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Oliver Haug, Anikar Haseloff

Corporate Language

Unternehmenssprache verständlich gestalten, effektiv steuern und praxisnah umsetzen

Verlag W. Kohlhammer

 

1. Auflage 2018

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Umschlagabbildung: © zapp2photo – stock.adobe.com

Print:

ISBN 978-3-17-028348-0

E-Book-Formate:

pdf:      ISBN 978-3-17-028349-7

epub:   ISBN 978-3-17-028350-3

mobi:   ISBN 978-3-17-028351-0

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Inhaltsverzeichnis

 

 

 

  1. Geleitwort
  2. Autorenvorwort
  3. 1 Einleitung: Die Macht der Sprache
  4. 1.1 Worte haben die Macht, die Welt zu verändern
  5. 1.1.1 Sprache
  6. 1.1.2 Kommunikation
  7. 1.2 Worte haben die Macht, Ihr Unternehmen zu verändern
  8. 2 Verständlichkeit
  9. 2.1 Was verstehen wir unter Verständlichkeit?
  10. 2.2 Warum verständliche Unternehmenskommunikation?
  11. 2.2.1 Eine komplexe Welt
  12. 2.2.2 Der Kunde 2.0
  13. 2.2.3 Kosten sparen
  14. 2.2.4 Unterschätzter Umsatzfaktor
  15. 2.2.5 Imagepflege
  16. 2.2.6 Rechtssicherheit auch in Zukunft
  17. 2.2.7 Differenzierung im Wettbewerb
  18. 3 Die goldenen Regeln der Verständlichkeit
  19. 3.1 Kurze Sätze statt Bandwurmsätze
  20. 3.2 Einfache Wörter statt Fachbegriffe
  21. 3.2.1 Fachbegriffe vermeiden
  22. 3.2.2 Fachbegriffe ersetzen
  23. 3.2.3 Fachbegriffe erklären
  24. 3.2.4 Ein Glossar erstellen
  25. 3.3 Kurze Wörter statt Komposita
  26. 3.3.1 Lange Wörter ersetzen
  27. 3.3.2 Lange Wörter auflösen
  28. 3.3.3 Lange Wörter mit Bindestrich trennen
  29. 3.3.4 Lange Wörter in Sätze umformulieren
  30. 3.4 Aktiv statt passiv
  31. 3.5 Verbalstil statt Nominalstil
  32. 3.6 Konkret statt abstrakt
  33. 3.7 Klare Inhalte – kurz und knapp
  34. 3.8 Klare Strukturen – übersichtlich und lesbar
  35. 3.9 Verständlichkeit – eine Zusammenfassung
  36. 3.10 Kann man Verständlichkeit messen?
  37. 3.10.1 Expertenanalysen – der Schulterblick vom Profi
  38. 3.10.2 Nutzertests – den Kunden mit ins Boot nehmen
  39. 3.10.3 Lesbarkeitsformeln – objektive Verständlichkeitsmessung
  40. 4 Verständlichkeit in der Praxis: Versichern heißt verstehen – ein Fallbeispiel
  41. 5 Corporate Language
  42. 5.1 Ihre Marke – der Ausgangspunkt für Ihre Corporate Language
  43. 5.2 Corporate Language – die Sprache Ihres Unternehmens
  44. 5.3 Corporate Language – Sprache als Markenzeichen
  45. 5.4 Von den (Marken-)Kernwerten zum Sprachleitbild
  46. 6 Sprachregeln für Ihre Corporate Language
  47. 6.1 Am Anfang war das Wort
  48. 6.1.1 Markenkonforme Begriffe
  49. 6.1.2 Positive Wortwahl
  50. 6.1.3 Neue und alte Begriffe
  51. 6.2 Konsistente Schreibweisen
  52. 6.2.1 Produktnamen
  53. 6.2.2 Datum und andere zahlenbasierte Information
  54. 6.2.3 Fugen-S
  55. 6.2.4 Black- oder Whitelists
  56. 6.3 Tonalität – der Sound Ihrer Texte
  57. 6.3.1 Meiden Sie Floskeln wie der Teufel das Weihwasser
  58. 6.3.2 Direkt und modern – Infinitivkonstruktion sind zu vermeiden!
  59. 6.3.3 Angemessene Ansprache – Du oder Sie?
  60. 6.3.4 Verbindlich versus allgemein – Ich oder Wir?
  61. 6.3.5 Die Perspektive des Kunden – Sie statt Wir
  62. 6.4 Die Zeichen der Zeit – Emojis und Emoticons
  63. 6.5 Exkurs: Standards & Best-Practice bei Briefen und E-Mails
  64. 6.5.1 Der erste Eindruck zählt – die Anrede
  65. 6.5.2 Kurz, verständlich und aktivierend – die Betreffzeile
  66. 6.5.3 Der erste und wichtigste Satz – der Einstieg
  67. 6.5.4 Einen guten Eindruck hinterlassen – Abbinder und Grußformel
  68. 6.6 Corporate Language – eine Zusammenfassung
  69. 7 Fallbeispiel Sparkassen: »Menschen verstehen« mit Corporate Language
  70. 7.1 Die Vorgeschichte
  71. 7.2 Die Entwicklung markenkonformer Begriffe
  72. 8 Das 10-Schritte-Modell für Ihre Corporate Language
  73. 8.1 Binden Sie das Management ein!
  74. 8.2 Schaffen Sie Teams und Infrastruktur!
  75. 8.2.1 Das Team
  76. 8.2.2 Infrastruktur
  77. 8.3 Ermitteln Sie den Ist-Stand der Unternehmenssprache!
  78. 8.3.1 Dokumente sammeln
  79. 8.3.2 Dokumente auswerten
  80. 8.4 Legen Sie Regeln und Standards fest!
  81. 8.4.1 Beispiel für die Umsetzung einer Sprachregel
  82. 8.5 Binden Sie die Kunden ein!
  83. 8.5.1 Der Kundenbeirat
  84. 8.5.2 Readability-User-Test
  85. 8.5.3 Fokusgruppen
  86. 8.6 Erstellen Sie einen Sprach-Leitfaden!
  87. 8.7 Sensibilisieren und schulen Sie die Mitarbeiter!
  88. 8.8 Überarbeiten Sie die relevanten Bestandstexte!
  89. 8.9 Stellen Sie Hilfsmittel zur Verfügung!
  90. 8.9.1 TextLab – Software für Verständlichkeit und Corporate Language
  91. 8.10 Sichern Sie die Qualität und messen Sie den Erfolg!
  92. 8.10.1 Qualitätssicherung durch Kontroll- und Freigabeprozesse
  93. 8.10.2 Messbarkeit durch objektive Kennzahlen und Indizes
  94. 8.10.3 Erfolgsmessung durch Wirkungstests und Kundenreaktionen
  95. 8.10.4 Erfolgsnachweis durch Zertifizierungen
  96. Schlusswort
  97. Die Autoren

