Lisa-Marie Hartung

Secrets

Das dritte Geheimnis
Natascha & Kornelius

Was das Herz verlangt, kann man

weder beeinflussen, noch kontrollieren.

Man kann es nur zulassen

oder daran zu Grunde gehen.

Prolog – Der Anfang

Natascha fand die neue Schule gleich klasse. Das war doch mal was anderes. Nachts Unterricht anstatt tagsüber. Zufällig hatte sie die Anzeige dieser Schule bei der Internetsuche nach neuen Zombie-Games gesehen.

Da ihre Eltern mal wieder in einer Lebenskrise steckten, fanden sie die Idee super, dass sie auf ein Internat gehen wollte. Noch besser fanden sie ja, dass sie es selbst vorgeschlagen hatte.

Tja, ein Problem weniger. Und sie hatten ihre Ruhe. Natascha auch. Am besten war ja der Moment, als sie ankam. Ein riesiges Tor empfing sie mit zwei Wachen davor. So richtig schön schaurig. Begeistert ließ sie sich kontrollieren und bestaunte den riesigen Campus.

Ihre Eltern hatten ihre Faszination für alles Dunkle und Schaurige nie verstanden. Immer hieß es: trag doch nicht immer so komische Sachen (Shirts mit Blutflecken, Totenköpfen und Einschusslöchern). Du bist doch ein Mädchen, benimm dich doch auch so und das Beste: Kannst du nicht normal sein?

Ja, kannst du nicht normal sein. Toller Spruch, echt klasse. Natascha hasste ihn aus tiefstem Herzen. Wer wusste schon, was normal war? Vielleicht war sie ja auch normal und alle anderen nicht? Wer konnte schon sagen, was stimmte und was nicht?

Ihre Eltern meinten es nicht böse, das wusste sie genau. Sie war halt einfach nur nicht das, was sie sich unter ihrer kleinen, süßen Tochter vorgestellt hatten.

Schon früh, ungefähr in der Grundschule, hatte Natascha damit angefangen, sich zu weigern Kleider zu tragen und generell die Farbe Pink auch nur anzufassen. Schnell war sie auf die Computerspielschiene gerutscht und hatte dadurch mehr männliche Freunde als weibliche.

Na gut, eigentlich hatte sie nie Freundinnen gehabt. Sie kam halt mit dem ganzen Schickimicki nicht klar. Was interessierte es sie, wenn sich ein Star trennte? Glück für den einen, Pech für den anderen. Erstens private Sache dieser Personen und zweitens nicht ihr Problem.

Auch ihr Stil war mal so gar nicht mädchenhaft. Weswegen die meisten Weiber gleich schon einen riesigen Bogen um sie machten und tuschelten.

Ihr egal. Sie war so, wie sie war und das war auch gut so. Natascha stellte es sich ziemlich langweilig und beklemmend vor, immer das tragen zu müssen, was gerade in war. Oder jeden Modetrend mitmachen zu müssen. Aber diese Schule, die war alles, was sie sich je hätte wünschen können!

Sie war zwar kein altes Schloss oder eine Festung. Ganz im Gegenteil. Moderne Bauten und ein gepflegter Rasen. Aber ein riesiger Wald umschloss sie und warf seine Schatten auf das Schulgebäude.

Es war zwar schlicht, aber eine dunkle Aura lag über dem Ganzen und weckte ihre Neugier. Am liebsten hätte sie ihre Koffer einfach in die Ecke geschmissen und wäre losgezogen, die Schule zu erkunden.

In dem Moment kam aber auch schon eine freudig strahlende Frau auf sie zugerannt. Es war die Direktorin Mrs. Ducan.

Dann ging alles ganz schnell. Sie musste die Schulordnung unterschreiben, wurde durch endlose Gänge geführt und stand schließlich vor ihrer Klassentür. Sie war irgendwie einen Tag zu spät dran.

Aber das machte das Ganze noch besser. Es war fast wie in einem ihrer Spiele. Die unschuldige, ahnungslose neue Schülerin rannte in ihr Verderben.

Die Direktorin öffnete die Tür. Leider quietschte sie nicht. Schade.

Gespannt trat Natascha hinter Mrs. Ducan ein.

Rolf Turner, ein schlaksiger junger Mann mit fuchsroten Haaren, wurde ihr als neuer Klassenlehrer vorgestellt. Er schien nett zu sein. Auch, wenn seine Augen kurz aufblitzten, als er sie sah. Skeptisch musterte sie ihn genauer, konnte aber nichts Außergewöhnliches erkennen. Etwas enttäuscht drehte Natascha sich schließlich zu der Klasse um. Alle starrten sie an. Eine dunkle Stimmung lag über der Klasse. Kalte Gänsehaut kroch ihren Nacken empor.

Fantastisch.

Ihr Blick schweifte über die Schüler. Sie sahen alle ganz normal aus. Mädchen, Jungen. Eine ganz normale Klasse. Doch die Atmosphäre stimmte nicht. Sie war zu dunkel, zu gedrückt. Zu angespannt.

Gerade wollte Natascha sich wieder der Direktorin zuwenden, welche die ganze Zeit am Reden war, da traf ihr Blick auf pures Gold. Gefesselt sah sie in diese schimmernden, glänzenden Augen. Und verlor sich darin. Einfach so, von jetzt auf gleich, war es geschehen. Diese Augen. Sie hatten ihr ihre Seele gestohlen.

