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[5]Satyrica

[7]1 (1) Werden unsere Deklamatoren von einer anderen Sorte von Furien gehetzt, wenn sie schreien: »Diese Wunden habe ich für die Freiheit des Gemeinwesens empfangen, dieses Auge habe ich für euch geopfert. Gebt mir einen Führer, der mich zu meinen Kindern bringt, denn meine durchhauenen Kniekehlen vermögen meinen Körper nicht zu tragen«? (2) Selbst das wäre erträglich, wenn sie damit künftigen Rednern den Weg ebneten. Tatsächlich erreichen sie aber mit dem schwülstigen Pathos ihrer Themen und ihrem völlig inhaltsleeren Phrasengeklingel nur, dass, wenn sie aufs Forum gekommen sind, sie meinen, auf einen anderen Planeten versetzt zu sein. (3) Und deshalb glaube ich persönlich, dass die jungen Leute in den Rhetorenschulen häufig verdummt werden, weil sie nichts von dem, auf das wir im Alltagsleben stoßen, hören oder sehen, sondern stattdessen von Piraten, die in Ketten am Strand stehen, von Tyrannen, die Edikte verfassen, mit denen sie Söhnen befehlen, ihren Vätern die Köpfe abzuhacken, von Orakelsprüchen gegen eine Seuche, die die Opferung von drei oder mehr Jungfrauen anordnen, von honigsüßen Wortkügelchen – und alles, was gesagt oder getan wird, wie mit Mohn und Sesam bestreut.

2 (1) Wer in dieser Umgebung aufwächst, kann ebenso wenig klug werden, wie diejenigen gut riechen können, die ihr Leben in der Küche verbringen. (2) Mit Verlaub würde ich behaupten wollen: Ihr Deklamatoren habt als Erste von allen die Redekunst heruntergewirtschaftet. Mit euren gefälligen und inhaltslosen Tönen und mit dem Hochjubeln bestimmter Spielereien habt ihr es nämlich geschafft, dass der Körper der Rede kraftlos wurde und zu Boden stürzte. (3) Damals wurden junge Menschen noch nicht von Deklamationen tyrannisiert, als Sophokles oder Euripides die Sprache schufen, in der man [8]sprechen muss. (4) Damals hatte noch kein Schattenlehrer die Talente ruiniert, als Pindar und die neun Lyriker sich scheuten, im Versmaß Homers zu dichten. (5) Und um nicht nur Dichter in den Zeugenstand zu rufen – ganz sicher haben sich weder Platon noch Demosthenes, wie ich sehe, auf diese Art von Übungen eingelassen. (6) Die große und sozusagen keusche Rede ist nicht voller bunter Flecken und nicht aufgequollen, sondern sie erwächst aus einer natürlichen Schönheit. (7) Neulich erst ist diese windige und uferlose Geschwätzigkeit aus Kleinasien nach Athen eingewandert und hat den Geist junger Menschen, der sich hohe Ziele setzte, wie mit einer Art von Pest verbreitendem Gestirn angehaucht, und nachdem das Richtmaß pervertiert war, stand die Beredsamkeit still und verstummte. (8) Wer hat seitdem die Höchstleistung eines Thukydides, wer hat den Ruhm eines Hypereides erreicht? Noch nicht einmal eine Dichtung erstrahlte in gesunder Farbe, sondern alles wurde gewissermaßen mit derselben Nahrung gefüttert und hatte keine Chance, zu hohem Alter zu reifen. (9) Auch der Malerei ist es nicht anders ergangen, nachdem ägyptische Dreistigkeit die Schnellform einer so bedeutenden Kunst erfunden hat.

3 (1) Agamemnon ließ nicht zu, dass ich in der Säulenhalle länger deklamierte, als er selbst in der Schule geschwitzt hatte, sondern er rief mir zu: »Junger Mann, da du dich ja in nicht alltäglichem Geschmack ausdrückst und, was ganz selten ist, den gesunden Menschenverstand liebst, will ich dir das Geheimnis der Redekunst nicht vorenthalten. (2) Allzu sehr vergehen sich die Lehrer an ihr in diesen Deklamationsübungen; allerdings sind sie gezwungen, mit Wahnsinnigen gemeinsam wahnsinnig zu sein. Sagen sie nämlich nicht das, was die jungen Männer hören wollen, dann werden sie, wie Cicero sagt, allein in den Hörsälen zurückbleiben. (3) Wie sich heuchlerische Schmeichler, wenn sie nach den Mahlzeiten der Reichen schnappen, nichts eher überlegen als das, von dem sie glauben, [9]dass es ihren Zuhörern am angenehmsten sein wird – denn anders werden sie nicht erreichen, was sie wollen, wenn sie den Ohren nicht tückische Fallen stellen – (4), so hockt der Rhetoriklehrer ohne Hoffnung auf Beute auf der Klippe, wenn er nicht wie ein Angler diejenigen Köder an den Angelhaken steckt, von denen er weiß, dass die Fischlein anbeißen werden.

4 (1) Wie also stehen die Dinge? Die Eltern verdienen Tadel, weil sie nicht wollen, dass ihre Kinder nach strenger Regel Fortschritte machen. (2) Erstens ist es ja so wie bei allem anderen: Auch ihre hoffnungsvollen Sprösslinge opfern sie dem Ehrgeiz. Wenn sie danach auf die Erfüllung ihrer Wünsche drängen, treiben sie die noch unfertigen Studenten aufs Forum und legen die Rhetorik, von der sie selbst zugeben, dass es nichts Schwereres gibt, wie Kleidung um Kinder, die noch kaum geboren sind. (3) Würden sie aber zulassen, dass die Mühen der Ausbildung Schritt für Schritt erfolgen, dass die lernwilligen jungen Leute in anerkannte Lektüre geradezu eingetaucht werden, dass sie ihren Charakter durch philosophische Lehren festigen, dass sie lange Zeit in Vorlesungen hören, was sie nachahmen wollen, dass ihnen klar ist, dass nichts großartig ist, was Knaben gefällt, dann hätte die große Rede, von der wir vorhin gesprochen haben, das ihrer Würde zukommende Gewicht. (4) So, wie es jetzt aussieht, geben sich die Knaben in den Schulen lediglich mit Spielereien ab, werden die jungen Leute auf dem Forum ausgelacht, und – was schimpflicher ist als beides – will keiner zugeben, dass er mal Falsches gelernt hat. (5) Damit du aber nicht meinst, ich fände keinen Gefallen an schlichten Stegreifgedichten à la Lucilius, will ich meine Ansicht auch selbst in einem Gedicht darlegen:

5 Wer strenger Kunst Erfolg erstrebt

und seinen Geist auf Großes richtet, der forme zuvor seinen Charakter

nach dem genauen Gesetz des Maßhaltens.

[10]Er kümmere sich erhobenen Hauptes nicht um trotzige Königsburgen

und jage nicht als Klient den Schmausereien der Mächtigen nach.5

Auch geselle er sich nicht verkommenen Menschen zu und ertränke nicht in Wein

des Geistes Feuer, sitze auch nicht da als Claqueur,

gekauft für den aufgerissenen Mund des Schauspielers.