Geleitwort

 

 

 

Von Verständlichkeit profitieren alle.

Produkte und Dienstleistungen können noch so gut sein – wenn sie sprachlich nicht passend vermittelt werden, bleibt viel Potential auf der Strecke. Sprache ist die Grundlage jeder Verständigung. Oft ist sie auch die Ursache von Missverständnissen oder sogar Misstrauen. Beispielsweise sind viele Briefe, Pressemitteilungen, Broschüren und Homepage-Texte von Unternehmen unverständlich. Zumindest für Menschen ohne besonderes Fachwissen. Fachwörter, Anglizismen, Passiv-Formulierungen, Bandwurmsätze und Wortungetüme erschweren das Verstehen. Dabei ist klar: Nur wer verstanden wird, kann auch überzeugen.

Eine verständliche Sprache ist kein Luxus, den sich Unternehmen leisten, wenn sie sonst nichts zu tun haben. Eine verständliche Sprache kann die eigene Reputation, den »guten Ruf« erhalten und ausbauen. Sie ermöglicht den Dialog. Sie wird von Kundinnen und Kunden gewünscht und erwartet. Und sie schlägt sich positiv im Geschäftsergebnis nieder – etwa weil die Zahl der Nachfragen im Callcenter sinkt.

Daher versuchen immer mehr Unternehmen, ihre Kommunikation verständlicher zu gestalten. Und sie versuchen, über ihre Sprache auch ihre Werte und ihre Identität auszudrücken. Wer will schon als verstaubt, altbacken, bürokratisch und kompliziert gelten? Und doch transportiert Sprache oft immer noch genau diese Attribute.

Dies zu ändern ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Aber sie lässt sich lösen. Dazu gehören in erster Linie Einsicht und der Wille, die eigene Sprache zu ändern. Dann braucht es noch Verständlichkeits- und Sprachregeln. Die meisten davon sind schon lange bekannt. Aber sie müssen auch angewandt werden. Auch wenn das anfänglich noch ungewohnt ist. Floskeln haben wir schnell verinnerlicht. Warum soll es länger dauern, sich in Klartext auszudrücken? Verständlich zu kommunizieren, verinnerlichen die meisten Menschen ebenfalls schnell. Wenn man sie lässt. Und wenn Vorgesetze und die Unternehmensführung sie dazu anspornen.

Das vorliegende Buch hilft dabei. Es nutzt wissenschaftliche Erkenntnisse über Sprache und macht sie für die praktische Arbeit zugänglich – ohne selbst ein »Wissenschaftsbuch« zu sein. Es ist nicht abstrakt, sondern ganz konkret. Es zeigt anhand klarer und praktikabler Regeln, wie sich eine Corporate Language-Strategie im Unternehmen konkret umsetzen lässt. Es ist als Baukasten zu verstehen. Wer will, kann es von vorne bis hinten durchlesen – an einem Stück und ohne Pause. Und wer eine schnelle Orientierung zu einer konkreten Frage rund um die Unternehmenssprache sucht, findet sie ebenfalls. Die zahlreichen Tipps zu nutzen, empfiehlt sich sehr. Denn von einer verständlichen Sprache profitieren alle – vor allem aber die Kundinnen und Kunden.

Stuttgart-Hohenheim, im Juli 2018

Prof. Dr. Frank Brettschneider

Lehrstuhls für Kommunikationswissenschaft

Universität Hohenheim

Autorenvorwort

 

 

 

Möglicherweise fragen Sie sich: An wen richtet sich dieses Buch? Gehören Sie zur angesprochenen Zielgruppe? Nun – am besten Sie entscheiden selbst: Dieses Buch ist für alle, die mit Unternehmenskommunikation zu tun haben. Es ist für alle, die für mehr Verständlichkeit im Unternehmen sorgen wollen. Es ist für alle, die nach einem Modell für erfolgreiche Unternehmenssprache suchen. Es ist für alle, die eine einheitliche und funktionierende Corporate Language entwickeln möchten.