Hinter ihr brabbelte die Direktorin immer noch herum. „Ich würde sagen, du setzt dich nach hinten zu Kornelius“, rissen sie die Worte ihres neuen Klassenlehrers aus ihrer Trance. Natascha verlor die goldenen Augen aus dem Blick.

„Morgen wirst du dann deine Bücher bekommen“, fügte er noch hinzu.

Verwirrt stellte sie fest, dass sie diese Augen nicht mehr finden konnte. Aber … eben waren sie doch noch da gewesen! Entweder die Person hatte den Kopf auf einmal gesenkt oder … mied ihren Blick absichtlich. Damit sie ihn nicht mehr fand. Betrübt sah Natascha schließlich nach ganz hinten, entdeckte den letzten leeren Platz, der noch übrig war und trottete los. Warum hatte sie sich auch nicht gemerkt, wo in der Masse diese Augen gewesen waren? Natascha wusste nicht einmal mehr, ob sie sie vorne oder hinten gesehen hatte. Links oder rechts. Derart in ihre Gedanken versunken, bemerkte sie nicht, neben wen sie sich da setzte.

„Kornelius, lass sie mal mit ins Buch schauen.“

Ihre trüben Gedanken abschüttelnd, richtete Natascha ihren Blick auf den Jungen neben sich. Dem Goldjungen konnte sie auch noch später auf die Pelle rücken.

Und schon trafen ihre Augen wieder auf Gold und ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. Obwohl … der Junge wollte so gar nicht zu seinen mysteriösen Augen passen. Groß, eher dürr als dünn, mit verstrubbelten braunen Haaren und einer dunklen Nerdbrille.

Zu spät merkte sie, dass sie ihn zu lange angesehen hatte.

Seine Augen blitzten.

Kornelius also.

1 - Heute

„Hey, komm mit. BITTE!“, quengelte Natascha neben ihm. Kornelius seufzte.

„Ich kann nicht“, wehrte er ab und ging weiter, die Hände voller Kabel. Er verstand sie einfach nicht. Sie befanden sich in einer Ausnahmesituation und sie wollte, dass er sie zum Shoppen begleitete. Es war einfach nicht zu fassen.

„Honey, bitte!“, quengelte sie weiter.

Und immer diese Spitznamen!

„Wir müssen unseren Stützpunkt aufbauen, nicht shoppen gehen. Ich habe zu tun!“, machte er ihr klar und beschleunigte seinen Schritt. Erst blieb sie wie angewurzelt stehen und er dachte schon, er wäre sie endlich los. Doch da sprang sie schon wieder an seine Seite.

Sie befanden sich immer noch mitten in den Ferien. Die Ältesten waren gerade mal einen Tag lang abgereist und die Vorbereitungen liefen schon auf Hochtouren. Die Schule würde sich in eine Art Festung verwandeln.

Eine Festung gegen Gabriel du Crain.

Dantes Bruder.

Kornelius hatte nie viel mit ihm oder den anderen Vampiren zu tun gehabt. Im Ganzen hielt er sich immer eher etwas abseits. Er selbst war auch irgendwie, über mehrere Ecken, adlig. Weswegen er als einer der ersten Schüler in diese Schule gekommen war. Aber er mochte diese Gesellschaft nicht. Jeder war immer so hochnäsig und von sich selbst eingenommen.

Er war vielleicht in diese Rolle hineingeboren worden, aber sie konnten ihn nicht zwingen, sie auch anzunehmen.

Vor allem, wenn er sich Dantes Eltern mal so ansah. Oder Anakins. Sie waren die Höchsten in ihrer Hierarchie, aber ihr Charakter war ganz unten.

Er hatte das letzte Jahr über den ganzen Trubel um die neue Schülerin, Hope MacLee, sehr wohl mitbekommen. Doch er hätte sich niemals ausmalen können, dass es sich zu so einem Desaster entwickeln würde.

„Wie kann ich meinem Lieblingsghul denn helfen?“, wollte Natascha neben ihm wissen und strahlte ihn aus rehbraunen Augen an.

Genervt verdrehte er die Augen und gab ihr einige Kabel ab, damit sie die Klappe hielt.

Und da war sie.

Natascha Griffiths. Der Mensch der Ghule.

Und seine ganz spezielle Last.

Seit ihrem ersten Tag an dieser Schule war sie ihm auf die Pelle gerückt und hatte sich wie eine Klette an ihn gehängt. Am Anfang fand er das ja noch ganz lustig, auch, wenn er mit seinem Hunger stark zu kämpfen gehabt hatte, aber nun war es einfach nur lästig.

Sie hatte schon im ersten Monat herausgefunden, was sie waren. Kein Wunder bei ihrer Leidenschaft.

Sie liebte Zombies, Untote und wandelnde Leichen jeder Art. Es war schon fast unheimlich, welche Faszination sie für diese Sachen hatte.

Sie und er waren zu dem Spezialteam der Schüler berufen worden, das gegen Gabriel in die Schlacht ziehen würde. Noch immer wunderte er sich, wie viel Schaden ein einzelner Vampir anrichten konnte.

Natascha war wegen ihres fotografischen Gedächtnisses mit ins Team gekommen und er wegen seinen technischen Fähigkeiten. Nur deswegen war er auch überhaupt auf dieser Schule. Weil seine Eltern ihn nicht um sich haben wollten, weil er keinerlei Interesse an politischen Sachen zeigte und stattdessen tagelang in seinem Zimmer blieb und programmierte.

Da war ihnen das Anschreiben der Schule nur recht gewesen. Sie waren die Elitetruppe, welche aus den ranghöchsten der Mythenwelt bestand. Die ersten ihrer Art, die zusammen mit Menschen unterrichtet wurden. Sie waren das Paradebeispiel. Wenn bei ihnen alles gut ging, würde es in den nächsten Jahren noch mehr Schulen geben wie Secrets.

Er selbst konnte sich ziemlich gut beherrschen. Einfach jeden Morgen so viel essen, bis man drohte zu platzen und dann immer weitermachen, nicht daran denken.

Bei einer Gesellschaft wie Natascha ganz leicht.

„Wozu brauchst du das denn alles?“, wollte sie wissen. Er verkniff sich ein Seufzen und suchte nach Worten, die auch sie verstehen würde. Natascha hatte nämlich keine Ahnung von Technik.

„Ich muss noch ein paar Teile anschließen. Für die Kameras und so“, meinte er schließlich.

„Ach so“, erwiderte sie eher gelangweilt. Und dennoch blieb sie bei ihm. Er verstand sie einfach nicht.

Gemeinsam trugen sie nun die Kabel in einen umgewandelten Biologiehörsaal. Hier waren alle Möbel entfernt und dutzende Computer und Bildschirme aufgestellt worden. Tausende von Kabeln führten in den Raum. Jedes gehörte zu einer Kamera, die das Gelände absuchte. Zu jeder Kamera gab es noch Bewegungsmelder und eine Wache, die vom Rat gestellt wurde. Dante hatte im letzten Jahr schon Männer aus seinem privaten Wachdienst, der die Familie du Crain schützte, abgezogen, um Hope zu beschützen. Doch das würde nun bei Weitem nicht mehr reichen.

„Boah! Ist das ein Kabelsalat!“, meinte Natascha neben ihm und riss ihn aus seinen Gedanken. Da hatte sie recht. Und er musste sich um eben diesen Kabelsalat kümmern. Alleine.

Es war zum Verzweifeln. Besonders, da die Direktorin ihm im Nacken saß, er solle endlich fertig werden. Seufzend zeigte er Natascha, wo sie die Kabel ablegen konnte und machte sich an die Arbeit. Dabei ignorierte er sie, während sie sich im Raum umsah.

„Was ist das?“, fragte sie. Genervt sah er auf. Sie zeigte auf einen Bildschirm, der momentan noch ausgeschaltet war, aber zu dem der größte Teil der Kabel führte.

„Das ist der Hauptrechner. Darauf laufen alle Überwachungsvideos und können von dort verteilt und zurückverfolgt werden“, klärte er sie auf und widmete sich wieder seiner Arbeit.

„Und das?“, kam es da wieder von ihr. Kurz schloss er die Augen. Nur nicht durchdrehen.

„Das ist eine der Festplatten, die alle Daten sichert“, informierte er sie. Sie nickte, verschränkte die Arme hinter dem Rücken und wanderte weiter durch das Zimmer. Tatsächlich schaffte sie es eine halbe Stunde lang die Klappe zu halten und Kornelius konnte die Hauptkabel in Ruhe verbinden. Bei dem ganzen Gewirr musste er sich ständig konzentrieren, damit er nicht vergaß, wohin welches Kabel führte. Nur ein Fehler und er konnte alles noch einmal von vorne machen.

„Natascha?“, fragte er schließlich und sie war sofort bei ihm.

„Was ist, Cutie?“, fragte sie und sah ihn hoffnungsvoll an. Auf den Kosenamen reagierte er einfach gar nicht mehr. „Kannst du dir mal was merken?“, fragte er und hielt drei Kabel hoch.

„Merk dir, dass das Kabel für den Rechner dort ist, das hier zu der Festplatte gehört und das weiße muss nach dort drüben.“

Er wies durch das Zimmer. Sie folgte seinen Bewegungen mit den Augen und nickte.

Gut, dann konnte er sich um die restlichen zwanzig Kabel kümmern. Zunächst verband er alle Kameras mit dem Hauptrechner. Dann kamen die Festplatten dran.

„Was war noch mal das rote Kabel?“, murmelte er vor sich hin. Gar nicht gut. Er hatte den Faden verloren.

„Das war das für den Bewegungsmelder am Schultor“, meinte Natascha da. Überrascht sah er auf. Das hatte er ihr gar nicht gesagt.

„Du murmelst vor dich in“, klärte sie ihn auf und beugte sich über seine Schulter zu den Kabeln hinunter. Der Reihe nach wies sie darauf.

„Das ist das vom Schultor mit der Kamera, die du vergessen hast. Dann kommen der Eingangsbereich und die automatische Verriegelung, die hier liegt.“

Sie zog ein verstecktes Kabel aus dem Haufen.

„Hier haben wir die Kameras im Wald, die du extra verbinden wolltest, oder so?“, sie sah ihn fragend an und er nickte. Verblüfft musterte er sie. Natascha war wohl der nervigste, komplizierteste und komischste Mensch, den er je getroffen hatte, doch sie hörte zu. Und sie half immer, egal ob man sie fragte oder nicht.

„Das Kabel in deiner Hand gehört glaube ich zu der Sprechanlage am Schultor“, schloss sie und lehnte sich wieder zurück. Da schwebte ihm der Geruch von Zimt und Orangen in die Nase. Der Hunger in ihm erwachte. Mühsam drängte er ihn zurück und bedankte sich. Sie lächelte bescheiden.

Das brachte ihre braunen Augen zum Glänzen und Leben durchströmte sie. Wenn sie lächelte, blühte sie auf. Sie war wunderschön. Erneut rüttelte der Hunger an ihm und er wandte sich ab.

Er war ein Ghul. Was hieß, er musste Menschenfleisch essen, um überleben zu können. Regelmäßig verzehrt, konnte man den Hunger im Zaum halten und ein fast normales Leben führen.

Zum Glück war die Forschung ihrer Spezialisten so weit fortgeschritten, dass sie nun synthetisches Fleisch herstellen konnten und nicht mehr auf den ‚Rohstoff‘ von echten Menschen angewiesen waren. Wie die Vampire bekamen die Ghule jede Woche ein Päckchen zugeschickt, indem sich die Nahrung für sieben Tage befand. Jedoch konnten die Ghule kaum menschliches Essen zu sich nehmen, wie es die Vampire konnten. Lediglich flüssige oder sahnige Sachen, wie Joghurt und Eis waren in Ordnung. Aber andere Nahrung vertrugen sie gar nicht. Kornelius presste die Lippen fest aufeinander und konzentrierte sich.

Auch waren Ghule nicht diese hirnlosen Monster, die nach menschlichen Gehirnen lechzten. Sie waren im Grunde ganz normal, nur dass sie menschliche Lebensmittel nicht vertrugen. Man konnte es also praktisch als eine Art Allergie bezeichnen. Irgendwie.

Er vermied es meist darüber genauer nachzudenken. „Bist du jetzt fertig?“, rissen ihn Nataschas Worte erneut aus seinen Gedanken. Verwundert sah Kornelius auf seine Hände. Tatsächlich hatte er alle Kabel angeschlossen. Aber die Hauptarbeit stand erst noch an. Er musste noch die Programme einrichten, alles einstellen und aufeinander abstimmen.

Es würde Tage dauern, wenn nicht Wochen.

Doch er sah Nataschas hoffnungsvollen Blick, sah die Sonne, die schon am Untergehen war. Sie war die ganze Zeit bei ihm geblieben und hatte ihm geholfen. Wäre sie nicht dagewesen, hätte er noch einmal von vorne anfangen können und wäre noch immer nicht fertig.

Seufzend erhob er sich also.

„Ja, ich bin fertig“, sagte er, was sie hören wollte und lächelte leicht. Sie sprang begeistert auf.

„Super! Wenn wir uns jetzt beeilen, können wir noch eine Stunde shoppen gehen!“, freute sie sich und griff nach seiner Hand. Dies tat sie so selbstverständlich, dass es ihn nicht mal störte.

Und so landete er eine halbe Stunde später in einem Computerladen vor den Konsolenspielen. Damit er sich nicht mehr ganz so fehl am Platz fühlte, sah er sich die Cover an und las auch mal die Beschreibung auf der Rückseite. Manche Spiele schienen gar nicht mal so schlecht zu sein.

Natascha neben ihm war da ganz anderer Meinung.

„Die haben schon wieder ein neues Spiel draußen? So schlecht, wie diese Animationen gemacht waren, gehören sie rausgeworfen!“, beschwerte sie sich und sah suchend in seine Richtung. Neugierig besah sie sich den Titel des Spiels, das er gerade in den Händen hielt.

„Oh, das sieht aber gut aus, lass mal sehen“, forderte sie ihn auf, stellte sich hinter ihn, ging auf die Zehenspitzen und sah über seine Schulter, um mitzulesen. Dabei legte sie ihre Hände auf seinen Arm, damit sie nicht das Gleichgewicht verlor. Sie war ihm nun ganz nah und erneut strömte ihm der Geruch von Zimt und Orange in die Nase. Seine Augen schlossen sich von ganz allein. Der Hunger blieb dieses Mal wo er war und er konnte den Moment genießen.

Natascha beugte sich noch etwas weiter vor und ihre Wangen berührten sich fast. Irgendwie wurde er seltsam befangen …

„Was?!“, kreischte sie ihm so plötzlich ins Ohr, dass er heftig zusammenfuhr und ein schrilles Klingeln hörte. Fluchend zuckte er zurück und rieb sich das misshandelte Körperteil. Ihretwegen würde er noch einmal einen Hörsturz erleiden!

„Das gibt es doch nicht! Das die noch mal ein Spiel rausbringen! Ich LIEBE diese Serie!“, kreischte sie begeistert und sprang durch die Gegend. Alle im Laden anwesenden Leute sahen sie an. Manche grinsten, andere sahen irritiert in ihre Richtung. Kornelius schüttelte nur den Kopf. Ihn wunderte schon lange nichts mehr, wenn es um Natascha ging.

„Du bist mein Held!“, kreischte sie da und stürzte sich auf ihn. Bevor er es verhindern oder auch nur reagieren konnte, hatte sie ihm schon einen Kuss auf die Wange geschmatzt und war freudig vor sich hin blubbernd zur Kasse gestürmt. Verwirrt sah er ihr nach. Er hatte doch gar nichts gemacht?

Natascha schwebte im siebten Himmel. Sie besaß nun das Spiel, dessen Vorgänger ihr Leben verändert hatte. Es war das erste Zombiespiel gewesen, das sie jemals gespielte hatte, weswegen sie zum absoluten Fan dieser wandelnden Leichen geworden war.

„Das gibt es doch nicht!“, wiederholte sie mindestens schon zum zehnten Mal und konnte es doch noch immer nicht fassen. Kornelius, der neben ihr lief, schwieg beharrlich. War es ihm peinlich, dass sie vorhin so ausgerastet war?

Sie hatte aber einfach nicht anders gekonnt! Das Spiel war ihr Leben gewesen und jetzt gab es einen Nachfolger!

Damit er nicht mehr böse auf sie war, hakte sie sich bei ihm unter und dirigierte ihn zielsicher zu der nächsten Eisdiele.

Sie hatte schon ziemlich schnell begriffen, dass er ihre Gefühle nicht erwiderte. Meist schien er sie nicht einmal zu verstehen. Doch Natascha blieb einfach bei ihm und verbrachte so viel Zeit mit ihm, wie sie nur konnte.

Ihr Herz war bei weitem nicht gebrochen oder so. Sie hoffte einfach, dass er irgendwann begriff, was sie für ihn empfand, seit sie ihn das erste Mal gesehen hatte. Irgendwie waren sie dabei zu richtig guten Kumpels geworden. Natascha konnte sich zwar nicht davon abhalten, ihm näher sein zu wollen, doch sie zerstörte ihre ‚Beziehung‘ nicht, in dem sie zu offensichtlich zeigte, was sie wirklich alles für ihn empfand. Nur die Kosenamen legte sie ihm als Hinweis hin.

„So, Sweetheart, was willst du denn haben?“, fragte sie ihn und sah ihn unschuldig an. Er verdrehte die Augen und sie lachte leise. So war es immer und sie liebte es. Also schlenderten sie nun jeder mit einem Becher Eis in der Hand zum Bus. Es war schon dunkel geworden und Secrets würde in den nächsten Minuten erwachen. Natascha war müde. Sie würde erst einmal schlafen gehen und dann eventuell noch einmal bei den anderen reinschauen. Zwar fand sie diesen Unterricht in der Nacht cool, aber manchmal kam sie mit der Umstellung auch nach drei Jahren noch nicht so ganz klar. Gähnend hakte sie sich erneut bei Kornelius ein und lehnte sich leicht an ihn. Er zeigte keine Reaktion. Aber das war in Ordnung. Irgendwann würde er es verstehen.

War Natascha eben noch müde gewesen, so weckte sie ein Blick auf das Plakat vor ihr sofort wieder auf. Es war eine Werbeaktion von einem Paintballspiel. Sofort zerrte sie Kornelius mit sich. Dieser schnappte erschrocken nach Luft und hätte fast sein Eis fallen lassen.

„Was ist denn?“, wollte er wissen und sah sich erschrocken um.

„Da! Da will ich hin!“, sagte sie begeistert und fuchtelte in Richtung des Plakats. Er runzelte die Stirn.

„Gehst du mit mir da hin?“, fragte sie hoffnungsvoll und sah ihn mit ihrem unschuldigsten Blick an, den sie drauf hatte. Mürrisch sah er erst zu ihr, dann zum Plakat und wieder zurück.

Schließlich seufzte er und sie wusste, dass sie gewonnen hatte.

„Von mir aus, aber nicht heute“, lenkte er ein und zog sie vom Plakat weg.

„Danke!“, freute sie sich und machte schon Pläne.

Sie könnten erst noch in einen Film gehen und dann das ganze angestaute Adrenalin wieder loswerden, wenn sie sich gegenseitig mit bunten Farbkugeln abschossen.

Es wäre eine Art Date.

Freude machte sich in Natascha breit. Bisher hatte sie ihn noch nie dazu bekommen, irgendwo anders mit ihr hinzugehen, als in die Stadt. Es wäre eine Premiere.

Er konnte einfach nicht fassen, dass er zugestimmt hatte. Paintball. Ausgerechnet Paintball.

Hätte sie nicht einen Kinofilm oder sonst was vorschlagen können? Da hätte er wenigstens noch interessiert tun oder schlafen können.

Doch bei Paintball musste man rennen, sich verstecken, achtsam sein und schießen.

Dabei wollte er nur seine Ruhe, wenn er die Arbeit in der Schule hinter sich hatte.

Zwar waren nun noch immer für knapp zwei Wochen Ferien, doch dann würde es wieder losgehen.

Und er hätte noch mehr Arbeit, auf die er sich konzentrieren musste.

Doch Kornelius hatte das Leuchten in ihren Augen gesehen und einfach nicht anders gekonnt.

Normalerweise redete er sich ohnehin schon aus jeder Veranstaltung heraus, die sie ihm aufquatschen wollte. Also war es wohl nur fair, wenn er nun einmal ja sagte. Die Befürchtung, dass es bei dem einen Mal nicht bleiben würde, beschlich ihn.

Dafür kannte er Natascha einfach zu gut.

Seine Überlegungen wurden je unterbrochen, als sie durch die großen Schultore traten und schon von weitem den Streit hörten.

Natascha sah ihn nur kurz an, dann rannte sie los.

Und er hinterher.

Es dauerte nicht lange und sie hatten die Quelle des Lärms gefunden. Es war Dante.

Oder vielmehr Dantes Eltern. Noch genauer, Dantes Mutter.

