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GedankenReich Verlag

Denise Reichow

Heitlinger Hof 7b

30419 Hannover

www.gedankenreich-verlag.de

 

GEBORENE DES SCHICKSALS

(Die Legende der Lichtgeborenen III)

 

Text © E.F. v. Hainwald, 2018

Cover & Umschlaggestaltung: Phantasmal Image

 

Lektorat: Teja Ciolczyk

Korrektorat: Die Buchstabenflüsterin

Satz & Layout: Phantasmal Image

Cover: Phantasmal Image

Innengrafiken © shutterstock, Künstler: Morphart Creation, Marzolino

Druck: bookpress

 

ISBN 978-3-947147-29-8

 

© GedankenReich Verlag, 2018

Alle Rechte vorbehalten.

 

Dies ist eine fiktive Geschichte.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

 

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Inmitten staubig riechender Dunkelheit reflektierte ein einzelner, gigantischer Spitzbogen das helle Zucken des Fackelscheins. Nur er hielt die unzähligen Tonnen Fels über der Dreiergruppe davon ab, zusammenzustürzen. In der Hauptkammer des unterirdischen Tempels breitete sich gähnende Leere aus und ein unsichtbarer Sog schien den Betrachter immer tiefer vorwärtsziehen zu wollen.

Jareeb beugte sich hinab und konnte seine Reflexion trotz einer dicken Staubschicht klar auf dem spiegelglatten Untergrund erkennen. Ihm fiel auf, dass es in dem schwarzen Steinfußboden keinerlei Fugen gab.

Aus einem Stück? Ein anderer Fels als die Wände, dachte er stirnrunzelnd. Dieser riesige Block muss herbeigeschafft worden sein. Wie ist das möglich?

Man konnte Metalle gießen, doch Stein war zu spröde und ignorierte die heißen Feuer der Schmieden beharrlich. Die magischen Fähigkeiten der Ahnen erstaunten ihn immer wieder.

Plötzlich trat das Spiegelbild einer anderen Person neben das seinige. Er hatte keinerlei Schritte vernommen. Es war der Krieger, den er angeheuert hatte: schwarzgerüstet, das Gesicht unter einem buntem Tuch verborgen und mit zwei tödlichen Langdolchen bewaffnet. Warum er seine Hände mit dreckigen Bandagen verhüllte, war Jareeb ein Rätsel. Narben würden ihn sicher noch gefährlicher wirken lassen – nicht, dass der sich wie ein Raubtier bewegende Kämpfer so etwas nötig gehabt hätte.

»Wo entlang?«, fragte der Söldner knapp mit rauchiger Stimme.

Ich bin nicht hier, um Archäologie zu betreiben, erinnerte sich Jareeb und schob die Mutmaßungen zur Seite. Konzentrier dich.

»Wir suchen ein raumhohes Tor aus grünlichem Metall. Weiße Linien durchziehen es und man kann keinen Öffnungsmechanismus erkennen«, antworte er.

Der Krieger nickte stumm und wandte sich dem linken Gang zu. Jareeb folgte ihm nach kurzem Zögern.

»Es dauert ewig, wenn wir alles einzeln absuchen. Ich nehme den Gang da hinten«, mischte sich die Stimme seiner Mitstreiterin ein.

Sie drehten sich zu der Sprecherin um. Eine zierliche Frau deutete auf eine Wandöffnung am gegenüberliegenden Ende des Saals. Sie trug ein langes, weißes Gewand – Jareebs Meinung nach völlig unpraktisch. Ein breiter messingfarbener Reif lag eng um ihre Taille. Ähnlich schmucklose Stücke wanden sich um ihre schmalen Fußknöchel und Oberarme. Die Armbänder um ihre schlanken Handgelenke waren jedoch aufwendig mit verwirrend komplexen Ornamenten verziert und manchmal schien es so, als würden sie das Licht des Fackelscheins seltsam falsch reflektieren. Die meisten ihrer kupferfarbenen Haare waren flüchtig zu einem dicken Zopf geflochten. Sie war gänzlich unbewaffnet.

»Dort drüben ist noch eine Tür. Wenn wir uns aufteilen, kommen wir viel besser voran«, fuhr sie, Jareeb freundlich anlächelnd, fort.

»Ich bin nicht besonders kampferprobt oder so stark wie dein Freund hier. Ich bleibe lieber in seiner Nähe«, entgegnete er trocken.

»Wie du meinst«, erwiderte sie schulterzuckend, drehte sich um und winkte mit der Hand zum Abschied. »Pass gut auf unseren Auftraggeber auf.«

Jareebs Augen folgten der wippenden Bewegung ihres Zopfes und er fragte sich erneut, warum er sie überhaupt mitgenommen hatte. Der schwarze Krieger war bisher nützlich gewesen, war er doch überraschend stark und hatte das Geröll vor dem Eingangstor zu diesem unterirdischen Tempel oder Grabmahl – was auch immer es in den alten Zeiten des Sabiquaan gewesen sein mag – beiseite geräumt.

Die Frau hingegen spazierte lediglich hinterher. Zugegeben: Sie war hübsch anzusehen und entsprach seinem Geschmack für ein warmes Nachtlager. Dafür hatte er sie allerdings nicht angeheuert, doch der Krieger war nicht bereit gewesen, den Auftrag alleine durchzuführen.

Was solls, dachte er. Solange ich das Artefakt heil hier herausbekomme, ist es mir recht.

Grabraub und Artefaktjagd waren Jareebs Haupteinnahmequellen – besser gesagt: der Verkauf der Beute. Die Beschaffung dieser Schätze überließ er normalerweise irgendwelchen entbehrlichen Schlägern, doch diesmal war ihm das zu unsicher gewesen. Dieses Mal war sein Kunde über die Maßen gefährlich.

Jareeb hing an seinem Leben. Er hatte eigentlich ablehnen wollen, doch die Belohnung war zu groß gewesen. Heiße Gier hatte seine Vernunft schnell besiegt. Er konnte es sich deswegen nicht leisten, dass die wertvolle Fracht seine Söldner dazu verführte, klammheimlich damit abzuhauen. Daher bedurfte diese kleine Grabräuberei höchst vertrauenswürdige Aufsicht – seiner eigenen.

Außerdem war er diesmal bereit, eine Menge Geld für fachkundige – also tödliche – Unterstützung springen zu lassen. So hatte er den langen Weg auf das Fatira-Archipel im Nördlichen Ozean auf sich genommen. Es gab Gerüchte über Söldner dort, deren Fähigkeiten auf den Schwarzmärkten seit ein paar Jahren für aufgeregtes Flüstern sorgten.

Er hatte sie gefunden: einen schwarzgerüsteten Krieger mit übermenschlichen Kräften und eine Hexe, die hinter vorgehaltener Hand Sayidat-Bayda – was so viel wie »die weiße Dame« bedeutete – genannt wurde.

Von dem Mann war er schnell überzeugt gewesen, seine Ausstrahlung zeugte von tödlichen Fähigkeiten. Die Frau war jedoch eine Frohnatur mit zarten Fingerchen, die keinerlei Schwielen von geübten Waffengriffen hatten. Ihr Aussehen hatte ihn zwar zunächst schockiert, denn die weiße Iris legte den Schluss nahe, dass sie eine der viel gerühmten Lichtgeborenen aus Madina sein könnte, doch es hatte sich schnell herausgestellt, dass sie nicht einmal einen simplen Kratzer heilen konnte. Außerdem hätten die Gerüchte dieses wesentliche Detail sicher nicht ausgelassen. Sie sollte dem Krieger jedenfalls in nichts nachstehen. Jareeb bezweifelte dies allerdings weiterhin stark.

