümmert mich eine Black Metal Band? Gibt es nicht genug Trash in der Szene?“

„Na sicher“, erwiderte Angus. Es klang sogar ein wenig eingeschüchtert, „aber Fahlstrøm …“ Er schüttelte den Kopf. „den sollte man wirklich nicht zum Feind haben.“

 

Alle waren erleichtert, als sie zurück in England waren. Ein paar Tage Erholung standen auf dem Plan.

Derzeit teilten sich Tony und Dylan einen Bungalow in einer Londoner Vorstadt. Es kam nicht selten vor, dass auch Clifford und Angus in dem großen Haus unterkamen.

Da die Band ständig unterwegs war, konnte niemand von ihnen wirklich sesshaft werden.

Niemand sprach darüber, sich in seiner Freizeit abzukapseln. Zu jeder Gelegenheit hockten die Männer zusammen, und gebunden war, bis auf Clifford, sowieso niemand.

An einem großen Tisch fanden sie sich meist am späten Vormittag zusammen, um zu frühstücken.

Am ersten Tag ihrer Rückkehr war es sonderlich still in ihrer Runde, besonders Tony hatte nachdenkliche Falten auf der Stirn.

Als alle wenigstens einen Kaffee getrunken hatten, wagte er sich mit einer Neuigkeit heraus:

„Es ist ein Fax angekommen. Unsere Plattenfirma plant mit anderen Sponsoren eine Festival-Tournee, bei der wir als Hauptact fungieren sollen.“

Sofort sahen die anderen auf. Die Neuigkeit schien ihnen zu gefallen.

„Festivals? Wie viele?“, fragte zuerst Dylan.

„Sechs in Europa, vielleicht auch eine Show in Amerika, das steht noch nicht fest. – Terminmäßig würden wir es hinbekommen.“

Clifford, der Keyboarder der Band, von den meisten nur Cliff genannt, grinste zufrieden, während er seine Cornflakes zerkaute.

„Das heißt also, den Sommer über sind wir ausgebucht? – Wir hätten genug Aufträge, um im Herbst eine Pause einlegen und im Winter an einem neuen Album arbeiten zu können?“

Tony deutete ein Nicken an.

„Das ist echt cool!“ Cliff schien begeistert. Und auch Angus, der Gitarrist von RACE, sah zufrieden aus. Nur Dylan, der ihren Manager Tony besonders gut kannte, ahnte, dass die Sache nicht ganz so wundervoll war, wie sie sich anhörte.

„Warum zögerst du? Warum sagst du nicht einfach zu, und wir machen die Gigs?“

Tony antwortete nicht sofort. Er überlegte, wie er am besten hervorbringen konnte, was ihm an der Sache nicht gefiel.

„Es wird das sogenannte „Black Festival“, mit drei anderen Bands. Neben uns, als Vertreter des Electro- Sounds, wird eine Band aus dem Gothic Rock und eine aus dem Mittelalter-Bereich auftreten.“

Dylan wartete, doch Tony sprach zuerst nicht weiter, sodass der Sänger ungeduldig wurde.

„Ja, und? Wo ist das Problem?“

Tony atmete tief durch, bis er erklärte: „Wir sollen quasi das Zugpferd der Veranstaltung sein, ebenso, wie eine Band aus der Black Metal Szene.“

Wie erwartet, verdrehte Dylan die Augen.

„Black Metal?“ Hatte er diese Worte nicht schon gestern in den Mund nehmen müssen?

„Was soll der Scheiß?“

Cliff nahm ihren Manager sofort in Schutz.

„Das ist bei Festivals so üblich. Mehrere Musikstile sind vertreten, darüber muss ich dich wohl nicht aufklären.“

Dylan schnaubte, noch immer uneinsichtig. „Aber Black Metal, als Headliner, mit uns …“

Er schüttelte den Kopf.

„Du lebst zu sehr in deiner eigenen Welt“, äußerte sich Tony dazu. „Du musst lernen, auch mal über den Tellerrand zu sehen. Es gibt noch andere Musikrichtungen in der schwarzen Szene, außer Electro …“

Er sah Dylan belehrend an, und der schwieg bei dieser Anschuldigung ausnahmsweise.

„Ich sehe da eher ein anderes Problem“, gab Tony endlich zu.

„Und das wäre?“, fragte Angus neugierig.

Wooden Dark ist die Black Metal Band, mit der wir touren sollen.“

Sofortige Stille stellte sich ein. Auch Dylan starrte plötzlich nur noch ins Leere.

„Ja, und?“, sagte Clifford schließlich. „Mich stört es nicht, mit anderen Bands zu touren. Ob es nun mit Wooden Dark ist oder jemand anderem.“

Tony schüttelte leicht den Kopf.

Wooden Dark ist für mich auch nicht das eigentliche Problem, sondern der da!“

Er zeigte auf Dylan. „Wenn er sich so präsentiert, wie bei anderen Auftritten, brauchen wir die Tour erst gar nicht antreten.“

Dylan regte sich nicht, obwohl die Anspielung auf seine Person bei ihm angekommen war. Den Blick noch immer nach vorne gerichtet, zeigten seine Augen keine Regung, als sein Mund sich langsam öffnete.

„Aha, ich bin also Schuld, wenn du die Sache für uns nicht klarmachst?“

Tony nickte. Da gab es nichts zu diskutieren.