Damit Sie dieses Buch richtig nutzen können die schlechte Nachricht gleich vorab: Es gibt kein allgemeingültiges Modell und schon gar kein schnelles Rezept von der Stange für eine individuelle und verständliche Unternehmenssprache. Ganz im Gegenteil: Eine allgemeingültige »One-Size-Fits-All-Flatrate-Lösung« für Unternehmenssprache widerspräche dem Prinzip der Corporate Language, Sprache als Identifikations- und Abgrenzungsmerkmal einzusetzen. Daher gibt es leider keine »Konfektionssprache«, die Sie einfach aus dem geistigen Fundus nehmen und in Ihrem Unternehmen »mal eben so« nebenbei einführen könnten.

Und dennoch gibt es Regeln, Maßnahmen und Vorgehensweisen, die Sie dabei unterstützen können, systematisch eine eigene Sprache für Ihr Unternehmen zu entwickeln. Unser Ziel ist es, Ihnen ein sinnvolles Vorgehen zu zeigen, das Ihnen als Leitfaden auf dem Weg zu einer kundenorientierten und auf Ihre Marke abgestimmten Sprache dienen soll. Mit diesem Buch kommen Sie in wenigen Schritten zu einer individuellen Sprache, die beim Kunden auch »funktioniert« bzw. die gewünschte Wirkung hervorruft.

Sie halten jedoch kein reines »Anwenderhandbuch« für Unternehmenssprache in den Händen. Es ist auch keine theoretische Abhandlung der wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Thema Sprache im Kontext der Unternehmenskommunikation. Dieses Buch ist beides: Es erhebt sowohl den Anspruch, konkrete Hilfestellungen für die Praxis zu geben, die jedoch auf wissenschaftlichen Grundlage ruhen. Unser Buch will zudem mehr sein als ein klassisches Schreibtraining – auch wenn Schreib-Tipps einen nicht unwesentlichen Beitrag zum Inhalt leisten. Es geht neben guten Texten auch darum, die verschiedenen Prozesse und Faktoren aufzuzeigen, die Kommunikation und Schreiben in Ihrem Unternehmen beeinflussen. Denn eine Anleitung zu guter Unternehmenssprache kann nur funktionieren, wenn sie die realistischen Bedingungen, unter denen Kommunikation im Unternehmen vollzogen wird, berücksichtigt.

Unser Buch richtet sich an alle, die sich für Corporate Language und Verständlichkeit interessieren. An die, die besser schreiben, formulieren und kommunizieren wollen. An die, die Sprache in Unternehmen besser steuern wollen. Oder auch an die, die eine Initiative für Corporate Language im Unternehmen starten wollen. Kurzum: Unser Buch richtet sich an Denker, an Macher, an Lenker, an Entscheider und an die vielen Mitarbeiter, die Sprache tagtäglich um- und einsetzen.

Und um es ganz klar zu sagen: Wir sprechen Frauen und Männer gleichermaßen an. Dennoch haben wir uns entschieden, in den meisten Fällen die männliche Form zu verwenden. Und das obwohl wir das Anliegen der geschlechterneutralen Sprache für gerechtfertigt halten. In unserem Fall hat die Verwendung der männlichen Form vor allem sprachliche Gründe. Ein Text wird tendenziell schwieriger zu lesen, wenn laufend beide Formen verwendet werden.

Wir wünschen Ihnen nun viele spannende Erkenntnisse und Vergnügen bei der Lektüre. Wir sind uns sicher: Mit dem durch dieses Buch gewonnenen Wissen wird es Ihnen möglich sein, Ihrem Unternehmen eine zeitgemäße, einheitliche und auf Ihre Kunden und Ihr Unternehmen abgestimmte Sprache zu geben!

Ulm, im Juli 2018

Oliver Haug und Dr. Anikar Haseloff

1          Einleitung: Die Macht der Sprache

 

 

1.1       Worte haben die Macht, die Welt zu verändern

Wie mächtig ist Sprache? Können Worte die Welt verändern? Denken Sie an Sätze wie »Wir sind das Volk«, »veni, vidi, vici« oder »I have a dream«. Mit solchen, in einfache Worte gefassten Gedanken verbinden wir historische Wendepunkte, weltverändernde Ideen oder monumentale Ereignisse. Oder denken Sie an die Lutherbibel und wie ihr Autor mit seiner verständlichen Sprache die Welt der Religion aus ihren Angeln gehoben hat. Oder wie Johann Wolfgang von Goethe mit seiner Sprache die Welt der Literatur und Dichtung über Jahrhunderte hinweg und bis heute prägt.

Diese Beispiele ließen sich endlos weiterführen, denn Sprache ist überall. Sie ist das mächtigste Instrument der Kommunikation und als eines der ältesten Kulturwerkzeuge Grundstein unserer Zivilisation. Sprache bildet auch heute, in unserer von Medien und Technologie durchdrungenen Welt das zivilisatorische Fundament, auf dem Gesellschaft, Kultur und Politik ruhen.

