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Aus Granit gemeißelte Statuen findet man im Vallée des Saints.

HIGHLIGHTS | GEHEIMTIPPS | WOHLFÜHLADRESSEN

»Eine magische Szenerie – augenblicklich verstand man, warum große Schriftsteller und Maler (…) verrückt nach diesem Fleckchen Erde gewesen waren.«

Jean-Luc Bannalec

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Malerisch liegt der Leuchtturm von Ploumanach inmitten bizarrer Felsformationen der Côte de Granit Rose.

INHALT

Das sollten Sie sich nicht entgehen lassen

Willkommen in der Bretagne

DIE NORDKÜSTE

  1 Die Bucht des Mont-Saint-Michel

  2 Von Cancale bis Saint-Malo

  3 Saint-Malo

  4 Von Saint-Malo bis zum Cap Fréhel

  5 Die Bucht von Saint-Brieuc, die Côte du Goëlo und die Île de Bréhat

  6 Côte d’Ajoncs und Côte de Granit Rose

  7 Tréguier und der Trégor

  8 Rund um Morlaix

  9 Saint-Pol-de-Léon

10 Roscoff

DIE WESTKÜSTE

11 An der Côte des Legendes

12 Ouessant und der Molène-Archipel

13 Brest

14 Von Plougastel bis Le Faou

15 Die schönsten Kirchhöfe und Calvaires

16 Die Halbinsel Crozon

17 Locronan und Sainte-Anne-la-Palud

18 Douarnenez

19 Cap Sizun und die Pointe du Raz

DIE CORNOUAILLE

20 Die Küste des Bigoudenlandes

21 Pont-l’Abbé

22 Von Bénodet bis Fouesnant

23 Îles de Glénan

24 Concarneau

25 Quimper

26 Von Pont-Aven nach Le Pouldu

27 Quimperlé

MORBIHAN UND LOIRE MÜNDUNG

28 Lorient, Port-Louis, Hennebont und der Ria d’Etel

29 Île de Groix

30 Quiberon

31 Belle-Île

32 Carnac und Locmariaquer

33 Auray und Sainte-Anne-d’Auray

34 Rund um den Golf von Morbihan

35 Vannes

36 Guérande, Grande Brière und La Baule

37 Saint-Nazaire und die Mündung der Loire

ARGOAT: IM LANDESINNEREN

38 Châteaubriant

39 Vitré und Fougères

40 Rennes

41 Der Ille-et-Rance-Kanal

42 Der Wald von Brocéliande

43 Nantes

44 Der Nantes-Brest-Kanal

45 Josselin, Ploërmel und der Calvaire von Guéhenno

46 Pontivy und das Blavettal

47 Rund um Carhaix-Plouguer

48 Im Wald von Huelgoat

49 In den Montagnes Noires

50 Die Monts d’Arrée

REISEINFOS

Bretagne von A bis Z

Kalender

Register

Impressum

MEHR WISSEN

Heilkraft des Wassers

Öltanker und Küste

Im Land der Heiligen

Das bretonische Atlantis

Die Trachten

Die Künstler

Die Megalithkultur

Der Widerstand

Artus und Merlin

MEHR ERLEBEN

Gunstig Urlauben in der Bretagne

Bretagne erleben mit Handicap

Die Bretagne für Kinder und Familien

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Am Strand von Porz-Hir fügen sich die Bauwerke harmonisch in die Landschaft ein.

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Die Place du Bouffay liegt im Herzen des malerischen Städtchens Malestroit.

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Felsen, Sand und Meer prägen die Landschaft bei Menez-Ham.

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Die Windmühle auf dem Mont Dol wurde liebevoll restauriert.

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Mehr Meer geht kaum …

DAS SOLLTEN SIE SICH NICHT ENTGEHEN LASSEN

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Dem Himmel so nah: der Mont-Saint-Michel

image Mont-Saint-Michel (S. 32)

Auf einem vom Meer umspülten Granitfelsen ließen sich im 10. Jahrhundert n. Chr. Mönche nieder und fingen an, auf dieser eng begrenzten Grundfläche ein Kloster zu errichten. Entstanden ist ein zum Himmel strebendes, formvollendetes Ensemble aus Wohn- und Gästehäusern, Kapellen und Lagerräumen, die sich teils auf den Fels, teils aufeinander stützen. An alleroberster Stelle steht – wie könnte es anders sein – die Klosterkirche. Angesichts dieser architektonischen Meisterleistung trägt der Klosterfelsen seinen Beinamen »Pyramide der Meere« völlig zu Recht. Man sagt ja, dass der Glaube Berge versetze. Der Mont-Saint-Michel zeigt: Manchmal erschafft er auch welche.

image sea, sun, and … crêp’ (S. 132)

So und nicht anders müssen sich Ferien anfühlen: Aus den Haaren tropft noch das Salzwasser vom erfrischenden Bad im Meer. Zwischen den nackten Zehen spürt man den warmen Sand. Und in der Nase kitzelt der Duft von frisch gebackenen Crêpes. Geduldig stehen Kinder und Rentner, Einheimische und Touristen, Surfer und Radler Schlange vor dem kleinen, knallroten Wägelchen, in dem die immer gut gelaunte Karen jeden freundlich begrüßt und ihm ganz nach Wunsch einen süßen oder herzhaften Crêpe über die Theke reicht.

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Ein charmantes Trio in Festtagstracht

image Calvaire von Tronoën (S. 131)

Von ergreifender Schlichtheit ist der Calvaire des kleinen gotischen Kirchleins, das abgelegen zwischen Dünen und Heide in der Nähe des Surferstrands La Torche liegt. Die beiden Friese, die den Sockel umziehen, zeigen Szenen aus dem Neuen Testament. Darüber ragt die Kreuzigungsgruppe in den Himmel. Flechten haben sich auf den aus Granit gehauenen Figuren angesiedelt, Wind und Wetter haben ihre Konturen im Laufe der Jahrhunderte rund geschliffen. Besonders stimmungsvoll ist der Calvaire, wenn die tief stehende Abendsonne die Umrisse der Figuren vergoldet.

image Die Menhirfelder von Carnac (S. 182)

Was genau mag die Menschen vor Tausenden von Jahren bewogen haben, gerade hier unzählige große Felsbrocken hochkant zu stellen und zu langen Reihen und akkuraten Halbkreisen zu gruppieren? Das gibt der Wissenschaft bis heute Rätsel auf. Die Steinreihen von Carnac sind zu jeder Jahres- und Tageszeit ein faszinierender Anblick. Doch wenn im Herbst frühmorgens weiße Nebelschwaden die steinernen Kolosse umhüllen, geraten nicht nur Fotografen in Ekstase …

image Ein Eis Chez Tinou in Saint-Cast-le-Guildo (S. 50)