Nein! Sei es, dass ihm die waffenbewehrte Burg der Pallas zulächelt

oder das von spartanischen Kolonisten bewohnte Land10

oder der Sitz der Sirenen: Er widme die ersten Jahre der Poesie

und trinke mit glücklicher Brust aus mäonischem Quell.

Bald darauf lasse er, erfüllt von des Sokrates Herde, die Zügel

locker und schwinge die Waffen des gewaltigen Demosthenes.

Daraufhin umringe ihn die römische Dichterschar; von griechischem Klang15

nun entlastet, soll sie, von römischen Einflüssen gefärbt, seinen Geschmack verändern.

Mitunter ziehe sich das Schreiben vom Forum zurück und bewege sich freier,

und Fortuna, die sich durch raschen Gang unterscheidet, soll Töne hervorbringen;

Nahrung sollen der Rede geben Kriege, von denen mit schaurigem Gesang erzählt wird,

und gewaltige Worte des ungezähmten Cicero sollen drohend erklingen.20

Mit diesen Gütern rüste den Geist: So wirst du, von reichlichem Strom erfüllt, deiner

den Musen gewidmeten Brust Worte entströmen lassen.

[11]6 (1) Indem ich ihm allzu aufmerksam zuhörte, merkte ich nicht, dass Askylt die Flucht ergriffen hatte. … Während ich unter dem Eindruck dieser rhetorischen Flut im Park spazieren ging, kam ein riesiger Pulk von Studenten in die Säulenhalle, wie es schien, von der Stegreifdeklamation irgendeines Redners her, der sich der Lehrrede Agamemnons angeschlossen hatte. (2) Wie nun die jungen Männer sich über dessen Sprüche lustig machten und über den ganzen Aufbau seiner Rede herzogen, nahm ich die günstige Gelegenheit wahr, schlich mich heimlich davon und begann, Askylt im Laufschritt zu verfolgen. (3) Allerdings kannte ich weder den Weg genau, noch hatte ich eine Ahnung, wo unsere Herberge lag. (4) Deshalb kam ich, wohin ich mich auch wandte, immer wieder zur selben Stelle zurück, bis ich mich, vom Laufen ermüdet und schon schweißüberströmt, an ein altes Weiblein wandte, das Kohl vom Feld verkaufte.

7 (1) Ich fragte sie: »Bitte, Mütterchen, hast du vielleicht eine Ahnung, wo ich wohne?« Sie amüsierte sich über diesen blöden Gag und antwortete: »Warum denn nicht?« Sie stand auf und ging vor mir her. (2) Ich vermutete hellseherische Fähigkeiten bei ihr. Als wir dann zu einem ziemlich abgelegenen Ort kamen, schlug die witzige Alte einen Vorhang zurück und sagte: »Hier müsstest du wohnen!« (3) Während ich noch bestritt, dieses Haus zu kennen, fiel mein Blick auf einige Männer, die sich zwischen Namensschildern und nackten Huren verstohlen herumdrückten. (4) Spät, ja bereits zu spät begriff ich, dass ich in ein Bordell geführt worden war. Ich verfluchte daher die Falle, die die Alte mir gestellt hatte, zog mir den Mantel über den Kopf und floh mitten durch das Bordell auf die andere Seite. Und siehe da! Direkt am Eingang lief mir, auch er erschöpft und halbtot, Askylt in die Arme. Man hätte meinen können, er sei von derselben Alten hierhin gebracht worden. (5) Ich begrüßte ihn grinsend und erkundigte mich dann, was er an einem so üblen Ort treibe.

[12]8 (1) Er wischte sich den Schweiß mit den Händen ab und stöhnte: »Wenn du wüsstest, was mir zugestoßen ist!« (2) »Was gibt’s denn Neues?«, fragte ich. Er aber, völlig fertig, berichtete: »Als ich durch die Stadt irrte und die Stelle nicht wiederfand, wo ich die Herberge verlassen hatte, kam ein biederer Familienvater auf mich zu und bot sich überaus zuvorkommend als Führer an. (3) Er führte mich daraufhin kreuz und quer durch finsterste Gassen und kam dann an diesem Ort heraus. Er zog sein wertvolles Ding hervor und fing an, mir unzüchtige Angebote zu machen. (4) Schon hatte eine Hure einen As als Miete für ihren Raum gefordert, schon hatte er Hand an mich gelegt, und ich hätte, wäre ich nicht der Stärkere gewesen, die Zeche (für meine Leichtgläubigkeit) zahlen müssen.

*

So aber schienen mir ringsum alle den Liebestrank Satyrium getrunken zu haben.

*

Mit vereinten Kräften schafften wir uns den lästigen Kerl vom Hals.

*

9 (1) Wie durch einen Dunstschleier sah ich Giton am Rand des Weges stehen und stürzte an eben diese Stelle. …

(2) Auf meine Frage, ob uns das Brüderchen etwas zum zweiten Frühstück gemacht habe, setzte sich der Junge aufs Bett und wischte sich mit dem Daumen die kullernden Tränen weg. (3) Geschockt über das Verhalten meines Brüderchens, fragte ich, was vorgefallen sei. Er aber antwortete zögerlich und [13]ohne recht zu wollen, dann aber doch, nachdem ich meine Bitten zusammen mit zornigen Worten verstärkt hatte: (4) »Dein feiner Bruder oder Kamerad kam vor Kurzem ins Zimmer gelaufen und wollte mir meine Keuschheit rauben. (5) Als ich laut aufschrie, zog er sein Schwert und drohte: ›Wenn du Lucretia bist, dann hast du deinen Tarquinius gefunden!‹«

(6) Als ich das hörte, ging ich mit meinen Händen auf Askylts Augen los und rief: »Was sagst du da, du männliche Hure, die die Frauenrolle einnimmt? Bei dir ist doch nicht einmal der Atem sauber!« (7) Askylt tat, als wäre er entsetzt, bald darauf riss er seine Hände noch höher und schrie mit noch größerer Anstrengung: (8) »Du hältst nicht den Mund, du schamloser Gladiator, den die Arena entlassen hat, weil er es nicht brachte? (9) Du hältst nicht den Mund, du nächtlicher Durchstoßer? Nicht einmal, als du noch Kraft hattest, hast du mit einer anständigen Frau gekämpft. (10) Ich war doch im Park auf dieselbe Weise dein Brüderchen, wie es der Junge jetzt hier in der Herberge ist.« »Du hast dich«, warf ich ihm vor, »während der Rhetoriklehrer noch vortrug, heimlich aus dem Staub gemacht!«

10 (1) »Was hätte ich denn tun sollen, du Oberblödmann, als ich vor Hunger fast gestorben wäre? Ja klar, ich hätte mir die Sentenzen anhören sollen, das heißt Glasscherben und Traumdeutungen? (2) Du bist beim Herkules viel schlimmer als ich: Du hast den Dichter gelobt, um außer Haus essen zu können.« …

(3) So löste sich der überaus hässliche Streit in Gelächter auf; einigermaßen versöhnt, wandten wir uns anderen Dingen zu.