Diese Aussage gilt selbstverständlich uneingeschränkt auch für den Bereich der Wirtschaft. Mehr denn je sind Unternehmen heute abhängig von Sprache und vor allem von Kommunikation. Die Formen der Kommunikation ändern sich zwar im Zeitablauf – sowohl die Sprache als auch ihre Übermittlungsformen – nicht aber ihre Relevanz. Die Bedeutung von Sprache bzw. der sprachlichen Fähigkeiten hat sogar noch zugenommen.

So wie Worte die historische und politische Entwicklung mitprägen können, so können Worte auch Produkte und Marken förmlich mit Leben füllen. Hier sind es Sätze wie »Just do it«, »Ich bin doch nicht blöd« oder »Und läuft. Und läuft. Und läuft«. Ohne die zugehörigen Herstellernamen genannt zu haben, wissen Sie wahrscheinlich sofort bei mindestens einem dieser Slogans, um welche Marken und um welches Unternehmen es sich dabei handelt.

Aber was meinen wir mit Sprache und Kommunikation? Was ist der Unterschied? Lassen Sie uns die Begriffe kurz definieren.

1.1.1     Sprache

Unter Sprache versteht man in der Wissenschaft ein komplexes System aus Zeichen und Lauten zum Zweck der Kommunikation. Sprachen sind dabei sowohl natürliche Sprachen (wie z. B. Deutsch oder Englisch) aber auch künstliche Sprachen (wie z. B. Programmiersprachen). Im weitesten Sinne gehören auch Systeme wie die Gebärdensprache, künstliche Plansprachen wie Esperanto und selbst Geheimsprachen wie der Ceasar-Chiffre zu den Sprachen. Das Konzept Sprache besteht dabei aus:

•  Zeichen: Buchstaben, Zahlen und Satzeichen.

•  Wörtern: Zeichen, die in Kombinationen eine Bedeutung ergeben.

•  Sätzen: Wörter, die in Kombination eine Bedeutung ergeben.

•  Grammatik: Regeln wie Wörter und Sätze gebildet werden.

•  Semantik: Regeln wie Bedeutung den Sinneinheiten zugeschrieben wird.

•  Pragmatik: Regeln wie mit Sprache Kommunikationsziele erreicht werden.

Wir beschäftigen uns in diesem Buch nicht mit einem wissenschaftlichen Ansatz zur Sprache. Wenn wir von Sprache sprechen, dann immer in einem ganz praktischen Sinn: Sie ist für uns das Mittel, das Sie in der Unternehmenskommunikation nutzen, um mit Ihren Zielgruppen zu kommunizieren. Vor allem die geschriebene Sprache ist der Bereich, den wir in diesem Buch behandeln. Wir betrachten Sprache dabei als Werkzeug und wollen Ihnen in diesem Buch aufzeigen, wie Sie dieses Werkzeug am besten einsetzen, um verständlich, modern und authentisch mit Ihren Zielgruppen zu kommunizieren.

1.1.2     Kommunikation

In der Kommunikationswissenschaft wird Kommunikation als Prozess der Übertragung von Nachrichten über einen Kanal zwischen einem Sender und einem oder mehreren Empfängern verstanden. Kommunikation kann dabei immer Störungen unterliegen. Eine solche Störung im Kommunikationsprozess kann beispielsweise ein Rauschen in der Leitung sein. Aber auch eine unverständliche Kommunikation kann eine Störung in der Kommunikation darstellen. Im vorliegenden Buch sind Sie der Sender und Ihre Zielgruppen – vor allem Ihre Kunden – die Empfänger. Dabei wollen wir uns insbesondere mit Unverständlichkeit als Störung im Kommunikationsprozess beschäftigen.

Wichtig an dieser Definition von Kommunikation ist, dass

•  es mehrere Empfänger gibt. Für Sie als Unternehmen ist das nicht nur eine technische Herausforderung, sondern vor allem eine inhaltliche. Wie können Sie Ihre Kommunikation inhaltlich so gestalten, dass Sie einen möglichst breiten Empfänger- oder Kundenkreis erreichen?

•  Verständigung immer ein Ziel von Kommunikation ist. Kommunikation funktioniert nur dann, wenn der Empfänger versteht, was Sie mitteilen. Genau darum geht es in diesem Buch: Wir wollen Ihnen aufzeigen, wie Sie größtmögliche Verständigung und somit Wirkung in Ihrer Unternehmenskommunikation erreichen.

•  Kommunikation ein Prozess ist. Dies ist vor allem in der Unternehmenskommunikation ein wichtiger Faktor. Wir zeigen Ihnen im 2. Teil des Buches auf, wie komplex die Kommunikationsprozesse allein in Ihrem Unternehmen sind und wie Sie diese Herausforderungen meistern können.

Kommunikation wird in verschiedene Bereiche unterteilt. So unterscheidet man beispielsweise zwischen Massenkommunikation (z. B. Medien) und Individualkommunikation (z. B. Brief, Telefonat). Es gibt synchrone Kommunikation (gleichzeitig wie bei einem Telefonat) und asynchrone Kommunikation (zeitversetzt wie bei einer E-Mail). Es gibt einseitige Kommunikation (nur vom Sender zum Empfänger wie bei der Zeitung) und wechselseitige Kommunikation (in beide Richtungen wie beim Chat). Innerhalb Ihres Unternehmens können Sie noch zwischen interner Kommunikation (z. B. Dienstanweisungen) und externer Kommunikation (z. B. Mailing) differenzieren.