Sie und ihr Mann waren in den Ferien angereist, um im Rat der Ältesten zu sitzen. Nun waren sie noch immer da, obwohl die meisten der Ältesten schon wieder abgereist waren.

Und schrien ihren Sohn an.

Dante verhielt sich wie immer. Die Hände lässig in den Hosentaschen vergraben, schien er seiner Mutter nicht einmal zuzuhören. Doch seine Augen sprühten vor Wut. Auch er würde gleich in die Luft gehen.

Vorsichtshalber ergriff Kornelius Nataschas Hand und zog sie ein Stück zur Seite.

„Wie kannst du es wagen, dich mit einem Halbblut einzulassen? Hast du auch nur EINMAL an unseren Ruf gedacht? Nachdem was schon mit deinem Bruder geschehen ist, dachte ich, du hättest wenigstens ETWAS Verstand!“, schrie sie ihn an.

Da flog Dantes Blick zu seiner Mutter und heftete sich ganz fest auf ihre Augen. Er sah aus wie eine Schlange. Kurz bevor sie zuschnappte.

Kornelius Griff um Nataschas Hand wurde noch fester. Wenn sie dort nun hineinrannte, würde es unschön enden. Zum Glück machte sie keine Anstalten, loszurennen, wie vorhin.

„Was ich mir gedacht habe?“, knurrte Dante tief in der Brust und seine Mutter zuckte erschrocken zurück.

„Was ich dachte? Ich weiß es nicht genau. Vielleicht, dass ich sie liebe? Dass ich nicht mehr ohne sie sein kann?

Dass es mich zerreißt, wenn ich sie traurig oder verletzt sehe? Dass ich ihr alles geben würde, nur damit sie lacht?“

Ein spöttischer Ausdruck trat in sein Gesicht.

„Bestimmt nicht. Denn ich habe nur daran gedacht, unseren Ruf noch weiter in den Schmutz zu ziehen. Nur daran gedacht, euch den Sitz im Rat wegzunehmen, damit die Falkos die ganze Macht haben! Nur daran habe ich gedacht, Mutter!

Das letzte Wort klang wie ein Fluch.

Überrascht über Dantes plötzliche Heftigkeit legte Kornelius den Kopf schief.

Denn da war der Vampir vor ihm schon wieder die Ruhe selbst. Nur seine Augen glühten noch in einem unheilvollen Leuchten.

Als seine Mutter erneut ansetzte zu sprechen, hielt ihr Mann sie zurück, ergriff ihre Hand und verflocht die Finger mit ihren. Wortlos ließ sie sich nach einem langen Blick auf ihren Sohn von ihm davonziehen.

„Was für eine verrückte Familie“, erklang Nataschas Stimme und Kornelius drehte sich zu ihr um. Überrascht stellte er dabei fest, dass er noch immer ihre Hand fest ergriffen hielt. Schnell ließ er sie los.

Sie schien davon nichts bemerkt zu haben.

„Mhm“, murmelte er nur und wandte sich wieder zu Dante um. Doch dieser war nicht mehr allein. Hope war zu ihm getreten und nur ihre bloße Anwesenheit machte einen ganz anderen Menschen … äh Vampir aus ihm. Jegliche Wut und aufgekommene Brutalität waren aus seinem Gesicht gewichen.

Zärtlich strich Dante seiner Freundin durchs Haar und sie lachten.

Das etwas so Einfaches wie Liebe eine Person derart verändern konnte.

„Hi, Valentin!“, riss Natascha ihn schon im nächsten Moment aus seinen Gedanken. Verdammt, er war schon wieder abgeglitten.

Tatsächlich kam der Anführer der Gestaltwandler der Schule auf sie zu. Dabei wirkte er etwas gestresst. Bestimmt verhieß das nichts Gutes.

„Hi, ihr beiden“, grüßte er und blieb vor ihnen stehen. Valentin war eine beeindruckende Gestalt. Halb Löwe, halb Tiger vereinte er zwei Tierwesen in sich. Was ihn noch größer und angsteinflößender machte als die anderen Wandler. Dazu noch diese übernatürlichen Augen und das Bild war perfekt.

„Mrs. Ducan hat eine Konferenz einberufen. Wir sollen alle zusammenkommen, um die Pläne noch einmal durchzugehen.“

Was noch mehr Arbeit für Kornelius bedeuten würde. Seufzend blickte er in den Himmel. Die Sonne war gerade untergegangen.

Und der Hunger fraß schon an der Oberfläche. Mit angespanntem Gesicht verfolgte er, wie Valentin auch zu Hope und Dante ging, die sich ihnen anschlossen.

Auch Valentin hatte seine Gefährtin gefunden und nur durch die beiden war das jahrhundertealte Gesetz aufgehoben worden, das rassenübergreifende Beziehungen mit der Todesstrafe ahndete.

Regelrecht dramatisch war das gewesen.

Gerade betraten sie das Schulgebäude und machten sich auf in den zweiten Stock, um den Konferenzraum der Lehrer zu erreichen. Da klingelte Valentins Telefon und spielte ein Lied über einen Löwen.

Überrascht hielt Natascha inne.

Stocksteif stand Valentin da und starrte mürrisch vor sich hin.

„Dieses kleine Biest!“, knurrte er dann und ging schnell ans Telefon. Dazu entfernte er sich einige Schritte.

„Da hat Lilli wohl wieder seinen Klingelton geändert!“, lachte Hope und hakte sich bei Dante unter, der ebenfalls grinsen musste.

„Was du natürlich nie gemacht hast“, meinte er nur, lächelte dabei aber warm. Kornelius konnte nur den Kopf schütteln.

2

Als sie alle im Konferenzraum ankamen, war Natascha überrascht, auch die Zwillinge von der Anhörung wiederzusehen.

Also setzte sie sich einfach neben den Blonden und lächelte freundlich.

„Ihr seid die Wölfe, oder?“, fing sie ein Gespräch an und merkte dabei, wie sich Kornelius neben ihr niederließ. „Genau“, nickte der Blonde freundlich und grinste.

„Ich bin Rou und das ist Hakuro“, wies er auf seinen schwarzhaarigen Sitznachbarn. Dieser nickte wortlos zur Begrüßung.

„Wisst ihr, worum es hier geht?“, wollte Natascha von Rou wissen.

„Keine Ahnung“, zuckte dieser nur mit den Achseln, während er sie musterte.

„Cooles Shirt übrigens.“

Verwundert blickte Natascha an sich hinab. Sie trug heute ihr Lieblingsteil. Ein schneeweißes Shirt mit roten Einschusslöchern auf der Brust und einem blutigen Handabdruck am Saum.

„Danke!“, lächelte sie und Rou grinste zurück. Generell sahen die Leute sie eher komisch an, wenn sie dieses Shirt trug. Es war mehr als angenehm mal eine Abwechslung zu erfahren.

Bevor sie ihr Gespräch jedoch fortsetzen konnte, kam Mrs. Ducan in den Saal und alle verstummten sofort. Mittlerweile waren sie zu zwölft und damit vollzählig. Zu ihrer Sondertruppe gehörten der Nephilim Mika, der unter anderem Heilkräfte vorzuweisen hatte. Dann die Vampire Anakin, Drake, Jessica und Dante. Die Gestaltwandler Rou, Hakuro und Valentin und dann noch die Menschen, Hope (wobei sie halb Vampir, halb Gestaltwandler ist, aber bisher als Mensch gezählt wurde), Lilli und sie selbst. Zum Schluss noch ihr Knuddelhäschen Kornelius, der Ghul.

Mrs. Ducan ließ ihren Blick über jeden Einzelnen schweifen.

„Ich danke euch zunächst, dass ihr alle gekommen seid und möchte euch bitten, das alles, was in den nächsten Minuten besprochen wird, diesen Raum nicht verlässt.“ Sie wartete so lange, bis alle genickt hatten.

„Gut. Ich möchte, dass ihr alle versteht, dass dies eine sehr ernste Sache ist“, fuhr sie dann fort und sah sie alle streng an.

„Selbst, wenn es nicht jeden von euch persönlich betrifft, so betrifft es doch eure Freunde oder eure Fähigkeiten werden gebraucht.“

Womit wohl die Anwesenheit der Zwillinge zu verstehen war und natürlich Kornelius und ihre. Sie alle hatten nicht wirklich etwas mit dem Kampf zu tun, der vor einigen Wochen auf dem Schulgelände getobt hatte. Und doch wurden sie alle gebraucht.

Nataschas Blick war während Mrs. Ducans Ansprache zu Dante gewandert. Soweit sie wusste, war es sein Zwillingsbruder, der es auf ihn und Hope abgesehen hatte. Warum er ausgerechnet jetzt aufgetaucht war, wusste keiner so genau. Aber alle gingen davon aus, dass Gabriel begriffen hatte, dass Dante im Begriff war, ein glückliches Leben zu führen.

Mit Hope.

Deswegen war er aufgetaucht, um dieses Glück zu zerstören. Dabei beruhte sein Hass auf seinen Bruder auf einer alten Geschichte, die irgendetwas mit Hexen zu tun hatte oder so. Natascha wusste es nicht genau und wollte auch nicht in der Privatsphäre anderer herumstochern.

„Wie ihr wisst, haben wir schon Vorkehrungen zur Sicherung und Ergreifung von Gabriel du Crain ergriffen.“

Bei dem Namen seines Bruders versteifte sich Dante kurz. Doch als Hope ihm beruhigend eine Hand auf den Arm legte und die Finger mit seinen verflocht, lockerten sich seine Schultern fast sofort.

„Wir sind im Begriff, die ganze Schule zu vernetzen und damit jede Bewegung genaustens im Blick zu haben.“ Dabei flog der Blick der Schulleiterin zu Kornelius.

„Wie weit sind die Vorbereitungen diesbezüglich, Mr. Fitz-William?“, richtete sie dann das Wort an ihn.

Unwohl blickte Natascha zu ihm. Ihretwegen hatte er seine Arbeit unterbrechen müssen. Sie wollte nicht, dass er nun dafür Ärger bekam.

„Es gestaltet sich schwieriger, als zunächst angenommen und wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen“, quetschte dieser nur heraus.

Sofort wurde der Blick der Schulleiterin tadelnd.

„Diese Vernetzung hat höchste Priorität!“, machte sie ihm noch einmal scharf klar, bevor sie zum nächsten Punkt überging. Schuldbewusst musterte Natascha ihn. „Es tut mir leid, nur meinetwegen …“

Doch er schüttelte kaum merklich den Kopf.

„Schon gut.“

Damit war es für ihn beendet. Doch sie fühlte sich noch immer schuldig.