„Wenn du dich schon mit Zimmermädchen, Roadies und Fans anlegst, möchte ich nicht wissen, was passiert, wenn du auf Thor Fahlstrøm triffst.“

Man hörte Angus unterdrückt kichern.

Dylan erhob sich daraufhin ruckartig. Er trug ein hautenges, schwarzes Longsleeve und eine enge Bondagehose. Sein Haar war nicht gestylt, aber frisch gewaschen. Seine Augen funkelten umso mehr.

„Was habt ihr bloß immer mit diesem Fahlstrøm? Ist der denn wirklich so schlimm?“

Keiner seiner Freunde antwortete. Es stellte sich eher ein beklemmendes Schweigen ein, das in Dylan fast ein wenig Furcht hervorrief. Konnte das sein? Er war nie furchtvoll gewesen, noch nie zuvor …

„Bis wann müssen wir den Vertrag unterzeichnen?“, fragte er gezielt.

Tony antwortete ebenso direkt: „In ein bis zwei Wochen.“

Dylan nickte nachdenklich. Er ging ein paar Schritte durch den Raum, wobei seine dicken Boots mit den etlichen Silberschnallen erstaunlicherweise keinen Laut erzeugten.

„Was sind die Leute von Wooden Dark für Landsmänner?“, fragte er. Es klang interessiert.

Clifford, der sich besonders gut in der breitgefächerten Musikszene auskannte, antwortete zuerst. „Norweger.“

„Wohnen die auch in Norwegen?“, hakte Dylan nach.

Cliff hob die Schultern leicht an. „Weiß nicht, denke schon. Die Nordlichter dort oben sind doch heimatverbunden.“

Dylan blieb stehen, drehte sich seinem Manager zu und forderte:

„Ich möchte, dass du mir ein paar Informationen über diesen Thor Fahlstrøm heraussuchst und mir ein Flugticket nach Norwegen organisierst, am besten schon morgen.“

Tony dachte, schlecht gehört zu haben. Er lächelte verunsichert.

„Wie bitte? Du gibst mir Befehle?“

Dylan nickte ernst.

„Du bist für das Wohl der Band verantwortlich. Und wir wollen diese Tournee. Und ich lasse nicht zu, dass du den Vertrag nicht unterschreibst, nur weil du Angst hast, ich würde mich mit einer der Bands nicht vertragen!“

Sein Standpunkt klang einleuchtend. Seine Bandkollegen nickten zustimmend, doch Tony blieb skeptisch.

„Wir können das sicher anders regeln. Was soll diese Schnapsidee mit Norwegen?“

Musste Dylan das noch erklären? Es lag doch auf der Hand, was er vorhatte:

„Ich werde mir ein Bild von Thor Fahlstrøm machen, und euch zeigen, dass dieser Typ uns nichts anhaben kann. Ich werde ihn besuchen, ein Bier mit ihm trinken, Freundschaft schließen und dann machen wir diese Tour!“

 

Am Abend saß Dylan in seinem Zimmer. Es war nach Mitternacht, und er studierte die Artikel über Thor Fahlstrøm, die Tony ihm aus dem Internet gezogen hatte.

Man bezeichnete Fahlstrøm als Irren, Geisteskranken, als den schlimmsten Black Metaller, seit Varg Vikernes.

Doch warum?

Dylan nippte zwischendurch an einem Glas Rotwein. Inzwischen war ihm ein wenig schwindelig. Ein Blick auf die Flasche Port deutete darauf hin, dass er gut zwei Drittel davon intus hatte. Doch nur so konnte er den Inhalt der Texte verkraften, wie es schien.

Was er las war unglaublich! Das konnte gar nicht stimmen, sicher nicht.

Als jemand seine Zimmertür öffnete, schaute er auf. Es war Tony, der wie jeden Abend nach ihm sah.

„Du solltest schlafen gehen, wenn du morgen fit sein möchtest.“ Er kam näher. „Wenn du willst, bringe ich dich zum Flughafen.“

„Das wäre wunderbar.“ Dylan lächelte sanft, dankbar, was selten vorkam. In seinen glänzenden Augen konnte man den Wein förmlich fließen sehen.

„Und?“ Tony deutete auf die Berichte. „Interessant?“

Dylan zögerte einen Moment. Er sah auf die Ausdrucke, die auch Bilder von Thor Fahlstrøm enthielten, allerdings zeichneten sie sich auf dem Druckerpapier viel zu dunkel und von schlechter Qualität ab.

„Ich bin mir nicht schlüssig“, antwortete Dylan nach einer gewissen Zeit. „Die Presse kann viel erzählen. Es gibt Gerüchte, falsche Begebenheiten, Rätsel und Sonderheiten, wo immer sich eine berühmte Persönlichkeit befindet.“

„Mmh.“ Tony setzte sich mit aufs Bett, auf dem sämtliche Artikel, die er ausgedruckt hatte, ausgebreitet waren. „Ziemlich viele Gerüchte, wenn sie nicht stimmen sollten … Und du solltest nicht vergessen, dass wahre Black Metaller eigentlich einen Scheiß auf  Publicity geben.“

Da schwand das selige Lächeln aus Dylans Gesicht. Bissig konterte er:

„Willst du mir etwa auch weismachen, dass dieser Fahlstrøm mir gefährlich werden könnte?“

Tony zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung, ehrlich nicht.“ Er griff sich einen der Artikel. „Kirchenbrände – Sänger von Wooden Dark einst beteiligt?“, lautete eine der Überschriften. „Allerdings löst er bei den Journalisten großes Interesse aus.“

Über Handgreiflichkeiten, Gotteslästerungen, Körperverletzung und Morddrohungen schrieb man, stets in Zusammenhang mit Fahlstrøm. Fehden herrschten zwischen ihm und anderen Metal-Bands … Wie würde er erst dem Sänger einer Electro-Band gegenübertreten?

