image

GORAN VOJNOVIĆ

UNTER DEM
FEIGENBAUM

ROMAN

Aus dem Slowenischen
von Klaus Detlef Olof

image

Für die beiden.

Inhalt

Kapitel I

Kapitel II

Kapitel III

Kapitel IV

Kapitel V

Kapitel VI

Kapitel VII

Kapitel VIII

Kapitel IX

Kapitel X

Kapitel XI

Kapitel XII

Kapitel XIII

Kapitel XIV

Kapitel XV

Kapitel XVI

Kapitel XVII

Anmerkungen

I

Kommissar Risto Marjanović erwartete den künftigen Forstverwalter Aleksandar Đorđević im Jahre 1955 in Buje so, wie es sich in seinen Gegenden gehörte. Er legte ein Tuch auf den Tisch in seinem Büro und breitete darauf alle guten Dinge aus, die seine Frau Jovana aus Užice mitgebracht hatte. Der berühmte Užičker Kaimak, knusprige Grammeln, Bratwurst, Speck, ein scharfer Marillenbrand, alles das erwartete Aleksandar, der zwar aus der Bruderrepublik Slowenien anreiste, der aber dem Namen nach zu urteilen ein Mann aus seiner Ecke war, mit dem man sicher dieses oder jenes Wort in seinem Heimatidiom reden konnte. Risto hatte den Posten eines Politkommissars im nördlichen Istrien gerade erst angetreten, und schon sehnte er sich nach seinen heimatlichen Gegenden, schon hatte er erkannt, dass in seinem geliebten Jugoslawien auch fremde Menschen leben, die zwar eine fast verständliche Sprache sprechen, ihm aber trotzdem unverständlich sind. Seltsam waren diese Menschen, hier in Buje. Risto wäre ihnen am liebsten aus dem Weg gegangen, und anstatt ihnen im Nacken zu sitzen und die Geeigneten unter ihnen zu Parteimitgliedern zu machen und die Ungeeigneten aus dem gesellschaftlichen Leben auszuscheiden, ließ er sie lieber ihren Weg gehen und sorgte vor allem dafür, dass sie möglichst wenig mit ihm zu tun hatten, und er noch weniger mit ihnen. Als man ihm mitteilte, dass aus Ljubljana ein junger Mann namens Aleksandar Đorđević kommen werde, hatte er sich über diese Nachricht gefreut, als hätte man ihm den Besuch von Josip Broz Tito angekündigt. Etwas sagte ihm, dass Aleksandar sofort verstehen werde, was mit den Menschen in Buje nicht stimmte, und dass ihm Risto schon sagen werde, was man in der Welt der Brüderlichkeit und Einheit nicht sagen darf, dass Aleksandar genauso wie er feststellen werde, dass man mit diesen Menschen sich weder brüderlich unterhalten noch brüderlich betrinken, noch brüderlich prügeln kann, dass er selber auch erkennen wird, dass der Sozialismus mit diesen Menschen nichts anfangen kann, und dass er begreifen wird, dass es besser ist, sie in Ruhe zu lassen und nicht zu versuchen, „Gott aus ihren sturen Köpfen herauszuprügeln“. Risto hoffte, vor Aleksandar nicht so tun zu müssen, als würde er Tag und Nacht für den Fortschritt seiner Heimat kämpfen, und zugeben zu dürfen, dass er sich lieber in seinem Büro versteckt, die Tür hinter sich zusperrt und so tut, als wäre er nicht da, wenn angeklopft wird, lieber seinen Marillenbrand trinkt und an die Heimat denkt und daran, dass er, wenn er nur könnte, sofort zurückginge, „in den Wald“, zu den Partisanen, dass ihn sein kriegerischer Mut verlassen hat und dass er jetzt, im Frieden, ein armer Kerl geworden ist, der nur darauf wartet, dass es dunkel wird, und der dann durch die Stadt schleicht, durch die Stadt, der er befiehlt, durch die er aber wie ein Illegaler in Kriegszeiten schleicht, dass er vor diesen Leuten, diesen Istrianern, mehr Angst hat, als er jemals vor den Deutschen gehabt hat. Alles das wollte Risto Aleksandar erzählen, obwohl er wusste, dass er, säßen sie sich erst einmal gegenüber, nur schwer die rechten Worte finden würde, dass er diesen Aleksandar überhaupt nicht kennt, dass er jünger ist als er, dass er aus Ljubljana kommt und dass er vielleicht genauso seltsam ist wie diese Leute in Buje. Wenn er zu viel getrunken hat, kommt Risto sogar der Gedanke, dass es vielleicht überhaupt keine normalen, ihm ähnlichen Menschen mehr gibt, dass jetzt auch in Užice alle anders sind, dass sie dich, genauso wie hier, auch dort reden lassen und dich nie unterbrechen, sondern dich nur mit weit offenen Augen anstarren, dass du nicht ergründen kannst, was sie wirklich denken. Vielleicht gibt es nirgends mehr jemanden, überlegte Risto, dem er gestehen könnte, dass er Angst hat vor so geöffneten Augen, in die er wie in einem Sumpf versinkt, niemanden, dem er, der Politkommissar, das Mitglied der kommunistischen Partei, eingestehen könnte, dass er vor Menschen Angst hat, die vor ihm nur dastehen und ihm zuhören. Aleksandar Đorđević war deshalb seine letzte Hoffnung, er würde das alles verstehen, er müsste wissen, wovon Risto spricht, denn er ist einer von uns, und unsere Leute denken gleich und sehen die Dinge auf die gleiche Weise.