Wie soll man sich da bloß entscheiden? Die lange Theke der Kult-Eisdiele Chez Tinou in Saint-Cast-le-Guildo stellt Einheimische wie Feriengäste jedes Mal aufs Neue vor die Qual der Wahl. Die Auswahl ist riesig! Neben Klassikern wie Schokolade oder Vanille gibt es auch ungewöhnliche Kombinationen wie Zitrone-Basilikum oder Erdbeere-Pfeffer. Etwas Mut braucht man für die eher experimentellen Varianten, etwa Algen-, Austern- oder Dijonsenf-Eis.

image Die Felsen an der Côte de Granit Rose (S. 60)

Im Licht der Abendsonne scheinen die rötlichen Granitfelsen von innen heraus zu leuchten. Wasser, Wind und Wetter haben aus dem über 350 Millionen Jahre alten Gestein bizarre Skulpturen geformt. Bei einer Wanderung auf dem alten Zöllnerpfad entlang der Küste kann man mit etwas Fantasie die merkwürdigsten Gebilde entdecken: vom Totenkopf bis zum Holzschuh, von der Hexe bis zur Jakobsmuschel.

image Die schroffen Klippen an der Pointe du Raz (S. 122)

Hoch oben über den Klippen der Pointe du Raz wacht seit 1904 die anrührende Statue der Notre-Dame-des-Naufragés (»Unsere Liebe Frau der Schiffbrüchigen«). Wenn Stürme um die schroffen Felsen heulen, die sich bis zu 70 Meter hoch über dem tobenden Meer erheben, kann man sich hier oben kaum auf den Beinen halten. Doch auch bei sonnigem Wetter und ruhiger See ist die wilde Schönheit dieses zerklüfteten Zipfels Festland, der sich weit ins Meer hinausstreckt, einfach atemberaubend.

image Die Fête des Brodeuses in Pont-l'Abbé (S. 140)

Gestärkte Hauben und raschelnde Schürzen, goldbestickte Männerwesten und runde schwarze Hüte, dazu schmissige Bombardenklänge und blühende Hortensien vor grauem Granit – die Fête des Brodeuses (»Fest der Stickerinnen«) in Pont L’Abbé vermittelt ein unvergessliches, heiteres Bild der Bretagne. Im Sommer gibt es einige dieser farbenfrohen Feste, mit denen die Bretoninnen und Bretonen ihre alten Traditionen hochhalten. Trachtenumzüge und Tanzdarbietungen gehören meist dazu; anschließend wird bis in den Abend hinein gefeiert.

image Per Seilrutsche übers Meer sausen (S. 89)

Auf einem vorgelagerten Inselchen fast am Ende der Welt gelegen, diente das Fort Bertheaume einst dazu, Feinden die Einfahrt in die Rade von Brest zu verwehren. Heute ist die Festung in der Nähe von Plougonvelin Teil eines außergewöhnlichen Kletterparks. Gut gesichert balanciert man über Seilbrücken, klettert durch Felsspalten oder saust die 200 Meter lange Seilrutsche entlang, die das Inselchen mit dem Festland verbindet. Wer das Fort erobern möchte, muss mindestens neun Jahre alt sowie über 1,40 Meter groß sein – und rechtzeitig reservieren …

image Den Wald von Huelgoat (S. 254)

Eben noch stand man in einer hübschen Kleinstadt am Ufer eines Sees. Nur ein paar Schritte weiter taucht man ein in eine andere Welt: Gewaltige Steine liegen kreuz und quer übereinander, irgendwo im Untergrund rauscht ein unsichtbarer Fluss, durch die dichten Bäume fällt in goldenen Bahnen das Sonnenlicht. Um den Wald von Huelgoat ranken sich viele Sagen und Legenden. Steht man erst einmal unter dem grünen Blätterdach, möchte man sie fast für bare Münze nehmen …

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Auf den Menhirfeldern von Carnac stehen die Steine ordentlich in Reih und Glied.

WILLKOMMEN IN der Bretagne

»Die« Bretagne gibt es nicht. Das ist wohl die erste Lektion, die jeder Urlauber im Handumdrehen lernt. Die Bretagne hat unendlich viele Gesichter: schroffe Klippen und sanfte Hügel, dichten Wald und feine Sandstrände, weite Heideflächen, Salzgärten und ausgedehnte Moore, prähistorische Denkmäler, mittelalterliche Festungen und moderne Städte, ein hochkarätiges Kulturangebot und liebevoll gepflegte Traditionen. Langweilig wird es hier nie!

Die Bretagne ist der westlichste Zipfel Frankreichs. Die Bewohner der von drei Seiten von Wasser umgebenen Halbinsel, die lange ein autonomes Herzogtum, zeitweise sogar Königreich war, pflegten und pflegen bis heute ein mehr oder weniger distanziertes Verhältnis zum französischen Zentralstaat. In der Bretagne, so sagt man, gehen die Uhren stets ein wenig anders als im restlichen Frankreich. So bilden die Bretonen zum Beispiel bei der Zahl der Ehescheidungen das Schlusslicht im innerfranzösischen Vergleich, während sie angeblich beim Alkoholkonsum an der Spitze liegen sollen.

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Kite-Surfer finden in der Bretagne ideale Bedingungen, wie hier am Strand von Saint-Lunaire.

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Die schönen alten Trachten werden von Generation zu Generation weitergegeben.

Als bodenständig und konservativ, beharrlich und feierfreudig werden die Bretonen oft dargestellt. Wo, wenn nicht in der Bretagne, könnte das kleine gallische Dorf stehen, dessen Bewohner – allen voran Asterix und Obelix – sich so erfolgreich der römischen Besatzung widersetzen? Ein deutlich weniger schmeichelhaftes Bild der Bretonen zeichnen die Bécassine-Comics, die 1905 (gut 50 Jahre vor dem ersten Asterix-Band) in einer französischen Mädchenzeitschrift erstmals erschienen. Die Titelfigur, deren Name Bécassine auf Deutsch »Schnepfe« heißt, soll ein typisches Mädchen aus der Bretagne darstellen, das auf der Suche nach Arbeit nach Paris kommt und sich dort als Hausmädchen verdingt. Naiv, aber ihrer Herrschaft treu ergeben, stolpert Bécassine mit ihrem Trachtenhäubchen durch den Großstadtalltag und sorgt mit ihren zahlreichen sprachlichen Missgriffen für Erheiterung – bei den Franzosen, nicht aber in der Bretagne. Hier regte sich entschiedener Protest, als die französische Post hundert Jahre nach dem Erscheinen des ersten Bandes eine Bécassine-Briefmarke ankündigte.

Viele Bretonen identifizieren sich stark mit ihrer Heimatregion. Dieses allumfassende »Wir-Gefühl« eint sie über alle regionalen und lokalen Unterschiede hinweg. Und derer gibt es viele: Da wäre als Erstes der Gegensatz zwischen Armor und Argoat. Außerdem unterscheidet man zwischen Haute- und Basse-Bretagne. Es gibt vier (ursprünglich fünf) Départements; bevor diese im 18. Jahrhundert eingeführt wurden, war die Region in neun Bistümer untergliedert (und Heiraten über Bistumsgrenzen hinweg waren höchst unüblich). Und dann gibt es noch die vielen größeren und kleineren lokalen und regionalen Einheiten. Diese historisch gewachsenen »Pays« (bretonisch: »bro«) unterscheiden sich untereinander zum Beispiel durch unterschiedliche Trachten und Tänze.

