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Vollständige E-Book-Ausgabe der im Chiemgauer Verlagshaus erschienenen Originalausgabe 2015

© 2015 Chiemgauer Verlagshaus, Breitbrunn

www.chiemgauerverlagshaus.de

Covergestaltung: Grafikdesign Storch, Ulrike Vohla, Rosenheim, unter Verwendung eines Fotos von shutterstock/Erik Lam

Zu diesem Buch

„Eigentlich hätte ich den Burschen NEIN. AUS. PFUI! taufen müssen – das hat neulich Carsten, mein Zweibeiner, gesagt. Und weiter: Als Hund ist er eine Katastrophe, aber als Mensch ist er unersetzlich.“

Das sagt Rauhaardackel Rambo selbst über das Buch mit seinen neuen Abenteuern! Ein Buch mit eingebauter Lach-Garantie. Für den kleinen Urlaub zwischendurch. Die Fortsetzung des erfolgreichen ersten Teils „Der wahre Chef bin ich“, der so viele in seinen Bann gezogen hat.

Inhalt

Nur Hamster leben zweimal

Zarte Bande

Bloß die Harten spielen im Garten

Die Aufnahmeprüfung

Sturmnacht

Ein Fall für zwei

Nicht schlecht, Herr Specht

Der Leberknödelkönig

Hollywood, ich komme!

Die Bolzplatz Boys

Heul langsam, Kater

Nur Hamster leben zweimal

Du glaubst es nicht, jetzt ist schon wieder was passiert.

Ich bin noch ganz fertig, wenn ich nur daran denke. Aber was will man schon von einem Tag erwarten, der zwar schwach anfängt, dafür aber schnell stark nachlässt?

Was los war? Das erzähle ich Ihnen gerne, wenn Sie ein bisschen Zeit haben. Also, wir sind ja wieder mal umgezogen, mein Zweibeiner und ich.

„Da wird es uns gefallen“, hat der Carsten gesagt, „und vor allem dir, Rambo. Eine Insel im Chiemsee, das ist erstens der perfekte Ort für Dackel, und kommt zweitens dem Paradies schon sehr nahe.“ Aber: Der Mensch irrt, solange er lebt. Der, der das gesagt hat, ist zwar schon lange tot, aber Recht hat er gehabt. So, und jetzt alles auf Anfang:

„Ist der Hund von Ihnen?“ rief die Nachbarin über den Gartenzaun zu Carsten, meinem Zweibeiner. Der ist ja nun eine coole Socke, aber das wissen die hier auf der Fraueninsel noch nicht, weil wir ja erst vor zwei Tagen zugezogen sind.

„Nein. Meine Exfrau und ich konnten keine eigenen Hunde kriegen. Den hier haben wir gekauft. Und er ist eigentlich kein Hund. Auch wenn er vielleicht so aussieht.“

„Ach ja?“ Die Nachbarin, eine schlanke, mürrische Endsechzigerin in einem langen dunklen Hauskleid, beäugte mich misstrauisch, strich sich eine graue Haarsträhne aus der faltigen Stirn und sagte zu Carsten: „Der sieht aus wie ein Hund, der sitzt wie ein Hund, und der hat ein Fell wie ein Hund. Also ist er auch einer, oder?“

„Nein, das hier ist ein Möter. So nennt man diese Rasse. Er ist halb Mensch und halb Köter. Und ich bin ihr neuer Nachbar und heiße Carsten. Wir haben uns noch gar nicht so richtig vorgestellt, glaube ich.“

Die Frau starrte erst mich, und dann den Carsten durchdringend an und sagte: „Na ja, Nachbarn kann man sich ja nicht aussuchen. Ich bin die Frau Roidl, und Ihr Hund, oder was das für eine Mischung ist, der kann auf keinen Fall frei rumlaufen. Ich habe einen Kater, den Jacko, und der mag keine Hunde, weil er sehr scheu und sensibel ist. Ich mag auch keine, und Otello, der Herr hab ihn selig, der hat eine richtige Hundeallergie gehabt, der Ärmste.“

„Aha“, sagte Carsten, „mein Beileid. Wie alt ist Ihr Mann denn geworden?“

Jetzt wurde ihr Gesicht noch verkniffener: „Ich habe keinen Mann. Gottseidank ist mir das erspart geblieben. Und der Otello, das war ein Hamster, ein dsungarischer Zwerghamster, Phodopus sungorus, wenn Ihnen das was sagt. Tut es aber eher nicht, denke ich mal, oder?“