*

(4) Nachdem mir die Kränkung wieder eingefallen war, sagte ich: »Askylt, ich erkenne, dass wir nicht zusammenpassen. [14]Deshalb wollen wir unser bisschen gemeinsame Habe teilen und versuchen, unsere Armut durch unterschiedliche Erwerbsarten zu überwinden. (5) Du und ich – wir beide verstehen uns auf Literatur. Um deinen Erwerbschancen nicht im Weg zu stehen, will ich mich beruflich auf etwas anderes verlegen; sonst bringen uns täglich tausend Gründe in Kollision, und wir kommen in der ganzen Stadt in Verruf.«

(6) Askylt verschloss sich meinem Vorschlag nicht. Er meinte: »Weil wir heute als Jünger der Gelehrsamkeit bei einem Gastmahl zugesagt haben, wollen wir uns die Nacht nicht verderben. Morgen aber werde ich mich, weil du es ja so haben willst, nach einer neuen Wohnung und einem anderen Brüderchen umsehen.« (7) Ich erwiderte: »Man soll nicht auf die lange Bank schieben, was man beschlossen hat.«

*

Ursache für diese so plötzliche Trennung war meine Geilheit. Schon lange nämlich wollte ich den lästigen Wächter loswerden, um das alte Verhältnis zu meinem Giton wiederaufleben zu lassen.

*

11 (1) Nachdem ich mir die ganze Stadt angesehen hatte, kehrte ich in mein Zimmerchen zurück. Ich forderte endlich auf Treu und Glauben Küsse von dem Jungen ein, schloss ihn eng und feurig in meine Arme und genoss die Erfüllung meiner Wünsche in beneidenswert glücklicher Weise. (2) Es war aber noch nicht alles geschehen, da schlich Askylt heimlich an die Tür, brach den Riegel äußerst brutal auf und fand mich beim Spiel mit dem Brüderchen vor. Er erfüllte das Zimmerchen mit Lachen und Beifall, zog den Mantel weg, mit dem ich mich [15]zugedeckt hatte, und fragte: (3) »Was treibst du denn da, mein unschuldiges Brüderchen, der du daran arbeitest, unsere Lebensgemeinschaft aufzulösen?« (4) Und er beschränkte sich nicht auf Worte, sondern nahm den Riemen von seinem Ranzen herunter und fing an, mich mit nicht gerade leichten Schlägen zu traktieren, und das auch noch unter unverschämten Bemerkungen: »So sollte man mit seinem Brüderchen nicht teilen!«

*

12 (1) Wir kamen auf den Markt, als der Tag sich schon neigte. Dort bemerkten wir eine Menge zum Verkauf stehender Waren, zwar keine wertvollen, aber doch solche, deren zweifelhafte Qualität und Herkunft vom Halbdunkel der Tageszeit leicht überdeckt werden konnten. (2) Da wir nun auch unsererseits den bei einem Diebeszug geraubten Mantel dorthin gebracht hatten, begannen wir, die hervorragende Chance zu nutzen und in einer dunklen Ecke mit dem äußersten Zipfel herumzuwedeln in der Hoffnung, das glanzvolle Kleidungsstück könnte vielleicht irgendeinen Käufer anlocken. (3) Und es dauerte nicht lange, da trat ein Bauer, der meinen Augen bekannt vorkam, mit einem Weiblein als Begleitung näher zu uns heran und begann den Mantel ziemlich eingehend anzusehen. (4) Askylt seinerseits blickte auf die Schultern des Bauern, der da als Kaufinteressent stand, und brachte plötzlich, als hätte der Schlag ihn getroffen, kein Wort mehr heraus. (5) Auch ich schaute mir den Mann nicht ohne eine gewisse Aufregung an, denn er schien mir der zu sein, der unsere Tunika in der Einöde gefunden hatte. (6) Tatsächlich, er war es! Da Askylt aber seinen Augen nicht traute, trat er, um nichts Unüberlegtes zu tun, zunächst ein Stück näher an ihn heran, als wäre er ein Kaufinteressent, zog einen Zipfel der Tunika von den Schultern und betastete ihn ziemlich intensiv.

[16]13 (1) Welch wundersames Spiel des Zufalls! Denn der Bauer hatte noch gar nicht neugierig mit seinen Händen die Naht betastet, sondern er wollte die Tunika sogar geringschätzig als Bettlerlumpen verkaufen. (2) Als Askylt klar geworden war, dass der versteckte Inhalt noch unangetastet war, nahm er mich ein Stück von der Menge zur Seite und sagte: »Du weißt, Brüderchen, dass der Schatz zu uns zurückgekehrt ist, dessen Verlust ich beklagt habe? (3) Die Tunika da ist, wie es scheint, noch voll von unberührten Goldstücken. Was tun wir also? Oder mit welchem Recht beanspruchen wir unser Eigentum?«

(4) Ich war hocherfreut, nicht nur, weil ich die Beute sah, sondern auch, dass der Zufall mich von einem ganz schlimmen Verdacht befreit hatte, und meinte, man brauche nicht auf Umwegen vorzugehen, sondern solle schlicht nach bürgerlichem Gesetz streiten: Wenn er die fremde Sache nicht seinem Eigentümer wiedergeben wolle, dann solle er vor Gericht erscheinen.

14 (1) Askylt dagegen fürchtete sich vor dem Rechtsweg. Er sagte: »Wer kennt uns in dieser Stadt, wer wird unserer Aussage Glauben schenken? Ich meine jedenfalls, wir sollten die Tunika kaufen, auch wenn uns gehört, was wir als unser Eigentum erkennen. Es ist besser, uns für wenig Geld den Schatz zurückzuholen als es auf einen unsicheren Rechtsstreit ankommen zu lassen.

(2) Was sollen Gesetze ausrichten, wo allein das Geld regiert

oder wo Armut keine Chance hat zu obsiegen?

Selbst diejenigen, die mit dem Ranzen des Kynikers ihr Leben verbringen,

verkaufen immer wieder mal die Wahrheit für Geld.

Also ist auch ein Urteil nichts anderes als eine öffentliche Bestechungsware,5

und der Ritter, der den Vorsitz im Prozess führt, bestätigt nur den Kauf.«

[17](3) Aber außer einem Zwei-As-Stück, mit dem wir Erbsen und Bohnen hatten kaufen wollen, war nichts zur Hand. (4) Damit die Beute also zwischenzeitlich nicht abhaute, beschlossen wir, den Mantel sogar billiger abzugeben und als Preis für den größeren Gewinn einen kleineren Verlust in Kauf zu nehmen. (5) Sobald wir nun unsere Ware ausgebreitet hatten, schaute sich die Frau, die mit verhülltem Kopf bei dem Bauern gestanden hatte, die Stickereien genauer an, packte mit beiden Händen an den Zipfel und kreischte laut los: »Banditen! Festhalten!« (6) Wir dagegen begannen in unserer Bestürzung, um nicht den Eindruck zu erwecken, als wehrten wir uns nicht, unsererseits die zerrissene, schmutzige Tunika festzuhalten und mit derselben Empörung loszuschreien, das seien Beutestücke von uns, die die anderen da hätten. (7) Die Sache war allerdings keineswegs ausgewogen, und die Händler, die auf das Geschrei hin zusammengelaufen waren, machten sich, wie es wohl ihre Art war, über unsere Empörung lustig, weil da auf der einen Seite welche eine äußerst wertvolle Kleidung als ihr Eigentum beanspruchten, auf der anderen Seite welche einen Lumpen, der nicht einmal als Füllstoff für eine Matratze gut genug war.