Aber während er in seinem Büro ungeduldig auf Aleksandars Ankunft wartete, vom vorbereiteten Aufschnitt naschte und seinen scharfen Marillenbrand leerte, konnte Risto natürlich nicht wissen, was für ein Mensch sich hinter dem heimatlich klingenden Namen verbarg. Er konnte nicht wissen, dass Aleksandar Đorđević in keiner Hinsicht ein typischer Vertreter seiner Sippe war, denn eine Sippe, auf die sein Name hindeutete, hatte er überhaupt nicht. Geboren in Novi Sad im Jahre 1925, hatte Aleksandar zuerst den Nachnamen seiner Mutter getragen, der Krankenschwester und Buchhändlerin Ester Aljehin, während sein Vorname den Worten seiner Mutter zufolge der seines Vaters war. Über seinen Vater aber hatte er nie etwas erfahren, außer dass er aus der Ukraine gebürtig und dass sein Name Aleksandar gewesen war und dass er ebensolche starken buschigen Augenbrauen gehabt hatte, was mein Großvater bis zu seinem Tod bezweifelte. Für Ester, die von ihrem Vater Moša die kleine Novisader Buchhandlung geerbt hatte, hatte der Krieg schon viel früher begonnen, schon als die ersten Nazis in Novi Sad aufmarschiert waren, und auch sie hatte ihren Kampf um die Freiheit viel früher aufgenommen als die Freiheitskämpfer, derer sich die Geschichte erinnern würde. Ein trüber, regnerischer Frühling des Jahres 1937 reichte ihr, um den Zahnarzt Milorad Đorđević zu verführen, ihn dazu zu bringen, sie zu heiraten, und dann als Frau Đorđević mit ihrem Sohn Aleksandar Đorđević ohne Begründung ihren neuen Mann und ihren Geburtsort zu verlassen und nach Belgrad zu übersiedeln. Nach Belgrad kam sie als Branislava, fand als Erstes eine Stelle als Krankenschwester, wozu sie eine Ausbildung hatte, und stellte sich allen als Milorads Witwe vor. Sie ging sogar in die Kirche und entzündete für ihn Kerzen, der kleine Aleksandar musste lernen, für den Seelenfrieden seines angeblich verstorbenen falschen Vaters zu beten und die mitleidsvollen Blicke der Belgrader Damen auf sich zu ziehen, alles dafür, damit sich ihnen die Gestalt der Frau Đorđević und ihres Sohnes vor dem Kirchenaltar so tief wie möglich ins Gedächtnis einprägte. Alles im Leben der Ester Aljehin oder Branislava Đorđević war überlegt und dem einfachen Zweck des Überlebens ohne Erniedrigung und Unterdrückung untergeordnet. Gegenüber niemandem fühlte sich meine Urgroßmutter verpflichtet, sich mit ihrem wahren Namen vorzustellen, vor niemandem fühlte sie das Bedürfnis nach Aufrichtigkeit, niemand verdiente es, sie so kennenzulernen, wie sie unter ihrer Maske war. Sie verachtete diese Welt, die keine Anstrengungen machte, ihre triviale Feindschaft allem Andersgearteten gegenüber zu verbergen, und log ihr mit besonderem Genuss ins Gesicht und gab sich vor ihr so, dass sie genau so war, wie diese niederträchtige Welt sie sehen wollte. Sie spielte die Rolle einer von ihnen, hingebungsvoll verinnerlichte sie ihre Ängste und Vorurteile, ihre Primitivität und ihr Unwissen. Wie ein Chamäleon nahm sie die Gestalt der verachteten Umgebung an, freundlich lächelnd und sich verbeugend und ihre Lügenhaftigkeit von Tag zu Tag vervollkommnend, bis sie ganz in ihr aufgegangen war und diese schlaue, berechnende und über die Welt erhabene Ester Aljehin, die zu Hause dem kleinen Aleksandar leise Joseph Roth auf Deutsch vorlas, ganz hinter dem falschen Antlitz der kleinmütigen Branislava Đorđević verschwunden war, die männlichen Bewunderern entrüstet erklärte, dass eine einmal verheiratete Frau immer eine verheiratete Frau bleibt und dass sie sich ihrer sündigen Gedanken schämen sollten. Aber auch eine solche Branislava Đorđević konnte nicht die Angst der Ester Aljehin in sich unterdrücken, als sie in der Stadt die ersten Nazi-Uniformen erblickte und als sie von dem ungeklärten Verschwinden des Doktor Štiglic hörte und als sie davon flüstern hörte, dass nachts auf dem alten Belgrader Messegelände etwas vor sich ging. Die Angst vertrieb Branislava Đorđević aus Belgrad, wo niemand sie gefährdete und ihr drohte und wo niemand ihr Geheimnis kannte, aber die Angst der Ester Aljehin war groß und ihr Überlebenswille noch größer, und so kamen Branislava und Aleksandar Đorđević im Februar 1942 nach Ljubljana, das sich in den Händen der Italiener befand, vor denen Ester aus irgendeinem Grund weniger Angst hatte als vor den Deutschen. Außerdem schienen ihr auch die Slowenen weniger schrecklich als die Serben, vor allem deshalb, weil Ljubljana noch weiter von Novi Sad entfernt war und es unter den Slowenen mit Sicherheit weniger Menschen gab, die ihr Geheimnis kennen konnten. Aber auch mit ihrer Ankunft in Ljubljana verging die Angst nicht, im Gegenteil, sie vergrößerte sich noch, denn die Slowenen beäugten sie mit Argwohn, ähnlich dem, mit dem die Einheimischen in Buje dreizehn Jahre später Risto Marjanović beäugen sollten. Argwohn gegenüber Fremden war das, und Branislava konnte nicht beurteilen, was genau die Laibacher in ihr sahen und wessen deren Blicke sie beschuldigten. Deshalb duckte sich Ester Aljehin in Ljubljana noch mehr. Im Krankenhaus verrichtete sie ihre Aufgaben schweigend, und nach dem Dienst verschloss sie sich in ihr bescheidenes Heim. Sie machte weder Spaziergänge in die Stadt, noch ging sie in die Kirche, sie ging nicht auf den Markt, sie ging überhaupt nicht unter Menschen, sie versuchte keine neue Rolle zu übernehmen, sie wollte kein Teil der Masse sein, denn ihr war diese Masse so sehr fremd, dass das ihre schauspielerischen Fähigkeiten überstiegen hätte. Aleksandar unterrichtete seine Mutter an den Abenden zwar im Slowenischen, das er mit seinen Mitschülern sprach, aber sie sprach diese Sprache mit niemandem. Er unterrichtete sie auch im Italienischen, das sie in der Schule sprachen, und sie tat es bei ihm im Deutschen, das sie von ihrem Vater gelernt hatte. Es ist die Sprache des Feindes, aber auch die Sprache, in der Joseph Roth geschrieben hat, erklärte sie ihm. Auf dieser Welt gibt es nichts Eindeutiges, sagte diese Frau zu ihm, die die wahnsinnig gewordene Welt mit anderen Augen sah. In diesen Augen hatte der Krieg die Welt weder in Gute und Böse noch in unsere und andere geschieden, der Krieg hatte die Welt endgültig in sie und Aleksandar auf der einen und alle Übrigen auf der anderen Seite geteilt. Und in diesem eigenen Krieg kämpfte sie Tag um Tag, immer auf der Hut, eine ewige Gefangene der Angst der Ester Aljehin, die zum ersten Mal in jenem fernen Jahr 1936 in Novi Sad in ihr aufgebrochen war, als ein Mann in ihre Buchhandlung gekommen war und gesagt hatte, dass es nicht mehr lange so bleiben werde, dass die einen in Büchern blättern und die anderen die Äcker pflügen, dass bald eine neue Ordnung kommen werde. Diese Ängste waren in Ester Aljehin die ganze Zeit gewachsen, und in Ljubljana erlaubte sie Aleksandar an den Abenden nicht, Licht anzumachen, sie begann zu flüstern, vom Krankenhaus bis nach Haus ging sie immer schneller, und wenn sich im Winter die Nacht schon früh am Nachmittag herabsenkte, lief sie durch die Straßen von Ljubljana, lief zu ihrer Wohnung, schloss die Tür ab und lehnte sich an sie, als wären dahinter ihre Verfolger. Im Jahre 1944, als in Ljubljana schon die Deutschen herrschten, kam Aleksandar spät am Abend aus der Schule und fand Ester vor der Wohnungstür liegend vor. Ihr Herz war der Angst erlegen, und sie war vor der verschlossenen Tür zusammengebrochen, mitten in Ljubljana, das sich nicht um sie gekümmert hatte, das ihr Geheimnis nicht kannte, das nicht verstand und auch nicht verstehen konnte, wovor sie solche Angst hatte, sie, Branislava Đorđević, die einstige Buchhändlerin, die Witwe des Milorad Đorđević, die Krankenschwester, die ihre Arbeit im Laibacher Krankenhaus mustergültig versah. Aber unerklärte Tode waren in jenen Zeiten häufig und beunruhigten niemanden, niemanden überraschte der Herztod einer jungen Frau, niemand schien in diesen ungewöhnlichen Zeiten darin etwas Ungewöhnliches zu sehen. Man kam, sprach Aleksandar sein Beileid aus und ging des Weges, ihn ließ man allein in der Wohnung, in der er nicht wagte, Licht zu machen und anders als flüsternd zu sprechen, um seine verstorbene Mutter nicht zu erschrecken.