Der Carsten hat wohl gedacht, die arme Frau Roidl, die hat einen Sprachfehler oder einen Zungenschlag oder sowas, also sagte er mitfühlend zu ihr: „Das tut mir jetzt leid, das mit dem ungarischen Hamster. Was hat er denn gehabt?“

Nun ist die Frau Roidl vollends sauer geworden, und ich habe mich vorsichtshalber hinter meinen Zweibeiner gestellt. Die Frau hat einen roten Kopf bekommen, und beim Sprechen sind ihr kleine Wassertropfen aus dem Mund geflogen, so hat sie sich aufgeregt: „Dsungarisch heißt das, Sie Biologie-Banause. Und der war aus Sibiren, der Otello. So!“

„Wie die Helene Fischer? Die kommt auch von da her, glaube ich, wie Ihr Othello. Othello mit H, nehme ich mal an, so schreibt der sich, ja?“, sagte Carsten, aber die Frau Roidl, die hat sich schon umgedreht und im Weggehen zornig mit den Armen in der Luft rumgewedelt, und dann hat sie noch über die Schulter gerufen: „Natürlich mit Haar. Aber bei Hamstern heißt das Pelz, und nicht Haar. Oder Fell. Und schreiben tu ich den oder dem auch nicht mehr, der ist nämlich seit ein paar Tagen tot und begraben, da hinten in meinem Garten. Aber Sie, eines sag ich Ihnen: Passens bloß auf Ihren Klöter oder wie der heißt, gut auf. Bei Leuten wie Ihnen mit solchen Viechern wie Ihrem, da garantiere ich hier für nichts.“

Dann ist sie in ihr Haus gestapft und hat die Tür hinter sich zugedonnert. Der Carsten hat mich angesehen, dann hat er sich runtergebeugt und mich hochgenommen und an seine Brust gedrückt, mich hinter den Ohren gekrault und gesagt: „Mach dir nichts draus, Rambo, das hat die alte Inselziege sicher nicht so gemeint. Mit der kommen wir schon klar, oder was meinst du?“

Die ist eine harte Nuss, hab ich mir gedacht. Und einen Kater hat sie auch. Ein Unglück kommt selten allein.

Abends bin ich dann nochmal in den Garten rausgegangen, denn der Carsten arbeitet immer lange an seinem Computer. Ich ging also über den Rasen, an den Johannisbeersträuchern vorbei, hinter das Haus. Da standen ein paar Apfelbäume, und ganz hinten, am Zaun, da war ein altes Gewächshaus mit blinden Glasscheiben. Neben dem Gewächshaus lagen ein paar wurmstichige, braune Holzbalken, und auf einem dieser Balken saß eine große, schwarze Katze. Ich denk, mich trifft der Schlag. Zurück konnte ich nicht mehr, denn das wäre ein Zeichen von Schwäche gewesen. Der Carsten sagt ja immer, ‚Wer bremst, der verliert‘. Ich hab zwar nie ganz verstanden, was genau er damit meint, aber ich verstehe ja vieles nicht, was der so macht.

Ich ging also breitbeinig auf die Katze zu und gab ihr meinen bösen Indianerblick. Rambo mit dem Killerblick. Vor dem Balkenstapel blieb ich stehen, schaute gelangweilt nach links und nach rechts, dann nach oben, dann sagte ich zu dem schwarzen Ungetüm: „Noch kannst du abhauen, Mieze.“

Das Ungeheuer über mir glotzte mich mit strahlend blauen Augen an, leckte sich dann lasziv eine Pfote und schnurrte: „Jetzt lass mal die Luft raus, du Zwerg. Neu hier, was? Dann weißt du bestimmt noch nicht, wer ich bin, wie?“

Ich streckte die Brust raus, legte den Kopf schief und musterte die Katze mit schmalen Augen: Schwarzes, seidig glänzendes Fell mit weißen Absetzern an den Pfoten und an der Schwanzspitze. Groß war sie und mindestens fünf Kilo schwer. Wenn man genau hinsah, konnte man rund um die Schnauze und seitlich ein paar Narben sehen. Kampfnarben, dachte ich mir. Gute Nacht, Marie. Und mein Carsten war natürlich weit und breit nirgends zu sehen, wie immer, wenn Not am Mann ist.