Vermutlich nur seine anhängliche Gefährtin, überlegte Jareeb, während er den gepanzerten Rücken des Söldners vor sich betrachtete.

Auch die kleineren Räume, die er mit seinem Beschützer betrat, waren bis auf Geröll völlig leer. Allerdings hatte er damit gerechnet. Die Erzählungen über diesen Ort waren zu vielfältig gewesen. Was bedeutete, dass andere bereits hier gewesen waren, um ihre Habgier zu stillen.

Die Geschichten machten jedoch eines klar: Es gab eine Tür, welche bisher weder Gewalt noch Finessen zu öffnen vermocht hatten. Jareeb hatte aus diesem Grund etwas Besonderes erstanden: Experimentelle Sprengmittel von den irren Alchimisten aus dem Süden. Gefährlich instabil, doch äußerst mächtig. Damit musste es gelingen!

»Hier«, hörte er plötzlich den Söldner brummen.

Jareeb eilte zu ihm und blickte auf ein riesiges, zweiflügeliges Tor. Es reichte bis zur Decke und schimmerte grünlich, so als wäre es gänzlich von Schimmel bedeckt. Er trat näher heran und legte seine flache Hand darauf. Es fühlte sich seltsam warm an, nicht sehr stark, dennoch verstörend unpassend. Zarte weiße Linien durchzogen das Metall. Von den Beschreibungen her hatte Jareeb vermutet, dass die Zeichnungen wie Aderungen aussehen müssten, doch sie waren exakt senkrecht und waagerecht, allerdings unregelmäßig verteilt.

»Das muss es sein. Bringen wir den Sprengstoff an«, meinte er und ein grimmiges Lächeln stahl sich auf sein Gesicht.

Mit vorsichtigen Bewegungen legte er mehrere kleine Glasbehälter auf den Boden. In ihnen bewegten sich farbenfrohe, ölige Flüssigkeiten. Einzeln harmlos, doch wenn sie zusammenflossen, explodierten sie in alles versengender Hitze. Eine zielgerichtete Schadensverteilung war kaum möglich, die pure Wucht hatte Jareeb bei einer der heimlichen Vorführungen beeindruckt.

»So, das wäre es. Kannst du die Phiolen mit einem gezielten Wurf treffen?«, fragte er den Söldner, nachdem er alles aufgebaut und zufrieden betrachtet hatte.

Er erhielt keine Antwort und wandte sich dem anderen zu. Der ging bereits in Richtung des Ausgangs.

»Das heißt wohl ja«, murmelte Jareeb und ging zu ihm.

Er trat in den Nebenraum und hockte sich mit dem Rücken zur Wand. Der Krieger suchte den Boden nach einem Wurfobjekt ab. Bei einem Geröllhaufen wurde er fündig und kehrte mit einem faustgroßen Stein in der Hand zurück. Er stellte sich in den Türrahmen, streckte seine linke Hand aus und deutete mit zwei Fingern auf das Tor. Den Kopf schräg legend, blickte er seinen Arm entlang, wie ein Bogenschütze an einem Pfeil.

Plötzlich warf der Krieger mit einer Bewegung, der man kaum folgen konnte, den Stein. Danach bewegte er sich blitzschnell und geschmeidig zu Jareeb.

Auf ein leises Klirren folgte nach wenigen Wimpernschlägen ein donnerndes Krachen. Jareeb zuckte zusammen und seine Ohren klingelten von der lauten Explosion. Eine Wolke aus Staub drückte sich durch die Tür und ein beißender Gestank stieg ihm in die Nase. Glücklicherweise war das alte Gewölbe äußerst robust, denn die alten Baukünste waren hochentwickelt gewesen. Der Krieger stand auf und trat unbekümmert in den noch immer umherwirbelnden Dreck.

»Nichts«, sagte er nur.

»Wie nichts ... was meinst du?«, fragte Jareeb, in seinem Ohr bohrend.

»Das Tor ist unbeschädigt«, antwortete der Söldner.

»Was?!«, Jareeb sprang auf und rannte ebenfalls in den Raum.

Schmutz und der intensive Geruch von Chemikalien ließ ihn husten. Seine Augen tränten und er wischte sich mit den Handrücken darüber. Blinzelnd spähte er durch den Rauch, schwenkte seine Fackel und musste feststellen, dass der andere recht hatte: Unbeeindruckt ragte das Tor vor ihnen auf. Auch die Wand hatte nicht den geringsten Kratzer erlitten.

»Das darf nicht wahr sein!«, keuchte Jareeb auf. »Das war das stärkste Sprengmittel. Das Ding muss doch irgendwie aufzubekommen sein!«

Vor seinem geistigen Auge sah er schon seinen vor Wut tobenden Kunden vor sich, der sich bereit machte, ihm die Kehle aufzuschlitzen. Er rannte zu dem Tor, welches ihn hingebungsvoll mit seiner Unversehrtheit zu verhöhnen schien. Er schlug mit der Hand dagegen und nur das Klatschen seiner Haut darauf ertönte. Es weigerte sich sogar, einen Laut von sich zu geben!

»Wir warten«, sprach der Krieger daraufhin und setzte sich in die Mitte des Raumes.

»Warten? Worauf? Dass es sich die Tür anders überlegt?«, spottete Jareeb mit bebender Stimme.

Der Söldner schüttelte nur den Kopf, lehnte sich zurück und stützte seinen Körper mit den Ellbogen ab. Er machte es sich offensichtlich bequem.

»Was, verdammt nochmal, meinst du? Sprich!«, forderte Jareeb ihn auf, erhielt jedoch weiterhin keine Antwort.

Die Schultern des Kriegers zuckten jedoch ein wenig – er schien leise zu lachen. Jareeb wurde rot vor Wut.

»Ich bezahle dich nicht fürs Rumliegen und Lachen!«, brüllte er. »Kümmere dich gefälligst um die Tür oder lass dir was einfallen! Ich kann nicht glauben, dass eure Fähigkeiten so in den Himmel gepriesen werden. Ihr seid unfähig – vor allem die rothaarige Straßendirne!«

Der Krieger richtete sich daraufhin mit einem Ruck auf, verengte seine schwarzen Augen zu Schlitzen und warf ihm einen schneidenden Blick zu. Er strahlte plötzlich Gefahr aus – er nahm ihm diese Worte offensichtlich übel.

Ich bin hier leichte Beute, dachte Jareeb panisch. Ich sollte aufpassen, was ich sage.

Noch bevor er den Mund öffnen konnte, um sich zu entschuldigen, trat die Söldnerin in den Raum.

»Was treibt ihr denn hier?«, fragte sie. »Den Knall hat man in allen Gängen gehört.«

Sie schlenderte zu ihrem Gefährten und schaute ihn fragend an. Jareeb blinzelte verwundert, als er sah, was sie mit sich brachte: Hinter ihr waren zerfledderte, alte Bücher. Genauer gesagt, glitten sie ganz brav, wie hörige Entchen in einer Reihe, lautlos durch die Luft.