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Märchenhafte Stimmung im Zauberwald von Huelgoat

Das Land vor dem Meer

Armor, die Küstenregion, verdankt ihren Namen den Kelten, die diesen vom Atlantik geprägten Landstrich Aremorica, »das Land vor dem Meer«, nannten. Schroffe Felsen und tief eingeschnittene Flussmündungen wechseln sich hier mit weiten Buchten und flachen Sandstränden ab. Hinzu kommen rund 800 Inseln. Die Bretagne verfügt insgesamt über fast 3000 Kilometer Küste; davon steht rund ein Fünftel unter Naturschutz. Mit ihren zahlreichen Hafenstädten, ausgerichtet auf Schifffahrt und Handel, war die Küstenregion stets der weltoffenere, wagemutigere, fortschrittlichere Teil der Bretagne. Die Fischzüge der bretonischen Fischer führten sie bis nach Neufundland. Entdecker wie Jacques Cartier, dessen Suche nach einer Westpassage nach Fernost zur Entdeckung Kanadas führte, aber auch Tausende von Auswanderern, die sich in der Fremde ein besseres Leben erhofften, brachen von einem bretonischen Hafen aus zu ihren Reisen auf. Umgekehrt strömten mit dem Aufkommen des Badetourismus in den 1880er-Jahren auch viele Touristen in diesen Teil der Bretagne. In einem etwa zwanzig Kilometer breiten Streifen entlang der Küste leben heute etwa drei Fünftel der bretonischen Gesamtbevölkerung.

Das Land des Waldes

Im Gegensatz dazu war und ist das Landesinnere eher dünn besiedelt. Es war einst dicht bewaldet – daher stammt der Name Argoat, der »Land des Waldes« bedeutet. Ausgedehnte Rodungen im Mittelalter haben den Wald an vielen Stellen zurückgedrängt. Die Wälder von Huelgoat und Paimpont sind die letzten großen Überbleibsel eines Urwalds aus Eichen, Buchen und Kastanien. Ein typisches Landschaftsbild im Herzen der Bretagne sind die Bocages, eine kleinteilige, von Wegen durchzogene Mischung aus Grünland und Ackerflächen, die mit Wallhecken oder Steinmauern eingefasst sind. Das Landesinnere galt lange als traditionsbewusst, konservativ und eher rückständig. Im Mittelalter kamen manche Landstriche und Orte durch die Leinenweberei und den Tuchhandel zu Wohlstand. Doch als in den Küstenregionen die Industrialisierung beispielsweise in Gestalt der Konservenfabriken Einzug hielt, ging der wirtschaftliche Aufschwung am vor allem durch die Landwirtschaft geprägten Binnenland weitgehend vorbei. Der Bau des Kanals zwischen Nantes und Brest im 19. Jahrhundert war vor diesem Hintergrund auch als Infrastrukturprojekt gedacht, das neuen Schwung in diese abgehängte Region bringen sollte.

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Ein Platz an der Sonne …

Haute-Bretagne und Basse-Bretagne

Unterschieden wurde und wird auch zwischen Haute-Bretagne und Basse-Bretagne, der »oberen« und der »niederen« Bretagne. Diese Bezeichnungen sind nicht geografischer Natur, sondern verweisen vielmehr auf die Sprache und den Grad ihrer Wertschätzung in früheren Zeiten. Im Osten, der Haute-Bretagne (auf bretonisch: »Breizh Uhel«), sprach man Gallo, das zur romanischen Sprachfamilie gehört und im 16. Jahrhundert durch die französische Sprache abgelöst wurde. Im Westen der Halbinsel, in der Basse-Bretagne (auf bretonisch: »Breizh Izel«), breitete sich hingegen mit den keltischen Einwanderern aus Großbritannien ab dem 5. Jahrhundert das Bretonische, eine eigenständige keltische Sprache, aus. Während der Feudalzeit wurde auch hier das Französische zur Amtssprache. Doch nur die Oberschicht parlierte Französisch, die Angehörigen der niederen Stände sprachen Bretonisch.

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Dieser liebenswürdige Esel grast in Quistinic im Morbihan.

Lange Zeit wurde das Bretonische im französischen Zentralstaat rigoros unterdrückt. So war es beispielsweise bei Strafe verboten, in der Schule Bretonisch zu sprechen. Zwar entdeckten im 19. Jahrhundert Schriftsteller die Schönheit der bretonischen Sprache (wieder), bereits 1839 erschien beispielsweise eine Sammlung alter Volkslieder. Doch es sollte noch bis 1951 dauern, bis das Bretonische von offizieller Seite als regionale Sprache anerkannt wurde.

In den 1970er-Jahren gab es ein Revival des Bretonischen; bilinguale Schulen entstanden, in denen Kinder die Sprache ihrer Vorfahren erlernen können. Im Jahr 2016 gab es insgesamt 490 solcher Schulen, an denen rund 17 000 Schülerinnen und Schüler Bretonisch lernten. Im Jahr 2001 wurde in Carhaix die Kampagne »Ya d’ar brezhoneg« (»Ja zum Bretonischen«) gestartet, der sich sowohl Unternehmen als auch Kommunen anschließen können. Die Teilnehmer verpflichten sich dazu, die bretonische Sprache mit unterschiedlichen Maßnahmen – von zweisprachigen Ansagen auf den Anrufbeantwortern bis zur Finanzierung von Bretonischkursen im Rahmen der Fort- und Weiterbildung – in den (Arbeits-)Alltag zu integrieren und so ihre Verbreitung zu fördern. Bis zum Sommer 2017 hatten sich über 700 Unternehmen und rund 200 Kommunen und Gemeindeverbände der Kampagne angeschlossen. Dennoch warnt das »Ofis publik Ar Brezhoneg«, das »Öffentliche Büro für die bretonische Sprache«, davor, dass die bretonische Sprache aussterben könnte. Die Zahl der bretonischsprachigen Menschen sei zwischen 1997 und 2007 um ein Drittel zurückgegangen, von 246 000 auf 172 000. Schätzungen gehen davon aus, dass heute noch höchstens 200 000 überwiegend ältere Menschen Bretonisch sprechen und vielleicht doppelt so viele es verstehen.