„Ich bin der Rambo. Und dreimal darfst du raten, warum ich so heiße. Und jetzt mach dich vom Acker, du Mäusetiger.“

„Och, ist der nicht süß, der Kleine? Ein bisschen größenwahnsinnig vielleicht, aber dich kriege ich schnell auf Normalmaß. Warte mal, ich komm jetzt runter und zeig dir was. Das tut gleich ein bisschen weh, das kann ich dir garantieren. Ist aber nicht persönlich gemeint, sondern rein geschäftlich, ok? Nur damit du merkst, wo der Frosch die Locken hat.“

Das Ungeheuer kam lässig auf die Beine, streckte sich und setzte zum Sprung an. Plötzlich wurde die gesamte Katze stocksteif, schaute über mich hinweg und fing an zu zittern. Dann sagte sie, ohne mich anzuschauen: „Wir sprechen uns später. Ich muss nur schnell mal wohin, das habe ich ganz vergessen. Lauf nicht weg, du Kröte.“

Dann verschwand sie mit zwei schnellen Sätzen hinter dem Gewächshaus. Ich lockerte meine Muskeln und dachte mir, Mann, so schnell hast du noch nie eine Katze verjagt. Cool. Ist doch was dran an mir. Wow.

Dann hörte ich eine kellertiefe Hundestimme, drehte mich um, und da stand ein Koloss von einem Rottweiler. Schwarz, mit zwei braunen Tupfern über den Augen. Der Riese grinste und sagte: „Hey, so habe ich den alten Jacko schon lange nicht mehr springen sehen. Ich bin der Caligula, aber du kannst Calli zu mir sagen. Und wer bist du?“

„Wer, ich? Ja also, ich bin der … äh“, mir versagte kurz die Stimme, denn eine ähnliche Kampfmaschine wie die hier hatte mich mal kurz und schmerzvoll durch die Luft geworfen. Und auch damals hatte es ganz freundlich angefangen. Die Bestie sagte mit honigsüßer Stimme zu mir: „Hallo Kleiner, weißt du eigentlich, wohin man am schnellsten fliegen kann?“

Ich weiß noch genau, dass ich, nichts Böses ahnend, nur freundlich den Kopf geschüttelt habe.

Die Töle zeigte mir daraufhin ihre Zähne und sagte grinsend: „Auf die Fresse, Kleiner, sogar umsonst. Willste mal sehen?“

Aber zurück in die Gegenwart: Der Rottweiler kam näher und legte den Kopf schief: „Ich hab jetzt deinen Namen irgendwie akustisch nicht mitgekriegt. Also, wie heißt du?“

„Äh … Rambo. So heiße ich. Rambo. Was dagegen? Wenn ja, dann sag es gleich!“

„Huhu, tu mir nichts, Kleiner. Ich hab dir nämlich gerade den Hintern gerettet, du Clown. Denn wenn der Jacko über dich herfällt, dann ist erst mal Hängen im Schacht, Kumpel. Der hat im letzten Jahr der Lissi eine Packung verabreicht, dass sie dann eine Woche nicht mehr aus dem Haus gegangen ist, und seitdem hat sie das NBS-Syndrom. Unheilbar sogar.“

Ich starrte zu Calli hoch: „Wer ist Lissi? Und was ist ein NBS-Syndrom?“

Der schwarze Riese lachte: „Die Lissi? Das ist unser Quotenweibchen.“

Ich starrte immer noch zu ihm hoch, und so langsam bekam ich ein unangenehmes Ziehen im Nacken: „Quotenweibchen?“

„He, Kleiner, ist wer zuhause in deiner pelzigen Rübe? Jeder Verein mit mehr als drei Mitgliedern muss eine Quotenfrau haben. Das ist bei uns die Lissi. An und für sich ist sie eine schnuckelige Mops-Dame, aber leider etwas zu mollig. Wie diese Möpse eben so sind. Nach dem Motto: Tschüss Winterspeck. Hallo Frühlingsrolle.“

„Und das NBS-Syndrom? Ist das ansteckend?“, fragte ich.