Sie haben es in Ihrem Unternehmen mit allen Formen der Kommunikation zu tun. Ein Telefonat mit der Hotline ist für Ihren Kunden synchrone, wechselseitige Individualkommunikation. Ein Massenmailing an Ihre Kunden ist eine einseitige, asynchrone Massenkommunikation.

Das vorliegende Buch soll nun aber nicht das x-te Buch zur Definition von Kommunikation werden. Daher werden wir im Verlauf des Buches Kommunikation immer rein praktisch und weniger wissenschaftlich betrachten. Wir verstehen in diesem Zusammenhang Kommunikation als die Übertragung von Informationen von Unternehmen zu den Zielgruppen über diverse Kommunikationskanäle und -medien.

1.2       Worte haben die Macht, Ihr Unternehmen zu verändern

Die Art und Weise, in der Unternehmen mit Kunden, Mitbewerbern, Lieferanten, Share- und Stakeholdern, mit Mitarbeitern, Politikern, Medien und der Öffentlichkeit kommunizieren, bleibt nicht ohne Wirkung. Das Schöne daran: Sie haben es in der Hand. Sie bestimmen, wie Sie verstanden und wahrgenommen werden (wollen). Sie steuern damit ganz direkt auch den Erfolg Ihres Unternehmens. Dabei gilt: Eine auf den Kunden und das Selbstverständnis des Unternehmens zugeschnittene Sprache ist ein wirksames Rezept für erfolgreiche Unternehmenskommunikation. Und erfolgreiche Unternehmenskommunikation ist wiederum der Grundstein für ein erfolgreiches Unternehmen. Unternehmen kommunizieren heute immer mehr und immer schneller – auf immer mehr Kanälen und mit immer mehr Menschen. Sprache wird dabei zum wichtigsten Vehikel, um Inhalte zu transportieren. Hinzukommt, dass der Wettbewerb der Zukunft immer weniger über Produkte und Dienstleistungen, sondern immer stärker über Service und Kommunikation geführt werden wird.

Die Bedeutung der Sprache als Erfolgsfaktor eines Unternehmens wächst daher stetig. Dennoch wird Sprache nach wie vor unterschätzt und nur wenige Unternehmen haben bisher eine tragfähige Strategie für eine eigene Unternehmenssprache – die Corporate Language. Kommunikation wird heute in vielen Unternehmen auf verschiedenen Ebenen gesteuert. Um die Effizienz der Kommunikation sicherzustellen, werden Textbausteine genutzt. Um Einheitlichkeit sicherzustellen, regeln viele Unternehmen die Schreibweisen von Produkten und Bezeichnungen. Bei der Gestaltung von Briefen richtet man sich nach der DIN-Norm, um einheitlich zu wirken. Und um die Kundenzufriedenheit zu gewährleisten, wird festgelegt, wie schnell auf Beschwerden, E-Mails und Service-Anfragen reagiert werden soll. Maßnahmen wie diese werden heute in Unternehmen unter Corporate Language verstanden. Wir wollen Ihnen mit diesem Buch einen neuen, weiterführenden Ansatz zu Corporate Language vermitteln, der über Schreibweisen oder DIN-Normen hinausgeht.

Während beim Corporate Design jeder Mitarbeiter die Bedeutung versteht, ist dies bei der Corporate Language oft nicht der Fall. Beim Corporate Design etwa muss Mitarbeitern nicht erst klargemacht werden, dass das Unternehmenslogo immer in derselben Farbe und Form an derselben Stelle zu stehen hat. Auch wird kein Mitarbeiter auf die Idee kommen, das Unternehmenslogo in seiner persönlichen Lieblingsfarbe und nach Tageslaune zu gestalten – auch dann nicht, wenn er Hobby-Grafiker ist und sich mit Photoshop auskennt. Designvorgaben werden grundsätzlich respektiert und eingehalten.

Bei der Sprache ist dies anders. Hier haben Mitarbeiter häufig sehr große Freiheiten, Sprache so einzusetzen, wie es ihrem jeweiligen Geschmack und ihren sprachlichen Möglichkeiten entspricht. Ein umfassendes und praxistaugliches Konzept gibt es (noch) zu selten. Dabei ist die Corporate Language für die Wahrnehmung eines Unternehmens und die Wirkungsstärke der Kommunikationsmaßnahmen mindestens so wichtig wie das Corporate Design. Eines ist jedenfalls klar: Bei Sprache sollten Sie nicht von der Tagesform Ihres Mitarbeiters abhängig sein. Sprache muss nach außen immer die gleiche Qualität haben. In Briefen, E-Mails, Werbematerialien, Vertragsunterlagen, Webtexten, Pressemitteilungen und Geschäftsberichten.

Für den Erfolg der Unternehmenssprache und damit auch für die Corporate Language ist ein zentrales Thema von großer Bedeutung: die Verständlichkeit. Betrachtet man das Konzept der Corporate Language vor allem aus der Kundenperspektive, ist die Verständlichkeit eine wichtige, wenn nicht gar die wichtigste aller Eigenschaften der Kommunikation. Das wird auch in der Praxis immer deutlicher sichtbar. Seit einigen Jahren lässt sich ein neuer Trend erkennen: Unternehmen entwickeln Strategien, um verständlich und höflich mit ihren Kunden zu kommunizieren. Hierfür gibt es eine ganze Reihe von (guten) Gründen.