Bretonische Ortsnamen

In den bretonischen Ortsnamen aber ist die Sprache nach wie vor sehr präsent. Je weiter man nach Westen kommt, desto häufiger enthalten die Namen Elemente, die aus dem Bretonischen stammen: Die Silbe »Plou« oder »Ploe« etwa bedeutet Pfarrei. Ploërmel (»Plou-Armel«) ist folglich der Pfarrbezirk des heiligen Armel. »Lann« bedeutet Einsiedelei, der Ort Lanildut verdankt seinen Namen also der Klause von Saint-Ildut. »Loc« steht für »heiliger Ort« und wird fast immer mit dem Namen einer oder eines Heiligen kombiniert. So verweist beispielsweise der Ortsname Locronan auf den heiligen Ronan. Die bretonische Vorsilbe »Tre« bezeichnet ein kleines Dorf oder einen Weiler und ist beispielsweise in Ortsbezeichnungen wie Treffiagat oder Trégastel enthalten. Verbreitet sind auch »Ty« oder »Ker« (»Haus«), »Coz« (»alt«) und »Bihan« (»klein«).

Die Départements

Verwaltungstechnische Gesichtspunkte standen im Vordergrund, als man das ehemalige Herzogtum Bretagne im Jahre 1790 in fünf Départements aufteilte. Die neuen Verwaltungseinheiten hießen Finistère, Côtes-du-Nord (1990 umbenannt in Côte d’Armor), Morbihan, Ille-et-Vilaine und Loire-Inférieure (1957 umgetauft in Loire-Atlantique). Dieses letztgenannte Département wurde 1941 mitsamt der historischen Hauptstadt Nantes im Zuge einer 1956 bestätigten Gebietsreform von der Bretagne abgespalten und dem benachbarten Pays de la Loire zugeschlagen – zum großen Leidwesen vieler Bewohner, die sich bis heute als Bretonen fühlen und verstehen.

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Diese sonnige Café-Terrasse lädt in Paimpont zu einer Rast ein.

Ille-et-Vilaine

Durch die Neuordnung der Départements wurde Rennes zur neuen Hauptstadt der Bretagne. Die Universitätsstadt, die über einen besonders schönen mittelalterlichen Stadtkern verfügt und Sitz des bretonischen Parlaments war, ist gleichzeitig auch die Hauptstadt des Départements Ille-et-Vilaine. Diese Verwaltungseinheit, die häufig als die »französischste« unter den verbliebenen vier bretonischen bezeichnet wird, hat eine Fläche von rund 6800 Quadratkilometern.

Entlang der früheren Grenze zu Frankreich reihen sich imposante Festungen, etwa in Fougères, Vitré oder Châteaugiron. Bekannte Highlights sind das Korsarennest Saint-Malo mit seiner komplett von Mauern umschlossenen Altstadt, der sagenumwobene Wald von Brocéliande, das traditionsreiche Seebad Dinard, wo sich schon Berühmtheiten wie der Regisseur Alfred Hitchcock und der Künstler Pablo Picasso erholten, und das Hafenstädtchen Cancale, das für seine Austern berühmt ist. Auch der weltberühmte Klosterberg Mont-Saint-Michel lag ursprünglich in diesem Département, gehört aber heute zur benachbarten Normandie.

Literaturliebhaber erkunden das Bücherdorf Béchérel, wandeln in Combourg auf den Spuren des Romantikers François-René de Chateaubriand oder besuchen das Château des Rochers-Sévigné, wo sich im 17. Jahrhundert Madame de Sévigné mit ihren Briefen ihren Platz im Olymp der französischen Literatur erschrieb. Unweit von Rennes liegt der Roche-aux-Fées (»Feenfelsen«). Die aus tonnenschweren Steinen errichtete jungsteinzeitliche Grabstätte ist der größte Dolmen der Bretagne, die reich an Megalithdenkmälern ist.

Badespaß und viel Natur: Côtes d’Armor

Die Hauptstadt des rund 6900 Quadratkilometer großen Départements Côtes d’Armor ist Saint-Brieuc. Der Verwaltungsbezirk trägt den Hinweis auf seine Küsten nicht ohne Grund bereits im Namen: Der berühmteste Küstenabschnitt ist sicher die Côte de Granit Rose, wo die Erosion den rötlich schimmernden Granit zu faszinierenden Skulpturen geschliffen hat. Doch auch der Rest der Küstenlinie lockt mit seinen Steilküsten und Traumstränden Jahr für Jahr viele Besucher an. Bei Plouha ragen die höchsten Klippen der Bretagne rund 140 Meter über dem Meer empor. Ein faszinierendes Stück Natur ist die von der Brandung umtoste Landzunge Cap Fréhel. Einen ganz eigenen Charme hat auch die Côte d’Ajoncs (»Stechginsterküste«) mit ihren tief eingeschnittenen Flussmündungstrichtern. Beliebte Badeorte sind unter anderem Perros-Guirec und Pléneuf-Val-André.

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Port-Blanc an der Côte de Granit Rose

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Der wehrhafte Tour Solidor prägt die Silhouette von Saint-Malo.

Die Blumeninsel Bréhat mit ihrer mediterranen Vegetation gehört ebenso zu diesem Département wie der Archipel der Sept Îles, eines der größten Vogelschutzgebiete Frankreichs. Im Hinterland der Küste warten ausgedehnte Heidelandschaften, beeindruckende Wälder, kleine Kapellen und alte Herrenhäuser darauf, entdeckt zu werden. Auch das von seiner mittelalterlichen Stadtmauer umgebene Dinan und die alte Bischofsstadt Tréguier lohnen einen Besuch.

Das dramatisch über dem Meer gelegene Fort La Latte war schon häufiger Schauplatz von Dreharbeiten. Ähnlich malerisch sind die Ruinen der Abteien Beauport und Bon-Repos. Wer sich für Kommunikationstechnik interessiert, steuert die Cité des Télécoms und den Parc du Radôme an. Gleich daneben lädt ein gallisches Dorf zu einer interessanten Zeitreise ein. Eine echte Entdeckung ist der schaurige Totentanz auf dem Wandfresko der alten Kapelle von Kermaria-an-Isquit.

Das spektakuläre Ende der Welt: Finistère

Anfang oder Ende? Das ist eine Frage der Perspektive … Für die römischen Besatzer war hier, am westlichsten Zipfel der bretonischen Halbinsel, das Ende der Welt erreicht. Und genau so, »finis terrae«, nannten sie folgerichtig diesen äußersten Vorposten des Festlandes im Atlantischen Ozean. Für die bretonischen Bewohner hingegen war dies ganz klar »Penn ar Bed«, der Anfang der Erde. Bei der Namensgebung haben sich die Römer durchgesetzt: Finistère heißt das rund 6800 Quadratkilometer große westlichste Département der Bretagne, dessen Hauptstadt Quimper schon allein aufgrund der herrlichen Kathedrale einen Abstecher wert ist. In den Augen vieler Urlauber und eingefleischter Fans stellt das Département mit der legendären Ordnungsnummer 29 sozusagen die Quintessenz der Bretagne dar. Auch Maler wie Paul Gauguin, der sich in Pont-Aven niederließ, liebten die raue Schönheit dieser Region.