„Ja, schon. Das heißt übrigens Null-Bock-Syndrom und kann jeden erwischen. Aber wir haben ja alle unsere kleinen Marotten. Ich zum Beispiel, ich bin zwar kein Morgenmuffel, aber ich möchte schon die ersten acht Stunden nach dem Aufwachen meine Ruhe, sonst werde ich leicht reizbar.“

Ich räusperte mich und sagte: „Kenn ich. Das geht mir so ähnlich. Abends denke ich immer, ach, sechs Stunden Schlaf, das reicht bei mir dicke. Morgens würde ich mir alleine schon für diesen Gedanken am liebsten selber eine reinhauen.“

Der große Calli lachte, und bei ihm klang das wie Donnergrollen bei einem Gewitter. „Ich glaube, du bist ok, Kleiner. Ihr seid frisch zugezogen, was? Ich hab dich bei uns oben auf dem Bolzplatz jedenfalls noch nie gesehen. Und wir, also, die Gang, wir sind jeden Tag da oben. Da traut sich keine Katze hin. Das ist Homeland, Boy. Komm doch heute Abend oder morgen mal vorbei, dann stelle ich dir die Truppe vor.“

„Die Truppe? Was für eine Truppe denn?“

Calli beugte sich zu mir herunter und flüsterte: „Wir sind die Bloodhound-Gang, Mann. Die Fraueninsel-Playboys. Wo wir sind, da ist vorne. Wir sind der Schrecken der Insel. Und einen wie dich könnten wir bei uns noch gut gebrauchen.“

„Wofür denn?“, fragte ich, „Zum sonntäglichen Zwergenwerfen, oder was?“

„Ah, du bist lustig, das mag ich“, sagte Calli breit grinsend. Dann wurde er ernst: „Nein, Mann. Du wärst vom Format her der ideale Aufklärer. Späher, verstehst du?“

„Nein. Wer ist denn das, die Gang?“

„Na ja“, sagte der Calli, „mit wem fange ich denn an? Pass auf, da ist der Romeo. Der ist ein Labrador. Ein ziemlich blödes Exemplar, aber total furchtlos. Der ist einfach zu bescheuert, um Angst zu haben. Dann haben wir den Tell, das ist ein Berner Senn. Bedächtig und grüblerisch, wie diese Schweizer eben so sind. Der war mit seinem früheren Zweibeiner lange als Fährtenhund für die Bärenjagd in den Schweizer Bergen unterwegs. Bis zu seinem Unfall, jedenfalls.“

„Was für einem Unfall denn?“ Ich setzte mich hin und schaute den Calli an. Der sagte: „Tja, er ist mit seinem Jäger in die Berge, und der Jäger hat den Romeo dann in die Höhlen geschickt. Da hat er die Bären rausgelockt, und der Jäger stand draußen mit dem Bärentöter.“

„Wow,“ sagte ich, „und da hat der Jäger wohl aus Versehen mal auf den Romeo geschossen, oder was?“

„Nein, viel schlimmer!“ sagte der Calli, „Der Romeo ist mal alleine losgezogen und hat sich eine besonders große Höhle ausgesucht, als Übung, sozusagen, damit er in Form bleibt.“

„Und dann? Kam dann ein riesiger Bär aus der großen Höhle, oder?“

„Nein“, sagte der Calli, „der Alpen-Express!“

Dann bog er sich vor Lachen, und ich hatte irgendwie das Gefühl, dass ich veräppelt wurde.

Calli prustete und schnaufte heftig, dann sagte er: „Ach Gott, krieg dich wieder ein, Calli. Gut, dann haben wir den Nimrod. Der kommt aus Niedersachsen und ist ein …, wie soll ich sagen …, ich weiß auch nicht …, ein netter Kerl eben. Er ist hauptberuflich freundlich. Ach so, ja, eine ganz besondere Nummer ist unser Ewald. Den hätte ich jetzt beinahe vergessen. Ewald ist ein belgischer Schäferhund. Der war sogar beim Militär, bei den Gebirgsjägern. Ein Stratege und Kämpfer, wie er im Buche steht, der Ewald. Na, und natürlich ist da noch unsere Lissi, die Quotentussi. Das ist die Gang. Und ich bin Chef des Monats.“

„Was ist das?“

„Bei uns wird jeder einen Monat lang zum Chef ernannt. Außer der Lissi natürlich, aber das ist nur wegen ihrem NBS-Syndrom. Sie will einfach kein Chef sein. Aber wir Rüden, wir rotieren sozusagen. Und wenn du bei uns mitmachst, dann wirst du bestimmt auch mal Chef des Monats.“

Das klang gut. Sehr gut sogar. Zwei Tage auf der Fraueninsel, und schon bekommt man eine Führungsposition in Aussicht gestellt. Dafür muss einer in der FDP lange Plakate kleben oder gelbe Socken stricken.