(8) In dieser Situation machte Askylt dem Gelächter geschickt ein Ende. Er bat um Ruhe und sagte:   15 (1) »Wir sehen, dass jedem das Seine besonders lieb und teuer ist. Sollen sie uns unsere Tunika zurückgeben und dafür ihren Mantel zurückerhalten! (2) Obgleich dem Bauern und der Frau der Austausch gefiel, forderten zwei herbeigerufene Nachtwächter, die aus dem Mantel Profit schlagen wollten, beide Kleidungsstücke müssten bei ihnen hinterlegt werden. Am nächsten Tag solle ein Richter über den Streit entscheiden. (3) Denn es gehe nicht nur um die Eigentumsrechte, über die Uneinigkeit zu bestehen scheine, sondern etwas ganz anderes müsse untersucht werden: dass nämlich auf beiden Seiten der Verdacht auf Raub vorliege. (4) Schon einigte man sich auf Schiedsrichter, und [18]irgendeiner von den Händlern, ein Kahlkopf mit der Stirn voller Warzen, der manchmal sogar als Rechtsbeistand tätig zu sein pflegte, hatte sich auf den Mantel gestürzt. Er versicherte, er werde ihn am nächsten Tag wieder vorlegen. (5) Im Übrigen hatte es den Anschein, dass nichts anderes erreicht werden sollte, als dass die einmal zur Aufbewahrung gegebene Kleidung unter Beutejägern zum Verschwinden gebracht würde und wir aus Angst, angeklagt zu werden, zum Gerichtstermin nicht erscheinen würden …

(6) Eben das wollten auch wir. Deshalb kam der Zufall dem Wunsch beider Parteien zu Hilfe. (7) Der Bauer nämlich schleuderte in seiner Entrüstung darüber, dass wir forderten, der Fetzen solle herausgegeben werden, Askylt die Tunika ins Gesicht und forderte uns, die wir nun die Klage vom Hals hatten, auf, den Mantel zu hinterlegen, der jetzt das alleinige Streitobjekt darstellte.

*

(8) Und nachdem wir unseren Schatz wiederhatten, wie wir glaubten, eilten wir Hals über Kopf in die Herberge, verriegelten die Tür und fingen an, uns über den Scharfsinn nicht weniger der Händler als der Verleumder lustig zu machen, weil sie uns mit ihrer gewaltigen Schläue unser Geld zurückgegeben hätten.

*

(9) Ich will, was ich begehre, nicht auf der Stelle in Händen halten,

und ein Sieg, der schon errungen ist, gefällt mir nicht.

*

[19]16 (1) Sobald wir uns mit dem Mahl gestärkt hatten, das Giton freundlicher Weise zubereitet hatte, klopfte es, wenn auch sehr zaghaft, an der Tür. … (2) Als wir nun, selbst blass geworden, fragten, wer da sei, sagte eine Stimme: »Mach auf, dann weißt du es gleich!« Während wir noch sprachen, fiel der Riegel von selbst herab, die Tür öffnete sich unversehens und ließ eine Person eintreten. (3) Es war die Frau mit dem verhüllten Kopf, eben die, die kurz zuvor mit dem Bauern zusammengestanden hatte. Sie fragte: »Habt ihr geglaubt, ihr hättet mich reingelegt? (4) Ich bin die Sklavin der Quartilla, die ihr bei ihrer heiligen Handlung vor der Grotte gestört habt. Da, sie kommt selbst zu eurer Herberge und bittet um ein Gespräch mit euch. Habt keine Sorge! Sie wirft euch weder euren Irrtum vor, noch will sie euch bestrafen. Vielmehr wundert sie sich darüber, durch welchen Gott es so feine junge Männer in ihre Gegend verschlagen hat.«

17 (1) Während wir noch schwiegen und weder ja noch nein dazu sagten, trat sie selbst ein, von nur einem jungen Mädchen begleitet. (2) Sie setzte sich auf mein Lager und weinte lange. Auch das kommentierten wir mit keinem einzigen Wort, sondern warteten verdattert die Tränen ab, die dazu dienten, ihren Schmerz zur Schau zu stellen. (3) Sobald dieser derart berechnete Tränenstrom abgeklungen war, schlug sie ihren Mantel von ihrem Stolz ausstrahlenden Kopf zurück, presste die Hände zusammen, bis die Knöchel knackten, und rief: (4) »Was ist das eigentlich für eine Dreistigkeit? Wo habt ihr eure kriminellen Machenschaften gelernt, die sogar erfundene Geschichten in den Schatten stellen? Ihr tut mir bei Gott leid, denn noch nie hat jemand ungestraft gesehen, was er nicht sehen durfte. (5) Unsere Gegend ist überdies so voll mit kraftvoll wirkenden göttlichen Mächten, dass du leichter auf einen Gott stoßen kannst als auf einen Menschen. (6) Und glaubt bloß nicht, ich sei hierher gekommen, um mich zu rächen; [20]mich bewegt eure Jugend mehr als das mir angetane Unrecht. Ohne es zu wissen und zu wollen, habt ihr nämlich, wie ich immer noch meine, ein unsühnbares Verbrechen begangen. (7) Ich selbst bin jedenfalls, als ich damals in der Nacht so Schlimmes erlebt habe, von derart gefährlichem Schüttelfrost heimgesucht worden, dass ich sogar eine Malariaattacke befürchtete. Deshalb suchte ich Heilung im Inkubationsschlaf und erhielt die Weisung, euch aufzusuchen und den Ansturm des Leidens mithilfe von Ratschlägen zu lindern, die mir im Einzelnen gezeigt wurden. (8) Aber um das Heilmittel geht es mir gar nicht so sehr, denn ein viel stärkerer Schmerz wütet in meiner Brust, der mich fast in den Tod treibt: nämlich dass ihr in jugendlicher Unbekümmertheit das, was ihr im Priapus-Tempel gesehen habt, ausplaudern und die Beschlüsse der Götter in die Öffentlichkeit tragen könntet. (9) Daher strecke ich meine Hände flehend zu euren Knien aus und bitte euch inständig, die nächtlichen religiösen Riten nicht zum Gegenstand von Scherz und Spott zu machen und nicht die Geheimnisse so vieler Jahre zu verraten, die kaum tausend Menschen kennen.«

18 (1) Nach diesem Flehen vergoss sie erneut Tränen und presste ihr ganzes Gesicht und ihre Brust, von lang gezogenen Schluchzattacken geschüttelt, an mein Lager. (2) Ich war gleichzeitig von Mitleid und Furcht aufgewühlt, forderte sie auf, guten Mutes zu sein und sich in beiden Punkten keine Sorgen zu machen. (3) Denn zum einen werde niemand die heiligen Riten an die Öffentlichkeit bringen, zum anderen würden wir, wenn der Gott ihr außerdem noch ein anderes Mittel gegen Malaria gezeigt habe, die göttliche Fürsorge selbst unter Gefahr für uns selbst unterstützen. (4) Nach diesem Versprechen wurde die Frau heiterer; sie überhäufte mich mit einem Kusshagel, ging von Tränen zu Lachen über, zupfte mit zärtlicher Hand an meinen über die Ohren fallenden Locken und sagte: (5) »Ich [21]schließe Waffenstillstand mit euch und erlasse euch den anberaumten Prozess. Hättet ihr euch zu der Arznei nicht bereitgefunden, die ich von euch erbitte, so stand schon eine Menge Leute bereit, um das an mir begangene Unrecht und meine Ehre zu rächen.