»Was zum ...«, flüsterte er.

»Was soll das?«, fragte der Krieger, die Augenbrauen hochziehend.

»Das habe ich doch eben auch gefragt«, entgegnete sie unschuldig dreinblickend.

Er schwieg einen Augenblick, legte den Kopf schräg und präzisierte dann wortkarg: »Die Bücher.«

»Ach, das meinst du«, entgegnete sie gut gelaunt und wies mit einer Hand auf das Schwebegut hinter sich. »Ich habe sie in einem der Räume gefunden. Die meisten sind in den alten Sprachen verfasst, aber vielleicht ist etwas Interessantes dabei.«

»Wie ... lässt du sie ... schweben?«, stotterte Jareeb leise.

»Kümmerst du dich um die Tür?«, fragte der Söldner weiter unbeeindruckt und nickte in die entsprechende Richtung.

»Hat eure Lärm verursachende Maßnahme sie nicht aufbekommen?«, fragte sie verwundert und wandte den Kopf zu dem widerspenstigen Tor.

Wie kann sie die Bücher schweben lassen, fragte sich Jareeb und vergaß vor lauter Verwunderung wütend darüber zu sein, dass er ignoriert wurde. Von so einer Magie habe ich noch nie gehört.

»Sieht stabil aus. Scheint, als wäre sie auch mit Energien vom Sabiquaan durchzogen. Ich spüre es in den Händen«, überlegte sie laut. »Das sollte kein Problem sein.«

»Kein ... Problem?«, krächzte Jareeb ungläubig.

Die weißgekleidete Frau hob ihren Unterarm und zeigte mit dem Finger zur Decke. Mit einer geradezu beiläufigen Bewegung drehte sie die Hand um und winkte zu sich heran. Die wenigen Haarsträhnen, die nicht von ihrem Zopf gebändigt wurden, wehten in einem seltsamen, ätherischen Wind.

Das plötzliche, ohrenbetäubende Donnern ließ Jareeb herumwirbeln. Die Torflügel neigten sich langsam nach vorn, bis sie schließlich lautstark vor ihm auf den Boden krachten. Mit offenem Mund starrte er sie an. Als er den Blick hob, erkannte er, dass die beiden metallischen Platten schlichtweg aus der Wand gerissen worden waren. Riesige Löcher klafften dort, wo bis eben noch Scharniere gewesen waren.

»Falsch«, hörte er den Söldner hinter sich sagen.

»Sie ist offen, oder nicht?«, murrte die Frau.

»Du sollst dich konzentrieren«, ermahnte er sie geduldig.

Sie seufzte und ließ den Kopf ein wenig hängen.

»Du bist nicht bei der Sache«, sprach er weiter und verschränkte die Arme vor der gepanzerten Brust.

Seine Gefährtin schloss die Augen und nickte traurig. Die unsichtbaren Fäden, welche die Bücher hinter ihr in der Luft gehalten hatten, schienen auf einmal zu reißen. Sie klatschten achtlos auf den Fußboden.

Dann wandte sie sich direkt zur Tür, atmete tief durch und öffnete ihre Augen. Sie streckte erneut ihre Hand aus und formte damit eine Schale, als würde sie ein Rinnsal aus Wasser damit auffangen wollen. Während sie ihre Finger schloss, erhoben sich die schweren Torflügel vom Boden. Auf ihren Fingerzeig hin fügten sie sich erneut in den riesigen Türrahmen, sackten in die Löcher der Wand ein und schlossen sich.

Sie hob nun auch die andere Hand, legte die Handflächen wie zum Gebet zusammen und bewegte sie dann ganz langsam auseinander. Quietschend öffnete sich das Tor. Schließlich stand es einladend offen.

»Gut so?«, fragte sie, woraufhin der Krieger aufstand und ihr nickend die bandagierte Hand auf die Schulter legte.

Den Atem laut ausstoßend, senkte sie ihre Arme, wodurch die beiden Torflügel quietschend nach vorne kippten und schief in den Angeln hingen. Sie hatte das Tor wieder aus ihrer Kraft entlassen.

»Nächstes Mal gleich so«, meinte er, nickte jedoch anerkennend, und wandte sich dann Jareeb zu. »Geht hinein.«

Der Artefakthändler erwachte aus seiner Starre und räusperte sich.

Ich habe sie unterschätzt, dachte er. Das war überaus ... nützlich.

»Bitte begleitet mich. Laut meinen Informationen soll es darin keinerlei Fallen geben, aber man kann nie sicher sein«, sprach er und versuchte seiner Stimme einen abgeklärten Klang zu geben.

»Wenn es Euch beruhigt«, antwortete die Frau schulterzuckend und wollte ihm folgen, doch der Krieger hielt sie zurück.

»Wieso«, sagte er monoton.

»Hm?«, Jareeb blickte zu ihm zurück.

»Wieso habt ihr Informationen über einen Ort, der hinter einem Tor liegt, das bisher niemals geöffnet wurde«, sprach der Söldner und fixierte ihn mit seinen Augen.

Jareeb stockte. Daran hatte er noch gar nicht gedacht. Sein Kunde hatte ihm eine Menge Informationen zu diesem Auftrag gegeben, aber er hatte nie darüber nachgedacht, woher er das wissen konnte, wenn diese Tür stets verschlossen geblieben war.

Ich schätze, ich werde mehr Geld für mein Schweigen verlangen müssen, dachte er und lächelte verschmitzt.

»Lasst das meine Sorge sein. Gut, dann gehe ich allein. Wartet hier«, antwortete er und wandte sich ab.

Er trat zu dem Tor, hob die Fackel und beäugte kritisch die schiefhängenden Flügel. Offenbar hatten sie sich verkeilt und blieben vorerst an Ort und Stelle. Also ging er weiter und trat in den Raum dahinter. Er hätte nach dem ganzen Aufwand eher eine großartige Halle erwartet, verziert und mit allerlei mythischem Pomp versehen – doch was ihn erwartete, war eher enttäuschend: Das Zimmerchen war gerade einmal so breit wie sein Zugang und völlig schmucklos. Die Wände waren glatt und kahl, der Raum eng und leer, bis auf ein schmales Podest in seiner Mitte. Darauf befand sich ein kleines Kästchen.

Jareeb trat heran und tippte es vorsichtig mit einem Finger an. Nichts geschah. Keine Falle löste aus. Die Informationen schienen zu stimmen. Er beugte sich vor und nahm es näher in Augenschein. Das Flackern des Feuerscheins huschte über seine Kanten. Es war aus dem gleichen Material wie die Tür: metallisch, grünlich schimmernd und durchzogen mit weißen Linien. Er fuhr es mit den Fingerkuppen ab und fand einen Spalt.

Man hatte ihm verboten hineinzublicken, aber das war ihm herzlich egal. Mehr Informationen bedeuteten mehr Verhandlungsargumente. Mit den Fingernägeln fuhr er in den Zwischenraum. Das Kästchen öffnete sich ganz mühelos, er nahm den Deckel ab und schaute hinein.

Darin befand sich ein Kristall, welcher in einer Art Netz aus silbrigen Drähten hing. Er war so groß wie ein Hühnerei, tropfenförmig und kunstvoll facettiert geschliffen. Wenn Jareeb den Kopf ein wenig bewegte, gab es überraschenderweise Winkel, in denen der Stein beinahe unsichtbar war. Seine Reinheit war atemberaubend. Das Licht der Fackel brach sich unzählige Male in ihm, wurde gebündelt und warf winzige Lichtpunkte an die Wände. Es schien, als würde er inmitten des nächtlichen Sternenhimmels stehen.

