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VLB-Meldung

Giel, Thomas

Handbuch Betonkernaktivierung

Planung, Bau, Betrieb

Erkrath: Verlag Bau+Technik GmbH, 2016

ISBN 978-3-7640-0609-9
eISBN 978-3-7640-0728-7

© by Verlag Bau+Technik GmbH

Gesamtproduktion: Verlag Bau+Technik GmbH,

Steinhof 39, 40699 Erkrath

www.verlagbt.de

Druck: B.O.S.S Medien GmbH, 47574 Goch

Handbuch
Betonkernaktivierung

Planung, Bau, Betrieb

Prof. Dipl.-Ing. Thomas Giel

Dieses Buch entstand unter der Mitarbeit von:

M. Eng. Alper Baydogan

M. Eng. Ali Dönmez

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Die Inhalte und Lösungsvorschläge in diesem Buch sind nach bestem Wissen zusammengestellt. Hinsichtlich der Anwendung der Inhalte kann vom Autor und dem Verlag jedoch keine Gewähr übernommen werden. Das Buch ersetzt nicht die projektbezogene Planungsleistung. Sie entbindet nicht von der Pflicht zur Prüfung der Normvorgaben und ihrer Gültigkeit für den jeweiligen Anwendungsfall. Die Anwendung der Inhalte und Lösungsvorschläge berechtigt zu keinerlei Regressansprüchen gegenüber dem Autor und dem Verlag. Die im Buch erwähnten Logos, Marken und Produktnamen sind markenrechtlich geschützt, auch wenn dies am Ort der Erwähnung nicht gesondert aufgeführt wird. Die Inhalte und Abbildungen in diesem Buch unterliegen dem Urheberschutz. Eine Verwendung oder Vervielfältigung – auch auszugsweise – ist nur mit der Genehmigung des Verlags in jedem Einzelfall möglich.

Vorwort

Abkürzungsverzeichnis

Symbolverzeichnis

1Einleitung

1.1Problemstellung

1.2Ziel

1.3Methode

1.4Aufbau

2Grundlagen und Definitionen

2.1Betonkernaktivierung

2.1.1Historische Entwicklung

2.1.2Aufbau und Herstellung des Betonkerns

2.1.3Funktionsprinzip

2.1.4Leistungsfähigkeit

2.2Wärmeübertragungsmechanismen

2.2.1Wärmeübertragung durch Wärmeleitung

2.2.2Wärmeübertragung durch Konvektion

2.2.3Wärmeübertragung durch Strahlung

2.3Die Wärmequellen

2.3.1Interne Lasten

2.3.2Externe Lasten

2.4Thermische Behaglichkeit

2.4.1Definition nach Richtlinien

2.4.2Einflussfaktoren

3Berechnungsgrößen zur Auslegung und Dimensionierung

3.1Mathematische Darstellung der thermodynamischen Vorgänge

3.1.1Grundgleichung der Flächenheizung/Flächenkühlung

3.1.2Wärmedurchgangskoeffizient U

3.1.3Wärmeleitfähigkeit λ

3.1.4Wärmeübergangskoeffizient h

3.1.5Wärmeleitung

3.1.6Konvektion

3.1.7Strahlung

3.1.8Kombinierter Wärmeübergangskoeffizient hK/S

3.2Speichervermögen und Leistungsfähigkeit der Bauteile

3.2.1Einfluss der Rohrabstände, Rohrdimensionen und des Rohrmaterials

3.2.2Einfluss der Wassergeschwindigkeit

3.2.3Einfluss der Lage der Register im Bauteil

3.2.4Einfluss von Boden- und Deckenbelägen

3.2.5Einfluss auf den Ladevorgang

4Planung

4.1Eignung der Betonkernaktivierung

4.1.1Akzeptanzerklärung des Auftraggebers/Nutzers

4.1.2Gebäudehülle, Glasflächen und Bauschwere

4.1.3Geeignete Einsatzgebiete

4.2Planungsablauf und Beteiligte

4.2.1Beteiligte und deren Aufgaben in einem Bauprojekt

4.2.2Planungsablauf

4.3Beteiligte und deren Aufgaben bei der Planung einer Betonkernaktivierung

4.3.1Systemhersteller

4.3.2Objektplanung

4.3.3Tragwerksplanung

4.3.4Thermische Bauphysik

4.3.5Technische Gebäudeausrüstung (TGA)