Das vorliegende Buch wird sich daher detailliert mit den eng verzahnten Themen Verständlichkeit und Corporate Language beschäftigen. Warum sind diese Eigenschaften der Kommunikation notwendig, was gehört dazu und wie etabliert man eine erfolgreiche, verständliche und kontrollierbare Corporate Language im Unternehmen? Und was sind die Stolpersteine auf dem Weg zur perfekten Sprache für Ihr Unternehmen? Diese Fragen beantwortet dieses Buch.

2          Verständlichkeit

 

 

 

Man muss denken wie die Wenigsten und reden wie die Meisten.

Arthur Schopenhauer

Der Begriff Verständlichkeit ist alles andere als einfach verständlich – schon allein deshalb, weil er von unterschiedlichen Personen ganz unterschiedlich verwendet wird. Es gibt eine Reihe von Begriffsdefinitionen, die ihrerseits auf unterschiedlichen Sichtweisen und Interpretationen basieren. Der Verständlichkeitsforscher Hans Messelken etwa beschreibt dies anschaulich: Im Marketing bedeutet verständlich etwa eingängig. Im juristischen Bereich ist damit normativ gültig, also unmissverständlich gemeint. Politiker bezeichnen damit wiederum Meinungen und Wörter, die geläufig oder weit verbreitet sind. Für den Lehrer bedeutet es, dass Schüler etwas einfach behalten können. Ingenieure verstehen darunter die gute Anwendbarkeit einer (technischen) Dokumentation.1

An diesen Beispielen erkennt man, dass der Begriff Verständlichkeit in verschiedenen Bereichen ganz unterschiedlich verwendet wird. Zudem wird in der Diskussion um Verständlichkeit nicht immer klar unterschieden zwischen Verstehen, Lernen und Behalten. Eine Definition von Verständlichkeit muss zum einen den Prozess beschreiben und zum anderen verschiedene Variablen dieses Prozesses berücksichtigen. Eine der neueren Definitionen, die genau das tut, stammt von Jan Kercher und lautet:

»Verständlichkeit kann (…) als Oberbegriff für alle Merkmale eines Kommunikationsprozesses angesehen werden, die das Verständnis einer Mitteilung beim jeweiligen Rezipienten beeinflussen. Hierzu zählen demnach Merkmale des Kommunikators, der Mitteilung, des Übertragungskanals, sowie des Rezipienten selbst und zwar immer in der jeweils spezifischen Kommunikationssituation.«2

Verständlichkeit ist also nicht nur eine Eigenschaft eines Textes oder einer Mitteilung, sondern wird auch von weiteren wichtigen Faktoren beeinflusst. So ist beispielsweise aus der technischen Dokumentation bekannt, dass das Vorwissen des Lesers einen großen Einfluss auf die Verständlichkeit hat. Wer ein iPhone 6 hatte, kommt mit der Anleitung für das iPhone 7 schneller und einfacher klar als jemand der vorher kein Smartphone hatte. Neben Vorwissen spielen aber auch Interesse und Motivation auf Seiten des Rezipienten eine entscheidende Rolle. Denn erst, wenn Empfänger oder Leser einen Nutzen erkennen, sind sie bereit, sich mit einem Thema eingehender zu beschäftigen.

Verständlichkeit ist also eine relative, von bestimmten Rahmenbedingungen abhängige Eigenschaft eines Textes. Sie hängt davon ab, wer mit wem, wann, über welchen Kanal und mit welchem Inhalt kommuniziert. Dies bedeutet, dass der Inhalt eines Schreibens für unterschiedliche Personen mehr oder weniger verständlich sein kann. Dies stellt – wie noch zu zeigen sein wird – eine ganz besondere Herausforderung bei der Umsetzung innerhalb eines Unternehmens dar.

Wichtig ist an dieser Stelle aber auch eine Einschränkung: Auch wenn Sie Ihre Nachricht »maximal verständlich« gestalten, ist dies noch keine Garantie, dass auch alle Leser Ihre Nachricht richtig, vollständig und so wie von Ihnen beabsichtigt verstehen. Denn es gibt im Kommunikationsprozess einige Punkte, auf die Sie schlicht keinen Einfluss haben. Beispielsweise in welcher Situation Ihr Leser einen Brief liest. Ist er tiefenentspannt und sitzt mit einem Latte Macchiato bei Sonnenschein und Vogelgezwitscher auf der Terrasse und hat Zeit und Muße, sich mit Ihrem Anliegen zu beschäftigen? Oder liest er Ihren Brief nach einem langen Arbeitstag zwischen Tür und Angel während das quengelnde Kleinkind am Hosenbein hängt? Sie können nicht beeinflussen, wie und wann der Empfänger sich mit Ihrer Nachricht auseinandersetzt.

Hinzukommt, dass komplexe Inhalte nur zu einem gewissen Grad über die Sprache vereinfacht werden können. Ein komplexer finanzmathematischer Vorgang ist ein komplexer finanzmathematischer Vorgang. Man wird daraus keine Mathematik auf Grundschulniveau zaubern können. Die Inhalte selbst können mit Hilfe der Sprache nicht einfacher gemacht werden, nur die Vermittlung der Inhalte kann beeinflusst werden. Daher werden Sie es auch nicht immer schaffen, dass jedermann die Inhalte versteht. Ihr Ziel muss daher sein, dass möglichst viele Ihrer Empfänger die Inhalte verstehen. Wie Sie das auf einfache und sichere Art erreichen können, werden wird im Lauf des Buches aufzeigen.