Mit der Pointe du Raz und der Pointe du Van trotzen hier gleich zwei atemberaubende Felskaps den Wogen. Die Inseln Sein, Batz, Molène, Ouessant haben sich jede ihren ganz eigenen Charakter bewahrt. Der kilometerlange Strand von La Torche zieht Surfer aus aller Welt an, während Badeurlauber sich gern auf der Halbinsel Crozon oder an der »bretonischen Riviera« bei Bénodet entspannen.

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Die geschützte Lage macht Brest zu einem idealen Hafen.

Das Landschaftsschutzgebiet des Parc Naturel Régional d’Armorique umfasst die Inselwelt des Mer d’Iroise und zieht sich bis tief ins Landesinnere, wo sich in der eigentümlichen Heidelandschaft der Monts d’Arrée die höchsten Erhebungen der Bretagne finden.

Die umfriedeten Kirchhöfe mit ihren ausdrucksvollen Kalvarienbergen legen beredtes Zeugnis von der tiefen Frömmigkeit ab, die diesen Landstrich lange prägte – ebenso wie die zahlreichen Pardons, die Wallfahrten zu Ehren bestimmter Heiliger. Weitere Highlights dieses Départements sind Morlaix mit seinem schwindelerregenden Eisenbahnviadukt und der jungsteinzeitliche Grabhügel Cairn de Barnenez, die auf einer Insel im Hafen gelegene Altstadt von Concarneau, Roscoff, die Wiege der Thalassotherapie, und die Côte des Abers mit ihrem melancholischen Charme. Die lebendige Hafenstadt Brest, im Zweiten Weltkrieg zerstört und mit modernem Gesicht wieder aufgebaut, nennt mit dem Meeresaquarium Océanopolis, ihrer historischen Festung und der im Frühjahr 2017 eröffneten Standseilbahn einige bemerkenswerte Attraktionen ihr Eigen.

Im Land der Menhire: Morbihan

Morbihan, »kleines Meer«, heißt das südlichste Département der Bretagne. Sein Name geht auf den Golf von Morbihan zurück, ein von zahlreichen Inseln und Inselchen übersätes Binnenmeer, von denen vor allem die wie ein Kreuz geformte Île aux Moines (»Mönchsinsel«) im Sommer viele Touristen anzieht. Den Golf, der nur über eine schmale Passage mit dem offenen Meer verbunden ist, prägt ein ganz eigenes Landschaftsbild, in dem die Grenze zwischen Land und Meer zu verschwimmen scheint. Am Ende des Golfs liegt Vannes, die Hauptstadt des gut 6800 Quadratkilometer großen Départements Morbihan, mit ihrer Stadtmauer, der sehenswerten Kathedrale und ihren malerischen Waschhäusern. Die Hauptattraktion des Départements sind aber zweifellos die Menhirfelder von Carnac: Die Alleen aus rund 3000 aufrecht gestellten Steinen, Alignements genannt, erstrecken sich über vier Kilometer Länge.

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Imposante Zeugen aus prähistorischer Zeit.

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Im Château de Nantes residierten einst die Herzöge der Bretagne.

Der Süden der Bretagne profitiert von einem ungewöhnlich milden Klima – davon profitieren die vielen Badegäste und Wassersportler, die sich an den kilometerlangen Sandstränden und in den geschützten Buchten im, am und auf dem Wasser tummeln. Die Halbinsel Quiberon steht auch bei französischen Urlaubern hoch im Kurs. Als durch und durch moderne Stadt präsentiert sich das nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgebaute Lorient. Die »Stadt der fünf Häfen« war im Mittelalter der Sitz der französischen Ostindien-Kompanie. Heute findet hier jeden Sommer mit dem »Festival interceltique« eine der größten Veranstaltungen für die keltische Kultur statt. Lohnend sind auch Ausflüge ins Hinterland, das eine abwechslungsreiche Mischung aus Wald- und Heideflächen, hübschen Orten und lieblichen Flusstälern bereithält.

Die Belle-Île (»schöne Insel«) etwa war nicht nur das liebste Ferienziel der berühmten Schauspielerin Sarah Bernhardt, sondern inspirierte auch Künstler wie den französischen Impressionisten Claude Monet zu einer ganzen Serie von traumhaften Gemälden. Hoëdic, die »Blumeninsel«, erstrahlt je nach Jahres- und Blütezeit in unterschiedlichen Farben, und auf der Île Groix, der ehemaligen Thunfischfängerinsel, dreht sich statt eines Wetterhahns ein Fisch auf der Spitze des Glockenturms.

Das verlorene Stück: Loire-Atlantique

Eine Verwaltungsreform hat dafür gesorgt, dass Nantes, die ehemalige Hauptstadt der Bretagne, nun außerhalb derselben liegt. Die alte Herzogsstadt mit ihrem imposanten Schloss, der Kathedrale und dem herrlichen Jardin des Plantes ist auf jeden Fall einen Besuch wert. Die Passage Pommeraye, eine stilvolle Einkaufspassage, brachte im 19. Jahrhundert Pariser Großstadtflair nach Nantes.

Die Stadt ist ein echter Hotspot für Kunstinteressierte. Ein spannender Kunstpfad führt von hier bis zur Loiremündung. Im Rahmen des Festivals Le Voyage à Nantes wird den ganzen Sommer über der öffentliche zum Ausstellungsraum, und auf der Île de Nantes wird buchstäblich »große Kunst« gemacht: Die kreativen Köpfe des Künstlerkollektivs Machines de l’Île haben ein ehemaliges Werftgelände übernommen und fertigen dort überlebensgroße mechanische Figuren an. Publikumsliebling ist ein enormer Elefant, der mit etlichen Passagieren auf seinem Rücken majestätisch seine Runden dreht.

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Zwischen Ginster und Heidekraut

Auch das Seebad La Baule mit seiner schönen Bucht und dem kilometerlangen Sandstrand gehörte früher zur Bretagne, ebenso wie die stolze mittelalterliche Stadt Guérande am Rande der berühmten Salzgärten, in denen das weiße Gold seit Jahrhunderten in kunstvoller Handarbeit gewonnen wird. Im Hinterland der Halbinsel erstreckt sich die Grand Brière, das zweitgrößte Moorgebiet Frankreichs. Mit einem der traditionellen Flachkähne durch das Labyrinth der Kanäle zu gleiten ist ein unvergessliches Erlebnis. In den Werften der lebendigen Hafenstadt Saint-Nazaire mit ihrer charakteristischen rot-weißen Brücke wurden etliche legendäre Ozeanriesen auf Kiel gelegt. Noch heute werden hier große Kreuzfahrtschiffe gebaut. Auch der Flugzeughersteller Airbus unterhält hier ein Werk.