4.4Auslegung und Dimensionierung

4.5Zoneneinteilung

4.6Energiebereitstellung

4.6.1Energie aus dem Erdreich

4.6.2Energie aus dem Grundwasser

4.6.3Energie aus der Außenluft

4.6.4Wärmepumpe

4.6.5Abwärmenutzung

4.7Akustik

4.8Lüftung

4.9Oberflächengestaltung

4.10Weitere Planungsdetails

5Montage und Bauausführung

5.1Ablauf und Beteiligte

5.2Ausführungsarten

5.2.1Vor-Ort-Montage

5.2.2Vorgefertigte Module

5.2.3Verlegung auf Elementdecken

5.2.4Betonfertigteildecken

5.3Deckendurchführung

5.4Durchführung der Druckprüfung

5.5Beispielhafter Montageablauf

5.6Randbedingungen für die Ausführung

5.6.1Abgehängte Decken

5.6.2Bodenbelag

6Ausführungsfehler und Folgen

6.1Kommunikation und Informationsaustausch

6.2Abstandhalter und Bewehrung

6.3Verlegung auf der Baustelle

6.4Rohre

6.4.1Beschädigung der Rohre vor dem Betonieren

6.4.2Beschädigung der Rohre nach dem Betonieren

6.5Druckprüfung

6.6Sichtbeton

7Betrieb und Regelung

7.1Regelungsgrundlagen

7.2Simulation verschiedener Regelungsstrategien

7.2.1Randbedingungen der Simulation

7.2.2Regelstrategien

7.3Auswertung der Simulationsergebnisse

7.3.1Auswertung: Betriebszeit der Betonkernaktivierung

7.3.2Auswertung: Betriebsweise der Umwälzpumpe

7.3.3Auswertung: Wassertemperatur-Regelung

7.3.4Zusammenfassung der Simulationsergebnisse

8Fazit

8.1Zusammenfassung

8.2Handlungsempfehlung

Quellenverzeichnis

Bildnachweis

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Vorwort

Es gibt zu wenig Wohnraum in Deutschland, weshalb die Länder wieder die Erstellung von sozialem Wohnraum fördern. Dabei haben wir immer noch keine Sanierungsquote, die zufrieden stellt. Das mag auch daran liegen, dass oft die Sanierung und der Erwerb für ein erschwingliches Haus zum Arbeiten und Wohlfühlen bei äußerst niedrigen Aufwendungen für den laufenden Betrieb als Luxus erscheinen. Dabei gibt es Lösungen, alte Bestände zu erschwinglichen Preisen zu modernisieren. Bei Neubauten sollten innovative Konzepte wie die hier vorgestellte Betonkernaktivierung berücksichtigt werden.

Schwerpunkte jedes effizienten Energiespar-Konzepts sind neben einer hervorragend gedämmten Gebäudehülle, einer einfachen Lüftungstechnik und tageslichtabhängiger Beleuchtungssteuerung das Heizen und Kühlen mittels nachhaltiger Erzeugung sowie die Energieübertragung an das Gebäude. Die Betonkernaktivierung ist hier eine Lösung, die Behaglichkeit, Flexibilität und Energieeffizienz optimal kombiniert. Immer genau das richtige Maß an Wärme oder Kühlung − behagliches Raumklima ist gerade in großen Nutz- oder Wohngebäuden kein Luxus, sondern wichtige Voraussetzung für die volle Arbeitsfähigkeit der Mitarbeiter bzw. das Wohlfühlen der Bewohner.

Was zunächst zwingend nach hohem Energieeinsatz und teuren Verbrauchskosten aussieht, lässt sich heute mit ökologischen Konzepten wirtschaftlich planen und umsetzen. Leider gab es bis jetzt wenig Literatur zu dem Thema Betonkernaktivierung. Das liegt vielleicht daran, dass es sich dabei um ein Teilgewerk handelt, welches − nach dem klassischen Bauprozess − in ganz vielen unterschiedlichen Gewerken berücksichtigt werden muss. Durch die thermische Aktivierung der Betondecken wird das ganze Gebäude zum Energiespeicher. Beim Bau spart die Betonkernaktivierung entscheidend Investitionskosten, weil durch die Kombination von Heiz- und Kühlsystem eine eigene, aufwendige Verteilung für die Kühlung entfällt. Speist man in die Betondecke während der Nachtstunden kühles Wasser – gewonnen aus kühler Nachtluft, aus dem Erdreich oder durch überschüssige regenerative Energie – ein, können die Decken während der Nutzungszeit kontinuierlich den Räumen Wärme entziehen und dadurch für eine angenehme Kühlwirkung sorgen. In kalten Witterungsperioden wird nachts z.B. Erdwärme bzw. Niedrigtemperatur-Heizenergie aktiv in die Betondecke eingespeist, die dann tagsüber durch Wärmeabstrahlung den Raum temperiert. Die von Klimaanlagen bekannten Nachteile wie Geräuschbelästigungen, Zugerscheinungen oder das Aufwirbeln von Staub gibt es bei der Betonkernaktivierung nicht.