2.1       Was verstehen wir unter Verständlichkeit?

Was also verstehen wir unter Verständlichkeit? Und was bedeutet Verständlichkeit für Sie im Unternehmen? Wir empfehlen Ihnen zu dieser Frage einen pragmatischen Ansatz jenseits aller wissenschaftlichen Theorien. Wir empfehlen Ihnen einen Ansatz, den Sie auch Ihren Mitarbeitern leicht vermitteln können. Einen Ansatz, den Sie mit einfachen Regeln erreichen können.

Dabei gilt in erster Linie: Verständlichkeit ist das, was der Kunde versteht. Oder besser, dass was die meisten Kunden verstehen. Denn es wird immer die Kunden geben, die auch einfachste Dinge nicht verstehen können, und Kunden, die einfachste Dinge nicht verstehen wollen. Allen werden Sie es also nicht recht machen können. Das ist wie im richtigen Leben auch.

Daher bedeutet Verständlichkeit in erster Linie:

•  Sie verschleiern nichts und kommunizieren offen und transparent.

•  Sie verwenden keine unnötige Fachsprache, die Kunden nicht kennen.

•  Sie verwirren Ihren Kunden nicht mit Dingen, die er nicht wissen will.

•  Sie kommen auf den Punkt und formulieren einfach, konkret und präzise.

•  Sie schreiben in einem modernen, alltagstauglichen Sprachstil.

Das sind aus unserer Sicht die Punkte, die Kommunikation erfüllen muss, um in unserem Sinne verständlich zu sein. Mehr ist es eigentlich nicht. Und obwohl wir ein solch einfaches Modell von Verständlichkeit zu Grunde legen, müssen wir zugeben, dass es sehr schwer ist, im Unternehmen auch Verständlichkeit in diesem Sinne zu erreichen. Denn: Verständlichkeit ist ein Konzept der Einfachheit, aber noch lange kein einfaches Konzept. Warum die Mühe dennoch lohnt? Auf diese Frage gibt es erstaunlich viele Antworten. Wir stellen Ihnen die wichtigsten vor.

2.2       Warum verständliche Unternehmenskommunikation?

Kommunikationstrainer werden in Workshops oft gefragt, ob Verständlichkeit ein Luxus oder eine Pflicht ist. Wir sehen das so: Verständlichkeit ist weder Luxus noch Pflicht, sondern eine Grundvoraussetzung für erfolgreiche Kommunikation!

Verständlichkeit ist eine »sehr effiziente Strategie für eine wirkungsstarke Unternehmenskommunikation« und sollte die Grundlage Ihrer gesamten Kommunikationsmaßnahmen sein, nicht das »Sahnehäubchen« oder ein »von oben befohlenes Diktat«. Verständlichkeit hat direkte Auswirkungen darauf, wie ein Unternehmen und dessen Produkte wahrgenommen werden. Verständlichkeit hat direkte Auswirkungen darauf, wie Ihr Kunde Sie als Gesprächs- und Geschäftspartner erlebt, wie er sich angesprochen und behandelt fühlt und – dies ist heute fast noch wichtiger – welche Wertschätzung er dabei erfährt (oder zu erfahren glaubt). Deshalb entscheidet Verständlichkeit letztlich darüber, ob Kunden Ihre Produkte und Dienstleistungen heute und in Zukunft kaufen.

Warum also ist Verständlichkeit so wichtig? Und warum wird Verständlichkeit in Zukunft noch wichtiger für Ihr Unternehmen? Dafür möchten wir Ihnen gerne ein paar Argumente an die Hand geben für den Fall, dass Sie in Ihrem Unternehmen noch Überzeugungsarbeit leisten müssen.

2.2.1     Eine komplexe Welt

Die Welt verändert sich jeden Tag ein kleines Stück – diese Aussage ist Gemeinplatz und persönliche Erfahrung eines jeden zugleich. Und die Welt wird nicht unbedingt immer einfacher. Nehmen wir z. B. einen Videorekorder aus den 1970er Jahren. Das Gerät verfügte im Normalfall über 7 Funktionen: Start, Stopp, Pause, Forward (Vorwärts spulen), Rewind (Rückwärts spulen), Record (Aufzeichnen) und Eject (Auswerfen der Videokassette). Nehmen Sie im Gegensatz dazu einen aktuellen Blu-Ray-High-Definition-Wireless-Connected-UltraHD-fähigen Festplattenrekorder von heute. Das wird es mit den 7 Funktionen schwer: Heute finden sich allein auf dem Gerät 28 Knöpfe und am hinteren Teil 46 Anschlussbuchsen, damit Sie den Festplattenrekorder mit Ihrer Dolby-Surround-Anlage, dem Netzwerk, dem Bluetooth-Fernseher, den Spielekonsolen, dem Laptop, der Smart-Home-Steuerung und dem iPad verbinden können. Allein um die Fernbedienung zu verstehen, müssen manche schon einen Volkshochschulkurs besuchen. Und übermorgen wird diese Technologie schon wieder überholt sein. Analog zu den immer schnelleren Innovationszyklen mit immer komplexeren Produkten als Ergebnis, muss die Produktkommunikation immer einfacher werden.