„Wer ist Varg Vikernes?“, fragte Dylan fast geistesabwesend. „Fahlstrøm wird hier einige Male mit dem verglichen.“

„Soweit ich weiß ein übler Typ aus der ehemaligen Black Metal-Szene, hat auch Kirchen angezündet, heidnische und nazistische Sprüche geklopft und saß ziemlich lange im Gefängnis wegen Mord.“

„Aha.“ Dylan starrte noch immer auf die Zettel. Was er hörte, gefiel ihm nicht.

„Willst du es dir nicht noch einmal überlegen?“, fragte Tony, als er das registrierte.

Dylan sah seinen Freund fragend an, als würde er nicht wissen, woraufhin der hinauswollte.

„Die Reise“, fügte Tony hinzu. „Muss das denn wirklich sein?“

Dylan nickte still. Für ihn stand längst fest, dass er diese Aufgabe zu erfüllen hatte. Er musste nicht nur sich selbst beweisen, dass er stark sein konnte, sondern auch seinen Bandkollegen zeigen, dass er willig genug war, ihre Karriere nicht zu gefährden.

 

 

Wenn die Schatten länger werden

und die Sonne untergeht für die kommende Nacht

ist unser Leid stärker

als Dunkelheit und Tod – die jetzt nah an unserer Seite weilen

(Übersetzt: Empyrium „When shadows grow longer“)

 

Kapitel 2

 

Dylans Flug führte ihn von London zum Osloer Airport Gardermoen. Dort mietete er sich ein Auto, um den weiteren Weg Richtung Zentrum zu nehmen. Er wollte allerdings nicht in die Stadtmitte, sondern in den Stadtteil Nydalen.

Gut fünfzig Kilometer musste er zurücklegen, bis er in der Nähe eine Unterkunft fand und in dem Radisson Hotel Nydalen einchecken konnte.

Von dort ging es weiter, denn er war noch nicht an seinem Ziel angekommen. Zudem besaß er nur dürftige Hinweise auf den derzeitigen Aufenthaltsort von Fahlstrøm.

Im Hotel hatte man ihn lediglich angelächelt, als er sich nach einem Thor Fahlstrøm erkundigte. Offensichtlich kannte man den Mann dort nicht, was für die Qualität des Vier-Sterne-Hotels sprach. Oder man vermied den Dialog über diesen obskuren Menschen, den Dylan, je mehr er sich mit der Angelegenheit befasste, unbedingt kennenlernen wollte.

Mit dem Auto erkundete er die umliegende Region. In einer belebten Einkaufspassage hielt er an, um ein Stück zu Fuß zu gehen.

Obwohl er schlicht angezogen war: mit enger schwarzer Hose und einer dicken Zip-Jacke, sahen ihn einige Menschen merkwürdig an. Lag es an seinen dunkel geschminkten Augen?

Als er es wagte, den Ersten anzusprechen, erhielt er keine Antwort.

Er konnte kein Norwegisch, doch das war nicht das Problem, denn die meisten sprachen hier perfektes Englisch.

„Excuse me“, startete er einen neuen Versuch, dabei berührte er einen ebenfalls schwarz gekleideten Mann am Arm. „Ich suche einen Thor Fahlstrøm. Wissen Sie zufällig, wo der wohnt?“

Der junge Mann blitzte ihn mit scharfem Blick an. „Ich weiß es nicht genau und um ehrlich zu sein, will ich es auch gar nicht wissen.“

Eine weitere Antwort folgte nicht. Dylan seufzte. So würde er nie weiterkommen, doch den genauen Wohnort von diesem Black Metaller, wusste er beim besten Willen nicht.

Er ließ seine Blicke schweifen, und jene landeten schließlich auf einer Postfiliale. Die Angestellten konnten ihm doch sicher weiterhelfen!

Zielstrebig kehrte er dort ein und setzte ein freundliches Lächeln auf.

„Sorry, aber ich bin auf der Suche nach einem Mann namens Fahlstrøm. Die genaue Adresse habe ich leider nicht. Können Sie mir weiterhelfen?“

Auch der Postbeamte sah ihn befremdend an. Nicht unbedingt unfreundlich, aber in einem gewissen Maße erstaunt und zweifelnd.

Thor Fahlstrøm?“, erkundigte er sich.

Dylan atmete auf. „Ja, genau. Sie haben doch sicher ein Adressregister oder Ähnliches, ich …“

Weiter kam er nicht. Der Postbeamte begab sich an den Computer und tippte dort den Namen ein. Inzwischen war ein Kollege von ihm dazugekommen. Leise tuschelten sie. Dylan verstand kein Wort, dennoch bemerkte er, dass sie über ihn redeten und dabei den Kopf schüttelten.