Palmen, Ginster und Hortensien

Die »Nationalblume« der Bretagne ist die Hortensie. Vielerorts strahlen die weißen, rosafarbenen, blauen oder violetten Blütenbälle malerisch vor dem grauen Granit der Fassaden. Der Golfstrom sorgt für ein mildes Klima; an der bretonischen Küste liegen die durchschnittlichen Jahrestemperaturen gut fünf Grad höher als an anderen Orten auf demselben Breitengrad. In geschützten Lagen im milderen Süden der Bretagne gedeihen deshalb sogar Oleanderbüsche, Kamelien und Palmen.

Die landschaftliche Vielfalt der Bretagne spiegelt sich in einem außerordentlich abwechslungsreichen Pflanzenbestand wider. Die Eichen-, Buchen- und Kastanienwälder machen zwar nur noch rund zwölf Prozent der Fläche aus, beherbergen aber rund ein Fünftel der bretonischen Flora. Die geringste Artenvielfalt weisen die Heideflächen im Landesinneren auf; doch auch sie bezaubern zur Blütezeit durch ihr Farbenspiel, das von zarten Rosa- bis zu tiefdunklen Violetttönen reicht. Der Stechginster ist weit verbreitet und taucht zur Blütezeit ganze Landstriche in leuchtendes Gelb. Selbst dort, wo an der Küste der Wind besonders heftig pfeift, krallen sich noch Statizien, Felsnelken und andere anspruchslose Pflanzen in Felsspalten. Von seltenen Orchideenarten über fleischfressende Pflanzen bis hin zur einzigartigen Glénan-Narzisse, die einzig und allein auf dieser Inselgruppe gedeiht, hält die Pflanzenwelt der Bretagne etliche Überraschungen bereit.

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Möwen sind geschickte Jäger.

Die Tierwelt der Bretagne

Asterix und Obelix wären vermutlich enttäuscht: Die Wildschweine, die sie und die anderen Bewohner des kleinen gallischen Dorfes noch stapelweise aus dem Wald schleppten und am offenen Feuer brieten, trifft man in den bretonischen Wäldern kaum noch an. Auch Hochwild ist eher die Ausnahme. Höchst vielfältig ist hingegen die Tierwelt im und am Meer: Neben einer Vielzahl von Fischen gibt es Hummer, Krabben, Krebse und Langusten. Austern, Jakobs- und andere Muscheln gedeihen hier; Seehunde und Delfine tummeln sich vor den Küsten. Auch den Seetang wussten (und wissen) die Bretonen zu nutzen: Diente er früher als Tierfutter, Dünger und als Grundstoff für die Gewinnung von Jod, so stellt er heute die Ausgangsbasis für eine ganze Reihe von Kosmetikprodukten dar. In den Binnengewässern trifft man Forellen und Hechte an; Lachse kämpfen sich flussaufwärts zu ihren Laichgewässern. Die felsige Küste und die vorgelagerten Inseln sind die Heimat vieler Seevögel: Möwen und Lummen, Kormorane, Basstölpel und Papageientaucher finden hier ideale Brutplätze – etliche Küstenregionen sind als Vogelschutzgebiete ausgewiesen.

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In der Markthalle von Lannion bietet auch dieser Händler seine Köstlichkeiten an.

Die bretonische Küche

Kein Bretagne-Urlaub ist komplett ohne Crêpes, die hauchdünnen Pfannkuchen aus hellem Weizenmehl, und Galettes, die herzhaftere Variante aus dunklem Buchweizenmehl. Sie werden süß oder herzhaft mit den unterschiedlichsten Zutaten serviert. Die traditionelle Galette »complète« ist mit Schinken, Käse und Ei belegt. Sehr lecker ist die süße Variante mit Caramel au beurre salé (»Salzbutterkaramell«). Zum Eis reicht man gern Gavottes, knusprige Röllchen aus kleineren Crêpes. Butter, vor allem die mit Meersalz gewürzte Salzbutter, ist aus der bretonischen Küche nicht wegzudenken. Sie ist auch ein elementarer Bestandteil des Kouign Amann, des traditionellen Butterkuchens. Er besteht aus dünnen Teigschichten, die mit Butter bestrichen und übereinander gestapelt gebacken werden. Die besten gibt es in Douarnenez und Locronan. Unbedingt probieren sollte man auch den Far breton, einen Kuchen mit Backpflaumen.

Die bretonische Küche lebt von der Qualität und der Frische ihrer Zutaten. Das Meer liefert die Basis für eine große Vielfalt von Gerichten, nicht zuletzt für den bretonischen Fischeintopf namens Cotriade. Er besteht aus mindestens sechs verschiedenen Sorten Fisch sowie Kartoffeln und wird auf gerösteten Baguettewürfeln angerichtet. Feinschmecker genießen Austern aus Cancale, Jakobs- und rosa Venusmuscheln, den berühmten Hummer von den Glénan-Inseln oder einen der üppigen Meeresfrüchteteller, der Plateaux de fruits de mer. Ein bodenständiger Genuss sind die Moules frites – in einem würzigen Sud gegarte Miesmuscheln, die mit Pommes serviert werden.

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Fisch und Meeresfrüchte werden in der Bretagne fangfrisch serviert.

Recht deftig ist der traditionelle bretonische Eintopf Kig ha farz, in den Schweine- und Rindfleisch, Gemüse und Kartoffeln gehören. Außerdem wird im gleichen Topf noch ein in ein Tuch eingebundener »Kloß« aus einem Teig aus Buchweizengrieß gekocht. Weitere herzhafte Spezialitäten sind zum Beispiel die Fleischwurst aus Guéméné-sur-Scorff und die Fleischpasteten aus der Conserverie Hénaff, die in ganz Frankreich sehr geschätzt werden.

Das typische Getränk der an Apfelbäumen reichen Bretagne ist der Cidre, ein schäumender Apfelwein, der oft in irdenen Bechern serviert wird. Er passt gut zu Crêpes. Einen besonders guten Ruf haben die Cidres aus der Cornouaille. Mit einem Schuss Johannisbeerlikör wird aus dem Cidre ein beliebter Apéritif, der Kir breton. Kosten sollte man auch den Chouchen, einen traditionellen Likör auf Honigbasis. Zu den herzhaften Fleischgerichten schmeckt ein bretonisches Bier. Yec’hed mat! Zum Wohl!

Steckbrief Bretagne

Lage: Die Bretagne ist eine große Halbinsel im Nordwesten Frankreichs. Rechnet man alle Einschnitte und Buchten mit ein, verfügt sie über 2730 Kilometer Küste: Im Westen und Süden wird sie vom Atlantik, im Norden vom Ärmelkanal begrenzt. Im Osten verläuft die Grenze der heutigen Bretagne von der Bucht des Mont-Saint-Michel über die Festungsstädte Fougères und Vitré nach La Roche-Bernard. Die historische Bretagne umfasste außerdem die Region Loire-Atlantique mit der ehemaligen Hauptstadt Nantes und der Halbinsel Guérande. Zur Bretagne gehört außerdem eine Vielzahl von Inseln.