In dem vereinsamten Kommissar Risto Marjanović, der ihn im Jahre 1955 in Buje mit Resten von Kaimak, Grammeln und gedörrtem Rindfleisch und einer fast leeren Flasche Schnaps erwartete, erkannte Aleksandar Đorđević die Überreste der Welt, die Ester Aljehin Schrecken eingejagt hatte, einer Welt, die die seine hätte sein müssen, die aber alles andere war als die seine, einer Welt, die er im gleichen Maße verachtete und fürchtete. Er, Aleksandar Đorđević, der Fremde mit dem heimatlich klingenden Namen, in dem Risto Marjanović seinen künftigen Freund sah, eine ihm dringend benötigte verwandte Seele, konnte als Freund für diesen unglücklichen Menschen nicht ungeeigneter sein. Und das stellte Risto vermutlich schon in dem Augenblick fest, als Aleksandar durch die Tür seines Büros trat. Etwas war in seiner Haltung, in seiner Ernsthaftigkeit und Schweigsamkeit, in dem geduldigen Warten, dass Risto zu sprechen anfinge, im Siezen, in allem. Noch einer, dachte Risto enttäuscht, noch einer dieser fremden, ihm unverständlichen Menschen, noch einer, vor dem ich mich verstecken und dem ich aus dem Weg gehen werde. Er musterte Aleksandar, der an der Tür stand und auf Anweisungen wartete, er nahm noch den letzten Schluck von seinem Marillenbrand, dann erhob er sich und ging zur Tür.

Gehen wir. Je früher wir für dich ein Quartier finden, desto besser für uns beide.

Risto führte Aleksandar über die Straße zu einem Haus, das am unteren Ende des Hauptplatzes stand. Risto öffnete die Tür und trat ein.

Schlüssel habe ich keine, aber die brauchst du auch nicht. Niemand wird bei dir eindringen. Eher werden sie vor dir flüchten.

Er zeigte ihm die Küche, das Bad und das Schlafzimmer. Er öffnete einen Schrank, der voller Kleidung war.

Falls du Platz brauchst, kannst du das hier wegtun oder wegwerfen.

Risto nahm ein paar Kleidungsstücke von den Bügeln und ließ sie auf den Schrankboden fallen.

Wem gehört das hier?, fragte Aleksandar.

Das? Weiß ich nicht. Irgendwelchen Italienern.

Und wo sind die?

Wer? Die Italiener?

Ja.

Woher soll ich das wissen! Irgendwo sind sie hin.

Ohne ihre Sachen?

Risto hatte keine Geduld mehr für ihn und seine Fragen.

Schau, ich kann morgen früh jemanden herschicken, damit er die Schränke leermacht, wenn du willst.

Ich kann in diesem Haus nicht leben.

Warum?

Sie sehen doch, dass hier Menschen leben?

Was willst du? Dass ich dir ein Hotel baue? Alle Häuser sind so. Sie sind weggezogen, wir sind gekommen. So ist das im Leben.

Und was, wenn sie zurückkehren?

Dann kochst du ihnen einen Kaffee und bietest ihnen etwas zu essen an.

Als Risto weg war, ging Aleksandar ins Schlafzimmer zurück und klaubte die Kleidungsstücke, die Risto hinuntergeworfen hatte, vom Boden auf. Er hängte sie wieder auf die Bügel, schloss den Schrank und ging in die Küche. Vorsichtig umrundete er den Esstisch, er wollte nichts berühren. In einem Glas, das in der Spüle stand, sah er unter einer dünnen Staubschicht hart gewordenen Kaffeesatz, am Boden eines Geschirrs auf dem Herd waren geschwärzte Speisereste, im Ofen verkohltes Holz und daneben kleine Stücke Zeitungspapier mit einem schmalen verkohlten Rand. An der Wand befand sich in Augenhöhe ein rechteckiger heller Fleck, die Spur eines Bildes oder eines Fotos, das dort gehangen hatte. Aleksandar dachte, dass es sich jemand angeeignet haben musste, vielleicht Risto oder jemand anders, der sich erlaubt hatte, das verlassene Haus zu betreten. Er war schon müde und ging zurück ins Schlafzimmer, aber vor dem Bett hielt er inne. Er konnte sich nicht in das fremde Bettzeug legen. Deshalb legte er sich auf den Boden zwischen Bett und Schrank, stopfte sich seine Jacke unter den Kopf und schlief bald ein. Zum Glück hatte sich sein junger Körper noch nicht an die Bequemlichkeit gewöhnt, die ihm sein weiches Lager in Ljubljana bot.

Am nächsten Morgen erklärte Aleksandar Risto noch einmal, dass er in dem Haus nicht bleiben könne. Der Kommissar saß wegen unerträglicher Kopfschmerzen hinter zugeklappten Fensterläden im Dunkeln und erklärte Aleksandar mit geschlossenen Augen, dass alle Häuser in der Stadt gleich aussähen und er, sollte er einen Neubau wollen, sich den selbst errichten müsse. Der verkaterte Risto meinte das natürlich nicht ernst und wollte sich nur so schnell wie möglich des lästigen Forstverwalters entledigen, aber zu seinem Bedauern erschien es diesem seltsamen jungen Mann leichter, sein eigenes Haus zu bauen als ein fremdes zu beziehen.

Als Risto einsah, dass ihn Aleksandar nicht verstand, öffnete er die Augen und begann in einem anderen Ton.

Hör mal, Đorđević, wenn alle in solche Häuser einziehen konnten, dann kannst du es auch. Verstanden? Spiel hier nicht den Heiligen und versuch nicht, mich zu verarschen, sondern zieh ab in dein Haus.

Es ist nicht mein Haus, Genosse Marjanović.

Nicht deines?

Nein, nicht meines.

Jetzt ist alles unser. Ist es so?

Ja.

Wenn ich also sage, dass das Haus deines ist, dann ist es deines.

Unser ist nicht dasselbe wie meines.

Was hast du gesagt?

Unser ist nicht dasselbe wie meines.

Du willst mich verarschen?

Nein.

Komm her.

Risto führte Aleksandar zur Straße und zeigte mit der Hand nach Norden.

Siehst du die Berge dort? Bis dahin reicht mein Kommando. Bis zur Grenze. Und dort kannst du dir dein eigenes Haus bauen. Mit Blick nach Slowenien.

So legte der verkaterte Risto Marjanović die Fundamente zu Alek sandars Haus im Weiler Momjan unmittelbar an der slowenischen Grenze, fünf Kilometer von der Stadt entfernt, in der Meinung, den jungen Förster auf diese Weise für seine Dreistigkeit angemessen bestraft zu haben.