(6) Schlecht behandelt zu werden ist schmählich, auf seine gesetzlich verbürgten Ansprüche zu verzichten ist eine stolze Sache.

Das liebe ich: Auf jedem Weg zu gehen, der mir gefällt.

Denn gewiss lässt es auch der Weise, wird er schlecht behandelt, auf einen Prozess ankommen,

und der, der den Gegner nicht erdrosselt, pflegt als Sieger von dannen zu gehen.«

(7) Darauf klatschte sie in die Hände und brach unvermittelt in so starkes Lachen aus, dass wir es mit der Angst bekamen. Dasselbe tat auf der anderen Seite die Sklavin, die vor ihr gekommen war, dasselbe das junge Mädchen, das mit ihr ins Zimmer getreten war.

19 (1) Alles hallte von Gelächter wider, wie man es aus dem Theater kennt, wobei wir keine Ahnung hatten, was für ein plötzlicher Stimmungsumschwung da stattgefunden hatte, und bald einander, bald die Frauen ansahen.

*

(2) »Deshalb habe ich heute Weisung erteilt, keinen Menschen in diese Herberge zu lassen, um das Heilmittel gegen die Malaria ohne jede Störung von euch in Empfang zu nehmen.« (3) Sobald Quartilla das gesagt hatte, stutzte Askylt ein Weilchen; mir wurde kälter zumute als im gallischen Winter, und ich brachte kein Wort heraus. (4) Quartillas Begleitung sorgte allerdings dafür, dass ich nichts allzu Schlimmes erwartete. Es waren ja nur drei kleine Frauenzimmer, für den Fall, dass sie [22]uns anzugreifen versuchten, ganz schwache – uns gegenüber, versteht sich, die wir, wenn auch sonst nichts anderes, so doch von männlichem Geschlecht waren. (5) Und wir waren gewiss auch für den Kampf höher gegürtet. Ja, ich hatte sogar schon im Stillen die Paare zusammengestellt, dass, wenn wir würden kämpfen müssen, ich selbst es mit Quartilla aufnähme, Askylt mit der Sklavin und Giton mit dem jungen Mädchen.

*

(6) Da aber verloren wir in unserer Bestürzung alle Entschlossenheit, und ein unzweifelhafter Tod begann, uns armen Kerlen die Augen zu verdunkeln.

*

20 (1) »Bitte, Herrin«, sagte ich, »wenn du etwas Schlimmes planst, bring es schnell zu Ende; denn wir haben kein so großes Verbrechen begangen, dass wir unter Foltern sterben müssten.«

*

(2) Die Sklavin mit Namen »Psyche« breitete sorgsam eine Decke auf dem Boden aus.

*

Sie stimulierte mein Glied, das schon von tausend Toden eiskalt war.

*

[23](3) Askylt hatte seinen Kopf mit dem Mantel verhüllt; er hatte ja begriffen, dass es gefährlich war, sich in fremde Geheimnisse einzumischen.

*

(4) Die Sklavin brachte zwei Bänder aus ihrem Gewand zum Vorschein; mit dem einen fesselte sie unsere Füße, mit dem anderen unsere Hände.

*

(5) Als unseren Erzählungen allmählich der Zusammenhang ausging, fragte Askylt: »Was? Bin ich es nicht wert, auch mal zu trinken?« (6) Die Sklavin fühlte sich durch mein Lachen erwischt; sie klatschte in die Hände und rief: »Ich habe dir doch … hingestellt! … Junger Mann, hast du ganz allein so viel Medizin getrunken?« (7) »Tatsache?«, fragte Quartilla, »hat Enkolp den ganzen Liebestrank Satyrium ausgetrunken?«

*

Sie wiegte ihre Hüften mit charmantem Lachen.

*

(8) Nicht einmal Giton konnte sich am Ende das Lachen verkneifen, besonders nachdem das junge Mädchen seinen Hals erobert und dem Knaben, der sich nicht wehrte, unzählige Küsse gegeben hatte.

*

[24]21 (1) Wir armen Kerle wollten losschreien, aber niemand war da, der uns hätte helfen können, und hier stach Psyche mir, der ich die Quiriten um Hilfe bitten wollte, mit einer Haarnadel in die Wange, dort setzte das Mädchen Askylt mit einem Pinsel zu, den es ebenfalls in Satyrium getränkt hatte.

*

(2) Am Ende kam noch ein schwuler Kerl dazu; er trug einen myrtenfarbenen, hoch geschürzten Umhang. Bald zog er uns die Hinterbacken auseinander und stieß hinein, bald besudelte er uns mit übel stinkenden Küssen, bis Quartilla, mit einer Rute aus Walfischknochen in Händen und hoch geschürzt, Befehl gab, uns arme Kerle zu begnadigen.

*

(3) Wir schworen beide hoch und heilig, das furchtbare Geheimnis werde mit uns beiden begraben werden.

*

(4) Mehrere Masseure traten ein und übergossen uns mit Eins-A-Öl und machten uns so wieder fit. (5) Als wir unsere Müdigkeit also, so gut es ging, abgeschüttelt hatten, zogen wir unsere Tafelkleidung wieder an und wurden ins nächste Zimmer geführt. Dort waren drei Speisesofas hergerichtet, und das übrige Zubehör einer luxuriösen Tafelrunde war in glänzendster Weise bereitgestellt. (6) Wir ließen uns nach Aufforderung auf den Speisesofas nieder, bekamen zunächst eine wunderbare Vorspeise aufgetischt und wurden sogar mit Falernerwein geradezu überschwemmt. (7) Als wir, mit noch mehreren weiteren Gängen bewirtet, in den Schlaf zu sinken drohten, rief [25]Quartilla: »Sieht es so aus? Wollt ihr sogar schlafen, obwohl ihr doch wisst, dass dem heiligen Priapus eine durchwachte Nacht geschuldet wird?«

*

22 (1) Als Askylt, von so vielen Leiden erschöpft, in den Schlaf entglitt, rieb ihm die Sklavin, die von ihm brüsk abgewiesen worden war, das ganze Gesicht dick mit Ruß ein und malte ihm mit Kohle, ohne dass er es merkte, Phalluszeichen auf Lippen und Schultern. (2) Auch ich hatte mir schon, ebenso durch viele Leiden erschöpft, sozusagen eine kleine Mütze Schlaf gegönnt; dasselbe hatte das gesamte Gesinde drinnen und draußen getan. Die einen lagen um die Füße der auf den Speisesofas Liegenden verstreut auf dem Boden, andere lehnten an der Wand, manche verweilten, die Köpfe aneinander gelehnt, direkt auf der Schwelle. (3) Auch die Lampen hatten kaum noch Öl und verbreiteten ein schwaches Licht, das bald zu Ende ging. Da betraten zwei syrische Sklaven das Speisezimmer. Sie wollten es ausplündern. Als sie inmitten der Silberpracht zu gierig miteinander stritten, zerbrachen sie eine Flasche, an der sie beide zerrten. (4) Der Tisch mit dem Silber kippte ebenfalls um, und ein Becher, der zufällig ziemlich weit hochgeschleudert worden war, traf die Sklavin, die schlaff auf dem Polster lag, heftig am Kopf. Auf diesen Schlag hin schrie sie laut auf, verriet so die Diebe und weckte einen Teil der Betrunkenen auf. (5) Die Syrer, die zum Beutemachen gekommen waren, ließen sich gleichzeitig neben das Speisesofa fallen, als sie sahen, dass sie ertappt worden waren – wie auf Verabredung, hätte man meinen können –, und sie fingen an zu schnarchen, als wären sie schon längst im Tiefschlaf.