„Nordberg, Sognsveien“, sagte der Postbeamte schließlich. Dylan hatte derweilen ein Notizzettel und Stift hervorgekramt, um alles schriftlich festzuhalten, aber weitere Informationen kamen nicht hinzu.

„Und wo finde ich das?“, erkundigte er sich, doch der Beamte ließ ihn einfach stehen.

„Es tut mir leid, wir haben zu tun.“

 

Seufzend trat Dylan zurück auf den Bürgersteig. Noch immer wusste er nicht, wohin. Aber immerhin war er einen Schritt weiter. Fahlstrøm war hier ein Begriff, das war ihm längst klar geworden. Doch dass ihm niemand die genaue Anschrift geben konnte oder wollte, ließ vermuten, dass er nicht direkt in Oslo wohnte, sondern außerhalb.

Dylan begab sich in einen Coffeeshop. Dort wärmte er sich auf. Obwohl es Anfang April war, herrschten in Norwegen winterliche Wetterverhältnisse.

Geistesabwesend schlürfte er seinen Kaffee, als er draußen auf der Straße ein Mädchen erblickte. Sie war dunkel gekleidet, hatte rot gefärbte Haare, ein blasses Gesicht und tiefschwarz geschminkte Augen. Ein Szene-Girl, ohne Zweifel; die kam wie aus heiterem Himmel und betrat zu Dylans Freude ebenfalls den Laden.

Als sie ihre Bestellung aufgegeben und sich gesetzt hatte, wagte Dylan einen erneuten Anlauf.

„Entschuldige“, fing er an und versuchte ein warmherziges Lächeln. Das kam bei den Fans immer an, obwohl er vermutete, dass das Mädchen ihn nicht sofort erkannte.

Kannte man ihn hier überhaupt? Hatten sie viele Platten in Norwegen verkauft? Er musste Tony unbedingt danach fragen.

„Ich suche Nordberg, die Straße Sognsveien …“

Das Mädchen nickte. „Ja, kenne ich. Ist ein paar Minuten von hier entfernt.“

Dylan schien erleichtert. Spontan setzte er sich mit an den Tisch.

„Wahnsinn!“, erwiderte er. „Kannst du mir den Weg beschreiben?“

„Klar, wo genau musst du denn hin? Sognsveien ist eine lange Straße, die verläuft sich quasi im Nichts.“

„Oh …“ Dylans Euphorie war sogleich erloschen. „Na ja“, druckste er herum. „Um ehrlich zu sein … Ich suche einen Mann, Thor Fahlstrøm.“

Als er das ausgesprochen hatte, setzte das Mädchen ihren Becher Kaffee geräuschvoll ab.

„Echt jetzt?“ Ihre Stimme klang fassungslos.

Es entlockte Dylan sofort ein verunsichertes Lächeln.

„Ist das so ungewöhnlich?“

Das Mädchen deutete ein Nicken an. „Schon. Mit dem will doch sonst niemand was zu tun haben.“

Aha! Jetzt wurde es interessant. Dylan beugte sich etwas vor. Es musste sie ja nicht unbedingt jeder belauschen.

„Wieso? Was ist denn mit dem?“, fragte er neugierig.

Sie zuckte mit den Schultern. „So genau kann ich es nicht sagen, aber er scheint gefährlich zu sein. Die Leute mögen ihn nicht, sie hätten gern, dass er hier nicht mehr wohnen würde.“ Sie sah Dylan fast vorwurfsvoll an. „Weißt du denn nicht, was man über ihn sagt?“

„Ja, doch, schon.“

Hatte er tatsächlich alles gelesen? Das meiste hatte er doch für pure Spinnerei gehalten. Und keine Ammenmärchen der Welt sollten ihn von seinem Vorhaben abbringen.

„Ich will ihn trotzdem besuchen. Rein geschäftlich, verstehst du?“

War es wirklich geschäftlich? Oder doch eher privat?

Das Mädchen holte tief Luft, nahm den Zettel von Dylan in die Hand und skizzierte den Weg.

„Du musst den Stadtteil Nordre Aker ganz durchfahren, bis du im Bezirk Nordberg ankommst. Am besten fährst du Maridalsveien, dann links auf die Carl Kjelsens Vei, und weiter rechts auf die Sognsveien, bis dich die Straße in Richtung des Sees Sognsvaten führt.“

Sie zeichnete Dylan alles auf, und der war sichtlich dankbar dafür.

„Und dann?“

„Immer weiter.“

„Ja, und ...“ Dylan runzelte die Stirn. „Wo wohnt Thor Fahlstrøm?“

Zähneknirschend sah sie ihn an. „So genau weiß ich es nich … Aber irgendwo in der Nähe der Seen Sognsvaten und Svartkulp. Sein Haus soll am Waldrand stehen, du wirst es sicher nicht verfehlen.“

Dylan lachte spöttisch. „Und wenn ich mich verfahre?“

Da grinste das Mädchen frech. „Es gibt nur die eine Straße dort, das wirst du schon finden.“

Dylan nickte. Ängstlich und dumm wollte er sich auf keinen Fall präsentieren, schon gar nicht vor einem ihm fremden Mädchen. Er sah sie schief an.

„Warst du schon einmal dort?“

Sie schüttelte den Kopf.