„Gut“, sagte ich, „und was ist mit Jacko?“

„Der?“ Calli gähnte: „Der lässt dich ab heute in Frieden. Wollen wir wetten? Der denkt, dass du bei uns in der Hunde-Mafia bist. In la familia, sozusagen. Capiche?“ Er schaute zum Himmel hoch, schnupperte und meinte: „Gibt bald Futter. Das wittere ich. Mein Zweibeiner macht eine Dose auf. Also, ich muss dann mal wieder. Hey, und vergiss nicht: Komm doch morgen Vormittag mal hoch zum Bolzplatz, dann stell ich dir die Truppe vor. So, und jetzt halt die Ohren steif, Rambo. Tschaui waui.“

Calli trollte sich, und ich hörte noch, wie er zu sich selber sagte: „Ein Dackel, der Rambo heißt. Ich könnte mich verpieseln vor Lachen. Mann, da werden die Jungs schauen!“

Ich ging durch die Tür, die einen spaltbreit offenstand, ins Haus. Carsten, mein Zweibeiner, war am Telefonieren. Am anderen Ende der Leitung war wohl einer von Carstens Kumpel. Die rufen in letzter Zeit ziemlich oft an, weil sie glauben, sie müssten dem Carsten über seine Trennung hinweghelfen.

Aber ich denke, der schafft das auch so ganz gut. Ich legte mich in meinen Korb unter dem Esstisch und hörte, wie er sagte: „Was? … Nein … In letzter Zeit hatte ich eh den Verdacht, dass sie einen anderen Kerl hat. Warum? Mann, wenn die alleine wegging, dann hat die sich hergerichtet, das glaubst du nicht. Die hat Sachen für ihr Äußeres getan, für die jeder Gebrauchtwagenhändler sofort ins Gefängnis kommen würde. Was? Sex? Ich … mit ihr? Nee, Mann. Ex ist Ex. Und aufgewärmt schmeckt nur Gulasch.“

Carsten hörte zu, was der Kerl am anderen Ende sagte, dann schüttelte er den Kopf und meinte: „Im Haushalt? Nee, da hat sie auch nicht mehr viel gemacht. Typisches Beispiel? Warte mal …, ja …, pass auf: Ich kam nach Hause, und die Bude sah aus wie Sau. Ich sag: Hör mal, wolltest du heute nicht saubermachen? Und sie schaut mich an und meint ‚Äh ja, stell dir vor, da will ich mal in Ruhe die Wohnung putzen, und was passiert? Keine Lust.‘“

Carsten wedelte mit der Hand vor seinem Gesicht herum und sagte dann ins Telefon: „Du, ich muss jetzt Schluss machen. Ich muss noch einen Bericht schreiben, und dann will ich mit dem Hund noch kurz raus, bevor es dunkel wird. Wir sind ja erst zwei Tage hier auf der Insel, und der kleine Kerl fremdelt noch ziemlich. Er kommt mir auch sehr ängstlich und einsam vor, der Rambo. Na ja, das wird schon werden. Also dann, Pit, wir sehen uns nächste Woche, wenn ich auf dem Festland drüben bin. Wie das klingt, auf dem Festland, was? Aber so eine Insel, die hat schon was. Und hier, die Fraueninsel, die ist ein kleines Paradies. Also, bis dann, machs gut, Pit, Servus.“