Eine Woche danach marschierten Aleksandar und seine schwangere Frau Jana die langen fünf Kilometer von Buje nach Momjan. Aleksandar sah sich alle paar Meter nach seiner Frau um, in der Erwartung, einen anklagenden Blick zu erhalten, in der Erwartung, dass die erschöpfte Jana stehen bleiben, ihn fragen würde, ob er vielleicht vergessen habe, dass sie schwanger sei, und wie weit es noch bis zu ihrer Parzelle sei. Aber Jana ging nur in aller Stille hinter ihm her.

Aleksandar wusste, dass das Schweigen seiner Frau kein gutes Zeichen war und dass ihn am Ende des Weges keine Begeisterung erwarten würde, aber ihm blieb nicht mehr übrig, als den Weg schweigend fortzusetzen, ohne die Situation mit einem falschen Wort noch zu verschlimmern. Nie war ihm, weder vorher noch später, der Weg von Buje nach Momjan weiter vorgekommen als an diesem Morgen, nie hatten mehr zurückgelegte Wege hinter ihnen gelegen, und nie hatten mehr nicht zurückgelegte auf sie gewartet, nie war ein Weg steiler emporgestiegen, nie hatte er sich mehr durch das istrische Hügelland gewunden.

Aber Jana blieb trotz des schon sichtbaren Bauches nicht stehen. Wie emsig er ausschnitt, so schritt auch sie aus, und Aleksandar wusste, dass das nicht gut sein konnte, und hoffte, dass Jana noch vor Momjan stehen bleiben und ihm schon auf dem Weg sagen würde, was sich an Worten in ihr angesammelt hatte. Aber Jana schwieg auch, als Aleksandar stehen blieb und die Arme ausbreitete.

Da sind wir.

Dann zeigte er ihr die Bucht, die unter dem Berg in der Sonne lag, und fuhr mit dem Finger die Küste hinunter ganz bis nach Umag, das sich im Frühlingsnebel verlor, er zeigte ihr Buje, das von hier wie ein winziger gedrängter Weiler aussah, etwas größer als Momjan, und die Republik Slowenien, die am Fuß ihres Berges begann.

Als hätte mir die Natur die Augen geküsst, so hatte Aleksandar Risto die Aussicht beschrieben, um ihm zu sagen, dass seine Strafe für ihn ein Gottesgeschenk sei. Ein Gottesgeschenk hatte Aleksandar, ein geschworener Atheist, seine Parzelle genannt, um den anderen, mindestens ebenso sehr geschworenen Atheisten zu ärgern, ohne sich darüber im Klaren zu sein, dass er damit mehr als diesen depressiven Verzweifelten jemand anders gegen sich aufbringen werde …

Ein Gottesgeschenk.

Jana schrie nie. Wenn sie wütend war, sprach sie die gewählten Wörter langsam aus, eines nach dem anderen, mit langen Pausen, fast unhörbar, mit einer Unerbittlichkeit, die bei allen in ihrer Nähe sich die Haare sträuben ließ. Mit leerem Blick sah sie vor sich hin, als wäre das Blut in ihren Adern erstarrt, und weckte Angst, zuerst bei Aleksandar, später auch bei ihren Kindern und am Ende noch bei ihren Enkeln. Aleksandar erzählte, dass ihr Blick nie so schauerlich gewesen sei wie an diesem Morgen in Momjan.

Ein Gottesgeschenk, sagte Jana und kein Wörtchen mehr, bis sie nach Buje zurückgekehrt waren, zurück in das Haus am Rande des Platzes, wo sie sich am Abend auf dem Küchenboden eine Matratze herrichteten, die sie aus Ljubljana mitgebracht hatten, und wo sie ihre kleine Notunterkunft innerhalb des großen fremden Hauses einrichteten.

Alles hatte sie Aleksandar mit diesen zwei Wörtern gesagt, die die Geschichte der Reise einer schwangeren Frau von Buje bis Momjan waren, eine Ode an das Haus am Ende der Welt und eine Klage um das Heim in Ljubljana. Diese beiden Wörter waren der Widerstand gegen alles, aber Aleksandar glaubte in seinem jugendlichen Überschwang noch immer, dass er Jana in dieser Geschichte auf seine Seite bekommen könne, und begann das Haus in Momjan zu bauen, im Glauben, dass sie in diesem Haus, wenn es einmal erbaut sein würde, ihr Heim finden werde.

Wer will wissen, ob ihn dabei der Wunsch trieb, zum ersten Mal in seinem Leben auf eigenem Grund und Boden zu stehen, um sich endgültig auf das Seine zu flüchten und die Angst der Ester Aljehin in sich zum Verstummen zu bringen, oder ob es nur sein Gerechtigkeitsgefühl war, mit dem er Tag für Tag der ganzen Welt ins Gesicht sagen wollte, dass er, Aleksandar Đorđević, lieber jeden Tag zehn Kilometer zu Fuß von Momjan nach Buje und zurück marschieren werde, als sich in ein fremdes Bett zu legen. Und dass die Tatsache, dass es viele so tun, noch nicht bedeutet, dass das auch gut ist und dass es für ihn akzeptabel ist. Wie immer es war, eines war klar. Aus Aleksandar sprach mit jedem Tag und mit jedem zum Fundament gelegten Stein seine Mutter, die ihn gelehrt hatte, dass es von Zeit zu Zeit normal ist, wenn alle verrückt sind, und dass sich bei der Menge anzubiedern nicht immer ausreicht, um zu überleben.

Jana ging nicht mit ihm nach Momjan, sondern blieb in Buje und verwandelte in kleinen, unmerklichen Schritten das fremde Haus, in dem sie zu leben gezwungen waren, in ihres. Alle Sachen der früheren Hausbesitzer räumte sie aus Aleksandars Sichtkreis. Das Geschirr entfernte sie aus der Küche, die Kleidungsstücke aus den Schränken, das Bettzeug nahm sie vom Bett, sogar die Vorhänge nahm sie von den Gardinenstangen und brachte sie in den Keller. Sie entblößte das Haus und vertrieb seine Geister, alle, damit Aleksandar einziehen konnte, er aber war damit beschäftigt, dort oben einzuziehen, am Ende eines langen gewundenen Weges ins Nichts.

Mit jedem gelegten Stein war er mehr auf diesem Stückchen ihm geschenkter Erde und weniger bei ihr. Mit jedem Tropfen Schweiß, der von seinem Gesicht auf den Boden tropfte und sich in die rote Erde saugte, saugte auch er sich mehr ein in dieses Land. Dieses Stückchen Land war jetzt seines, nicht unser, nur seines war es. Er fühlte den Unterschied und schämte sich seiner nicht, sondern empfand in diesem Besitzen eine Gerechtigkeit, den Lohn für die Jahre der Unbehaustheit. Unzählige Male blieb er am Abend allein auf seinem Land sitzen, sah hinunter zum Meer und fragte sich, ob das das Glück sei, von dem sie gesprochen hatten, oder ob es jenes Gefühl sei, dass du nur existierst, dass du nirgends hinmöchtest und dass du regungslos so sitzen könntest, um dich nie mehr wegzurühren.