„Und woher weißt du das alles so genau?“

„Man spricht eben viel darüber“, sagte sie nur, und bevor sie sich erhob und ging, sah sie Dylan mitleiderregend an. „Ich wünsche dir wirklich viel Glück.“

 

Kurz darauf machte sich Dylan auf den Weg. Es war nachmittags, die Tage noch kurz. In der Nacht würden die Temperaturen bis unter den Nullpunkt sinken. Und auch am Tage war es nur um wenige Grad wärmer.

Er wollte das Treffen schnell hinter sich bringen und spätestens zur Dämmerung zurück im Hotel sein, um Tony von seinem Erfolg zu berichten.

Doch erst einmal finden - diesen Thor Fahlstrøm.

Die Skizze des Mädchens war jedoch hilfreich. Dylan folgte der Schnellstraße, bis er wie beschrieben links abfuhr, dem Weg weiter folgte und schließlich rechts in die Sognsveien abbog. Er hielt sich peinlich genau an die Verkehrsregeln, das hatte ihm das Mädchen noch eindringlich empfohlen. Verkehrssünder wurden in Norwegen nicht gerade zimperlich behandelt. Und eine Geldstrafe oder gar einen Gefängnisaufenthalt, wollte er auf keinen Fall riskieren.

Inzwischen befand er sich auf einem ruhigeren Straßenabschnitt. Die Tannen ringsherum wurden dichter, die Straße schmaler.

Letztendlich schlug er einen Weg ein, der ihn in den Wald leitete. Doch er war auf der richtigen Fährte. Hinweisschilder, die die beiden Seen ankündigten, versicherten ihm dies.

Inzwischen war ihm warm geworden. Er hatte die Heizung hochgestellt, ließ allerdings das Fenster herunter, um frische Luft zu schnappen.

Ein kühler Wind kroch ins Auto. Es roch nach Wildnis, Bäumen und Waldboden.

Dylan sah sich interessiert um. Wann hatte er das letzte Mal so eine wunderbare Landschaft gesehen? Er konnte sich nicht erinnern. Die letzten Monate hatte er in Großstädten oder bestenfalls an Touristenstränden verbracht.

Eine richtige Einöde herrschte hier. Zwischen den hohen Tannen erkannte er Schneeflächen, welche sogar weitläufiger wurden, je mehr er in den Wald hineinfuhr. Der Weg wurde steiniger und abschüssiger.

Kein Auto kam ihm entgegen, kein Wanderer. Niemand schien zu dieser Jahreszeit an die Seen zu wollen.

Dylan fuhr langsam. Und er drosselte das Tempo noch einmal, als er plötzlich ein Haus erblickte, das einsam am Wegesrand stand. Das musste es sein!

Er lächelte triumphierend und hielt an. Ein paar Meter ging er zu Fuß. Immer wieder sah er sich um, doch kein Mensch weit und breit beobachtete sein Tun.

Das kleine Häuschen war umringt von einem hölzernen Zaun. Es schien schon älter zu sein, sah ein wenig verkommen aus. Doch die Gewächse im Garten waren gepflegt. Trotzdem musste Dylan gezwungenermaßen an ein Hexenhäuschen denken. Ob der Hexer zu Hause war?

Vor der Gartenpforte blieb er stehen. Es gab dort zwei Briefkästen. Einen für M. Saarheim und einen für T. Fahlstrøm!

Dylan verharrte einen Moment. Er war wirklich angekommen! Hier wohnte also der Kerl, der ihn so übel beleidigt hatte. Er wusste nicht, was er in diesem Moment fühlen sollte. Freude? Wut? Zorn? Oder einfach nur eine kleine Erleichterung, weil er für seinen Weg und seine Bemühungen belohnt wurde?

Ihm blieb nicht viel Zeit, um darüber nachzudenken, denn mit einem Mal öffnete sich die Tür des Häuschens, und ein alter Mann trat hervor. Er war mit grauer Hose gekleidet und trug einen dicken Pullover dazu, ebenso in der Farbe grau. Er ging an einem Handstock, er hatte ein faltiges Gesicht mit kleinen Augen. Doch er hatte Dylan bemerkt und fragte:

„Kan jeg hjelpe deg?“

Dylan seufzte. So etwas in der Art hatte er fast vermutet. „Sorry, ich kann kein Norwegisch!“, erklärte er. „Können Sie Englisch verstehen?“

Der Mann zuckte mit den Schultern.

„Englisch. Sprechen Sie Englisch?“, wiederholte Dylan.

Der Mann lächelte und kam näher. „Bare litt.“

Dylan blieb zuversichtlich. Mit Händen und Füßen würde er sich wohl verständigen können.

„Ich suche Thor Fahlstrøm.“ Er deutete auf den Briefkasten.

„Ah! Thor!“ Der Mann nickte und lächelte. Ein gutes Zeichen.

„Ist er da?“, erkundigte sich Dylan und zeigte auf das Haus, dann auf sich. „Ich … möchte Thor sprechen.“

Der Mann schüttelte den Kopf. „Han er ikke her.“

„Was?“, erwiderte Dylan bestürzt. „Er ist nicht da? Nein?“

Wieder schüttelte der Mann den Kopf, dann deutete er auf den Weg, der weiter in die Wildnis führte. „Over det!“

Dylan folgte seinem Blick. „Dort? Er wohnt nicht hier, sondern dort?“

Jetzt nickte der Mann erneut.