In diesem Buch wird nun alles beschrieben, was ein Konstrukteur, ein Bauherr, ein Handwerker oder ein FM-Manager über das Konzept wissen sollte. Ein Buch für alles. Das ist neu und gibt der Betonkernaktivierung die Chance, weiter verbreitet zu werden.

Eveline Lemke

MdL Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Sprecherin für Bildung, Weiterbildung, Wissenschaft und Kultur sowie Petitionen; ehem. Stellvertretende Ministerpräsidentin und Ministerin für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung in Rheinland-Pfalz

Abkürzungsverzeichnis

clo

clothing

DIN

Deutsches Institut für Normung

EN

Europäische Norm

EnEV

Energieeinsparverordnung

HOAI

Honorarordnung für Architekten und Ingenieure

ISO

International Organization for Standardization

LP

Leistungsphase

MSR

Mess-Steuer-Regelungstechnik

o. J.

ohne Jahresangabe

o. V.

ohne Verfasser

Op.

Operative

PE

Polyethylen

Raumtemp.

Raumtemperatur

TGA

Technische Gebäudeausrüstung

VDI

Verein Deutscher Ingenieure

vgl.

vergleiche

VOB

Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen

Symbolverzeichnis

ρ

Rohdichte

λ

Wärmeleitfähigkeit

a

Absorptionsgrad

A

Fläche

c

spezifische Wärmekapazität

C

Wärmekapazität

Cs

Strahlungskonstante

d

Dicke bzw. Durchmesser

h

Wärmeübergangskoeffizient

l

Rohrabstand

m

Masse

Nu

Nusseltzahl

Q bzw. q

Wärmemenge bzw. Wärmestromdichte

R

Widerstand

Re

Reynolds-Zahl

T bzw. t

Temperatur

U

Wärmedurchgangskoeffizient

v

Luftgeschwindigkeit (bzw. kinematische Viskosität)

w

Strömungsgeschwindigkeit

ε

Emissionsgrad

1Einleitung

1.1Problemstellung

Die Betonkernaktivierung wird als innovative und kostengünstige Methode zur Temperaturregelung von Gebäuden immer interessanter. Mit relativ geringem Energieaufwand nutzt sie die Fähigkeit von Wänden und Decken im Gebäude, thermische Energie zu speichern und damit die Räume zu heizen oder zu kühlen. Mittlerweile ist diese Methode häufiger Bestandteil der modernen Architektur, vor allem bei Büro- und Verwaltungsgebäuden, Schulen oder Krankenhäusern. Aber dennoch ist den meisten Menschen – wenn überhaupt – lediglich der Begriff „Betonkernaktivierung“ bekannt. Was sich genau dahinter verbirgt und wie das ganze System funktioniert, ist für die breite Masse ungewiss. Der Mangel an aussagekräftiger Literatur zu diesem Thema macht die ganze Sache noch schwieriger: Es gibt nach dem Kenntnisstand der Autoren kein Buch, welches das gesamte System von der Planung bis hin zum Betrieb beschreibt.

1.2Ziel

Hauptanliegen ist die Zusammenstellung eines informativen Handbuchs für das breite Themengebiet der Betonkernaktivierung. Es soll zunächst alle wichtigen Grundlagen, Definitionen und Hintergrundinformationen beinhalten, die zum Verständnis des Gesamtsystems erforderlich sind. Zusätzlich soll es − anhand von mathematischen Zusammenhängen und Formeln − ausschlaggebende Berechnungsgrößen aufzeigen, die für die Auslegung der Betonkernaktivierung unerlässlich sind. Anschließend soll das Handbuch alle wichtigen Informationen von der Planung über den Bau bis hin zum Betrieb und zur Regelung der Betonkernaktivierung wiedergeben.