Aleksandar und Jana bauten ihr Heim jeder auf seiner Seite und luden einer den anderen zu sich ein. Es war ein kindliches Spiel zweier Frühgeburten, zweier unreifer Liebenden, die sich das erwachsene Leben unterschiedlich vorstellten. Seine Rechtfertigung war die Kindheit, die er in der Angst der Ester Aljehin durchlebt hatte, ihre Rechtfertigung waren ihre noch nicht zwanzig Jahre, ihre gemeinsame Rechtfertigung aber war ihre Liebe, eine unauflösbare magnetische Kraft, die sie anzog und gleichzeitig abstieß und die sie ihr ganzes Leben hindurch anziehen und abstoßen würde.

Eines Morgens beschloss Aleksandar, auf seinem üblichen Weg durch die Stadt einen kleinen Umweg zu machen und beim Haus zuzukehren, bei Jana. Tagsüber war er gewöhnlich mit Arbeit eingedeckt, die er sich größtenteils selbst suchte, sodass er häufig nur ziellos durch die Wälder streifte und Bäume zum Schlagen kennzeichnete, und die Nachmittage verbrachte er in Momjan, wo das Haus erste Umrisse annahm. Dann aber wollte er dieses sich wiederholende Muster durchbrechen und seine Frau mit einem unangekündigten Besuch überraschen. Nach langer Zeit betrat er wieder das von der Vormittagssonne beschienene Haus und begriff im selben Moment, was Jana aus ihm gemacht hatte. Sofort war ihm alles klar, was seinem müden Blick bisher Abend für Abend entgangen war. Alle fremden Gegenstände waren verschwunden, und das fremde Haus war jetzt vollständig ihres. Ihre Essensreste, ihre Schmutzwäsche, ihr Geschirr, ihre Zeitungen.

Er ging hinauf ins Schlafzimmer und sah, dass das Bett mit neuem, mit ihrem Bettzeug überzogen war und dass im Schrank seine und ihre Hemden und Blusen hingen. Die Kleidungsstücke, die Risto auf den Boden geworfen und die er nach ihm aufgeklaubt und auf die Bügel zurückgehängt hatte, waren nicht mehr da. Von den Menschen, die hier einmal gegessen und geschlafen hatten, waren alle Spuren verschwunden. Endlich waren sie in dem Haus allein, endlich gab es niemanden mehr, der unsichtbar neben ihnen gesessen hätte, niemanden, der unhörbar die knarrenden Stufen hinaufgestiegen wäre, der mit dem Zugwind von einem Raum in den anderen gewechselt wäre.

Jetzt sah er in dem Haus nur Jana, die unten in der Küche das Abendessen zubereitet, die die Wäsche auf den Strick hängt, der zwischen zwei Häusern über die Gasse gespannt ist, er sah sie, wie sie am Fenster lehnt und wartet, dass er müde aus Momjan zurückkehrt, er sah sie, wie sie, während er den Tisch wegrückt und die Matratze auf dem Küchenboden ausbreitet, im Badezimmer das Nachthemd anzieht und wie sie an der Tür steht und wartet, dass das Lager bereitet ist und sie sich hinlegen kann. Und er wusste, dass er sie deshalb sieht, weil seine Erinnerungen alle Ecken dieses Hauses ausgefüllt und jene anderen, fremden Erinnerungen aus ihm vertrieben haben. Das Haus hatte sich ihnen ergeben, und ihn überkam der Wunsch, sich in ihm einzuschließen und mit ihr Liebe zu machen und die Tage und Nächte zu vergessen.

Erst jetzt begriff er, dass Jana überhaupt nicht im Haus war, und in panischer Hast stürzte er hinaus und rannte kopflos durch die Stadt und suchte seine schwangere Frau.

Sie aber stapfte währenddessen in Momjan zwischen den Mauern von Aleksandars nicht fertig gebautem Haus herum und strich mit der Hand über die Wände, als wollte sie von ihnen seine Gebundenheit an diesen allem entrückten Ort herunterkratzen, als wollte sie sie betasten, sie fühlen, sie in sich aufnehmen.

Sie ging zwischen den Wänden umher und stellte ihn sich vor, wie er an den Nachmittagen mit dem Abend kämpft und sich bemüht, so viel wie möglich zu schaffen, solange man noch sieht, solange die Dunkelheit ihn und sein Haus noch nicht umfängt und ihn zurückschickt in die Stadt, zurück zu ihr. Sie stellte sich ihren Mann vor, wie er vor den nackten Wänden steht, wie ein Maler vor der Leinwand, und versucht, ihr Heim zu malen. Etwas Warmes, Prasselndes, mit dem Geruch nach aufgewärmtem Ragout, mit Wänden, die bei Berührung so zart sind wie nackte Haut. Sie sah ihn in sie eingeschlossen, zusammen mit ihr und ihrer beider Kind, verborgen vor allem, was nicht sie drei sind. Sie hatte ihn nie gefragt, wie er sich sein Heim vorstellt, aber jetzt sah sie klar, wie Aleksandar mit seinen Fingern ihr warmes Asyl gestaltet.

Und dann begann es. Sie fasste sich an den Bauch und wusste sofort, dass sie nicht bis Buje kommen und dass sie genau hier niederkommen würde, in Momjan, in dem Gerippe von Aleksandars unfertigem Haus. Sie trat auf die Straße und sah sich um, sie suchte jemanden, gleich wen.

Weder beim ersten Mal, als Aleksandar sie hergeführt hatte, noch jetzt, wo sie den Weg allein gegangen war, war sie einer lebenden Seele begegnet. Die Häuser an der Straße sahen leer aus, aber leer sahen sie auch in Buje aus, obwohl in ihnen noch Menschen lebten. Geistererscheinungen, die sie aus dem Augenwinkel wahrnahm, wie sie aus dem Fenster sehen oder in der Ferne über den Hof gehen. Manchmal hatte sie unverständliche Stimmen gehört, die über den Platz zu ihr drangen, und sie waren ihr wie die Stimmen der Menschen erschienen, die in ihrem Haus gelebt hatten und die sie, den Eindringling, von hier vertreiben wollten, und vor Angst hatte sie die Fenster geschlossen und sich in der Küche hinter dem Klappern des Geschirrs versteckt.

Aber jetzt hätte Jana gern diese Gespenster gesehen. Gerne hätte sie ihre Stimmen gehört, die Sohlen ihrer Schuhe, die den Boden berühren, die Klingen der Messer, die in die Kartoffelschale schneiden, das Scheuern von Tuch am Waschbrett, was ihre Anwesenheit hinter den geschlossenen Fensterläden verraten würde. Sie wollte der Grabesstille nicht glauben, das Kind auf seinem Weg aus ihr wollte ihr nicht glauben, und so trat sie an eine Tür und begann gegen sie zu hämmern. Mit aller Macht schlug sie gegen das dicke Eichenholz und ihr schien, als hörte sie Stimmen, genau solche wie in Buje, unverständliche Stimmen, vor denen sie sich fürchtete, aber sie schlug weiter, denn das Kind auf seinem Weg aus ihr kannte keine Angst und fürchtete sich nicht vor den Gespenstern, und die Tür musste sich öffnen, sie musste sich vor dem Kind öffnen, das ins Haus hineinwollte.

Das Kind war kein Eindringling, es wollte sich nicht verstecken, es wollte unter die Gespenstererscheinungen und unter die Menschen, ihm waren sie alle gleich und alle verständlich, es klopfte weiter, und endlich wurde ihm die Tür geöffnet, und die kleinen Augen einer Alten sahen es an und sagten etwas Unverständliches zu ihm, aber jetzt verstand auch Jana alles.

Stolpernd vor Erschöpfung erblickte Aleksandar die Alte, die mitten auf der Straße stand. Sie schien auf ihn zu warten, und er dachte, es müsse sich um ein Trugbild handeln. Er hatte sie schon gesehen, aber immer war sie unhörbar um ihr Haus gehuscht, vor ihm zurückgewichen und hinter der Hausecke verschwunden, doch jetzt sah sie direkt zu ihm hin und bedeutete ihm, näher zu kommen. Auch Trugbilder sind besser als Verzweiflung, dachte Aleksandar und folgte der Alten ins Haus, und dann hörte er das Kinderweinen, ging wie gebannt darauf zu, bis er neben einer Unbekannten stand, die seine Tochter im Arm hielt.

Ein Gottesgeschenk, sagte er, als die Unbekannte das winzige Kind in seine großen Hände legte. Ein Gottesgeschenk, wiederholte hinter ihm Janas erschöpfte Stimme, und erst jetzt erblickte Aleksandar auf dem Bett in der Zimmerecke seine Frau. Er setzte sich zu ihr und wollte sie küssen, aber sie wich ihm aus.

Versprich mir, sagte sie und hielt inne. Ihr Körper zitterte noch immer von der überstandenen Anstrengung.

Versprich mir, dass du nie mehr zulassen wirst, dass sie uns beide … dass sie uns in der Welt herumstoßen.

Ich verspreche es, sagte er und küsste sie auf die schweißnasse Stirn.

Durch das Zimmer schwebten jetzt unverständliche Stimmen, die sie streichelten, sie umfassten und ihnen sangen. Aleksandar suchte die Alte mit dem Blick.

Grazie, donna sante.

Zum ersten Mal nach dem Krieg hatte er Italienisch gesprochen. Er hatte seinen sich selbst auferlegten Bann gebrochen, und die Stimmen im Haus waren plötzlich verständlich geworden. Die Unbekannten flüsterten von der Schönheit seines kleinen Mädchens, von den Augen der Mutter und von den Lippen des Vaters.

Mit den Jahren wurde das Gottesgeschenk in Aleksandars Erzählungen zum Gotteszeichen, das bestimmt hatte, welches von ihren beiden Häusern in Buje und Momjan das richtige war. Für ihn war es ein Gotteszeichen, dass seine Erstgeborene in Momjan geboren wurde, und nicht in Buje, das nur amtlich als ihr Geburtsort galt, weshalb die Familie Đorđević-Benedejčič in Momjan blieb, das Haus in Buje aber neuen Eindringlingen überließ.

Jana sprach lieber von einer Strafe Gottes und davon, dass Aleksandar wegen seiner Halsstarrigkeit und weil er seine Frau gezwungen hatte, den Weg von Buje nach Momjan zu Fuß zurückzulegen, von Gott damit bestraft worden sei, die Geburt seiner Tochter zu versäumen. Worauf er jedes Mal zur Antwort gab: Wenn das wahr ist, ist Gott ein ganz gewöhnlicher Trottel.

II

1.

Vom Schemel neben dem Bett, der Großvater auch als Nachttischchen diente, nahm ich das Buch und schlug es an der Stelle auf, wo zwischen den Seiten ein abgerissenes Stück Zeitung eingelegt war. Immer hatten ihm die aus Leder, Leinen oder Papier gefertigten Lesezeichen leidgetan, die anstatt in Büchern in unaufgeräumten Schubladen und anderen wüsten Ecken seines Hauses vor sich hin schimmelten, während ihre Aufgabe von Bleistiften, Zahnstochern, Münzen und anderen spitzen oder flachen Gegenständen, die gerade bei der Hand waren, wahrgenommen wurde. Sein spätes Leben war eine Ansammlung unbedeutender Details. Angetrocknete Flecken auf den Hemden, angeklebte Essensreste auf den Tellern, verschiedenfarbige Schnürsenkel, durchgebrannte Glühbirnen, angestoßene Gläser, ausgeschriebene Kulis, ungültige Ausweise, längst abgelaufene Horoskope, Schlüssel ohne Schlösser und Schlösser ohne Schlüssel, alles das waren für ihn nur Kleinigkeiten, die niemandem wehtaten und für die sich nicht lohnte, die ihm zugemessene Zeit zu vergeuden.

Wegen des Ablaufens der Stunden stöberte Großvater im Haus auch nie nach Sachen, die für einen bestimmten Zweck geschaffen waren, etwa um zwischen Buchseiten gesteckt zu werden, denn es gab für ihn und seinen selbstverordneten Gleichmut immer genügend andere Dinge in der Nähe, die ebenso wirkungsvoll diese oder eine andere, noch anspruchsvollere Aufgabe erfüllen konnten. Den Kaffee bewahrte er in einem Mayonnaiseglas auf, aus dem er ihn in die džezva schüttete, um ihn dann mit dem Griff des Gasanzünders umzurühren und in einen Joghurtbecher zu gießen, während Großmutters schöne Keramikgefäße für Zucker, Salz und Kaffee, die vergoldeten Kaffeelöffel und Porzellantässchen in der Vitrine Staub ansetzten.

Mutter konnte aus der Haut fahren, wenn er zur Kennzeichnung der Stelle, bei der er beim Lesen stehen geblieben war, seinen Personalausweis verwendete, dann das Buch mit ihm zusammen in die Bücherei zurückbrachte, woher er ihn erst zurückbekam, wenn das Buch erneut ausgeliehen worden war. Dann begab sie sich wütend auf die Jagd nach Lesezeichen, durchwühlte die Schubladen, verrückte die Sessel, Schränke und sogar den Kühlschrank, kroch auch unter die Tische und Betten und legte am Ende völlig außer Atem sieben Lesezeichen auf Großvaters Schemel und schärfte ihm ein, sie endlich auch zu verwenden. Gegen alle Erwartung versprach er ihr, es zu tun.

Aber Großvater las nur abends vor dem Schlafen, in der Nähe des Schemels, und nur wenige der Bücher, die er las, landeten auf ihm, sodass er schon bald wieder alles Mögliche zwischen ihre Seiten steckte, von Visitenkarten der Elektriker bis zu Reklamezetteln der Zeugen Jehovas. Meistens aber riss er einfach ein Stück von der Zeitung ab, und einmal, als er ein wirklich dickes Buch las, ragte aus ihm mehrere Monate lang eine Todesanzeige mit dem Foto der verstorbenen Julija Morosin heraus.

Ihr schicksalsergebenes Gesicht sah mich vom Tisch im Wohnzimmer an, von der Lehne an Großvaters Sessel, vom Ofen, von der Kommode im Vorzimmer, sogar vom Fußboden im WC. Mehrere Male zählte ich ihre achtundsiebzig Jahre, ihre drei Töchter nebst Familien und die Tage bis zum Begräbnis, bevor ich aus Rücksichtnahme meinen Blick vor ihr abzukehren begann, bis ich die arme Julija endlich ihrer postumen Pflichten entband und sie ganz im großväterlichen Stil durch die Hälfte eines Artikels über eine Segelregatta ersetzte.

Und obwohl die Dinge in seinem Haus eine unermessliche Freiheit genossen und die Badezimmerhandtücher sich auf dem Boden des Schlafzimmers sonnten und die Wörterbücher auf der WC-Muschel ruhten, war mein zerstreuter Großvater ein außerordentlich disziplinierter Leser. Seine Lektüre beendete er nie mitten auf der Seite, geschweige denn mitten im Satz. Wenn er las, ließ er sich nicht stören, auch wenn die Hausglocke läutete oder etwas Graupenähnliches auf dem Küchenherd brodelte. Ein Kapitel las er immer von Anfang bis Ende, und wenn die Kapitel zu lang waren, hörte er mit dem Lesen am Ende des ersten Absatzes auf der linken Seite auf. Deshalb war es einfach festzustellen, wo Großvater am Abend zuvor seine Lektüre beendet hatte, welcher Satz der letzte war, den er im Leben gelesen hatte.

Ich schlug das Buch, das ich auf dem Schemel vorgefunden hatte, dort auf, wo das Stückchen Zeitungspapier eingelegt war. Oben auf der linken Seite stand nur der letzte Teil des Satzes, deshalb blätterte ich zurück und las den Absatz von Anfang bis Ende.

Vor einem guten Jahrhundert hatten meine Vorfahren väterlicherseits das verlassen, was damals Galizien hieß, den östlichsten Teil des österreichungarischen Kaiserreichs (heute die Westukraine), und sich in Bosnien und Herzegowina angesiedelt, das kurz zuvor von der Habsburgermonarchie annektiert worden war. Meine bäuerlichen Vorfahren brachten ein paar Bienenstöcke, Pflüge, ein paar Lieder über die verlassene Heimat und ein Rezept für einen vollkommenen Borschtsch mit, eine Speise, die bis dahin in diesem Teil der Welt unbekannt gewesen war.

Während des Lesens spürte ich, dass sich hinter meinem Rücken der Leichenbeschauer aufgestellt hatte und darauf wartete, dass ich ihm Platz mache, damit er die Totenflecke auf Großvaters Scheitel zählen, die Pupillenweite und Lichtdurchlässigkeit der Hornhaut messen könne, um festzustellen, wann der Tod eingetreten war, aber ich musste, genauso wie mein Großvater, den Absatz zu Ende lesen. Das war meine Verpflichtung, eine verspätete Entschuldigung für alle abgesagten Besuche. Ich wusste, dass diese Entschuldigung keinen Adressaten finden würde, aber ich fuhr mit dem Lesen doch so lange fort, bis ich zum letzten Wort gekommen war, bis zum letzten Buchstaben, und hörte genau dort auf, wo am Abend zuvor auch er aufgehört hatte.

„Wenige Menschen haben ein Buch neben dem Kopfkissen. Frauen vielleicht noch, aber Männer fast nie. Zeitschriften, Zeitungen, aber am liebsten haben sie die Fernbedienung bei der Hand. So sind die Zeiten. Die Menschen sind sich nicht bewusst, dass sie sich mit Büchern die Bilder ihrer Träume selbst schaffen, dass sie mit Lesen ihre Fantasie entwickeln und pflegen, während das Fernsehen ihnen Bilder aufdrängt. Bilder, die wir uns beim Lesen von Büchern schaffen, sind unsere eigenen, im Fernseher hingegen sehen wir fremde. Die Fernsehprogramme üben eine Gewaltherrschaft über unsere Traumwelt aus. Alle Bilder, die wir sehen, gehen in unser Unterbewusstsein ein, deshalb werden wir immer zerstreuter und unruhiger. Die Bilder in unserem Unterbewusstsein sind Bilder des Grauens.“

Ich drehte mich um und sah einen jungen Mann aus Piran vor mir, der auf der kroatischen Seite der Grenze Arbeit gefunden hatte und der, vermutlich so unterwiesen, einen Respektabstand zum Trauernden einhielt, zu mir, dem er einen angemessen mitfühlenden Blick schenkte. Tode waren sein Beruf und er sprach ungezwungen, aber mit Ernsthaftigkeit in der Stimme, als würde er auch vor mir den Eindruck erwecken wollen, dass für ihn jeder Leichnam, den er sich ansehen kommt, eine neue Geschichte sei und er noch nicht der Abstumpfung erlegen sei, die die Routine mit sich bringt. Trotzdem schien mir, dass er, einem Regelbuch für Totenbeschauer folgend, die Stille, die sich vor seiner Ankunft angesichts des Leichnams ausgebreitet hatte, absichtlich füllte und dass die leeren Phrasen zu seinen Berufsaufgaben gehörten.

Mich kam es an, dieses Konzept zu zerschlagen, aufzuhören, ihm freundlich beizupflichten und ihn allen Ernstes zu fragen, wie seiner Meinung nach im Mittelalter all die unwirklichen Dunkelmännergestalten ins Unterbewusstsein der Menschen gelangt seien, die uns von mittelalterlichen Träumern überliefert sind, woraus seiner Meinung nach die Albträume vor dem Aufkommen von Film und Fernsehen entstanden seien, woher bei unseren fernen Vorfahren all die dreiköpfigen Drachen und einäugigen Menschenfresser stammten, wenn die sie nicht im Nachtprogramm des kommerziellen Fernsehens gesehen haben.

Aber ich ließ es doch schweigend zu, dass er an mir vorbei ans Bett trat, auf dem Großvaters Leichnam lag.

Großvaters Tod war mein erster. Ich wandte mich von dem Körper ab, der auf dem Bett lag und mich erschreckte. Mit den Augen überflog ich den Raum und suchte nach einem Eckchen, wohin ich meinen Blick lenken könnte, aber alles um mich herum sprach zu mir. Auf dem Esstisch lag Großvaters Fernsehbrille, nachlässig auf dem speckigen Tischtuch liegen gelassen. Unten lagen einige größere Krümel, die die unter den Tischrand gehaltene Hand verfehlt hatten. In der Zimmerecke lag ein Haufen alter Zeitungen, der tief unter sich einen längst überfüllten Korb verbarg. Vom Bettrand hing ein Strumpf, den er sich wohl in einer der vorhergehenden Nächte abgestreift hatte. Ich musste daran denken, dass in ihm vermutlich noch immer sein Geruch, sein Gestank eingefangen war, aber auch ein Loch oder zwei, das seine schlecht geschnittenen Fußnägel gemacht hatten. Auf dem Fußboden unter dem Fenster lagen zwei offene Bücher, die wer weiß wann vom Fensterbrett gefallen waren. Auf der anderen Seite des Zimmers stand neben dem Fernseher ein leeres Glas, höchstwahrscheinlich am verstaubten Schrank festgeklebt. Der Teppich war an einer Ecke umgeschlagen, und ich sah Großvater vor mir, wie er an ihm hängen bleibt. Zwei der vier Kommodenschubladen waren nicht ganz geschlossen, bei beiden hatte etwas geklemmt. Unter der Couch sah ich den Schattenumriss eines Löffels, der ihm vor ein paar Tagen vermutlich unbemerkt vom Tisch geflogen war. Oder er hatte, noch wahrscheinlicher, keine Lust gehabt, sich zu bücken, und ihn einfach dort liegen lassen.

Großvater war überall, nur dort, auf dem Bett, wo er letztlich lag, war er nicht mehr. Er war nicht mehr hinter den entfärbten graugrünen Augen, nicht mehr hinter den in alle Richtungen strebenden weißen Augenbrauen und den Barthaaren, die sich jetzt zum ersten Mal ergeben ans Gesicht angelegt hatten. Ich saß unmittelbar neben seinem reglosen Körper, berührte ihn fast mit der Hand, war mir seines Todes aber noch immer nicht bewusst. Alles im Haus war so gleich, so alltäglich. Ein dichter Geruch nach Rauch füllte noch immer das Zimmer, Straßengeräusche kamen ungehindert durch die alten Fenster, und Staubteilchen tanzten in den Lichtgarben. Allem Anschein nach hatte sich seit meinem letzten Besuch nichts geändert. Nur Großvater war gestorben.

Das wiederholte ich mir, und das bestätigte auch der Totenbeschauer. Und Mutter nickte.

Als Großmutter starb, war alles anders gewesen. Damals kam ich erst nach dem Begräbnis ins Haus, als Mutter Großmutters Sachen schon aufgeräumt und das Haus schon gründlich saubergemacht hatte, sodass von Großmutter nur das Bild über ihrem Bett geblieben war, auf dem sie sich überhaupt nicht ähnlich sah. Und zurückgeblieben war Großmutters Zahnbürste.

Mutter glaubte, dass der Tod das Leben nicht zum Stillstand bringen darf und dass man die Spuren des Verstorbenen so rasch wie möglich wegräumen, wegreiben, abwischen und abwaschen und Stück für Stück aus dem Haus tragen muss, so wie man zuvor den Leichnam weggetragen hat. So füllte sie nur einen Tag nach Großmutters Tod die alten Lederkoffer, die oben auf den Schränken geduldig auf ihre letzte Reise gewartet hatten, mit ihren Kleidern und brachte sie zur Caritas, Großmutters Bijouterie warf sie in eine Plastikbox für Speiseeis und schenkte sie der Enkelin der Nachbarin, und die Kosmetiksachen warf sie in den Müll.

Großvater sah ihr dabei die ganze Zeit nur stumm zu, und als Mutter aus dem Badezimmer zwei Zahnbürsten anbrachte und ihn fragte, welche seine und welche Großmutters sei, sagte er: Weiß nicht. In der Meinung, er hätte sie nicht verstanden, erklärte ihm Mutter, dass sie Großmutters Zahnbürste gern wegwürfe und er ihr bitte sagen solle, mit welcher er sich die Zähne putze. Aber Großvater verharrte bei seinem Weiß nicht. Mutter durchschaute die Lüge und wiederholte genauso hartnäckig ihre Frage, weshalb Großvater seine Antwort änderte.

Beide sind meine. Bring sie ins Badezimmer zurück.

Kannst du mir dann sagen, welche du lieber hast?, fragte sie ihn.

Warum?

Es hat keinen Sinn, dass du zwei Zahnbürsten hast.

Ich kann so viele Zahnbürsten haben, wie ich will.

Möchtest du, dass ich dir Mutters Zahnbürste zur Erinnerung lasse?

Wenn ich etwas zur Erinnerung haben wollte, würde ich mir ein Kleid behalten. Oder eine Halskette.

Ich habe dich gefragt, ob du etwas dagegen hast, wenn ich sie wegbringe.

Ja.

Und was hast du gesagt? Dass ich tun soll, was ich will, oder nicht?

Ja.

Und jetzt sagst du mir, du hättest gern eine Halskette oder ein Kleid behalten.

Das habe ich nicht gesagt, Vesna.

Was hast du dann gesagt?

Ich habe gesagt, wenn ich etwas zur Erinnerung hätte haben wollen. Wenn.

Und was ist das, wenn nicht ein Vorwurf?

Das ist kein Vorwurf.

Was ist es denn?

Es ist kein Vorwurf.

Wenn Mutter ein schlechtes Gewissen hatte, wurde sie bissig. Sie hielt Großvater die Zahnbürsten vors Gesicht.

Du hast drei Sekunden, dich zu entscheiden, welche deine ist, denn nach drei Sekunden fliegt eine von den beiden direkt in den Müll.

Ich habe beide gern.

Drei, zwei, eins …

Mutter ließ eine der Zahnbürsten los, sodass sie in den Müllbeutel fiel, in dem sie die ausgemusterten Sachen sammelte.

Großvater sagte nichts, und Mutter dachte, dass die Geschichte mit den Zahnbürsten beendet sei, aber als sie am nächsten Tag zurückkehrte, stand in dem Becher im Badezimmer eine neue Zahnbürste, die Großvater an diesem Morgen gekauft hatte und mit der er sich die Zähne bis zu seinem Tod putzte.

Jene alte aber, ob Großmutters oder Großvaters, jene, die nicht in Mutters Müllbeutel gelandet war, stand neben ihr, wurde aber nie mehr von jemandem benutzt. In dem roten Plastikbecher am Rand des mit Wasserstein und anderen Ablagerungen überzogenen Waschbeckens standen seither zwei Zahnbürsten. Und taten es noch immer.

„Einen schöneren Tod kann sich der Mensch kaum wünschen. Im Schlaf zu sterben bedeutet, ohne Schmerzen zu sterben. Das nennen wir einen königlichen Tod.“

So hatte der Totenbeschauer gesagt, während er sich im Vorzimmer langsam die Schuhe anzog. Er war einer von jenen, die die Schuhe ausziehen, auch wenn ihm die Hausbewohner klarzumachen versuchen, dass er es nicht zu tun braucht. Mutter schenkte ihm ein Kopfnicken, ich schloss die Tür hinter ihm, dann kehrten wir zu Großvater zurück.

In der Hand hielt ich noch immer das Buch.

„Jeden Morgen hat er ihr beim Kaffee daraus vorgelesen. Jeden Morgen ein Kapitel. Wie einem Kind.“

„Sie war ja ein Kind“, sagte Mutter.

Sie war es. Ein Kind mit Greisenarmen, die dich so zärtlich umfingen und dich kraftlos an sich zogen. Ein Kind, das dich ansah mit schutzsuchenden Augen, mit kindlich neugierigen Augen, die beinahe zur Gänze von schwerer, schlaffer, fleckiger Haut, voller Warzenmale, verdeckt wurden.

Ich erinnerte mich an dieses Kind aus der Geschichte von Tante Maja, ein Kind, das sich an seine Tochter wandte, die zu einem kurzen Nachmittagsbesuch gekommen war, und sie mit leiser, furchtsamer Kinderstimme ansprach.

Gnädige Frau, kennen Sie meine Mutter?

Ja, hatte meine Tante geantwortet, die ihre Großmutter Marija, die Näherin, die jung an Tuberkulose gestorben war, nie kennengelernt hatte.

Könnten Sie sie anrufen, damit sie mich holen kommt, sagte Großmutter. Ich möchte gern nach Haus.

Die erschrockene Maja begann um Hilfe zu rufen, sie rief ihren Vater, von dem sie annahm, dass er die Antworten auf diese Fragen kenne, dass er wisse, was man diesem altersschwachen Kind, das neben ihr saß, sagen müsse.

Großvater kam erschrocken aus der Küche angelaufen, und als Maja ihm erklärte, dass Oma ihre Mutter zu sehen wünsche, drehte er sich beruhigend zu seiner Frau um.

.