»Ich schätze, er ist den ganzen Aufwand wert«, murmelte Jareeb, während er sich erstaunt umblickte, das Kästchen wieder schloss und es anhob.

Wieder geschah nichts.

Man war sich wohl dieses Tores sehr sicher, dachte er hinausschlendernd. Wer hätte schon mit dieser seltsamen weißen Frau gerechnet?

»Zurück!«, hörte er diese plötzlich rufen.

»Was zum ...«, murmelte er aufblickend.

Mehrere Masakh stürmten in den Raum. Der Anblick dieser entstellten Kreaturen ließ Jareeb aufkeuchen. Er hatte keine Ahnung, woher sie so plötzlich kamen, vermutlich hatte die geräuschvolle Explosion sie angelockt. Dieser Ort lag zwar sehr abgelegen, doch es wäre möglich, dass er in einem ihrer Jagdreviere lag, obwohl er bei seinen Erkundigungen nichts Derartiges vernommen hatte.

Der Krieger hatte bereits seine Dolche gezückt. Geschmeidig bewegte er sich durch ihre Reihen, wirbelte um seine eigene Achse und die Klingen fanden mit tödlicher Präzision ihr Ziel. Wenn seine Gegner nicht durch einen Kehlschnitt den Tod fanden, so fügte er ihnen lange, heftig blutende Schnittwunden an Oberkörper und Gliedmaßen zu, sodass sie kaum noch kampffähig waren. Mehr Masakh strömten in den Raum und umzingelen ihn. Seine Gefährtin tat jedoch nichts, sondern stand ein wenig entfernt da und beobachtete das Geschehen.

»Warum hilfst du ihm nicht?«, fuhr Jareeb die Söldnerin an.

»Er kommt schon klar«, antwortete sie nur und lächelte ungerührt.

Diese Unverfrorenheit ließ erneut Wut in Jareeb aufwallen. Er biss die Zähne zusammen und sog scharf die Luft ein. Der Grabräuber rannte zu ihr und wollte eben losbrüllen, als sich die Angriffstaktik der Gegner schlagartig änderte.

Einige der zurückgesetzten Angreifer hatten klobige Armbrüste und Wurfspeere in den Pranken. Sie richteten sie auf den Söldner, der weiterhin wie ein Schatten zwischen den zahlreichen Hieben der Nahkämpfer hindurchglitt. Auf ein unverständliches Gegrunze hin, schossen sie auf ihn.

»Vorsicht!«, rief Jareeb und rannte durch das Tor.

Doch der Krieger kämpfte unbeirrt weiter, während Bolzen und Speere auf ihn regneten. Keiner traf. Erneut wurden die Waffen angelegt und geschossen. Wieder traf keine Einzige.

Jareeb runzelte verwirrt die Stirn. Plötzlich bemerkte er, dass auch die zahllosen Hiebe mit den klobigen Äxten und riesigen Zweihandschwertern niemals ihr Ziel fanden. Stets verfehlten sie um Haaresbreite den schwarzgerüsteten Krieger, selbst wenn dieser nicht auswich.

Das geht nicht mit rechten Dingen zu, dachte er, seine Beute so fest umklammernd, dass seine Fingerknöchel weiß hervortraten. Niemand kann so viel Glück haben.

Nach und nach streckte der Krieger sie nieder und widmete sich dann erst den Fernkämpfern, die nun langsam zurückwichen, da sie bemerkten, dass ihre Übermacht nicht ausreichend war. Einer schaute mit blutunterlaufenen, wilden Augen zu Jareeb, grunzte unverständliches Zeug und deutete mit seiner Klaue in seine Richtung. Sofort rannten sämtliche Angreifer auf ihn zu.

»Scheiße«, kreischte er mit hohem Stimmchen, wirbelte herum und stockte dann.

Die Söldnerin stand lässig neben ihm und hatte eine Hand vor ihrer Brust. Zwei Finger waren erhoben und die anderen formten mit dem Daumen einen Kreis. Ihr Blick war konzentriert auf das Kampfgeschehen gerichtet.

Er verstand endlich.

Sie sorgt mit ihrer Magie dafür, dass keine der Waffen trifft, erkannte er. So subtil, dass die Angreifer es nicht bemerkt haben.

Doch nun schienen es auch die Masakh begriffen zu haben und wandten sich der größeren Bedrohung zu: der weißgekleideten Frau, die unglücklicherweise genau neben ihm stand! Eine Flucht war für Jareeb unmöglich.

Allerdings vernachlässigten sie dadurch fatal ihre Deckung, sodass der Krieger von hinten mühelos einen nach dem anderen mit tödlichen Treffern niederstreckte. Trotz allem hatte einer Jareeb beinahe erreicht und stampfte laut brüllend auf ihn zu. Er brabbelte irgendetwas mit seltsamen Lauten und widerwärtiger Speichel flog von seinem Maul durch die Luft. Der Masakh stieß Jareeb einfach zur Seite, hob seine Axt und wollte sie auf die Frau niederfahren lassen.

Er wird ihr den Schädel spalten, dachte er panisch.

Ein dunkles Huschen schob sich vor sie und die Axt kam zum Stillstand. Es war ihr Gefährte, der die Wucht des Hiebes lässig mit nur einer Hand aufgehalten hatte. Dann antwortete er dem Monster in derselben abgehackten, animalischen Sprache und rammte ihm einen Dolch in die Kehle. Blut schoss hervor und benetzte seine Rüstung. Erbärmlich gurgelnd wankte der Angreifer zurück, sackte auf die Knie und kippte schließlich sterbend vornüber.

»Danke, Najim«, sagte die Frau und atmete erleichtert auf.

»Du hättest ihn einfach töten können«, antwortete ihr Gefährte, drehte sich zu ihr um und verschränkte die Arme vor der Brust.

»Du weißt, dass ich niemanden absichtlich töten werde«, erwiderte sie ihm fest in die Augen blickend.

Er antwortete ihr zunächst nicht, sondern sah sie nur stumm an. Schließlich seufzte er laut, schloss die Augen und kratzte sich am Hinterkopf.

»Die Heilerin in dir wird niemals ganz der Kriegerin weichen«, flüsterte er mit rauer Stimme. »Nicht wahr, Zeemira?«

 

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Unzählige Facetten schimmerten bläulich an den makellosen Ornamenten der Wände und hauchten ihnen ein eigentümliches Leben ein. Abadaan Jawhaar – das Artefakt der Kathedrale Madinas – war das Symbol einer glorreichen Epoche. Es war das Vermächtnis der Ahnen vom Sabiquaan – dem Langen Vorher – einer Zeit, in der sich die Menschen gleichwertig neben den Göttern dieser Schöpfung eingereiht hatten.

Die weißhaarige Hohepriesterin blickte gedankenversunken auf das Relikt und erinnerte sich vage an diese fernen Zeiten. Die Bilder vor ihrem geistigen Auge waren blass und farblos, beinahe so, als würde sie durch den Rauch eines erloschenen Feuers schauen. Eine Lichtgeborene mochte sehr lange leben, aus menschlicher Sicht beinahe eine Ewigkeit, doch auch sie konnte Erinnerungen nicht für immer festhalten, auch wenn ihre Körper trotz fortschreitendem Alter eine eigentümliche Jugendlichkeit behielten.