(6) Schon war auch der Chef des Speisesaals aufgewacht und hatte Öl in die ausgehenden Lampen gegossen, die Sklaven [26]hatten sich die Augen gerieben und waren auf ihre Posten zurückgekehrt, da trat eine Zimbalistin ein. Sie schlug die Becken des Musikinstruments zusammen und weckte damit alle auf.

23 (1) Das Gastmahl wurde also wiederaufgenommen, und Quartilla animierte wieder zum Trinken. Die Zimbalistin trug erheblich zur allgemeinen Heiterkeit bei.

*

(2) Es trat der schwule Kerl ein, ein geschmackloser Geselle von niedrigstem Niveau, der genau zu diesem Haus passte. Er knackte erst mit seinen Händen, stöhnte dann auf und gab Lieder der folgenden Art von sich:

(3) »Hierhin, hierhin kommt jetzt schnell zusammen, ihr geilen Schwulen,

mit den Füßen, erhöht das Tempo, fliegt herbei mit

flinker Sohle und flinkem Schenkel, mit beweglichem Hintern und frech mit der Hand,

Weicheier, alte Säcke, Kastraten von des Deliers Hand!«

(4) Als er seine Verse fertig hatte, sabberte er mich mit einem megaekligen Kuss voll, bald darauf kam er sogar auf mein Speisesofa und zog mich mit aller Kraft gegen meinen Willen aus. (5) Er machte sich lange und intensiv über mein Glied her, allerdings vergeblich. Ströme von Akaziensaft überschwemmten die Stirn des Schwitzenden, und zwischen den Runzeln seiner Wangen klebte so viel Kreide, dass man hätte meinen können, eine unverputzte Wand leide unter einem Regenguss.

24 (1) Ich konnte die Tränen nicht länger zurückhalten, sondern bat in tiefster Niedergeschlagenheit: »Bitte, Herrin, du hattest doch unmissverständlich angeordnet, mir einen Absacker zu geben.« (2) Da klatschte sie recht sanft in die Hände und rief: »Was für ein scharfsinniger Mensch! Ein wahrer Quell großstädtischen Esprits! Hast du nicht gewusst, dass man [27]einen Schwulen als ›Absacker‹ bezeichnet?« (3) Darauf sagte ich, damit es meinem Gefährten nicht besser ergehe: »Mit Verlaub, ist Askylt eigentlich bei diesem Gastmahl als einziger in Ferien?« (4) »Stimmt«, erwiderte Quartilla, »auch Askylt soll seinen Absacker kriegen!«

Auf diesen Befehl hin wechselte der Schwule das Pferd, stieg zu meinem Gefährten hinüber und bearbeitete ihn mit Hintern und Küssen. (5) Giton stand dabei und platzte fast vor Lachen. Daher fiel Quartillas Blick auf ihn, und sie erkundigte sich sehr angelegentlich danach, wessen Knabe das sei. (6) Als ich ihr sagte, das sei mein Brüderchen, fragte sie: »Warum hat er mich dann nicht geküsst?« Sie rief ihn zu sich und ließ sich einen Kuss geben. (7) Bald darauf schob sie sogar noch ihre Hand in seinen Gewandbausch, fingerte sein noch so unerfahrenes Glied ab und kommentierte: »Dieses Schwänzchen wird morgen als Vorspeise meiner Lust kämpfen; heute nehme ich nach der Eselsdelikatesse keine Alltagskost mehr.«

25 (1) Noch während sie das sagte, wandte sich Psyche lachend ihrem Ohr zu und flüsterte etwas. »Ach, ja natürlich«, sagte Quartilla, »du erinnerst mich mit Recht daran. Warum lassen wir nicht, da es ja eine so wunderbare Gelegenheit ist, unsere Pannychis entjungfern?« (2) Sofort wurde das einigermaßen hübsche Mädchen hereingebracht. Sie schien nicht älter als sieben Jahre zu sein. Es war dieselbe, die zuerst mit Quartilla in unser Zimmer gekommen war. (3) Als nun alle Beifall klatschten und eine Hochzeit forderten, erstarrte ich vor Entsetzen. Ich machte deutlich, einerseits sei Giton, ein höchst sittsamer Knabe, für dieses frivole Unternehmen zu schade, andererseits sei das Mädchen nicht in dem Alter, das Gebot weiblicher Hingabe erfüllen zu können. (4) »Aha«, sagte Quartilla, »ist die da jünger, als ich es war, als ich zum ersten Mal einen Mann ertrug? (5) Denn schon als kleines Kind habe ich mit Gleichaltrigen Sauereien veranstaltet und mit fortschreitenden [28]Jahren mich mit Knaben eingelassen, bis ich zu diesem Alter gelangt bin. (6) Daher kommt, glaube ich, das bekannte Sprichwort, dass, wer ein Kalb hoch halten könne, auch einen Stier zu stemmen imstande sei.«

(7) Damit meinem Brüderchen im Geheimen nicht noch Schlimmeres widerfuhr, stand ich zur Hochzeitszeremonie auf.

26 (1) Schon hatte Psyche den Kopf des Mädchens mit dem Brautschleier umhüllt, schon trug der Schwule die Hochzeitsfackel voran, schon hatten die betrunkenen Weiber sich unter Beifall zu einem langen Hochzeitszug formiert und das Brautgemach mit einer Decke voller unzüchtiger Motive geschmückt, (2) da stand Quartilla, auch sie von der Frivolität der Spaßvögel angeheizt, auf, schnappte sich Giton und zerrte ihn ins Hochzeitsgemach.

(3) Zweifellos hatte der Junge keinen Widerstand geleistet, und auch das Mädchen war nicht traurig und entsetzt gewesen, als das Wort »Hochzeit« fiel. (4) Während sie nun eingeschlossen beieinanderlagen, setzten wir uns vor die Schwelle des Brautgemachs. Vor allem Quartilla drückte ihr neugieriges Auge an einen schamlos erweiterten Spalt und kundschaftete das Liebesspiel der Kinder mit lüsterner Aufmerksamkeit aus. (5) Auch mich zog sie mit sanfter Hand zu eben diesem Schauspiel. Und weil unsere Gesichter beim Zuschauen eng beieinander waren, setzte sie, wenn wir eine kleine Pause beim Zuschauen einlegten, ihre Lippen wie nebenbei in Bewegung und überschüttete mich regelrecht mit heimlichen Kusskaskaden.

*

(6) Erschöpft, aber ohne Angst verbrachten wir die restliche Nacht auf den Speisesofas.

*

[29](7) Schon war der dritte Tag da, das heißt: die Aussicht auf ein Gratisessen, doch war uns, nachdem wir so viele Wunden erlitten hatten, mehr nach Abhauen zumute als nach Ruhen auf Speisesofas.

(8) Während wir niedergeschlagen überlegten, wie wir dem bevorstehenden Sturm entgehen könnten, platzte ein Sklave des Agamemnon in die ängstliche Runde und fragte: (9) »Was ist mit euch? Wisst ihr nicht, bei wem heute Abend was los ist? Trimalchio, ein piekfeiner Mann – der hat in seinem Speisesaal eine Uhr und einen Hornbläser in voller Montur, damit er jederzeit weiß, wie viel er von seinem Leben verloren hat.« (10) Also dachten wir nicht mehr an all unsere Probleme, zogen uns sorgfältig an und forderten Giton, der sich uns mit Begeisterung als Sklave andiente, auf, uns ins Bad zu folgen.

27 (1) Noch angezogen, begannen wir, herumzuschlendern oder vielmehr herumzuschäkern und uns hier und da zu Grüppchen von Badegästen zu gesellen, als wir plötzlich einen kahlköpfigen Alten sahen, wie er, mit einer roten Tunika bekleidet, in einer Gruppe langmähniger Burschen Ball spielte. (2) Es waren nicht so sehr die Burschen, die unsere Aufmerksamkeit erregt hatten – obwohl auch sie es gelohnt hätten –, als vielmehr der Hausvater selbst, der in Sandalen mit grünen Bällen trainierte. Dabei hob er keinen wieder auf, der zur Erde gefallen war, sondern ein Sklave stand mit einem Beutel voller Bälle dabei und versorgte die Spieler daraus. Wir bemerkten auch noch weitere ungewöhnliche Dinge. (3) Auf entgegengesetzten Seiten des Spielkreises standen nämlich zwei Eunuchen, von denen der eine einen silbernen Nachttopf hielt. Der andere zählte die Bälle – aber nicht etwa diejenigen, die beim Prellballspiel von Hand zu Hand flogen, sondern die, die auf den Boden fielen.

(4) Als wir nun diese Extravaganzen bewunderten, kam Menelaus angelaufen und rief: »Das ist er! Bei dem liegt ihr zu [30]Tisch, und zwar seht ihr schon den Auftakt zum Essen!« (5) Menelaus redete noch, als Trimalchio mit den Fingern schnipste. Auf dieses Zeichen hin hielt der eine Eunuch ihm während des Spiels den Nachttopf unter. (6) Als er seine Blase entleert hatte, rief er nach Wasser für seine Hände, bespritzte sich die Finger ein wenig und trocknete sie an den Haaren des Knaben ab.

28 (1) Es würde zu weit führen, alle Einzelheiten zu schildern. Wir betraten nun die Baderäume, erhitzten unseren Körper im Schwitzbad und gingen unmittelbar darauf zum kalten Wasser weiter. (2) Trimalchio ließ sich, von Salböl überströmt, schon abtrocknen, nicht mit Badetüchern, sondern mit Decken aus kuschelweicher Wolle. (3) Unterdessen tranken drei Masseure vor seinen Augen Falernerwein. Als sie in Streit gerieten und eine Menge davon verschütteten, sagte Trimalchio, das sei sein Aperitif. (4) Dann hüllte man ihn in einen scharlachfarbenen Flauschmantel und hob ihn in seine Sänfte. Vier Läufer mit Brustschilden liefen ihm voraus; voraus fuhr auch ein Wägelchen, auf dem sein Liebling saß, ein ältlicher Knabe, triefäugig, hässlicher noch als sein Herr. (5) Während er nun nach Hause gebracht wurde, lief ein Musikant mit einer Mini-Flöte direkt an seinem Kopf nebenher und spielte, als ob er ihm heimlich etwas ins Ohr flüsterte, den ganzen Weg über.

(6) Wir gingen, schon randvoll vor Bewunderung, hinterher und kamen zusammen mit Agamemnon an seiner Haustür an. An deren einem Pfosten war ein Schild mit folgender Aufschrift befestigt: (7) »Jeder Sklave, der ohne Geheiß seines Herrn nach draußen geht, kriegt hundert Hiebe.« (8) Im Eingang selbst aber stand ein Portier in grüner Livree, mit einem kirschfarbenen Gürtel um die Hüften, und las in einer silbernen Schüssel Erbsen aus. (9) Über der Schwelle hing ein goldener Käfig, aus dem eine scheckige Elster die Eintretenden begrüßte.

29 (1) Im Übrigen wäre ich fast, während ich das alles mit [31]offenem Mund bestaunte, aufs Kreuz geschlagen und hätte mir die Beine gebrochen. Denn links vom Eingang war nicht weit von der Kammer des Türwächters entfernt ein riesiger Kettenhund auf die Wand gemalt und darüber in Großbuchstaben geschrieben: »Vorsicht, bissiger Hund!« (2) Meine lieben Kollegen lachten noch, ich aber ließ mich, als ich mich von dem Schrecken erholt hatte, nicht davon abhalten, die gesamte Wand in Augenschein zu nehmen. (3) Dargestellt war ein Trupp von Kaufsklaven mit Beischriften; und auch Trimalchio selbst, mit lang herabwallendem Haar, wie er mit dem Merkurstab in Händen unter Minervas Führung in Rom Einzug hielt. (4) In der nächsten Szene, wie er Buchhaltung lernte, dann, wie er Kassierer wurde – das alles hatte der umsichtige Maler mit Untertext wiedergegeben. (5) Am Ende der Vorhalle war dargestellt, wie Merkur ihn unters Kinn packte und auf eine Ehrentribüne hob. (6) Zugegen waren dort auch die Schicksalsgöttin Fortuna mit überquellendem Füllhorn und die drei Parzen, die goldene Fäden spannen. (7) Auch bemerkte ich in dem Säulengang eine Gruppe von Läufern, die mit ihrem Sportlehrer trainierten. (8) (Im Atrium) fiel mein Blick des weiteren auf einen Eckschrank, in dem silberne Larenstatuetten standen, eine Venus in Marmor und eine nicht gerade kleine goldene Büchse, in der, wie es hieß, der erste Bart des Hausherrn aufbewahrt wurde …

(9) Ich trat also zum Hausverwalter und fragte ihn, welche Bilder man im mittleren Teil des Hauses habe. »Die Ilias und die Odyssee«, antwortete er, »und einen Gladiatorenkampf des Laenas.«   30 (1) Es war keine Gelegenheit, Weiteres in Augenschein zu nehmen …

Wir waren schon beim Speisesaal angelangt. In dessen Vorraum nahm ein Kassierer Abrechnungen entgegen. Und worüber ich besonders ins Staunen geriet, waren Rutenbündel mit Beilen, die an den Türpfosten des Speisesaals angebracht [32]waren. Der untere Teil der Rutenbündel lief in eine Art bronzenen Schiffsschnabel aus mit der Aufschrift: (2) »Für Gaius Pompejus Trimalchio, Mitglied im Sechsmännerkollegium für den Kaiserkult, vom Schatzmeister Cinnamus«. (3) Die gleiche Inschrift trug eine zweiflammige Lampe, die von der Decke hing. Außerdem waren an beiden Türpfosten zwei Tafeln befestigt. Die eine hatte, wenn ich mich recht erinnere, den Text: »Am 30. und 31. Dezember speist unser Gaius außerhalb.« (4) Auf der zweiten Tafel waren die Bahnen des Mondes und der sieben Planeten aufgemalt; durch verschiedenfarbige Knöpfe wurde angezeigt, welches Datum astrologisch günstig und welches ungünstig sei.

(5) Als wir gerade, von diesen Genüssen erfüllt, in den Speisesaal eintreten wollten, rief einer der jungen Sklaven, der extra dafür angestellt war, aus: »Mit dem rechten Fuß!« (6) Natürlich kamen wir ein wenig ins Trippeln, damit bloß keiner von uns vorschriftswidrig die Schwelle überschritt. (7) Als wir uns so im Gleichschritt bewegten, warf sich ein Sklave mit heruntergerissenem Gewand uns zu Füßen und begann zu bitten, wir möchten ihn vor seiner Strafe retten: Sein Vergehen sei wirklich nicht groß, dessentwegen er in tausend Ängsten schwebe. (8) In der Badeanstalt sei ihm nämlich die Kleidung des Kassierers gestohlen worden; sie sei nicht einmal zehn Sesterze wert gewesen. (9) Wir zogen also unseren rechten Fuß wieder zurück und versuchten, den Kassierer, der im Vorraum Goldstücke zählte, zu erweichen: Er möge doch dem Sklaven die Strafe erlassen. (10) Da setzte der eine hochmütige Miene auf und erwiderte: »Es ist nicht so sehr der Verlust, der mich ärgert, als vielmehr die Schlamperei dieses nichtsnutzigen Sklaven. (11) Er hat mich um meine Kleidung gebracht, die ich beim Gastmahl trage. Ein Klient hatte sie mir zum Geburtstag geschenkt, natürlich aus tyrischem Purpur, allerdings schon einmal gewaschen. Na ja, was soll’s? Ich schenk’ ihn euch!«

[33]31 (1) Wir fühlten uns durch einen solch außerordentlichen Gnadenerweis verpflichtet und betraten den Speisesaal. Dort lief uns eben der Sklave in die Arme, für den wir uns eingesetzt hatten, und ließ zu unserer Verblüffung einen wahren Kussregen auf uns niedergehen und bedankte sich dabei für unsere Menschenfreundlichkeit. (2) »Kurz und gut«, sagte er, »ihr werdet sogleich merken, wem ihr diesen Dienst erwiesen habt: Wein, wie ihn sonst nur der Herr trinkt, ist der Dank des Mundschenks.«

(3) Endlich legten wir uns also zur Tafel nieder. Knaben aus Alexandria übergossen uns die Hände mit schneegekühltem Wasser. Andere folgten und beschäftigten sich intensiv mit unseren Füßen; mit ungeheurer Gründlichkeit entfernten sie die eingewachsenen Nägel. (4) Und nicht einmal bei dieser anstrengenden Beschäftigung verstummten sie, sondern sangen dabei die ganze Zeit. (5) Ich wollte ausprobieren, ob wohl die gesamte Dienerschaft singe, und verlangte deshalb nach einem Getränk. (6) Aufs eifrigste nahm sich ein Bursche meines Wunsches an, nicht ohne dabei eine schrille Melodie zu plärren. Und so ging das bei jedem, der darum gebeten wurde, etwas zu reichen: (7) Man hätte glauben können, in der vielköpfigen Entourage eines Pantomimenschauspielers zu sein, nicht im Speisesaal eines Hausvaters.

(8) Doch jetzt wurde eine ausgesprochen delikate Vorspeise aufgetragen. Denn alle hatten sich schon zum Speisen gelagert, mit Ausnahme nur von Trimalchio, für den nach ganz neuer Mode der Ehrenplatz freigehalten wurde. (9) Dort stand eine Eselchen-Statuette aus korinthischer Bronze mit einem Quersack, der auf der einen Seite weiße, auf der anderen Seite schwarze Oliven trug. (10) Flankiert wurde das Eselchen von zwei Schüsseln, auf deren Rand Trimalchios Name eingraviert war sowie das Silbergewicht. Aufgelötete Stege trugen Haselmäuse, die mit Honig und Mohn überstreut waren. (11) Es gab [34]auch heiße Würstchen, die auf einem silbernen Grill lagen, und darunter syrische Pflaumen mit Granatapfelkernen.

32 (1) Wir waren noch bei diesen Leckerbissen, als Trimalchio persönlich unter den Klängen eines Orchesters hereingetragen wurde. Der Anblick, wie er da inmitten dick gepolsterter Kissen lag, reizte uns unwillkürlich zum Lachen; (2) denn aus seinem scharlachroten Übermantel ließ er nur den kahl rasierten Kopf herausgucken, und um den Hals, von dem das Gewand schwer herabfiel, hatte er eine Serviette mit breiter roter Borte geschlagen, deren Fransen zu beiden Seiten herunterhingen. (3) Auch trug er am kleinen Finger der linken Hand einen mächtigen, schwach vergoldeten Ring, am letzten Glied des nächsten Fingers aber einen kleineren, der, wie mir schien, aus massivem Gold, aber ganz mit aufgelöteten, wie Sternchen aus Eisen aussehenden Ornamenten übersät war. (4) Und um nicht nur diese Schätze zur Schau zu stellen, entblößte er den rechten Arm, den ein goldenes Armband zierte sowie eine Elfenbeinspange mit funkelndem Verschluss.

33 (1) Nachdem er dann mit einem silbernen Federkiel in seinen Zähnen herumgestochert hatte, sagte er: »Freunde, eigentlich hatte ich noch gar keine Lust, in den Speisesaal zu kommen, aber um euch durch meine Abwesenheit nicht länger hinzuhalten, habe ich mir jedes Vergnügen versagt. Ihr erlaubt aber, dass ich mein Spiel beende.« (2) Darauf erschien ein Knabe mit einem Spielbrett aus Terebinthenholz und kristallenen Würfeln, und dann wurde ich des apartesten Details überhaupt gewahr: Denn statt weißer und schwarzer Steinchen verwendete er Gold- und Silberdenare. (3) Während er nun beim Spiel alle Kraftausdrücke von Webergesellen durchging, wurde – wir waren noch mit der Vorspeise beschäftigt – ein Tablett mit einem Korb hereingetragen, in dem eine Henne aus Holz mit kreisförmig ausgebreiteten Flügeln saß, so wie man sie beim Brüten sehen kann. (4) Augenblicklich traten zwei [35]Sklaven hinzu und begannen unter einem Tusch des Orchesters das Stroh zu durchwühlen. In rascher Folge brachten sie Pfaueneier zum Vorschein, die sie an die Gäste verteilten. (5) Trimalchio wandte sich dieser Szene zu und sagte: »Freunde, ich habe der Henne Pfaueneier unterlegen lassen. Und ich fürchte, beim Herkules, dass sie schon ausgebrütet sind. Wir wollen trotzdem probieren, ob sie sich noch schlürfen lassen.«

(6) Wir bekamen Eierlöffel, die nicht weniger als ein halbes Pfund wogen, und schlugen auf die Eier ein, die in dicken Mehlteig gehüllt waren. (7) Ich allerdings hätte meines fast weggeworfen, denn es schien mir, als wäre es schon in ein Küken übergegangen. (8) Als ich dann aber einen Stammgast sagen hörte: »Hier muss irgend etwas Gutes drin sein«, schälte ich mit der Hand weiter und stieß auf eine saftig-fette Wachtel, die in gepfeffertes Eidotter eingelegt war.