1.3Methode

Das Buch ist methodisch so aufgebaut, dass zuerst theoretisch die physikalische Funktion, die Auslegung und der Bau der Betonkernaktivierung erklärt werden, um dann den Betrieb zu erläutern. Da die Betonkernaktivierung ein sehr komplexes Instrument ist, soll dadurch der optimale Einsatz ermöglicht werden.

1.4Aufbau

Das Buch gliedert sich in acht Kapitel, welche sich wiederum aus mehreren Unterkapiteln zusammensetzen.

In der Einleitung werden zunächst die Problemstellung, das Ziel und der Aufbau der Ausarbeitung dargestellt. Zweck dieses Kapitels ist die Heranführung an das Thema.

Das zweite Kapitel beinhaltet die Grundlagen und Definitionen. Hier werden grundlegende Hintergrundinformationen zusammengefasst, die für das Verständnis der Betonkernaktivierung zwingend erforderlich sind. Es wird unter anderem auf die historische Entwicklung, den Aufbau und die Herstellung des Betonkerns sowie auf das Funktionsprinzip eingegangen. Weiterhin werden die drei Wege der Wärmeübertragung, die in Gebäuden auftretenden Wärmelasten sowie die Hauptkriterien für die thermische Behaglichkeit erläutert.

Im Anschluss erfolgt im dritten Kapitel eine detaillierte Darstellung der wichtigsten Berechnungsgrößen für die Auslegung und Dimensionierung thermisch aktivierter Bauteile. Die zuvor beschriebenen Wärmeübertragungsmechanismen, die bei der Betonkernaktivierung ablaufen, werden nochmals im Licht der Mathematik, also mit den dazugehörigen Berechnungsformeln, betrachtet. Außerdem gehören Untersuchungen zum Speichervermögen und zur Leistungsfähigkeit der temperierten Bauteile ebenfalls zum Inhalt dieses Kapitels: Es wird analysiert, welchen Einfluss Parameter wie beispielsweise „Rohrabstand“, „Rohrdimension“, „Wassergeschwindigkeit“, „Lage der Rohre“ oder „Boden- und Deckenbeläge“ ausüben.

Im nächsten großen Kapitel geht es um die wichtigsten Punkte der Planung von thermoaktiven Bauteilen. Fragen zur Eignung der Betonkernaktivierung für verschiedene Fälle sowie Ablauf und Beteiligte der Planungsphase werden hier abgehandelt. Planungskriterien für Auslegung und Dimensionierung sowie Einteilung von Regelzonen; die Einplanung von günstigen Umweltenergiequellen wie auch essenziell systembeeinflussenden Faktoren wie Akustik, Lüftung und Oberflächengestaltung gehören ebenfalls in dieses Kapitel.

Nach der Planung geht es über zur Montage und Bauausführung. Auch hier werden wieder der Ablauf und die beteiligten Parteien vorgestellt. Danach werden die Besonderheiten der verschiedenen Ausführungsarten wie die „Vor-Ort-Montage“, die Verwendung von „vorgefertigten Modulen“ oder auch die Ausführung mit „Betonfertigteildecken“ erläutert. Wie die Rohre durch die Decke geführt werden, wie die Druckprüfung zur Kontrolle auf Schäden im System zu erfolgen hat sowie weitere wichtige Randbedingungen, die für die Ausführung von Bedeutung sind, soll der Leser ebenfalls an dieser Stelle erfahren. Weiterhin wird beispielhaft ein Montageablauf mit Bildern Schritt für Schritt dargestellt.

Kapitel 6 knüpft an die Bauausführung an und fasst einige Ausführungsfehler und deren Folgen zusammen. Durch den Hinweis auf erfahrungsgemäß häufig auftretende Fehler wird hier deren Vermeidung angestrebt.

Der letzte Themenbereich der Betonkernaktivierung ist schließlich deren optimaler Betrieb und Regelung. Im ersten Schritt sind hierbei die systembedingten Regelungsgrundlagen aufzuzeigen. Anschließend werden anhand von Computersimulationen verschiedene Regelungsstrategien analysiert und ausgewertet. Veränderliche Regelungsparameter sind hierbei die Betriebszeit der Betonkernaktivierung, die Betriebsweise der Umwälzpumpe sowie die Regelung der Wassertemperatur in den Rohrregistern.