Hohepriesterin Pheedre wandelte nun schon viele Jahrhunderte auf dieser Welt. Ihr Wissen war beständig gewachsen und damit auch ihre Macht über die kleinsten Teile der Schöpfung. Sie konnte mit ihren Gedanken diese Puzzlesteine nach Belieben anordnen, solange sie sich an gewisse Regeln hielt, die in ihrem physischen Körper unsichtbar eingebrannt worden waren. Diese Regeln waren zwar streng, sie zu beugen war jedoch die hohe Kunst einer ranghohen Lichtgeborenen.

Doch selbst dieses Wissen konnte ihr nur begrenzte Einsicht in das Artefakt vor ihr geben. Noch immer verstand sie nicht gänzlich, wofür man es geschaffen hatte. Die offensichtlichsten Wirkungen waren der Schutz vor den Lichtstürmen und das Freilegen von Wasser, um die Stadt Madina inmitten der Wüste am Leben zu erhalten. Das war Pheedre allerdings immer zu banal vorgekommen und sie hatte durch intensive Studien und Experimente herausgefunden, dass man mit ihm durch eine Rückkopplung mit ihren Fähigkeiten auch künstliche Lichtstürme erzeugen konnte. Das machte es zwar zu einer mächtigen Waffe, das trug jedoch angesichts der Unkontrollierbarkeit des Phänomens keinesfalls die Handschrift der Ahnen vom Sabiquaan. Da musste noch mehr sein.

Letztendlich weiß ich weiterhin fast nichts, dachte Pheedre und verzog ein wenig ihre Lippen, als hätte sie auf etwas Saures gebissen. Wenn mir Maheen mit ihren Fähigkeiten zur Seite gestanden hätte, wäre das vermutlich anders.

Sie atmete langsam aus und schloss kurz die Augen. Diese Hohepriesterin war so ganz anders als Aaminah und Lateefah gewesen. Diese beiden waren Pheedre immer ergeben gewesen, schließlich hatte sie die Frauen zu dem gemacht, was sie nun waren. Maheen jedoch war nicht nur hochtalentiert, sondern auch mit eigensinnigem Scharfsinn ausgestattet gewesen, wodurch sie schnell selbst in den Rang einer Hohepriesterin aufgestiegen war. Dass ausgerechnet sie sich wegen etwas so Vergänglichem wie Gefühlen gegen die Kathedrale gewandt hatte, traf Pheedre mehr, als sie vermutet hatte. Außerdem hatte sie sogar im direkten Kampf bewiesen, dass Pheedres Macht nicht so unantastbar war, wie sie angenommen hatte. Ein weiteres Rätsel.

Wie hast du das gemacht, Maheen? Wie hast du dem beschleunigten Zerfall deines Körpers so lange widerstehen können, fragte sich Pheedre nicht zum ersten Mal.

Aber dieses Geheimnis hatte die andere Hohepriesterin mit in ihr Grab genommen – und das auf spektakuläre Art und Weise. Ihr selbst gewählter, öffentlicher Tod, bei dem sie ihre weißen Augen konserviert hatte, war ein schwerer Schlag gegen die bisherigen Machtkonstellationen gewesen. Es hatte sich auf dem Platz unverkennbar um ihre Leiche gehandelt. Die Menschen fragten sich daraufhin, warum ein so mächtiges Wesen wie eine Hohepriesterin einfach so sterben konnte. So etwas vermochte nur eine andere Lichtgeborene zu vollbringen. Offener Zwist zwischen den mächtigen Heilerinnen war neu und versetzte alle in helle Aufruhr. Manche vermuteten in ihrer Aufregung sogar lächerlicherweise eine Macht, die noch über den Priesterinnen stand. Dadurch schienen die Lichtgeborenen plötzlich ... menschlicher.

Kommandant Haidaar hatte die Gelegenheit sofort ergriffen. Umgehend hatte er die Kathedrale öffentlich zur Rede gestellt. Ihr war keine Zeit geblieben die Umstände anders zu gestalten. Da Pheedre schlecht zugeben konnte, dass sie Maheen persönlich angegriffen hatte und ihre Tochter sogar aus ihren Fängen entkommen war, musste sie sich ohne nachvollziehbare Erklärungen zurückziehen, um weiteren unbequemen Fragen zu entfliehen.

Die Gerüchte hatten sich wie ein Lauffeuer in den westlichen Landen herumgesprochen. Lichtgeborene wurden danach misstrauisch beobachtet und indirekt aus Politik, Handel und anderen Machtkonstellationen ausgeschlossen, indem man sie schlicht ignorierte. Pheedre hatte kurz erwogen Haidaar aus den Weg zu räumen, aber das hätte den Argwohn nur noch mehr geschürt. Abgesehen davon, rechnete der schlaue Kommandant sicher mit so etwas und hatte entsprechende Maßnahmen ergriffen. Vermutlich waren ihm von Maheen sogar Strategien in die Hände gelegt worden. Das konnte Pheedre nicht riskieren. Maheen war ihr tatsächlich voraus gewesen.

Es gibt andere Mittel und Wege, die Menschen wieder auf den richtigen Weg zu lenken, dachte sie milde lächelnd und schlug ihre Lider auf.

Elegant schritt sie um das blauleuchtende Artefakt herum, lauschte dem kaum wahrnehmbaren Rotationsgeräuschen seiner drei goldenen Ringe und blickte aus den hohen Spitzbogenfenstern. Der Himmel über der Wüste war strahlendblau – das war er immer, wenn ihn kein Lichtsturm mit unwirklich anmutenden Lichtschleiern in ein Meer aus schimmernder Seide verwandelte. Die bunten Dächer Madinas unterhalb der Kathedrale glitzerten in der Hitze des Tages und die Menschen auf den Straßen gingen ihren alltäglichen Geschäften nach – die Umwälzungen der Außenwelt erreichten diese Stadt nur träge.

Drei Jahre waren nun seit Maheens Tod vergangen. In dieser Zeit hatten sich fast alle Lichtgeborenen in die Kathedrale zurückgezogen und mischten sich nicht mehr in die Belange der Menschen ein. Zuerst war es seltsam ruhig geblieben, doch schon bald waren all jene, die sich aus Respekt vor den Lichtgeborenen verborgen gehalten hatten, aus ihren dreckigen Löchern gekrochen.

Die Schattengilde war wagemutiger geworden und beeinflusste nun auch Handel und Politik offensiv. Die monströsen, raubtierhaften Masakh eroberten große Landstriche und breiteten sich immer weiter aus. Die Menschen begannen sich nach und nach daran zu erinnern, dass die Lichtgeborenen für Frieden gesorgt hatten. Nicht mehr lange und sie würden um Hilfe bitten. Pheedre würden dann weiterhin Zurückhaltung üben, bis aus dem zaghaften Bitten ein verzweifeltes Flehen geworden wäre.

