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Cindy Klink

HÖREN WIRD
ÜBERBEWERTET

Originalausgabe

©2018 Hirnkost KG

Lahnstraße 25

12055 Berlin

prverlag@hirnkost.de

www.jugendkulturen-verlag.de

Alle Rechte vorbehalten

1. Auflage August 2018

Vertrieb für den Buchhandel:

Runge Verlagsauslieferung; msr@rungeva.de

Privatkunden und Mailorder: https://shop.hirnkost.de/

Layout: Linda Kutzki

ISBN

PRINT: 978-3-947380-10-7

PDF: 978-3-947380-11-4

EPUB: 978-3-947380-12-1

Dieses Buch gibt es auch als E-Book bei allen Anbietern und für alle Formate.

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INHALT

Vorwort

Der Weg zur Schwerhörigkeit

Mobbing im Kindergarten

Mein Blog

Musik + Seele = Verbindung

Mein erstes Video: Sarah Conner – "Bedingungslos"

Ewig – "Ein Geschenk"

Ellie Goulding – "Love Me Like You Do"

Joel Brandenstein – "Diese Liebe"

REMO – "Das bleibt für immer"

Joel Brandenstein – "Nie vergessen"

BASIC ft. SaFo – "So viele Fragen“

Weihnachtslieder

Böhse Onkelz – "Für immer"

Ist das alles ein Projekt?

Mein erster Auftritt

Ausbildung, Konflikte und Berufsschule

"It's not a hobby, it’s a lifestyle"

Shitstorm gegen Phantasialand

Gehörlose können nicht sprechen

Tipp

Habe ich mich verändert?

VORWORT

Der Tag, an dem es begann, bleibt für immer in meinem Gedächtnis eintätowiert. Eine bleibende Erinnerung, die mich durch den Alltag trägt und mir jedes Mal aufs Neue bewusst macht, dass Menschen von meiner Arbeit begeistert sind. Und obwohl es nur ein Hobby ist, bereichert es mich jedes Mal aufs Neue. Selbstverständlich erforderte es Mut und Selbstbewusstsein. Ihr könnt Euch vorstellen, was für eine Kraft ich benötigt hatte, um das Ganze auf die Beine zu stellen.

Doch am Ende war es wie ein Sog, der mich immer weiter trug. Es verlieh mir Flügel, und ich war fähig, damit zu fliegen. Jeder Schlag kostete seine Energie, aber am Ende hatte es sich gelohnt.

Wie man sieht, bin ich an einem Punkt angelangt, an dem ich Euch meine Geschichte erzähle. Und da ich Ehrlichkeit sehr schätze, muss ich sagen, dass es mehr wird als nur eine Herausforderung. Es wird nicht nur ein weiteres Hindernis sein, welches ich bewältigen muss, es ist für mich ein neues Kapitel eines Buches, in dem ich endlich den Mut finde, Euch zu erzählen, wie es überhaupt zu diesem Projekt gekommen ist. Normalerweise behalte ich mein Privatleben und meine Gefühle lieber für mich und publiziere nur die Dinge, von denen ich überzeugt bin, dass meine Maske dadurch nicht zerbricht.

Jetzt sitze ich hier und bin am Überlegen, wie ich mich Euch am besten präsentiere. Niemals hätte ich gedacht, dass es so schwer sein würde, über mich zu schreiben. Nicht, dass ich Angst hätte, mir fehlen einfach die Worte und der passende Anfang. Zuerst habe ich mit Sätzen wie: „Hallo, ich bin Cindy und zwanzig Jahre alt“ angefangen – bis ich merkte, dass es eine 0815-Form von „Das-benutzt-jeder-der-nicht-genug-Kreativität-besitzt“ ist. Um Euch vermitteln zu können, weshalb ich Lieder übersetze und meine Gefühle mit Euch teile, müssen wir eine Reise in meine Vergangenheit machen.

Nehmt Euch aber in Acht. Es wird nichts leicht Verdauliches sein.

DER WEG ZUR SCHWERHÖRIGKEIT

Am 18. Juni 1997 kam ich auf die Welt. Natürlich war das nichts Besonderes, aber für meine Familie war es tatsächlich ein Highlight. Denn ich war das erste Mädchen in der Familie, nachdem die Geschwister von meinem Vater bereits sieben Jungen auf die Welt brachten. Für meine Verwandtschaft war es ein Anlass, Tränen zu vergießen, ein Fest zu feiern und sich volllaufen zu lassen, während ich wahrscheinlich in der Wiege lag und schlief oder schrie und nach der Brust bettelte. Meinen Namen Cindy habe ich dem Model Cindy Crawford zu verdanken – wie herrlich! Aber ich bin dankbar, dass ich kein Junge geworden bin, denn sonst hieße ich Kevin. KEVIN!

Direkt nach meiner Geburt war von meiner Hörbehinderung weit und breit keine Spur. Mit mir konnte man reden, lachen und Dinge ins Ohr flüstern, und womöglich habe ich auch alles verstanden. Aber dieses Glück hielt nur drei Jahre lang.

Von einem Tag auf den anderen hörte ich immer schlechter und schlechter. Mein Verlust des Gehörs war so weit ausgeprägt, dass man es schnell bemerkte. Den Fernseher drehte ich auf volle Lautstärke, und trotzdem verstand ich nichts. Musik konnte ich nur noch wahrnehmen, wenn ich meine Ohren an die Boxen hielt. Sonst war da nur noch Stille. Für Euch klingt das vielleicht wohltuend, aber für mich als kleines Kind war es sehr beängstigend. Stellt Euch mal vor, von einem Tag auf den anderen hört Ihr nichts mehr.

Am Ende stellten meine Eltern fest, dass ich eher auf die Gebärdensprache reagierte, als wenn sie mit mir sprachen. Beim ersten Mal dachten sie sich nichts dabei, aber als es öfter geschah, hatten sie eine Vermutung: Unsere Tochter ist wahrscheinlich hörgeschädigt.

Nachdem ich etliche Termine bei meinem HNO-Arzt und Akustiker verbrachte, bekam ich am Ende meine ersten Hörgeräte, die ich wohlerzogen anzog. Die meisten Leute, die ich kenne, berichteten mir, dass sie als kleines Kind immer die Hörgeräte auszogen und durch die Gegend warfen, genau dasselbe kann ich von meinem schwerhörigen Bruder berichten. Bei mir war es jedenfalls das Gegenteil. Nachdem ich sie endlich hatte, mochte ich sie am liebsten gar nicht mehr ausziehen. Den Klang der Stimmen wieder zu hören, das Knacken des Bodens im Korridor, das Klackern der Absätze meiner Großmutter und das Knirschen des Laubes, wenn ich darüber ging, war großartig. Das Heulen des Windes, das Prasseln des Regens, das Rauschen des Fernsehers, wenn er wieder mal nicht funktionierte, und das Wichtigste: die Musik. Schon als kleines Kind war Musik mein treuer Begleiter.

Als meine Eltern erfuhren, dass ich schwerhörig bin, haben sie sich gefreut. Das mag nur verständlich sein, wenn man selbst gehörlos ist, und das kann ich ihnen auch gar nicht übelnehmen. Aber nicht alle waren von diesem Umstand begeistert. Meine Großmutter hat Tränen vergossen, als sie es erfahren hat. Ihr eigener Sohn ertaubte aufgrund einer Hirnhautentzündung in einem Alter von drei Monaten. Meine Großmutter brachte meinem Vater das Sprechen bei, obwohl er seine eigene Stimme nicht hören konnte. Schließlich wollte sie nicht, dass er von den anderen ausgeschlossen wurde, nur weil er kein Sprachvermögen hatte und nichts hörte. Und weil sie Angst hatte, dass es mir genauso ergehen könnte, lehrte sie mich das Sprechen. Hatte ich an einem Tag mal aus Versehen „Schmekkerling“ statt „Schmetterling“ gesagt oder „Puppe“ statt „Suppe“, forderte sie mich auf, es so oft zu wiederholen, bis ich es richtig ausgesprochen hatte. In diesem Alter war es für mich total ätzend, weil ich mir ziemlich dumm vorkam, doch heute kann ich nicht dankbarer sein. Ohne ihre Hilfe könnte ich heute nicht sprechen, und es ist ein sehr wichtiger Bestandteil der Kommunikation für mich geworden.

Natürlich merken manche, dass ich einen Sprachfehler habe. Laute wie „s“, „sch“ und „ch“ hört man bei mir sehr schlecht. Ich lisple, aber all die Jahre konnte ich das selbst nicht wahrnehmen, bis ich Videos von mir aufnahm und mich selbst schlecht verstand. Ab da hinterfragte ich mein Sprachvermögen. Irgendwann fand ich den Mut und fragte nach, ob es stimmt.

Als die Bestätigung kam, schämte ich mich. Es war einfach peinlich und ich war sauer, weil es mir all die Jahre niemand gesagt hatte.