Deswegen würde sie ihm nach dieser Besprechung noch helfen. Das nahm sie sich ganz fest vor!

„Zu dieser Vernetzung kommen noch einmal Soldaten einer jeden Wesensart“, fuhr die Direktorin fort.

„Sie werden die Überwachung übernehmen, während ihr untereinander und in den Reihen der Schüler die Augen offen haltet. Dazu wird ein spezielles Training für euch vorbereitet werden, an dem ihr in den Nachmittagsstunden anstelle der Arbeitsgemeinschaften teilnehmt.“ Überrascht blickte Natascha auf. Was für ein Training sollte das denn sein?

„Wie ihr alle wisst, steht die Klassenfahrt bald an. An dieser werdet ihr nicht teilnehmen.“

Nun lag ihr Blick auf dem Nephilim mit den blonden Haaren.

„Außer Mr. Eltringham. Sie werden ihre Klasse begleiten, da sie nach den Ferien einen Neuzugang haben und dessen Eingliederung beaufsichtigen. In diesem Fall wird Mrs. MacLee für die Heilungen zuständig sein, sollte es keinen anderen Ausweg mehr geben.“

Was? Der Nephilim würde sie verlassen? Und von welchem Neuzugang sprach Mrs. Ducan da?

Doch die Direktorin fuhr schon fort, noch viel mehr zu erklären, bevor sie zum Ende kam.

„Die Ferien dauern noch knapp zwei Wochen. Ich möchte, dass sie diese Zeit genießen. Auch Gabriel wird sich erst sammeln und einen neuen Plan ersinnen müssen. Außerdem sind schon einige Wachen eingetroffen. Also wird es noch schwerer für ihn, dieses Gelände auch nur ungesehen zu betreten.

Deswegen möchte ich, dass sie bei all dem Chaos noch immer ihre Freizeit genießen und nicht verängstigt in ihren Zimmern hocken.“

Nun lächelte die Direktorin leicht.

„Gibt es ansonsten noch Fragen?“

Keiner meldete sich. Wahrscheinlich mussten erst einmal alle den ganzen Batzen an Infos verdauen. Natascha zumindest schwirrte ganz schön der Kopf.

Und dann war die Direktorin auch schon verschwunden und ließ sie alle ziemlich ratlos zurück.

Es dauerte eine Weile, bis jemand das Wort ergriff. Überraschenderweise war es Dante.

„Und jetzt?“

Zwei einfache Worte, die die Lage doch ziemlich genau beschrieben. Denn keiner wusste, was sie jetzt tun sollten. Von einer Sekunde zur anderen waren sie zu einem Team geworden, zu einer Sondereinheit.

Dabei kannten sie sich überhaupt nicht! Zumindest nicht alle. Die Gestaltwandler kannten sich, die Vampire kannten ihre Leute und ein paar der Gestaltwandler, die Ghul-Fraktion kannte keinen und der Nephilim schien zwar ein paar Leute zu kennen, stand aber auch irgendwie allein da.

„Wir sollten uns wohl erst einmal etwas genauer kennenlernen“, machte Natascha deswegen einfach mal den Vorschlag.

Alle nickten bestätigend, wussten aber noch immer nicht weiter.

„Wollen wir … uns unterhalten?“, fragte schließlich Mika. Vereinzeltes Schulterzucken.

„Das ist doch lahm!“, kam es da von Rou.

„Wir müssen was machen, was uns gleich als Team zusammenschweißt!“

„Und was soll das sein, du Held?“, fragte sein Bruder Hakuro kopfschüttelnd.

Nachdenklich sah Natascha sich um und endete dabei irgendwie bei Kornelius.

Leise seufzend blickte er kurz an die Decke.

So hatte er sich das nicht vorgestellt.

„Jetzt guck nicht so! Ich bin auch daran schuld, dass du hinterherhinkst. Da kann ich auch helfen!“, maulte sie und ergriff seine Hand, zog ihn weiter.

Aber sein skeptischer Blick blieb.

„Ich wette, dass du nicht mehr weißt, welches Kabel zur Sprechanlage am Tor gehört!“

Natürlich wusste er das noch!

Es war das Kabel, das er zuletzt extra zur Seite gelegt hatte! Es war das …

Das … ähm …?

„Mhm“, brummte er nachdenklich. Da hatte er das verfluchte Teil extra noch aussortiert, um es auch ja nicht mehr zu vergessen!

„Siehst du? Ich weiß es noch ganz genau!“, grinste Natascha breit.

„Aber wenn du meine Hilfe nicht willst …“, wandte sie sich schon ab.

Da musste er lächeln. Kornelius wusste sofort, dass sie nur darauf wartete, dass er sie zurückrief.

Doch er tat es nicht, sondern ging einfach an ihr vorbei und weiter zur Basis.

Aus den Augenwinkeln sah er, wie sie ihm fassungslos nachblickte.

Da nahm er sich ein Herz und drehte sich zu ihr um. „Kommst du?“, fragte er so selbstverständlich, als hätte er schon die ganze Zeit nur auf sie gewartet.

Sofort grinste sie breit und huschte schnell neben ihn. Kornelius wäre ja auch schön blöd gewesen, bei dem Kabelsalat die Hilfe eines fotografischen Gedächtnisses abzuschlagen.

Außerdem war es ja ganz lustig mit ihr.

Wenn sie gerade nicht so anstrengend war.