»Ihr werdet es lernen«, flüsterte sie gleichmütig und strich sich ihr schneeweißes Haar zurück. »Das habt ihr schon einmal. Doch diesmal werdet ihr es nicht schon nach wenigen Jahrhunderten vergessen.«

Bevor sich das Gefüge der Welt wieder glätten würde, musste Pheedre allerdings endlich die letzte Gefahr beseitigen. Sie hatte sich Jahrhunderte darauf vorbereitet, so viele Vorkehrungen getroffen, doch trotz allem waren die Worte, welche sie damals in den alten Zeiten vernommen hatte, nicht aufzuhalten gewesen. Die Menschen heute würden es Prophezeiung nennen, doch die Hohepriesterin wusste es besser – es war ein wahrer Blick in die Zukunft gewesen. Dieses Wissen hatte Pheedre zu einer Geborenen des Schicksals erhoben – zu einem Wesen, welches die Geschicke der Schöpfung selbst beeinflussen konnte. Wer, wenn nicht sie, könnte diese Aufgabe erfüllen?

Trotzdem waren ihr die Fäden des Schicksals entglitten: Zeemira war entkommen.

Ihre Mutter Maheen hatte sich gegen Pheedre gewandt, ihre Tochter war aus Madina geflohen, obwohl sie ihrer Kräfte beraubt worden war. Schlimmer noch: Sie hatte neue Fähigkeiten gewonnen und auch noch einen mächtigen Verbündeten an ihrer Seite gefunden – einen über das Feuer gebietenden Shaytan. Sie hatte sogar einen direkten Angriff von den mächtigsten Lichtgeborenen dieser Zeit überstanden. Als sie dann auch noch Pheedres Lichtsturm entkam, war kurz das kalte Stechen der Furcht in das Herz der Hohepriesterin geschlichen.

Konnte es sein, dass sich das Schicksal nicht von ihr beugen ließ? Und das, obwohl es ihr verraten hatte, was es bringen würde?

Unmöglich.

Ihre filigranen Finger betrachtend, durch die das Licht der Schöpfung selbst floss, mahnte sie sich erneut zur Disziplin. Sie würde das Schicksal diesen Weg nicht bis ans Ende gehen lassen. Die Zeit drängte. Jeder Tag, der verstrich, führte die Menschen näher an den Abgrund.

Es gibt einen Weg uns alle zu retten, dachte Pheedre und wandte sich kraftvoll von dem Fenster ab, sodass ihr weißes Haar und das lange Gewand sie umwehten wie Nebel. Es muss einen Weg geben! Und wenn ich für einen kleinen, lebendigen Teil der Welt, den gesamten Rest opfern muss.

 

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Die tiefroten Blüten der Sandlilie bewegten sich sanft in der milden Brise, welche vom Meer herüberwehte. Zeemira ließ ihre Handflächen vorsichtig über die zarten Blattspitzen gleiten und schritt gemächlich durch das hohe Gras. Sie hatte ihre Schuhe ausgezogen und trug sie locker mit ihren Fingerspitzen. Das Kitzeln an ihren nackten Füßen zauberte ein Schmunzeln auf ihr Gesicht. Die Pflanzen um sie herum raschelten leise, als ihr weißes Gewand im Wind darüber hinwegflatterte.

Sie kam oft an diesen Ort: Eine kleine Klippe, auf der im Schatten eines knorrigen Baumes, der sich stur weigerte den Felsen hinabzustürzen und sich daher fest mit den Wurzeln in das Gestein krallte, unzählige Blumen blühten.

Als sie sich schließlich gegen den rauen Stamm lehnte, hob sie ihr Kinn und blickte hinaus auf die glitzernde Fläche des Ozeans. Schimmernd verschmolz diese am Horizont mit der Weite des Himmels. Dieser Anblick beruhigte Zeemiras Herz, auch wenn ihre Gedanken weiterhin darum kreisten, was jenseits dessen alles geschehen war.

Zeemira war zusammen mit ihrem Geliebten Jaleel aus der Stadt Madina geflohen. Das Juwel inmitten toter Wüste stand unter dem Schutz der mächtigsten Lichtgeborenen dieser Welt. Auf ihrer Flucht hatte sie gemeinsam mit Jal jedes Gefühl durchlebt, das sie sich bis dahin hatte vorstellen können. Von tiefem Vertrauen bis hin zu lähmendem Schrecken.

Sie hob einen ihrer Arme und zog nachdenklich mit ihren Fingerspitzen die Ornamente eines der Armbänder nach. Diese uralten Schmuckstücke waren seit ihrem Besuch bei der grotesken Masakh-Schamanin ihre unfreiwilligen Begleiter geworden. Die Hoffnung damit ihre Heilfertigkeiten wiederherstellen zu können, war in dem Moment erloschen, in dem die Entladung ihrer Macht sie beinahe umgebracht hatte.

Ohne ihren neuen stetigen Gefährten, den Flammentänzer Najim, hätte sie längst ihren letzten Atemzug getan. Zeemira war mit dem dunklen Krieger weit über das Meer gereist und schließlich hier auf dieser Inselgruppe gelandet – dem Fatira-Archipel, benannt nach den gefährlichen Strudeln, die sie umgaben.

Schläfrig gegen die Reflexionen der Wasseroberfläche blinzelnd, ließ sie ihren Blick schweifen und wollte, wie so oft, darüber nachdenken, was alles anders hätte sein können. Doch als sie auf dem weiten Blau des Meeres mehrere dunkle Punkte ausmachte, welche sich in ihre Richtung bewegten, hob sie überrascht ihre Brauen und beschattete ihre Augen mit der Handfläche.

Mehrere Schiffe, erkannte sie, genauer hinschauend. Sie sehen nicht aus wie von unseren Inseln. Händler wurden auch nicht angekündigt. Wer ist so wagemutig und versucht ohne die hiesigen Lotsen die Strudel zu umschiffen?

Plötzlich vernahm sie hinter sich ein Rascheln, was ganz anders war, als das der rauschenden Blätter über ihr. Zeemira wirbelte herum, ging leicht in die Knie und berührte mit ihrem Geist die Verbindung zu ihren Armbändern, so, wie sie es von Najim gelernt hatte.

»Bitte ... entschuldigt«, sprach ein alter Mann im Schatten des Baumes erschrocken und hob abwehrend die Arme. »Ich habe nichts Böses im Sinn.«

Zeemira kannte sein Gesicht vage, er war einer der Bewohner dieser Insel. Vermutlich war sie ihm manchmal in dem kleinen Dorf, in dem sie nun lebte, begegnet. Sie entspannte sich wieder und lächelte ihn an.

»Schon gut, ich war nur ein wenig erschrocken«, sagte sie und warf ihren locker geflochtenen Zopf nach hinten über die Schulter.

»Nun, ich schätze das bringt das Söldnerleben so mit sich. Keine schlechte Eigenschaft«, antwortete er und grinste sie mit einer löchrigen Zahnreihe an.

Es ist mir schon ins Blut übergegangen, dachte sie, ihm bestätigend zunickend.

»Weswegen ich hier bin ...«, begann er zögerlich mit leiser Stimme.

»Ja?«, ermunterte Zeemira ihn, als er stockte.

»Habt Ihr die Schiffe auf dem Meer gesehen?«, fragte er dann und deutete mit der Hand hinter Zeemira. »Die Klippenspäher haben eine Briefkrähe gesendet. Es sind Räuber.«

»Das hatte ich vermutet, sie wollen ohne Navigationshilfe an den Strudeln vorbeischiffen«, meinte Zeemira und tippte sich mit dem Zeigefinger nachdenklich gegen das Kinn.

»Sie werden es problemlos schaffen«, seufzte der Alte. »Die Späher berichten, dass sie mit den Riffen schon keinerlei Probleme hatten.«

»Dann werden es nicht nur ein paar Vagabunden sein, sondern fähige Seeleute. Vermutlich mit guten Kämpfern an Bord«, schloss Zeemira und ahnte bereits, was der Mann hier von ihr wollte.

»Der Kiral ist noch mit seiner Flotte außer Landes. Wir haben auch nicht genügend Zeit, um Hilfe von den anderen Inseln kommen zu lassen ... unsere Kampfkraft ...«, begann er und stoppte.

»... ist keinesfalls ausreichend, um standzuhalten«, beendete Zeemira den Satz mit ernster Stimme.

Ohne die wendige Flotte des Herrschers dieses Archipels – dem Kiral – würden diese Schiffe auf See nicht aufzuhalten sein und deren Mannschaften daher problemlos das Land erreichen. Der Mann hatte seine Bitte noch nicht direkt ausgesprochen und daher blieb Zeemira noch eine kurze Bedenkzeit.

Najim war auf einer anderen Insel, dort, wo er immer am zehnten Tag jedes Monats war. Dieser Termin war stets festgesetzt, damit Auftraggeber dort Kontakt herstellen konnten. Ob die Angreifer dies gewusst hatten? Doch Zeemira war hiergeblieben, vielleicht dachten sie, die beiden wären normalerweise zusammen am Treffpunkt. Vielleicht hatten sie aber auch gar keine Ahnung, was genau sie hier erwarten würde. Dagegen sprach jedoch, dass sie sich so gut mit der Navigation auskannten und offensichtlich genau wussten, dass der Kiral abwesend war.

»Würdet Ihr ...«, murmelte der Alte vorsichtig. »... könntet Ihr ... mit mir kommen? Uns helfen ... uns schützen? Wir haben nicht viel Geld, aber ...«

Er kramte in den Taschen seiner zerschlissenen Hose und holte ein paar Münzen hervor. Er streckte sie Zeemira auf seinen schwieligen Arbeiterhänden entgegen.

»Nein«, sie schüttelte langsam den Kopf, woraufhin der Alte den Mund öffnete und traurig die Schultern hängen ließ.

»Ich brauche dein Geld nicht«, fuhr sie fort und lächelte ihn aufmunternd an. »Natürlich helfe ich dem Dorf. Das ist das Mindeste für eure Gastfreundschaft uns gegenüber.«

Sein Gesicht zeigte zuerst Erstaunen, dann hellte es sich freudig auf.

»Wirklich?«, fragte er und schaute sie an wie ein kleiner Junge.

»Aber ja«, Zeemira lachte auf. »Los, lass uns keine Zeit verlieren. Wir müssen schnell zum Hafen!«

Der Alte nickte eifrig, steckte die Münzen weg und eilte voraus. Zeemira schlüpfte schnell in ihre Schuhe und lief ihm hinterher. Sie überquerten die spärlich bewachsenen Hügel hinab zur Siedlung. Der kleine Ort schmiegte sich in einer Bucht entlang eines felsigen Ufers und mündete in einen recht großen Hafen, in dem winzige Fischerboote, aber auch breitere Transportschiffe vor Anker lagen. Durch die engen schattigen Gassen laufend, stieg Zeemira die ihr mittlerweile vertraut gewordenen Gerüche von Algen, Salz und Fisch in die Nase.

Am Hafen hatten sich die Bewohner bereits versammelt und blickten grimmig aufs Meer hinaus. Als Zeemira hinter dem alten Mann ins Sonnenlicht hinaus trat, das ihre kupfernen Haare wie lebendiges Metall glühen ließ, riefen ein paar Kinder aufgeregt durcheinander: »Sayidat-Bayda

»Sie ist hier ... die weiße Dame ist hier!«

»Die Sayidat-Bayda wird helfen!«

Die anderen Leute, allesamt Jugendliche oder ältere Menschen, drehten sich um und ihre angespannten Gesichter glätteten sich ein wenig. Sie waren erleichtert. Zwar konnte jeder einzelne von ihnen kämpfen, das lehrte man die Kinder des Archipels ab ihrem sechsten Lebensjahr, aber sie waren nicht im besten Alter dafür. Die Menschen packten ihre Lanzen und Schwerter sicherer. Manche lächelten sogar zaghaft, als Zeemiras Blick sie streifte.

So viele Erwartungen, dachte sie, die Lippen zusammenpressend. Das war schon damals in Madina so.

Zeemira atmete tief durch und lief ihnen weiter entgegen. Sofort traten die Leute ein wenig zur Seite, wodurch sie ungehindert an den Rand der Kaimauer gehen konnte. Sie rückten jedoch nicht so weit weg, als wäre Zeemira eine Ausgeschlossene. Für diese Menschen war sie ein Teil des Dorfes, trotz ihrer vielfältigen Andersartigkeit. Das warme Gefühl der Akzeptanz durchströmte ihr Herz und ließ die Last, die sie bis eben noch auf ihren Schultern gespürt hatte, leichter werden.

Ich bin nicht wie damals, ermahnte sie sich selbst. Ich werde niemanden von ihnen sterben lassen, auch wenn ich nicht mehr heilen kann.

Sie richtete ihren Blick auf die herannahenden Schiffe. Die Strudel lagen schon hinter den wenigen Zweimastern und sie konnte bereits die Kämpfer an Bord erkennen. Zeemira sprang auf den ersten Balken eines Wellenbrechers und balancierte dann weiter nach vorn.

Von hier aus sollte es einigermaßen sicher für die Bewohner sein, überlegte sie, über ihre Schulter zurückblickend.

Sie wandte sich erneut den Angreifern zu. Ihr Geist versenkte sich, tastete sich vor bis hin zu der Grenze, die zwischen ihr und der chaotischen Macht dahinter stand. Ihre Gedanken strichen darüber, sodass in ihrer Wahrnehmung ein bizarres Flimmern in dieser Barriere entstand. Ihre Fingerspitzen begannen zu kribbeln und ein Gefühl, als würden sich glitschige Würmer unter ihrer Haut winden, zog sich ausgehend von den Armbändern ihre Unterarme hinauf.

Zeemira wollte eben überlegen, wie sie die Piraten am besten aufhalten konnte, als plötzlich schwarze dünne Schatten, an deren Enden Flammen züngelten, auf sie zurasten.

Feuerpfeile. Das kommt mir sehr gelegen, dachte Zeemira und lächelte. Vielen Dank.

Es kostete sie nur eine einfache Handbewegung.

Auf ihren Fingerzeig hin, richtete sich ihre innere Macht gegen die Spitzen der Geschosse und stupste sie leicht an – nur ein sanfter Eingriff in die Flugrichtung, ohne viel Kraftaufwand. Dadurch kippten sie und flogen zurück zu den Schiffen. Die Segel fingen sofort Feuer und aufgeregtes Geschrei ertönte von den Räubern zu ihr herüber. Die Menschenmenge am Hafen lachte auf und johlte. Manche der Leute zeigten den Angreifern obszöne Gesten.

Doch die Piraten gaben nicht so einfach auf. Während einige eilig Wasser auf die Planken schütteten, damit das Holz kein Feuer fing, wurden kleine Beiboote zu Wasser gelassen. Mit Krummsäbeln bewaffnete Männer kletterten an Seilen den Bug hinab und sprangen hinein. Einige waren bereits auf dem Weg zum Hafen.