Den Abschluss der Ausarbeitung stellt Kapitel 8 mit dem Fazit dar. Die Auswertung und die wichtigsten Erkenntnisse der gesamten Ausarbeitung werden noch einmal zusammengefasst. Zusätzlich wird an dieser Stelle auch noch eine persönliche Handlungsempfehlung gegeben.

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2Grundlagen und Definitionen

2.1Betonkernaktivierung

Als Betonkernaktivierung bzw. thermische Bauteilaktivierung oder auch Betonkerntemperierung werden Heiz- oder Kühlsysteme bezeichnet, bei denen wasser- oder luftführende Rohrleitungen durch Betonwände oder Betondecken verlaufen und die Speichermassen dieser massiven Bauteile zum Kühlen oder Heizen des Raums nutzen.

2.1.1Historische Entwicklung

Die Anfänge der thermischen Bauteilaktivierung zur Beheizung von Gebäuden reichen bis in das Römische Reich zurück. Bei der „Hypokaustenheizung“ (aus dem Griechischen hypo = von unten; kaustum = brennen; vgl. Bild 2.1) wurde bereits die Strahlungswärme des Fußbodens und der Wände genutzt. Dabei wurden von einem unterirdischen Heizraum bzw. Heizkeller aus heiße Rauchgase eines Holzkohlenfeuers durch Hohlräume im Fußboden und in Wänden geleitet und schließlich über einen Schornstein abgeführt, vgl. [2].

Allerdings wurde damals noch keine Rohrtechnik eingesetzt. Dies führte dazu, dass die Rauchgase durch Fußboden und Wände in den Raum durchdringen konnten und eine Beeinträchtigung für darin befindliche Personen darstellten. Womöglich war dies eines der Gründe, weshalb die Technik mit dem Untergang des Römischen Reichs größtenteils in Vergessenheit geriet.

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Bild 2.1: Funktionsprinzip der Hypokaustenheizung, nach [1]

Der nächste bedeutende Schritt in Richtung thermischer Bauteilaktivierung ereignete sich mit dem technischen Fortschritt zu Beginn des 20. Jahrhunderts. In 1907 meldete der englische Ingenieur A. H. Barker die erste Deckenheizung zum Patent an, die aus in der Betondecke integrierten Stahlrohrregistern bestand. Im Gegensatz zu vorherigen Methoden setzte er nicht Luft, sondern Wasser als Medium ein. Inspiriert von den Römern sollte wiederum die Gebäudemasse als Speichersystem genutzt werden. Nur ein Jahr später wurde auch schon die erste Geschossdeckenheizung nach diesem System ausgeführt. Nach dem Namen der ausführenden Firma – Richard Crittall & Co. Ltd – wurde das System als „CRITTALL-Decke“ bekannt. Sie breitete sich rasch aus und erreichte 1930 auch Deutschland.

Nach einigen Jahren erkannte man, dass die im Beton integrierten Rohrregister nicht nur zum Heizen, sondern auch zum Kühlen genutzt werden könnten. So wurde im Jahre 1937 ein Kaufhaus in der Schweiz mit CRITTAL-Decken ausgestattet, die sowohl als Heiz- als auch als Kühldecken fungierten.

Doch wie auch bei der Hypokaustenheizung der Römer konnte sich die CRITTAL-Decke aufgrund ihrer Schwachstellen und Mängel nicht durchsetzen, weshalb sie völlig vom Markt verschwand. Diese Mängel sind zurückzuführen auf den schlechten bauphysikalischen Standard der damaligen Zeit. Die Gebäude waren größtenteils ungedämmt und hatten somit keinen Wärmeschutz. Die Folgen waren zum einen ein sehr hoher Wärmebedarf, zum anderen unzumutbare Strahlungsasymmetrien. Einen weiteren Schwachpunkt stellte das verwendete Rohrmaterial dar; die Stahlrohrregister zeigten nämlich eine hohe Korrosionsanfälligkeit und verursachten schwere Schadensfälle. Die Gefahr der Kondenswasserbildung an der Deckenoberfläche bei der Unterschreitung des Taupunkts kam noch hinzu.

Mit der Verbesserung des Dämmstandards sowie dem Einsatz von Kupfer als Rohrmaterial rückten Anfang der 1970er Jahre Flächenheiz- und -kühlsysteme erneut in den Fokus. So fand die moderne Fußbodenheizung Einzug in die Heizungstechnik und kam im privaten, öffentlichen sowie im industriellen Bereich schnell zum Einsatz. Die wasserdurchflossene Metallkühldecke kam in den 1980ern als weiteres Flächensystem zur Gebäudetemperierung auf den Markt.