„Aber die Post …“ Dylan zeigte abermals auf den Briefkasten, auf dem deutlich der Name Fahlstrøm stand.

Der alte Mann schien Dylans Verunsicherung zu merken. Er blieb freundlich und deutete ebenfalls auf den hölzernen Briefkasten. „Her … Post …“ Dann blickte er in die Ferne. „Thor …Over det!“

„Ach so.“ Dylan verstand, obwohl ihm die Umstände nicht gefielen. „Und wann kommt er mal, um seine Post zu holen?“

Der alte Mann zuckte mit den Schultern. „En gang i uken.“

„Wie oft?“, fragte Dylan nochmals nach. Wieso hatte er auch kein norwegisches Wörterbuch bei sich? „Täglich? Oder seltener?“

Der Mann hob den Daumen.

„Ein Mal?“, rätselte Dylan. „Nur ein Mal … in der Woche?“

Der Mann nickte.

„Shit!“ Dylan fluchte. Verbissen sah er in die Ferne. Sollte er jetzt aufgeben? Nur weil Fahlstrøm offensichtlich am Ende der Welt wohnte? Sicher nicht!

„Thanks a lot!“, bedankte er sich bei dem Mann. „Sie waren mir eine große Hilfe.“

 

Dylan fuhr weiter, obgleich ihm die Situation merkwürdig vorkam, doch sollte er jetzt umdrehen? Seine Reise als umsonst abstempeln? Gewiss nicht!

Das Seitenfenster hatte er wieder geschlossen, die Heizung im Auto lief weiterhin. Es war lausig kalt. Und die dicken Wolken am Himmel verhinderten inzwischen die letzten Versuche der Sonne, etwas Wärme zu spenden.

Nur schwer konnte Dylan sein Unwohlsein verdrängen. Mittlerweile kamen ihm Zweifel. Ob sein Vorhaben wirklich eine gute Idee gewesen war?

Er befand sich in Norwegen, an einem einsamen Ort. Sein Auto brachte ihn immer weiter weg von einer Zivilisation, in der er sich nicht ordentlich verständigen konnte. Er wusste nicht, was ihn erwarten würde. Sollte er nicht lieber umdrehen? Er konnte Tony und seinen Kollegen erklären, dass er Thor Fahlstrøm nicht gefunden hatte, und die Angelegenheit sowieso völlig unwichtig war.

Vielleicht war es auch so? Wer wusste schon, was ihm dieser alte Mann erzählt hatte? Vielleicht ein lächerliches Märchen? Wer war das überhaupt gewesen? Vielleicht nur ein seniler Mann, der überhaupt keine Ahnung hatte, wo sich Thor Fahlstrøm verbarg?

Und der Briefkasten? Warum stand dort ein Briefkasten mit Fahlstrøms Namen?

Vielleicht ein Fake? Um die Fans abzuhalten?

Oh, was mochten das für Fans sein, die hierher kamen?

Dylan stöhnte auf. Wie lange sollte er noch fahren? Den See Svartkulp hatte er hinter sich gelassen. Ein weiteres Schild signalisierte, dass er Kurs auf den Blanksjø-See nahm.

Okay, bis dahin wollte er noch fahren, aber gewiss nicht weiter!

Der Wald wurde immer dichter. Meine Güte, das Mädchen hatte recht! Diese Straße führte ins Nichts, ohne Zweifel!

„Oh, my god!“ Dylan schüttelte den Kopf. Er lachte über sich. Hatte er je so eine verrückte Sache durchgezogen? Neuen Gesprächsstoff lieferte das auf jeden Fall.

Im nächsten Moment war seine Aufmerksamkeit erneut geweckt. In der Ferne, zwischen den Bäumen, sah er Rauch aufsteigen.

Und je weiter er fuhr, desto genauer erkannte er, dass im Wald wirklich ein weiteres Haus stand. Der alte Mann hatte also nicht gelogen. Hier wohnte tatsächlich noch jemand. Vielleicht war das endlich das Haus, das Dylan suchte?

Ohne zu zögern, bog er in den schmalen Waldweg, der zum Anwesen führte. Dieses Haus besaß auch einen Zaun, doch der war alt, verrottet, an manchen Stellen zur Seite gedrückt und von dichtem Gestrüpp bewachsen. Es gab einen Sandplatz vor der Tür, auf dem zwei Geländewagen parkten. Das Haus schien bewohnt, und die Bewohner allem Anschein nach zu Hause.

Dylan hielt nicht direkt vor dem Gebäude, sondern ein paar Meter weiter. Als er ausgestiegen war, sah er, dass es sogar zwei Häuser waren, die hintereinander versetzt standen. Sie waren zweistöckig, der untere Sockel aus Stein, der Rest aus Holz. Auch die Fensterrahmen bestanden aus dunklem Holz. Das Dach war mit Moos und Gras bewachsen. Wie alt mochten diese Gemäuer sein? Kein Wunder, dass der Postbote offensichtlich den Weg hierher nicht auf sich nahm, um diese „Bruchbuden“ aufzusuchen.

Aus den steinernen Schornsteinen stieg Rauch empor. Und dass dort hinter den hölzernen Balken wohl der Mann verborgen war, den Dylan seit Stunden suchte, brachte eine gewisse Beklemmung mit sich.