Aber nicht nur immer schnellere technische Innovationszyklen tragen zur Komplexität des Alltags bei. Immer mehr und immer neue Informations- und Kommunikationskanäle führen zu einer Zunahme an Information. An einem normalen Tag nehmen wir etwa 5-7.000 Werbebotschaften wahr. Wahrnehmen ist hier jedoch ein missverständlicher Begriff. Wir werden, um es präziser zu formulieren, mit diesen 5-7.000 Botschaften konfrontiert, filtern aber die meisten unbewusst aus. Die schiere Menge an Botschaften macht deutlich, dass es vermutlich einiger Mühen bedarf, um die Aufmerksamkeitsschwelle des Einzelnen zu überwinden.

Wir haben nämlich nur eine begrenzte Aufnahmekapazität. Diese ohnehin schon begrenzte Aufnahmekapazität wird immer stärker von der Welt um uns herum gefordert. Für die Wahrnehmung einer Botschaft sind mehrere Faktoren ausschlaggebend, wie beispielsweise der Absender, die Motivation des Empfängers, visuelle Elemente und das Thema selbst – aber, und das ist entscheidend, vor allem, ob die Information für den Empfänger überhaupt verständlich ist.

Unsere Welt verändert sich auch in einer weiteren Hinsicht, durch zunehmende Internationalisierung. Dieser Faktor hat eine äußere und innere Dimension. Zum einen hat sich durch die Globalisierung unsere Gesellschaft nach außen geöffnet. Märkte, Unternehmen und Produkte sind heute international, von der Produktion bis zum Absatz. Aber auch nach innen erfährt unsere Gesellschaft eine Veränderung: durch Migration. Diesen Faktor dürfen wir als Gesellschaft nicht ignorieren. Die Zuwanderungszahlen sind seit 2015 auf Rekordniveau – Tendenz steigend. Und da die Wirtschaft dringend Fachkräfte benötigt, wird dieser gesellschaftliche Wandlungsprozess uns mit Sicherheit die nächsten Jahrzehnte begleiten. Gerade für Menschen, die Deutsch als Fremdsprache lernen und in unseren Unternehmen arbeiten, an unserem Alltag partizipieren und unsere Gesellschaft mitgestalten wollen, ist es noch wichtiger, dass Informationen verständlich vermittelt werden. Damit auch Menschen mit (anfangs) geringeren Sprachkenntnissen wenigstens eine faire Chance haben, die Informationen zu verstehen.

In diesem Zusammenhang gilt es, ein Vorurteil auszuräumen: Verständlichkeit trage zur »Verdummung der Gesellschaft« bei. Indem man Briefe, Informationen oder Formulare einfacher mache, befassten sich die Menschen nicht mehr tiefgehend mit den Informationen und würden dadurch »verdummen«. Im Sinn der »öffentlichen Kommunikation« (Unternehmenskommunikation, Behördenkommunikation, politische Kommunikation) ist dies nicht nur falsch, sondern verkehrt auch den wahren Zusammenhang: Wissen kann sich nur verbreiten, wenn es sprachlich zugänglich formuliert und verständlich ist. Verständlichkeit erhöht die Zugänglichkeit zu Wissen für einen größeren Empfängerkreis.

Es ist außerdem auch nicht die Aufgabe von Unternehmen, Kunden intellektuell zu »bilden«. Unternehmen erfüllen keinen Bildungsauftrag. Unabhängig vom politischen System und der Wirtschaftsform wollen Unternehmen überall auf der Welt vor allem eins: Ihre Erzeugnisse, also Produkte, Dienstleistungen, Wissen oder Daten verkaufen. Es ist also nicht Aufgabe der Unternehmen, zur literarischen Bildung durch komplexe Dokumente beizutragen. Ihre Mitarbeiter sollen keinen Pulitzer-Preis gewinnen. Ihre Dokumente sollen einfach nur funktionieren. Und das tun sie am besten, wenn sie einfach und verständlich sind. Die Welt wird in vielerlei Hinsicht immer komplexer – und somit verständliche und einfach Kommunikation für Unternehmen immer wichtiger.

2.2.2     Der Kunde 2.0

Jahrzehntelang haben Unternehmen und Behörden mit Kunden von oben nach unten kommuniziert. Man denke nur an Verwaltungsbehörden, an Banken und Versicherungen oder an Stromanbieter und Telekommunikationsunternehmen vor der Marktliberalisierung. Gerade in diesen Bereichen sind Sprache und Kommunikation auch heute noch oft von einem Stil durchdrungen, der gelegentlich herrschaftlich anmutet, mit Floskeln gespickt ist (»Wie Sie sicherlich wissen«), verstaubte Begrifflichkeiten (Telefax, Hochachtung, Liquidation etc.) und Fachchinesisch (»Ihrer Antwort in Textform sehen wir entgegen«) enthält.

Doch die Kommunikation mit dem Bürger und Kunden im 21. Jahrhundert erfordert, dass man auf Augenhöhe miteinander spricht. Dass man sich Wertschätzung entgegenbringt. Und, dass man auch kritische Sachverhalte in einer klaren, transparenten und höflichen Sprache formuliert. Dies betrifft nicht nur die Krisenkommunikation, sondern auch allerlei unangenehme Themen wie Preis- oder Gebührenerhöhungen. Auch Ablehnungen oder negative Bescheide sollten in Klartext statt in Fachchinesisch verfasst sein.

Der notwendige Wandel in der Kundenkommunikation hängt eng mit dem modernen Kundenleitbild zusammen. