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Claudia Fitschen

Die wahre Liebe besteht zu Gott allein





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

1

Miriam lag allein in ihrem Bett. Patrik war schon längst gegangen. Das machte er immer so. Er kam, wann er wollte und ging, wenn er fertig war. Trotzdem drückte sie ihren Kopf ganz fest ins Kissen, um sein Parfüm zu riechen. Sie war einfach in ihn verliebt, das war sie schon von der ersten Sekunde an. Er hatte diesen durchdringenden Blick, so dass sie ihm sofort folgen wollte. Ihre bisherigen Freunde waren dagegen alles Feiglinge gewesen, sie hatten nie gewusst, was sie wollten. Patrik wusste immer genau, was er wollte und sie tat alles dafür, ihm das zu geben. Und das jetzt schon seit zwei Jahren. Zwei Jahre, in denen sie weder ihre Familie noch ihre Freunde gesehen hatte. Sie waren von Anfang an gegen Patrik und seinen Lebensweg gewesen. Er hatte sie vor die Wahl gestellt und da war sie gegangen.

Miriam schaute auf ihre Uhr. Es war Zeit für das Abendessen. Sie zog sich ihr weißes Leinenkleid über ihre nackte Haut. So zeigte sie, dass sie Patrik jederzeit zur Verfügung stand. In der Anfangszeit hatte sie öfter eine Blasenentzündung bekommen, aber inzwischen hatte sie es unter Kontrolle.

In dem Speisesaal begab sie sich zu den anderen Frauen. Bei der Essensausgabe nickte sie Stefanie kurz zu. Die beiden hatten schon viele Dienste zusammen absolviert. Sie waren so etwas wie Freundinnen geworden, aber die Oberen mochten es nicht, wenn sie bei der Essenszeit zu viel zusammen sprachen. Manchmal vermisste Miriam die Zeiten als sie zusammen mit ihren früheren Freundinnen unbeschwert durch die Gegend gezogen war und viel mit ihnen gelacht hatte. Doch dann hätte sie nicht bei Patrik sein können, und ein Leben ohne ihn konnte sie sich nicht mehr vorstellen. Stefanie war mit Arndt zusammen, auch er war einer der Oberen. Sowieso bestand ihre Gruppe größtenteils aus Frauen, die Männer saßen alle an einem separaten Tisch. Arndt war zehn Jahre älter als Stefanie. Manchmal hörte sie ihre Freundin abends leise weinen. Miriam glaubte, dass Arndt auch noch mit anderen Frauen schlief. Sie schaute kurz zu Patrik, aber der beachtete sie gar nicht. Er war bereits beim Essen. Es wunderte sie, dass die Männer überhaupt noch da waren. Meist gingen sie, sobald die Frauen zum Essen kamen. Miriam vermutete, dass es in den nächsten Tagen eine Versammlung geben würde. Dort suchten sich die Oberen oft eine neue Partnerin. Patrik hatte sich nun schon seit fast zwei Jahren keine Neue mehr gewählt und darauf war Miriam stolz.

Sie ließ sich ihre Portion Nudeln mit einem kleinen Stück Fleisch geben und ging mit gesenktem Kopf zu ihrem Platz. Miriam war froh, dass Stefanie bereits saß, diese hatte die schlechte Angewohnheit ihr manchmal im Vorbeigehen etwas zuzuraunen. Wenn in den nächsten Tagen die Versammlung sein würde, wollte sie einen besonders guten Eindruck machen, außerdem war Patrik noch im Raum.

Miriam schnitt sich ein klitzekleines Stück Fleisch ab, legte es sich auf die Zunge und genoss den Geschmack. Sie wusste sehr genau, was von ihr erwartet wurde. Es gab nur sehr selten Fleisch und es sollte von ihnen so respektvoll behandelt werden wie die Oberen. Viele von den Frauen schlangen es herunter, weil sie lange nicht mehr so einen Genuss hatten. Keine von ihnen würde von einem der Männer ausgewählt werden.

Miriam hatte gerade den Bissen heruntergeschluckt, da erhob sich Patrik von seinem Platz. Schnell senkte sie ihren Blick. Als er an ihr vorbeikam, streifte seine Hand kurz ihre Schulter und er raunte ihr zu: „Das war schön vorhin. Vielleicht komme ich heute Abend nochmal.“ Sie erlaubte sich ein kurzes Lächeln. Nur ganz selten zeigte Patrik seine Zuneigung, wenn andere dabei waren. Er war mit ihr zufrieden. Auch die restlichen Oberen verließen nun den Raum. Viele der Frauen verputzten schnell ihr Essen. Miriam aß genüsslich ihre Nudeln und noch langsamer das Stück Fleisch. Nur weil die Männer nicht im Raum waren, hieß das nicht, dass sie die Frauen nicht sehen konnten. Das hatte Miriam schnell gelernt.

Heute konnte sich niemand an ihrer Langsamkeit stören, sie hatte zusammen mit Stefanie Küchendienst. Ihre Freundin war auch gerade erst fertig geworden. Miriam stand auf und räumte zusammen, Stefanie schien dabei keine große Eile zu haben. Sie vermutete, dass ihre Freundin mal wieder etwas auf dem Herzen hatte. Doch sie würde sich gedulden müssen, bis sie in der Küche waren. Von dort konnten sie nicht gut gehört werden, wenn sie nicht allzu laut sprachen.

Sie hatten schon den halben Abwasch erledigt, als Stefanie sie ansprach:

„Du hast so ein Glück.“

„Du musst dich halt mehr anstrengen.“

Stefanie schob ihr Kleid so hoch, dass ihre Scham nicht mehr bedeckt war. „Was soll ich denn noch tun?“

Miriam zog Stefanies Kleid schnell wieder nach unten.

„Spinnst du, wenn uns jemand sieht.“

„Du hast kaum etwas zu befürchten. Schließlich hast du Patrik an deiner Seite.“

„Und das soll auch so bleiben. Wenn du dich Arndt gegenüber auch so verhältst, brauchst du dich nicht zu wundern.“

„Das ist es doch was er will. Rein, raus, was bin ich denn für ihn?“

„Du bist seine Partnerin und dafür solltest du dankbar sein.“

Miriam war froh, dass sie den Abwasch beendet hatten. Sie wischte alle Arbeitsplatten ab und verließ die Küche ohne noch ein Wort zu sagen. Auf keinen Fall durfte sie Patrik verpassen.

Patrik kam eine Viertelstunde nachdem Miriam wieder in ihrem Zimmer war. Manchmal hatte sie das Gefühl, vom ihm beobachtet zu werden und ihr gefiel der Gedanke. Er setzte sich zu ihr aufs Bett. Miriam wollte sich ihr Kleid ausziehen, aber er gebot ihr mit seiner Hand Einhalt. Stattdessen zog er sie an sich und küsste sie auf den Mund. Das tat er so gut wie nie. Ihr Sex hatte nichts mit Zärtlichkeit zu tun. Manchmal bedauerte Miriam das, aber dann sagte sie sich, was es für ein Privileg war, Patriks Auserwählte zu sein. Er war oftmals sehr ernst, was wahrscheinlich an der Aufgabe lag, die Gruppe zu führen, das hieß aber nicht, dass er keine Gefühle hatte.

Patrik entledigte sich seiner Kleidung und schob dann auch ihr Kleid über ihren Kopf. Er drang in sie ein, aber viel zärtlicher als sonst. Miriam hatte nach langer Zeit das Gefühl, dass es ihm nicht nur darum ging, seine Bedürfnisse zu erfüllen, sondern auch ihre. Kurz bevor er kam, zog er sie an sich. Miriam fühlte Glücksgefühle in sich aufsteigen und genoss den Moment, bis er sich aus ihr zurückzog. Patrik zog sich seine Unterhose und seine Hose wieder an. Sie betrachtete ein letztes Mal seinen muskulösen Körper, bevor er wieder gehen würde. Doch als er sich sein Hemd angezogen hatte, setzte er sich erneut zu ihr. Sie wusste nicht genau, was er von ihr erwartete, er sah in diesem Moment so traurig aus.

Patrik gebot ihr: „Du kannst dich wieder anziehen.“ Er deutete auf die Schublade, in der sie ihre Unterwäsche aufbewahrte. „Die auch.“

Miriam schaute ihn an ohne etwas zu sagen.

„Bitte, ich möchte nicht, dass du krank wirst. Ich weiß auch so, dass du mir jederzeit zur Verfügung stehst. Keine Angst, ich werde mir keine andere wählen.“

Erst nach diesen Worten getraute sie sich, ihre Unterwäsche anzuziehen und dann ihr Kleid. Es war ein komisches, aber gutes Gefühl. Ab heute schien sie mehr als nur Patriks ausgewählte Partnerin zu sein.

Er streichelte über ihr Haar und meinte: „Du bist so wunderschön.“

Sein Blick schien aber nicht auf ihr zu ruhen. Miriam hatte ihn noch nie so gesehen.

„Ich werde wieder schwere Entscheidungen treffen müssen. Die Versammlung ist schon morgen. Aber du weißt, dass sie richtig sind, oder?“

Miriam nickte nur und überlegte, ob sie irgendetwas tun konnte, dass er nicht mehr so traurig war. Er wollte sein Herz ausschütten und sie schwor sich, immer für ihn da zu sein.

„Mit dir konnte ich immer zufrieden sein, aber es gibt einige, die versuchen unsere Gruppe zu sprengen.“

Miriam klappte den Mund auf und fast wäre ihr ein Wort rausgerutscht.

„Du bist so unschuldig, du siehst das nicht. Manchmal wünschte ich, ich würde nicht in der Verantwortung stehen. Aber ich muss sie bestrafen, der Gruppe willen.“

Patrik erhob sich, Miriam streichelte ihm über den Rücken. Für einen kurzen Moment lächelte er.

An der Tür meinte er: „Du solltest dich von Stefanie fernhalten. Dein Engagement in allen Ehren, aber es können nicht alle gerettet werden. Leider.“

 

 

2

 

Bei der Versammlung deutete Patrik Miriam, sich in die zweite Reihe zu setzen. Das war eine große Ehre, denn dort saß sonst niemand. Zwischen den Oberen ließen die Frauen immer eine Reihe frei, um ihre Demut zu zeigen. Miriam vermutete, dass sie nun die Partnerinnen für ihr vorbildliches Verhalten belohnen wollten. Doch kurz vor der Versammlung war sie immer noch die einzige, die auf dieser Bank saß. Patrik hatte sie damit in eine herausragende Stellung gehoben, wofür sie sehr dankbar war. Miriam drehte sich nur einmal kurz um und sah ein paar argwöhnische Blicke auf sie gerichtet. Auch Stefanie schaute sie neidisch an. Miriam kümmerte sich nicht darum. Die anderen hätten sich mehr anstrengen können, und nach Patriks gestrigen Worten wollte sie sich sowieso von ihrer bisherigen Freundin fernhalten. Sie hatten alle die gleichen Chancen, natürlich nicht die Partnerin von Patrik zu werden, denn er hatte bereits betont, dass er sich niemand anderes wählen würde. Doch die übrigen Oberen waren nicht so stetig in ihrer Wahl. Als Miriam die anderen Frauen betrachtete, erkannte sie wie notwendig Patriks angekündigte Bestrafungen waren. Sie schaute schnell wieder nach vorn und in dem Moment erhob er sich. Ihre Blicke trafen sich kurz und sie spendete ihm ein Lächeln, um ihn zu ermuntern. Auch wenn sie wusste, dass es dieser Geste nicht bedurfte. Er war ein starker Anführer und wusste immer, was für die Gruppe das Beste war, auch wenn ihm die Bestrafungen nicht leicht fielen. Wie groß sein Herz war, wusste Miriam spätestens seit gestern.

Als Patrik ans Pult getreten war, verstummten die, im Flüsterton geführten, Gespräche.

„Meine Freunde, ich danke euch für eure Aufmerksamkeit. Damit bringt ihr mir den Respekt entgegen, den ihr dem Ort der Versammlung scheinbar nicht schenkt.“

Miriam wäre am liebsten in ihrer Bank versunken. Sie wusste, dass sie sich nicht angesprochen fühlen musste, aber sie schämte sich so für die anderen Frauen.

„Noch am gestrigen Abend wäre ich am liebsten über die Bestrafungen hinweggegangen, jetzt sehe ich wie notwendig sie sind.“ Patrik legte eine Pause ein. „Doch eigentlich wollte ich die Versammlung mit etwas Erfreulichem beginnen. Wir ihr wisst, wählen die Oberen an diesem Tag gerne neue Partnerinnen. Wie ich gehört habe, stehen auch heute wieder ein paar Veränderungen an.“

Miriam war sicher, dass es Stefanie treffen würde. Arndt hatte es schon jetzt nicht sehr ernst mit seiner Wahl genommen. Sie war kurz versucht, zu ihr herüberzuschauen, aber dann erinnerte sie sich daran, welche Stellung sie innehatte, und lauschte schnell wieder Patriks Rede.

„Die Entscheidung treffen wir immer an Hand dessen, wer von euch sich am vorbildlichsten verhalten hat. Und natürlich auch wer uns gut gefällt. Ich bin in der glücklichen Lage mir schon seit fast zwei Jahren keine neue Partnerin mehr suchen zu müssen. Es gibt unter den Frauen auch keine, die unsere Werte so verkörpert wie sie und da ist es klar, dass sie mir zusteht. Zudem war ich derjenige, der sie in unsere Gruppe einführen durfte.“

Patrik lächelte und Miriam bewunderte seine geraden weißen Zähne, so dass sie nur halb mitbekam, wie er sagte: „Miriam, würdest du einmal zu mir kommen.“

Die Worte vernahm sie zwar, aber sie wollten in ihrem Kopf keinen Sinn ergeben.

„Du willst doch nicht in diesem Moment das erste Mal Ungehorsam zeigen?“ Doch er lächelte noch immer.

Da erst begriff Miriam, was Patrik von ihr erwartete. Sie beeilte sich aufzustehen und ging mit gesenktem Kopf zu ihm.

„Schau mich einmal an.“

Miriam hob nur ganz langsam ihren Kopf.

„Solange hatte ich noch nie eine Partnerin und auch keiner der anderen Oberen. Und ehrlich gesagt, möchte ich auch keine andere wählen. Du machst mich zu einem glücklichen Mann. Ich kann dir nichts Pompöses bieten, aber ich weiß, dass du zufrieden bist, wenn du nur bei mir bist. Mir geht es genauso und daher möchte ich dich fragen, ob du mit mir einen lebenslangen Bund eingehen möchtest.“

Miriam sagte kein Wort.

„Dass ich alles richtig gemacht habe, beweist du mir damit, dass du selbst jetzt nicht den Mund aufmachst. Aber eine Antwort bräuchte ich schon. Daher sprich und lass dich von den anderen Oberen nicht einschüchtern. Du bist mein.“

Doch Miriam schwieg nicht, weil sie nicht zum Reden aufgefordert worden war, sondern gar nicht begriff, was sie da hörte. Ein lebenslanger Bund? War das so etwas wie eine Ehe? Doch auch so brauchte sie keine Zeit um darüber nachzudenken.

„Ja. Ja, natürlich.“

„Ich danke dir.“ Patrik nahm sie in die Arme und drückte sie an sein Herz. „Du kannst dich nun wieder setzen.“

Miriam schlich zurück zu ihrem Platz. Ihr schwirrte der Kopf und sie hatte Angst gleich umzukippen. Sie schrieb ihren Zustand den verwirrenden Worten zu. Miriam musste sich zusammenreißen, Patriks Rede weiterhin zu folgen.

„Die Zeremonie wird in drei Tagen stattfinden, wenn ich alle anderen Handlungen abgetan habe. Normalerweise könnte nur ich die Zeremonie abhalten, da mir dies aber aus bekannten Umständen nicht möglich sein wird, habe ich meinen guten Freund Arndt gebeten, dies zu übernehmen. Er wird dann mit seiner neuen Partnerin erscheinen, mit der er hoffentlich mehr Glück haben wird als mit der jetzigen.“

Miriam hörte ein kurzes Aufschluchzen von Stefanie. Die restlichen Frauen warfen neugierige Blicke auf Arndt. Patrik vertraute auf seinen Rat und daher war er ein begehrtes Objekt. Miriam wurde klar, dass sie in Zukunft eine noch größere Alleinstellung haben würde als sie sowieso schon hatte. Nur was das für sie und ihr Leben in der Gruppe bedeuten würde, wusste sie noch nicht.

Patrik fuhr fort: „Wie immer werden sich die Oberen noch heute zu ihren neuen Partnerinnen begeben. Ihr wisst wie ihr zeigen könnt, dass ihr bereit seid. Doch jede von euch hat die freie Wahl. Natürlich ist es jedem Oberen gestattet, sich eine neue Gefährtin zu suchen, sofern seine Partnerin nicht seinen und unseren Erwartungen entspricht. Trotzdem habe ich die Hoffnung, dass meine Zeremonie nicht die letzte sein wird. Auf dass unsere Gruppe ein ewiges Leben geschenkt wird.“

Patrik lächelte ein letztes Mal, bevor er ernst wurde. „Das waren die erfreulichen Nachrichten. Ich predige hier schon einige Zeit und weiß, dass die Werte, die ich verkörpere, richtig sind und unserer Gruppe nur Gutes bringt. Doch scheinbar bin ich kein sehr guter Redner.“

Miriam hätte sich am liebsten an Patriks Brust geworfen und ihm gesagt, dass keiner so gut sprach wie er. Stattdessen traute sie sich kaum zu atmen.

„Ich bin gar nicht so streng, wie manch einer von euch denkt. Natürlich verstehe ich, dass man an dem einen oder anderen Tag mal nicht hundertprozentig gehorsam ist. Ich kann sogar nachvollziehen, wenn ihr manchmal unsere Werte in Frage stellt. Aber einen Ungehorsam wie manch eine von euch propagiert und auch noch versucht andere mit reinzuziehen, kann und werde ich nicht dulden. Jede von euch hat sich einst dazu entschieden, nach unseren Werten zu leben. Die Tür ist nicht verschlossen, nur habe ich niemanden durchgehen sehen. Um die Einheit wieder herzustellen, sind gewisse Maßregeln notwendig. Ich bin darüber nicht glücklich, denn Arndts Partnerin wird heute lange auf ihn warten müssen. Und ich werde meine Partnerin erst wieder am Tag der Zeremonie wiedersehen.“

Miriam schreckte auf. Patrik würde zweieinhalb Tage nicht zu ihr kommen. Sie wurde wütend auf die Frauen, die nicht gehorsam waren und ihr damit ihren Partner entzogen.

„Wer einen Zettel von den Oberen erhält, weiß dass er bei mir zu erscheinen hat. Die Uhrzeit wird drauf stehen. Das ist alles was ich euch heute zu sagen habe.“

Miriam war gespannt, wer einen Zettel erhalten würde. Alle anderen Frauen konnten zuschauen, was der Beginn der Demütigung war. Doch als Patrik an ihr vorbeikam, winkte er sie zu sich. Dieses Mal zögerte sie keine Sekunde.

Patrik flüsterte ihr ins Ohr: „Ich bedaure das wirklich. Doch ich möchte nicht, dass du mich nach den Bestrafungen siehst. Nicht vor der Zeremonie. Danach werde ich dich in allem einbeziehen. Begib dich jetzt auf dein Zimmer. Heute wird es kein Abendessen geben. Doch ich lasse dir etwas zukommen.“

Miriam tat wie ihr geheißen. Sie wusste, dass die Kollektivbestrafung die Frauen vor Ungehorsam warnen sollte. Wie versprochen kam der jüngste der Oberen später und brachte ihr ein Abendessen.

Zur Schlafenszeit lag sie wach. Ihr Essen hatte sie kaum angerührt. Im Nebenzimmer hörte sie Stefanie leise weinen. Miriam hatte geahnt, dass sie einen Zettel mit einer der ersten Uhrzeiten erhalten würde. Sie drückte sich ihr Kissen auf das Ohr. Miriam hatte kein Mitleid mit Stefanie.

 

 

3

 

Am Tag der Zeremonie wachte Miriam schon früh auf. Sie hatte erneut schlecht geschlafen. Es fiel ihr schwer ohne Patrik zurechtzukommen. Ihr Essen hatte sie die vergangenen Tage kaum angerührt und ihr war übel. Miriam war froh, dass die Zeit der Trennung nun ein Ende haben würde und es hoffentlich nie wieder eine solche Phase geben würde. Sie konnte ohne Patrik einfach nicht mehr leben.

Auch wenn sie keinen großen Hunger hatte, aß sie im Speiseraum ihr Frühstück, das aus einem Brötchen, ein wenig Butter, einer Scheibe Käse und einem Ei bestand. Die Männer waren wie immer nicht vor Ort. Sie hatte gehofft, Patrik noch einmal vor der Zeremonie zu sehen, aber er hatte selbst gesagt, dass sie sich erst dort wieder treffen würden. Miriam vermied es so gut wie möglich, die anderen Frauen anzuschauen, aber die blauen Flecken und Striemen konnte sie trotzdem sehen. Stefanie hatte ein blaues Auge und ihre Augen waren gerötet. Sie hatte sich ganz ans andere Ende des Raumes gesetzt. Nun wurde auch räumlich klar, dass ihre Freundschaft endgültig zu Ende war. Neben Miriam hatte sich Patrizia, die neue Partnerin von Arndt, gesetzt. Wahrscheinlich erhoffte sie sich dadurch irgendwelche Vorteile, da Miriam heute mit dem Anführer einen Bund schließen würde. Doch sie hatte keinerlei Bezugspunkt zu Patrizia. Sie würde sich anpassen, wenn sie erst wieder mit Patrik zusammen war, würde ihr sicher alles wieder leichter fallen. Trotz dessen dass sich Miriam unwohl fühlte, verweilte sie solange im Speiseraum bis alle fertig waren. Sie nutzte die Zeit dazu, die anderen Frauen zu beobachten. Wenn sie mit Patrik liiert war, würde sie wahrscheinlich so etwas wie ein Bindeglied zwischen ihm und den Frauen werden.

Miriam ging zurück in ihr Zimmer, am Tag der Zeremonie hatte sie keinen Dienst zu verrichten. Ein wenig bedauerte sie es, dann hätte sie wenigstens in den folgenden zwei Stunden eine Ablenkung gehabt. Als sie ihren Raum betrat, lag dort ein längliches Paket. Darauf lag ein Zettel. Miriam sah sofort, dass es Patriks Handschrift war und griff nach dem Papier als wäre es ihr Rettungsanker. Er musste hier gewesen sein, während sie beim Frühstück war. Die Botschaft bestand nur aus ein paar Worten Du hättest in allem gut ausgesehen, aber ich möchte, dass du das hier trägst. Es waren nicht wirklich Worte der Liebe, dennoch küsste sie den Zettel als wäre es Patrik selbst. Miriam fühlte sich sofort besser und öffnete den Karton. In ihm befand sich ein Kleid. Sie hob es ganz vorsichtig heraus, als könne es zerbrechen. Es war ein langes weißes Kleid, mit Muster im Brustbereich, ansonsten ganz schlicht. Miriam stich darüber, der Stoff füllte sich an wie Seide. Sie wollte wissen, wie sie darin aussah und probierte es sogleich an. Es passte wie angegossen, nur im Bauchbereich spannte es ein wenig. Miriam glaubte, dass sie zugenommen hatte, obwohl sie, so wenig wie sie die letzten Tage gegessen hatte, eigentlich hätte abnehmen müssen. Dann zog sie ihren Bauch halt für ein paar Stunden ein, wie schlimm konnte das schon sein. Miriam drehte sich ein paar Mal um die eigene Achse und wollte nun nur noch zu Patrik. Noch war es nicht Zeit, daher versuchte sie ihre Haare so gut wie möglich in ihrem Haargummi zu ordnen. Sie wollte so schön für ihn sein wie sie es nie gewesen war.

Zu der angegebenen Zeit wurde Miriam von Patrizia abgeholt.

„Du siehst gut aus“, sagte die neue Partnerin von Arndt.

„Danke.“ Miriam lächelte.

Bisher hatte sie Patrizia als arrogant empfunden und nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht war. Vielleicht hatte Miriam sie falsch eingeschätzt. In nächster Zeit würde sie wahrscheinlich mehr mit ihr zu tun haben. Sie würde es Patrik überlassen, ob sie mehr mit Arndts Partnerin in Kontakt treten sollte.

Auf dem Weg zum Versammlungsort wurde Miriam immer nervöser und sie bekam wackelige Knie. Sie hatte Angst sich gleich übergeben zu müssen. Als sie den Raum betrat, waren alle Augen auf sie gerichtet. Auch Patrik schaute in ihre Richtung. Miriam wollte den Kopf senken, aber es gelang ihr nicht. Bei ihm angekommen, zog er sie sofort an sich, hielt dann aber wieder einen Meter Abstand.

„Lass mich dich betrachten.“ Patrik nahm sie wieder in die Arme und sagte leise: „Du bist wunderschön. Das Kleid steht dir hervorragend. Aber du bist ein wenig blass. Sag mir was dich bedrückt.“

„Ich bin ein wenig aufgeregt. Ich habe dich vermisst.“ Eine Träne bahnte sich ihren Weg und Miriam senkte sofort ihren Kopf. Sie hatte keine Ahnung, warum sie jetzt weinen musste und schon gar nicht wollte sie, dass Patrik es sah.

Er schob ihren Kopf sofort wieder nach oben, wischte ihr die Träne aus dem Augenwinkel und lachte.

„Ich fand die Zeit ohne dich auch schwer. Aber an einem solchen Tag sollte man eigentlich lächeln.“

Miriam schaute in die strahlenden Augen von Patrik und lächelte.

„So gefällst du mir besser. Ich verspreche dir, dass wir schon sehr bald mehr Zeit füreinander haben.“

Nach diesen Worten nickte Patrik Arndt zu.

Dieser begann seine Rede: „Es ist mir eine große Ehre, die heutige Zeremonie für meinen guten Freund zu halten. Ich kann verstehen, dass er Miriam zu seiner lebenslangen Partnerin macht. Ich hätte sie auch gerne gehabt, aber sie gebührt natürlich Patrik. Mit Demut für das gemeinsame Ziel, für dieses Motto hat nie jemand so sehr gestanden wie Miriam. Und auf der anderen Seite unser großartiger Anführer. Möge diese Partnerschaft unserem Bund ein ewiges Leben schenken.“

Patrik und Miriam tauschten keine Ringe, stattdessen schob sie ihm mit bebenden Fingern ein weißes Armband über, an dem ein kleiner Stock befestigt war. Im Gegenzug erhielt sie von ihm eines mit Handschellen. Für Miriam war es immer noch ein wenig unwirklich, dass sie gerade den allerersten lebenslangen Bund in ihrer Gemeinschaft schloss. Es war mehr als sie sich je hätte vorstellen können.

Dass es tatsächlich so war, bewiesen Arndts Worte. „Es ist vollbracht.“

Patrik küsste sie auf den Mund und hielt sie einige Zeit in den Armen. Danach verließen sie Hand in Hand den Raum. Alle Frauen blieben respektvoll sitzen und senkten ihre Köpfe. In einigem Abstand folgten ihnen die übrigen Oberen, allen voran Arndt.

Miriam rechnete damit, dass einer von ihnen sie wieder auf ihr Zimmer bringen würde. Doch Patrik meinte zu ihr: „Du kommst jetzt erst einmal mit zu mir. Die Zeiten, in denen ich nur zu dir gekommen bin, um mich zu befriedigen, sind jedenfalls vorbei. Eine kopfsenkende Partnerin möchte ich nicht.“

Miriam schaute ihn mit großen Augen an. Sie hatte keine Ahnung, wovon er sprach.

„Keine Angst, ich werde dir alles erklären, was ich von dir erwarte und ich bin mir sicher, du wirst alles zu meiner Zufriedenheit erfüllen. Wie immer.“ Patrik zog sie an sich. „Zusammen werden wir Großes erreichen. Aber jetzt haben wir uns erst einmal ein bisschen Zweisamkeit verdient, findest du nicht?“

Miriam nickte, woraufhin Patrik sie mit einem durchdringenden Blick anschaute. Schnell sagte sie: „Ja, das wird sicher schön.“ Ein Lächeln schob sie hinterher.

Patrik grinste sie an: „Du lernst schnell, ein Grund, warum ich dich ausgewählt habe.“

Als sie an einem Raum anhielten, wurde Miriam nervös. Sie hatte noch nie Patriks Zimmer betreten. Keine der Frauen hatte das jemals. Den Raum sauber halten musste der Jüngste der Oberen, der ihr vor ein paar Tagen das Essen gebracht hatte. Dies hier war so etwas wie ein Heiligtum, das sie gleich betreten würde.

Patrik schloss auf, machte eine präsentierende Handbewegung und sagte: „Willkommen in meinem Reich.“

Miriam betrat hinter ihm den Raum und senkte nun doch wieder automatisch demütig den Kopf. Sie schaute sich um, alle Möbel waren in Weiß gehalten und nur ein paar Grünpflanzen bildeten Farbtupfer.

„Wow“, entfuhr es ihr.

„Schön, dass es dir gefällt. Ich dachte schon, es wäre dir vielleicht ein wenig zu farblos.“

„Das Weiß drückt unsere Reinheit aus, die wir aber nur erreichen können, wenn wir dir folgen. Denn du allein weißt immer, was für uns richtig ist.“

„Das hast du gut erkannt. Aber wir wollen uns am heutigen Tage doch nicht über Raumgestaltung unterhalten, oder?“

Patrik zog Miriam das Kleid und die Unterwäsche aus und entledigte sich dann auch seiner Kleidung. Nachdem er gekommen war, lag sie freudestrahlend in seinen Armen. Das Glück hier in seinem Reich zu sein, machte sie sprachlos. Patrik streichelte über ihren Bauch. Miriam fragte sich, warum er dies wohl tat. Wahrscheinlich hatte er auch bemerkt, dass sie zugenommen hatte, aber es schien ihn nicht zu stören.