Fläche: Rund 27 200 Quadratkilometer

Bevölkerungsdichte: Etwa 110 Menschen pro Quadratkilometer

Flagge:

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Départements: Ille-et-Vilaine, Côtes d’Armor, Finistère und Morbihan

Einwohnerzahl: rund 3,28 Millionen (2017)

Größte Städte: Nur 16 der 1268 bretonischen Kommunen haben mehr als 15 000 Einwohner. Die größten sind Rennes (ca. 217 600), Brest (ca. 138 200), Quimper (ca. 63 600) und Lorient (ca. 57 600). Nantes, die ehemalige Hauptstadt, hatte 2017 rund 307 600 Einwohner.

Sprache: Neben dem Französischen als Umgangssprache werden die historischen Sprachen wieder gepflegt. Das Bretonische ist westlich der Linie Saint-Brieuc – Vannes beheimatet, östlich davon, in der Hochbretagne, spricht man traditionell Gallo.

Höchster Berg: Roc’h Trévézel (384 Meter) in den Monts d’Arrée

Wirtschaft: Zu den hauptsächlichen Erwerbszweigen zählen Fischfang, Austernzucht und Landwirtschaft, wobei die Viehzucht inzwischen den Gemüseanbau überrundet hat. Ungefähr jeder fünfte Bewohner der Bretagne arbeitet im industriellen Sektor (zum Beispiel Elektronik, Telekommunikation, Automobilindustrie). Ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist auch der Tourismus.

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Im Skulpturengarten des Monsieur Manoli

Geschichte im Überblick

5000–2000 v. Chr. Dolmen, Menhire, Gang- und Hügelgräber werden errichtet (Megalithkultur).

Um 500 v.Chr. Kelten besiedeln die Halbinsel.

56 Julius Cäsar besiegt die Veneter in der Seeschlacht von Quiberon und erobert Gallien.

5. Jh. Angeln und Sachsen verdrängen die Kelten. Mönche und Missionare christianisieren die Bretagne.

Um 600 König Gradlon begründet das Königreich Cornouaille.

799 Karl der Große unterwirft die Bretagne.

826 Ludwig der Fromme ernennt den Adligen Nominoë zum Herzog der Bretagne. Dieser ruft alsbald die Unabhängigkeit aus.

851 Erispoë, Sohn Nominoës, wird König der Bretagne.

919 Zum Schutz gegen die häufigen Normanneneinfälle lässt König Alain Barbe-Torte Burgen errichten.

952 Die politische Instabilität nach Alain Barbe-Tortes Tod leitet einen wirtschaftlichen Niedergang ein.

1341–1365 Nach dem Tod von Herzog Jean III kämpfen im bretonischen Erbfolgekrieg Charles de Blois (unterstützt von Frankreich) und Jean de Montfort (mit englischen Verbündeten) um den Thron. Jean de Monfort siegt.

1488 Herzog François II rebelliert erfolglos gegen die französische Krone. Nach seinem Tod folgt ihm seine Tochter Anne auf den Thron.

1491 Anne de Bretagne heiratet Charles VIII von Frankreich, bleibt aber souveräne Regentin und Herzogin der Bretagne.

1499 Nach Charles’ VIII frühem Tod heiratet Anne dem Ehevertrag entsprechend dessen Nachfolger Louis XII, bewahrt aber weiterhin die Unabhängigkeit des Herzogtums.

1514 Anne de Bretagne stirbt. Ihre Tochter und Erbin Claude heiratet François d’Angoulême, der 1515 als François I den französischen Thron besteigt.

1532 Claudes willigt ein, das Herzogtum an die französische Krone anzugliedern; ein Abkommen gesteht der Bretagne eine gewisse Restautonomie zu.

1588 Die Bretagne revoltiert gegen den königlichen Statthalter.

1595 Der Räuberhauptmann La Fontenelle lässt auf der Halbinsel Penmarc’h mehr als 3000 Bewohner ermorden.

1598 Henri IV gesteht durch das Edikt von Nantes den Hugenotten Bürgerrechte zu.

1675 Louis XIV verlangt zusätzliche Steuern. Der Aufstand der Bonnets Rouges wird blutig niedergeschlagen.

1789 Die Französische Revolution stößt in der Bretagne zunächst auf begeisterte Zustimmung.

1794 Nach der Hinrichtung Louis XVI und der Verabschiedung kirchenfeindlicher Gesetze formiert sich in der Bretagne der Widerstand in Gestalt des königstreuen Bundes der Chouans.

1804 Der »letzte Chouan«, Georges Cadoudal, wird hingerichtet.

1880 An der bretonischen Küste entstehen die ersten Seebäder.

1924 Die Arbeiterinnen in den Sardinenfabriken von Douarnenez erkämpfen mit einem Streik bessere Arbeitsbedingungen.

1932 Die Untergrundorganisation Gwenn ha Du, die für die Unabhängigkeit der Bretagne kämpft, verübt Attentate.

1940 Die deutsche Wehrmacht besetzt die Bretagne.

1941 Die Vichy-Regierung trennt das Département Loire-Atlantique mit der bisherigen Hauptstadt Nantes von der Bretagne ab.

1944–1945 Alliierte Truppen befreien die Region.

1951 Die Gründung eines Komitees zur Förderung der bretonischen Interessen (Celib) leitet eine Renaissance der bretonischen Kultur ein.

1960er-Jahre Im Finistère kommt es zu Bauernprotesten (»Artischockenkrieg«). Staatliche Förderprogramme führen zu einem wirtschaftlichen Aufschwung. Extremistische Autonomiekämpfer begehen Sprengstoffanschläge.

1967 Die Havarie des Tankers Torrey Canyon löst die erste Ölpest an der bretonischen Küste aus; weitere derartige Umweltkatastrophen folgen, so zum Beispiel der Schiffbruch der Amoco Cadiz 1978 oder der Erika 1999.

1980 Bürgerproteste verhindern den Bau eines geplanten Atomkraftwerks.

1985 Die ersten zweisprachigen Straßenschilder (französisch und bretonisch) tauchen im Straßenbild auf.

1994 Am Rande einer Protestkundgebung gerät das Parlament von Rennes in Brand und wird schwer beschädigt.

2011 Vor der Île de Bréhat werden erstmals Meeresströmungen zur Energiegewinnung genutzt.

2104 Im Ort Callac wird die Weltmeisterschaft im Messerwerfen ausgetragen.

2018 Gegen die geplante Erweiterung des Flughafens von Nantes kommt es zu gewalttätigen Protesten.

RAU UND SCHÖN: DIE NORDKÜSTE

1Die Bucht des Mont-Saint-Michel

2Von Cancale bis Saint-Malo

3Saint-Malo

4Von Saint-Malo bis zum Cap Fréhel

5Die Bucht von Saint-Brieuc, die Côte du Goëlo und die Île de Bréhat

6Côte d’Ajoncs und Côte de Granit Rose

7Tréguier und der Trégor

8Rund um Morlaix

9Saint-Pol-de-Léon

10Roscoff

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Der Leuchtturm am Cap Fréhel ist einer der fünf größten Leuchttürme in Frankreich.