Und diesmal wurde Dylan die erste Kontaktaufnahme nicht abgenommen. Kein netter, alter Mann trat aus der Tür und begann das Gespräch. Nun war es Dylans Aufgabe, als Erster zu handeln.

Aber deswegen war er ja auch hier, oder?

Er nahm allen Mut zusammen. Allein die Kälte ließ ihn hoffen, schon bald in das erwärmte Haus eintreten zu dürfen. Vor der Tür blieb er stehen. Es gab keine Klingel. Lediglich ein gusseiserner Türklopfer in Form eines Drachens war inmitten der Tür befestigt. Dylan griff nach dem eisernen Ring, der als Klopfelement diente, aber ehe er sich bemerkbar machen konnte, wurde die Tür geöffnet.

Ja, machte denn seine bloße Erscheinung die Leute hier auf ihn aufmerksam? Oder wie war das möglich …

Doch schnell erkannte er, dass der Mann, der die Tür geöffnet hatte, seine Anwesenheit zuvor gar nicht bemerkt hatte. Er war regelrecht erschrocken, als er Dylan vor der Tür stehend erblickte. Ein paar Schrecksekunden sahen sie sich an. Die Aufregung in Dylan erlosch allerdings sofort, als er den jungen Mann näher betrachtete.

Das sollte Thor Fahlstrøm sein? Der Mann, vor dem sich alle fürchteten?

Gemeinsamkeiten mit der Person, die Dylan auf den Bildern der Zeitungsartikel gesehen hatte, konnte er nicht feststellen. Der Kerl, der Dylan gegenüberstand, war schmächtiger, kleiner gebaut. Er hatte dunklere, wenn auch ebenso lange Haare, einen freundlichen, sanften Gesichtsausdruck, dazu schmale, blasse Lippen, jedoch ängstlich wirkende Augen. Nur seine Kleidung, bestehend aus schwarzer Lederhose und einem dunklen Hoodie mit Tribal-Aufdruck, ließen erahnen, dass er der Metal Szene entstammte.

„Hi!“, grüßte Dylan. Er hatte keine Probleme damit, auf Menschen zuzugehen. Schon gar nicht, wenn sie ihm auf Anhieb sympathisch waren, wie dieser junge Mann, der vor ihm stand und ihn anlächelte. 

„Hvem er du?“, fragte der Mann sogleich.

„Sorry?“ Dylan schüttelte entschuldigend den Kopf. „Ich spreche leider kein Norwegisch, aber du verstehst doch sicher Englisch, oder?“

Der junge Mann nickte, blickte Dylan aber weiterhin neugierig an.

„Ich bin Dylan Perk“, startete der einen Erklärungsversuch. „Ich suche Thor Fahlstrøm … Das bist nicht zufällig du?“

Der Fremde hob sofort die Hände und lachte schadenfreudig. „Nei! – Jeg er Erik Baardson.“

Die Enttäuschung in Dylans Gesicht nahm überhand. Schon wieder nicht! Was war das bloß für eine verzweifelte Suche?

„Dessverre, jeg må gå nå.“ Erik schob sich an Dylan vorbei, trat auf die Treppe zu und fixierte eines der Autos.

„Aber …“ Dylan konnte kaum glauben, dass er einfach stehen gelassen wurde. Was war das für eine Gastfreundschaft? „Wo finde ich Thor Fahlstrøm?“, rief er, inzwischen schon ein wenig genervt.

Erik drehte sich und deutete aufs Haus. „Innendørs! Han er i huset!“

Er bestieg ein Auto und brauste davon.

Dylan blieb vor der offenen Tür stehen. Sollte er einfach eintreten? Hätte er es nicht gedurft, hätte dieser Erik doch sicher die Tür hinter sich zugezogen, oder?

Dylan spähte vorsichtig ins Innere des Gebäudes. Es war komplett mit dunklem Holz ausgekleidet. Im Flur blieb er stehen. Seine Schritte erzeugten auf dem Parkettboden ein knarrendes Geräusch.

Links ging es ins Wohnzimmer, wo ein Kamin loderte. Ein rauchig, modriger Geruch lag in der Luft. Kerzen brannten, doch auf den beiden Sofas saß niemand. Rechts ging es zur Küche, die eine Sitzecke beinhaltete, aber auch dort war niemand. Das Holz verlieh dem Haus etwas Dunkles, märchenhaftes. Dylan fühlte sich wie in einer rustikalen Berghütte.

„Hallo?“, rief er waghalsig und spähte die schmale Holztreppe empor, die ins Obergeschoss führte. Kaum hatte er sich bemerkbar gemacht, vernahm er lautes Hundegebell. Zwei weiße Schäferhunde stürmten die Treppe herunter, rannten auf ihn zu, kläfften und knurrten ihn an.

Dylan trat sofort einen Schritt zurück. Vergeblich versuchte er, die Tiere zu beruhigen, dabei redete er friedlich auf sie ein, doch die Hunde hörten nicht auf, ihn zu fixieren und mit fletschenden Zähnen in Schach zu halten.

Das ganze Szenarium dauerte nur wenige Sekunden, doch Dylan kam es wie endlose Minuten vor. Wo war er nur hineingeraten? Worauf hatte er sich eingelassen?

Zu seiner Erleichterung ertönte plötzlich eine Stimme aus der oberen Etage: „Hold opp!“

Die Hunde reagierten sofort, machten kehrt und liefen die Treppe wieder noch oben und verschwanden in einem Zimmer.

Dylan hielt den Atem an. Würde jetzt vielleicht der Moment kommen, auf den er den ganzen Tag gewartet hatte? Er lauschte und tatsächlich … Er hörte Schritte, fest, wenn auch langsam. Und sie kamen näher.

Im Obergeschoss, wo Dylan drei Türen zu weiteren Räumen sah, rührte sich jemand. Schließlich erschien eine dunkle Gestalt. Sie trat aus einem Zimmer hervor und bewegte sich am Treppengeländer entlang. Das Licht war schummerig, aber Dylan erkannte, dass es sich um einen groß gewachsenen, athletisch gebauten Mann mit langen, dunkelblonden Haaren handelte, der auf ihn herabblickte.

„Ehm … Hi!“ Dylan hob seine rechte Hand und lächelte verwegen. „Ich bin Dylan Perk, von der Band RACE …“, erklärte er. „Ich suche Thor Fahlstrøm … Wollte mit ihm sprechen … “

Er erhielt keine Antwort, stattdessen schienen ihn die Blicke des Mannes regelrecht zu durchbohren. Ungewollt schlug Dylans Herz schneller. Hatte er etwas Falsches gesagt?

Der Mann ging das Geländer entlang, steuerte auf die Treppe zu, dabei ließ er Dylan nicht aus den Augen. Sprach er kein Englisch?

Nein … Das konnte nicht sein. Die Band Wooden Dark sang sicher auch englische Texte, oder?

Wenn es denn überhaupt Fahlstrøm war, der jetzt die knarrende Treppe herunterkam und ihn weiterhin anstarrte. War es ein böser Blick? Ein verachtender? Dylan konnte es nicht abschätzen.

Aber als der Mann immer näher kam, hatte er keine Zweifel mehr. Das war Thor Fahlstrøm!

Das schmale Gesicht, die hohen Wangenknochen, die langen, welligen Haare, die ihn wie einen Wikinger erschienen ließen, erinnerten Dylan an die Fotos, die er gesehen hatte. Er war unspektakulär gekleidet, mit einem schlichten schwarzen T-Shirt, das seine Tätowierungen an den Unterarmen und Händen nicht verdeckte. Dazu trug er eine dunkle, ausgewaschene Hose, ein Nietengürtel umschlang seine schmalen Hüften. Er war nicht geschminkt, hatte einen natürlichen hellen Teint, dazu starre, blaue Augen, einen Drei-Tage-Bart, der am Kinn länger wurde, wie Dylan erkannte, als sie sich schließlich gegenüberstanden. Um den Hals trug er Ketten, bestehend aus schwarzen Lederbändern und silbernen Satanskreuzen.

Da kam sich Dylan in seiner Zipper Jacke fast aufgedonnert vor.

„Hva gjør du ønsker?“, fragte der Mann mit dunkler Stimme und unterbrach damit die merkwürdige Stille zwischen ihnen.

„Sorry? Ich versteh dich nicht …“ Dylan lächelte verkrampft.

„Was willst du?“, bekam er darauf zu hören, und es klang keineswegs freundlich.

„Wie ich schon sagte“, erklärte Dylan noch einmal. „Ich bin Dylan Perk, von RACE …“

„Musst du mir nicht sagen, ich kenne dich Lackaffen“, antwortete der Mann, und bestätigte endgültig, dass es sich um Fahlstrøm handelte. Es stimmte also. Er hatte eine Abneigung gegen RACE und somit auch gegen Dylan. Die abfällige Bemerkung, die die Reporterin kaum zitieren wollte, war also wirklich gefallen.

Dylan holte noch einmal Luft. Es musste doch einen Weg finden, um vernünftig darüber reden zu können. Von Mann zu Mann …

„Wie du vielleicht weißt, startet im Mai diese Tournee. Wooden Dark und RACE werden Headliner sein …“ Er versuchte bewusst, seine Stimme ruhig zu halten.

Fahlstrøm sah ihn immer noch durchbohrend an. „Ja, eine Schande ist das“, sagte er.

Dylan sah zu Boden, seufzte tief. Konnte der Typ ihn nicht einmal aussprechen lassen?

„Okay.“ Er hob den Kopf wieder an. Jetzt hieß es wohl Klartext sprechen „Es ist mir völlig egal, was du von meiner Band und von mir hältst …“ Ja? War ihm das plötzlich egal?

Er verfolgte Fahlstrøm, der ins Kaminzimmer ging und sich an einer hölzernen Hausbar, bestehend aus Getränkeglocke und Beistelltisch, bediente und ein Glas Wein einschenkte.

„Oh, für mich bitte nichts!“, äußerte sich Dylan, als er das sah. Er trank zwar liebend gern und meistens auch viel zu viel, aber in der Regel nicht schon am Nachmittag.

„Wer sagt, dass ich dir etwas anbiete?“, zischte Fahlstrøm, ohne seinen Gesprächspartner anzusehen. Mit dem Glas Wein setzte er sich auf ein Sofa und nahm den Sichtkontakt wieder auf.

Dylan blieb im Türrahmen stehen. Er wagte nicht, den wohlig warmen Raum mit dem beruhigenden Kaminfeuer und dem Bärenfell davor, zu betreten. Unnötig sollte man Fahlstrøm sicher nicht reizen.