Wenn ich mich direkt konzentriere, erreichen zu viele das Ufer, analysierte Zeemira, versuchte dabei das aufgeregte Herzklopfen in ihrer Brust zu ignorieren und strategisch zu denken. Ich muss einen stärkeren Kraftausstoß riskieren und sie alle auf einmal erwischen.

Ihr blieb nicht viel Zeit, die Ruderer hatten kräftige Arme und waren bereits auf halbem Wege zum Hafen. Zeemira legte ihre Hände flach auf ihre Brust, schloss die Augen und hielt den Atem an. Mit dem erneuten Berühren der Barriere in ihrem Inneren, begann chaotische Macht wie hohe Wellen gegen ihren Körper zu branden. Doch sie schwankte nicht.

Zeemira befolgte genau Najims Anweisungen aus dem Training: Sie dachte an etwas, was sie zornig machte. Sie ließ sich davon jedoch nicht überwältigen, sondern nutzte ihren Geist, um mit ihren Gefühlen einen Kanal zu formen, durch den die Energie gelenkt wurde. Die rohe Kraft riss ihre Arme zur Seite und eine unsichtbare Säule aus Energie raste von den Fußsohlen hinauf durch ihre Brust. Sie riss Zeemira vom Boden und hob sie mehrere Fuß breit nach oben.

Waffe, befahl sie stumm und öffnete ihre nun in wildem Weiß flackernden Augen.

Die Macht folgte ihrem Wunsch auf ganz eigentümliche Weise. Das Meer um sie herum bog sich nach unten wie eine Schüssel. Die Wellen der hohen See erreichten sie nicht mehr, sondern flossen in einiger Entfernung an ihr vorbei. Es schien, als würde die Natur sie plötzlich meiden.

Auf einmal schossen Bänder aus Wasser nach oben, rotierten spiralförmig um Zeemira herum und warteten auf ihren nächsten Befehl.

Die Menschen an Land betrachteten mit großen Augen die schwebende Frau, deren weißes Gewand ihren Körper in einem ätherischen Wind umwehte. Zwischen den rotierenden Wassersträngen glitzerte ein Vorhang aus tausend Tropfen. Das Sonnenlicht reflektierte sich seltsam entrückt auf dem goldenen Metall der Armbänder und warf gebrochene Reflexe auf das Wasser unter ihr. Für die Menschen erschien sie für einen Augenblick wie eine magische Wesenheit des Ozeans, emporgestiegen, um der Welt den Zauber der See zu offenbaren. Ein Wesen, welches nicht hierher gehörte und dem sich die Realität beugte.

Doch weder die Macht, welche die Armbänder in Zeemira weckte noch sie selbst, hatten in diesem Moment friedliche Absichten.

Boote, dachte sie, woraufhin das Rauschen des Wasser anschwoll und die transparenten Bänder wie die Peitschen eines Foltermeisters hervorschnellten.

Sie schmetterten gegen die Ruder der kleinen Gefährte, die daraufhin in unzählige Splitter zerbarsten. Manche der flüssigen Waffen rammten deren Bug, sodass die Angreifer im Meer landeten. Doch der chaotische Kraftausbruch war nicht leicht zu kontrollieren. Zeemira konnte sie nicht alle exakt lenken, wodurch manche Hiebe direkt gegen die Brust der Männer schlugen und sie meterweit fortschleuderten. Sie fielen ins Wasser und tauchten nicht wieder auf. Vermutlich hatte die Wucht ihre Rippen gebrochen.

Verzeiht mir, das wollte ich nicht, dachte Zeemira bitter, ließ jedoch nicht zu, dass sich ihre Konzentration verlor. Doch ich werde nicht zulassen, dass ihr meinem kleinen Zuhause etwas antut.

In wenigen Augenblicken hatte sie sämtliche Beiboote zerstört oder fahruntüchtig gemacht. Daraufhin sprangen die unverletzten Männer ins Wasser und begannen zum Hafen zu schwimmen. Sie konnte sie nur aufhalten, indem sie ihre Kraft direkt gegen die Männer richtete.

»Soweit lasse ich es nicht kommen«, knirschte Zeemira und zog die Peitschen aus Wasser zurück.

»Erwartet sie mit den Lanzen am Kai!«, rief hinter ihr eine rundliche, alte Frau und stellte sich mit gesenkter Klinge an die Mauer. »Wir können die Weiße Dame nicht alles alleine machen lassen! Wo bleibt unsere Ehre? Sind wir nur noch gebrechliche Schankweiber?«

Die anderen lachten auf, traten an ihre Seite und taten es ihr gleich. Zeemira konnte es nicht riskieren ihre Macht großflächig so nah an den Menschen einzusetzen. Also zog sie die Kraft komplett zurück, woraufhin das Wasser um sie herum augenblicklich leblos nach unten platschte.

Sie wirbelte herum und eilte, so schnell es die rutschigen Balken zuließen, zu den anderen Dorfbewohnern. Sofort öffnete sich deren Front, ließ sie hindurch und schloss sich wieder. Zeemira sprang auf einen Stapel Frachtkisten und versuchte sich einen Überblick über das nun entstandene Kampfgetümmel zu verschaffen. Dann hob sie eine Hand, legte ihren Mittel- und Ringfinger an ihren Daumen und konzentrierte sich. Sofort war die Macht wieder an ihrer Seite und brodelte ungeduldig.

Sie versuchte so viele der Angreifer wie möglich im Blickfeld zu haben. Sobald diese die Verteidiger erreicht hatten, gewährte sie nur wenig Macht ein Ventil. Sie drückte sanft mit ihrer unsichtbaren Kraft gegen die Waffen der Piraten, weshalb sie diese nur ungenau schwingen konnten. Nun war es ein Leichtes für die kampfgeübten Dorfbewohner auszuweichen und einen Gegenangriff zu starten. Keiner von ihnen erreichte Zeemira.

Früher habe ich weit hinter den Kämpfern gestanden und mich ganz auf die Verteidiger konzentriert. Nun stehe ich selbst an der Front und stelle mich den Angreifern entgegen, schoss es ihr durch den Kopf. Ich bin wahrlich nicht mehr die Selbe ...

 

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Die Sonne stand bereits sehr tief, schien sich zu verflüssigen und begann das Meer in einen warmen Goldton umzufärben. Die Hitze des Tages verflüchtigte sich und hinterließ eine wohlige Wärme auf der Haut.

Für Najim war es das Zeichen seinen Platz verlassen zu können. Er war gegen Mittag an diesen Ort gekommen und hatte sich auf einem Felsen an der Küste niedergelassen. Nach kurzer Zeit hatte er seine Lider gesenkt, mit leerem Blick auf das Wasser geschaut und sich in eine meditative Versenkung begeben. Nun regte er sich wieder, rollte mit den Schultern und seine Sicht klärte sich.

Keine Auftraggeber, stellte er fest.

Das war ihm ganz recht, denn der letzte Auftrag, bei dem er zusammen mit Zeemira ein altes Artefakt für einen Grabräuber hatte bergen müssen, war plötzlich eskaliert. Statt ein wenig Steine hin und her zu räumen, hatten sie sich im Kampfgetümmel mit einer Horde Masakh