Mein Zweibeiner legte das Telefon auf den Tisch und sah zu mir herunter: „Na, mein Kleiner, ist dir langweilig geworden, da draußen, hmh?“ Er streichelte mich und sagte mit weicher Stimme: „Das wird schon werden. Das Leben auf so einer Insel ist viel ruhiger und gemütlicher als drüben auf dem hektischen Festland. Stress und sowas, das kennen die hier gar nicht. Es wird dir hier gefallen, warte nur mal ab. Und der alten Frau Roidl, der alten Hexe, der bringen wir bei Gelegenheit mal einen schönen Blumenstrauß mit, dann haben wir die alte Übelkrähe in der Tasche. Das ist Psyochologie, mein Kleiner. Aber davon verstehst du ja nichts. Musst du aber auch garnicht. So, und jetzt gibt es gleich ein feines Happi-Happi, gell?“

Wenn ich was hasse, dann, wenn er so mit mir redet. Diese Baby-Sprache und das ganze Getue. Irgendwie kann ich es sogar verstehen, dass ihm sein Weibchen von der Fahne gegangen ist. Die konnte einfach seine Sprüche nicht mehr ab. Aber was solls, dachte ich, lass den mal meinen Futternapf klarmachen. Ich gehe noch mal schnell raus und suche mir einen Ast zum Knabbern. Das ist gut für die Zähne und macht außerdem Spaß. Sowas sollten die Zweibeiner auch ab und zu mal machen. Liegen ja genug Äste rum. Aber auf so eine Idee, da kommt von denen keiner.

Ich ging also raus, blieb vor der Tür stehen, und bekam den dritten Schreck des heutigen Tages. Denn direkt rechts an die Wand gelehnt, da stand der Jacko. Zwischen seinen Pfoten lag ein kleines Fellbündel oder sowas. Ein bisschen größer als eine Maus. Und es rührte sich nicht mehr, was immer es war. Jacko entblößte seine Eckzähne zu einem höhnischen Grinsen und sagte: „Psst, hey, du Pisser. Schau mal, was ich für dich habe.“ Damit tippte er mit seiner rechten Vorderpfote auf das schmutzige Stück Fell auf dem Boden.

Was war das? So genau konnte ich das nicht sehen, außerdem war ich immer noch steif und starr. Eine typische Angst-Lähmung. Ich überlegte kurz, ob ich mich in ein Wachkoma retten sollte, da sprach Jacko weiter: „Darf ich vorstellen? Das hier, das ist Otello. Oder besser gesagt, das war Otello. Ich hab ihn extra für dich ausgegraben. Und hier ist er. Und ich, ich geh jetzt zu uns rüber und locke die alte Hexe aus dem Haus. Und wenn die sieht, dass Otellos Grab leer ist, was meinst du, wen die als allererstes in Verdacht hat? Na? Genau, mein kleiner neuer Freund. Dich!!! Und dann schaut sie wahrscheinlich über den Zaun, und sieht ihr Otellochen hier bei euch vor der Haustür rumliegen. Wow, da möchte ich jetzt nicht in deinem Pelz stecken. So, und jetzt schau mal, wie du aus dieser Nummer wieder rauskommst. Ich muss nämlich leider weg, die alte Kuh da drüben aus der Hütte locken. Du entschuldigst mich, ja?“

Damit sprang er mit einem mörderischen Satz über mich hinweg. Kurz vor dem Zaun blieb er stehen und sagte über die Schulter: „Und weißt du was? Verlass dich mal nicht zu viel auf deinen neuen Kumpel Caligula. Rottweiler werden nämlich gerne überschätzt. Aber wir beide, wir werden bestimmt gute Freunde, meinst du nicht auch?“ Und weg war er.

Ich stand immer noch da, unfähig, mich zu bewegen. Ein heftiges Zittern kroch durch meinen Körper, und mir war kalt. Da hörte ich Carstens Stimme: „Rambo! Hallo, Kleiner, wo steckt du? Wo ist denn mein Bussi-Bärchen? Ich hab hier feines hap-hap für dich. Rambo …, hey …, Bursche …, du warst doch gerade noch hier, oder? Ah ja, die Tür ist offen …, Kleiner …, hallo …, hey, was zum Teufel …?“

Carsten stand hinter mir und schaute auf den toten Hamster: „Jetzt schau dir meinen Kleinen an. Du bist ja ein richtiger Mäusefänger, das habe ich gar nicht gewusst. Das ist ja toll. Super, mein Kleiner, super.“

Dann beugte er sich über den toten und mit feuchten Erdklumpen verschmierten Otello, schaute noch einmal genau hin und zischte: „Sag mal, hast sie nicht mehr alle? Das ist ein Hamster. Das ist … „ Und dann kam ihm die Erkenntnis: „Rambo, sag mir jetzt gleich und in deutlichen Worten, dass das nicht der verblichene Otello ohne H ist. Sonst sitzen wir nämlich so tief in der Kacke, dass uns da kein Kran mehr rausziehen kann.“

Der hat gut reden, dachte ich mir. Genau das ist nämlich eins der Kernprobleme, die wir Hunde mit den Zweibeinern haben: Wir können verstehen, was die sagen. Aber die uns nicht. Ich kann bellen, bis mir das Zäpfchen glüht, und der Alte hat keinen Schimmer, was ich ihm damit erklären will. Er versteht mich einfach nicht. So auch jetzt. Also kniff ich den Schwanz ein und legte mich auf den Rücken.

Carsten wedelte mit seinem Zeigefinger vor meiner Schnauze rum und zischte: „Böser Hund. Ja du, du bist ein ganz böser Hund. Und ziemlich blöd obendrein. Weißt du was? Wegen dem Hamster hier können wir wahrscheinlich gleich unser Zeug wieder einpacken und von hier wegziehen. Wenn das auf der Insel die Runde macht, dass du ein verdammter Grabräuber bist, dann gute Nacht. Marsch, rein ins Haus mit dir, und dann ab in den Korb. Ich will dich heute nicht mehr sehen, hast du mich verstanden? Zisch ab, Mann!“

Das war nicht schwer zu kapieren, aber was sollte ich tun? Ich kniff den Schwanz ein, trottete mit gesenktem Kopf zu meinem Korb und stieg umständlich hinein. Dann rollte ich mich wie eine Kugel zusammen und winselte leise vor mich hin. Das zieht eigentlich immer. So auch heute. Der Carsten kam rein, marschierte im Wohnzimmer auf und ab, fluchte und murmelte noch eine Weile vor sich hin, nahm sich ein Bier und ging damit raus vor die Tür.

Ich hörte ihn gluckernd aus der Flasche trinken, den Carsten, und vor sich hin grummeln, und dann kam er wieder rein. Er kniete sich vor meinen Korb, und ich konnte das Bier aus seinem Mund riechen. Ekelhaft. Wenn er wenigstens kalte Brühe trinken würde. Aber andererseits werde ich von kalter Brühe nie so lustig wie mein Zweibeiner von fünf oder sechs Bieren. Das ist auch so ein Mysterium, das ich wohl nie enträtseln werde. Aber zurück zum Tagesgeschehen:

Carsten kniete also vor dem Korb, kraulte mich im Nacken, brachte sein Gesicht mit dem widerlichen Bier-Atem ganz nahe an meine Schnauze und flüsterte: „Kleiner, sei mir nicht böse. Ich bin dir auch nicht böse, ok? Du kannst halt nicht anders, das ist eben deine Natur, das Jagen und so. Ich hab da vorhin ein bisschen überreagiert, verstehst du das?“

Klar, das verstand ich sogar sehr gut. Aber soll er ruhig ein bisschen leiden, dachte ich mir und drehte leise wimmernd den Kopf weg. Carsten sagte: „Wein nicht, mein Rambochen, wir machen folgendes: Ich habe den ollen Hamster versteckt, und heute Nacht, bevor ich schlafen gehe, da schleiche ich auf das Grundstück der ollen Zicke und vergrabe den Hamster wieder. Das Loch hinten im Garten, das finde ich sicherlich, das muss irgendwo hinter dem Haus sein, denke ich mal. Dann ist der Otello wieder da, wo er hingehört, und in ein paar Tagen spricht da keine Sau mehr drüber, ok? Weil es auch gar keiner bemerkt hat. Schlau, was? Also, dann schlaf gut, mein Kleiner, und denk nicht mehr über die Sache nach. Dein Carsten, der macht das schon. Jetzt trinke ich noch ein Bier, und dann lege ich mich zwei Stunden hin, und dann geh ich da rüber und vergrab das arme Tier wieder.“

Er kam stöhnend auf die Beine, stelzte zum Kühlschrank, und genau in dem Moment hämmerte es an die Haustüre. Carsten verdrehte die Augen, blinzelte mir zu und ging zur Tür. Draußen stand zitternd vor Wut die Frau Roidl.