1 Die Bucht des Mont-Saint-Michel

Ein Besuch auf dem Heiligen Berg

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Im morgendlichen Dunst scheint der Mont-Saint-Michel zwischen Himmel und Meer zu schweben. »Pyramide der Meere« wird der berühmte Klosterfelsen genannt; mehr als 2,5 Millionen Menschen besuchen ihn Jahr für Jahr. Dem launischen Verlauf des Grenzflüsschens Couesnon ist es zu verdanken, dass der ursprünglich bretonische Mont-Saint-Michel heute zur Normandie gehört. Seit 1979 zählen Berg und Bucht zum UNESCO-Weltkulturerbe.

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Wie eine Pyramide im Meer liegt der Klosterberg in der Bucht.

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An der Eingangspforte des Mont-Saint-Michel.

Der Legende nach forderte der Erzengel Michael höchstpersönlich im 8. Jahrhundert Aubert, den Bischof von Avranches, auf, ihm auf dem Mont Tombe (»Grabberg«) eine Kapelle zu errichten. Im 10. Jahrhundert siedelten sich dann Benediktinermönche auf dem vom Meer umspülten Granitfelsen an. Bis ins ausgehende 15. Jahrhundert strömten die Pilger in Scharen zum »Wunder des Okzidents«, danach machten sich Misswirtschaft und Korruption breit. Das Kloster verfiel und diente schließlich bis 1863 als Gefängnis. Ab 1874 stand das Ensemble unter Denkmalschutz und wurde restauriert. Seit 1969 leben wieder Mönche auf dem Klosterfelsen.

GUT ZU WISSEN

ACHTUNG, LEBENSGEFAHR!

In der Bucht des Mont-Saint-Michel herrschen starke Gezeiten. Man sagt, die Flut komme schneller als ein galoppierendes Pferd. Ortsunkundige sollten sich nie ohne einen erfahrenen Führer ins Watt wagen. Schlickflächen und Treibsand erschweren das Vorwärtskommen, tiefe Priele, die sich rasch mit Wasser füllen, schneiden unvorsichtigen Wanderern den Weg ab. Dann bleibt nur noch die Rettung aus der Luft. Im Sommer kreisen häufig Hubschrauber über der Bucht …

Wunderwerk von Menschenhand

Der Bau des Klosterkomplexes dauerte mehrere Jahrhunderte. Ebene für Ebene entstand La Merveille (»das Wunder«), ein dreigeschossiger gotischer Klosterbau an der Nordseite der Insel, der als Unterbau für die Abteikirche dient. Zuunterst befinden sich Vorratsgewölbe, Krypten und ein Almosensaal. Auch eine präromanische Kirche aus dem 10. Jahrhundert wurde beim Bau mit einbezogen, die heute Notre-Dame-sous-Terre (»Notre-Dame unter der Erde«) genannt wird. Die nächste Ebene umfasst unter anderem den Wandelsaal der Mönche, die Kapelle der 30 Kerzen, die frühromanische St.-Martins-Kapelle, die Krypta der dicken Pfeiler, einen Ritter- und einen Gästesaal. Darüber liegen in der obersten Ebene Kreuzgang, Refektorium, Brunnenhaus, Dormitorium und die Abteikirche selbst, deren Turmspitze eine vergoldete Statue des Erzengels ziert.

Auch in Zukunft eine Insel

Drei Flüsse spülen jährlich bis zu 700 000 Kubikmeter Sediment in die Bucht. Weil ein 1879 errichteter Damm und große Besucherparkplätze die Meeresströmungen aufhielten, drohte die Bucht trotz des gewaltigen Tidenhubs von bis zu 13 Metern zu verlanden. Um das zu verhindern, wurden auf dem Festland neue Parkplätze und ein Infozentrum für Besucher angelegt. Nun gelangt man über einen neuen Damm und eine 760 Meter lange Pfahlbrücke zum Klosterberg, ein Staudamm im Couesnon sorgt auch bei Ebbe für kräftigen Wasserzufluss.

Geheimtipp

DELFINE IN FREIER WILDBAHN

In der Bucht des Mont-Saint-Michel leben ganzjährig Delfine. Wer die Meeressäuger gern einmal aus der Nähe sehen möchte, kann beim in Cancale ansässigen Verein Al Lark (bretonisch für »In die Ferne«) eine Einjahresmitgliedschaft (Erwachsene 50, Familien bis zu zwei Kindern 120 Euro) abschließen. Mitglieder dürfen einmal pro Woche an einer der dreieinhalbstündigen Bootstouren teilnehmen – mit etwas Glück sieht man die Tiere, eine Garantie gibt es nicht. Da es in offenen Gummibooten aufs Meer hinausgeht, ist warme, wasserdichte Kleidung dringend angeraten. Kinder können ab vier Jahren mit an Bord, Schwimmwesten werden gestellt.

Al Lark. 50 Rue Pierre et Marie Curie, 35260 Cancale, Tel. 06 78 71 41 09, Infos und Reservierungen unter www.al-lark.org. Die Boote legen an der Plage de Port-Mer (Rue E. et A. Feyen) in Cancale ab.

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Durch diese Pforte betraten schon die Pilger im Mittelalter den Klosterberg.

Dol-de-Bretagne und der Mont-Dol

Mitten im fruchtbaren Marschland des ehemaligen Polders liegt auf einer Anhöhe Dol-de-Bretagne. Die beeindruckende Kathedrale Saint-Samson (12.–15. Jh.) erinnert daran, dass die Stadt einst der erste Bischofssitz der Bretagne war. Schräg gegenüber erfährt man im Cathédraloscope, wie diese mittelalterlichen Kirchen erbaut wurden. Auf den Salzwiesen im Umland weiden die in Feinschmeckerkreisen berühmten Pré-Salé-Schafe. Auf dem 65 Meter hohen Mont Dol zeugen noch heute angebliche Krallenspuren vom Kampf des (siegreichen) Erzengels Michael mit dem Teufel. Einer anderen Sage zufolge bricht der Tag des Jüngsten Gerichts an, wenn der über neun Meter hohe Menhir auf dem Champ Dolent im Boden versinkt.

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In der Kathedrale Saint-Samson in Dol-de-Bretagne

Combourg

Die vier Türme der ehemaligen Grenzfestung Combourg (11. Jh.) überragen die romantischen Gässchen und Fachwerkhäuser des alten Städtchens. In einem der Türme, dem Tour du Chat (»Katzenturm«), hatte der französische Dichter François-René de Chateaubriand (1768–1848) einst sein Kinderzimmer. Später schilderte er diese Zeit in seinen Mémoires d’outre-tombe (Erinnerungen von jenseits des Grabes). Heute kann man auf den Spuren des berühmten Romantikers von der Kirche bis zum Lac Tranquille, dem Ruhigen See, wandeln.