In den 1990er Jahren wurde das Prinzip der CRITTAL-Decke in der Schweiz und in Deutschland mit der Bezeichnung „temperierte Bauteile“ wieder aufgenommen. Ausschlaggebend für diese Wiederaufnahme waren zweifelsohne die verbesserten bauphysikalischen Randbedingungen der modernen Gebäude. Durch die gute Dämmung der Gebäudehülle wurde der Wärmebedarf stark reduziert. Durch den Erlass von Verordnungen – wie beispielsweise der Energieeinsparverordnung (EnEV) – sollten die Bedingungen noch weiter verbessert werden.

Weitere Chancen für das System brachten auch die Möglichkeiten der Nutzung von Umweltenergien – wie z.B. Solarenergie, geothermischen Energien oder Wärmepumpen – zum Beheizen von Gebäuden mit sich. Außerdem wurden inzwischen Rohre aus Kunststoff entwickelt. Diese vereinfachen die Montage und sind dabei auch noch sehr langlebig.

Verantwortlich für die Entwicklung der temperierten Bauteile war auch ein Nebeneffekt der gut isolierten Gebäude. Die Wärme, die durch innere Lasten (wie Beleuchtung, Geräte, Personen) hervorgerufen wird, wird in den massiven Bauteilen gespeichert und kann auf Grund der hohen Dichtigkeit der Gebäudehülle nicht mehr entweichen, d.h. die natürliche Nachtkühlung kann kaum noch erfolgen. Insbesondere bei größeren Büro- und Verwaltungsgebäuden stellt dies ein größeres Problem dar. Die Kühlung von Gebäuden gewann so mehr an Bedeutung.

Die konventionellen Klimatechniken sorgten oft für ein unbehagliches Empfinden am Arbeitsplatz und riefen in Verbindung mit zu hohen Luftgeschwindigkeiten Erkrankungen – das sogenannte. „Sick Building Syndrom“ – hervor. Die Kühlung durch temperierte Bauteile sollte im Vergleich dazu eine wirtschaftliche Alternative ohne Zugerscheinungen, ohne Staubaufwirbelung und ohne Geräuschbelästigungen darstellen.

Im Gewerbebau hat sich die thermische Bauteilaktivierung aufgrund ihrer unübertroffenen Wirtschaftlichkeit und Energieeffizienz mittlerweile zum Standard entwickelt. Im Wohnungsbau dagegen bleibt bisher eine Breitenanwendung aus; laut Fachleuten soll sich dies in den nächsten Jahrzehnten ändern.

2.1.2Aufbau und Herstellung des Betonkerns

Wie auch bei der herkömmlichen Fußbodenheizung besteht das System der Betonkernaktivierung aus wassergeführten – vereinzelt auch luftgeführten – Rohrleitungen, die großflächig zur Temperierung eines Raums genutzt werden. Der ausschlaggebende Unterschied beider Systeme besteht dabei in der Lage der Rohrschlangen. Bei der Fußbodenheizung werden diese direkt unter dem Bodenbelag im Estrich verlegt und sind von dem darunterliegenden massiven Betonbauteil größtenteils abgekoppelt. Im Gegensatz dazu liegen die Rohre bei der Betonkernaktivierung nicht auf, sondern in der Betondecke bzw. der Betonwand (siehe Bilder 2.2 und 2.3).

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Bild 2.2: Aufbau von Fußbodenheizung und Betonkernaktivierung im Vergleich, nach [3]

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Bild 2.3: Aufbau einer Betondecke mit Betonkernaktivierung, nach [4]

Hieraus lässt sich bereits schlussfolgern, dass die Betonkernaktivierung, anders als herkömmliche Methoden zur Kühlung oder Beheizung, nicht erst nach Fertigstellung des Rohbaus eingebaut werden kann. Da die Rohrregister zwischen unterer und oberer Bewehrung der Massivbauteile verlegt werden, noch ehe der Beton eingebracht wird, kann dieser Vorgang nur während der Rohbauerstellung erfolgen; die Betonkernaktivierung ist also ausschließlich auf Neubauten beschränkt. Selbstverständlich setzt dies eine sehr genaue Planung sowie Anpassung des Bauablaufs voraus.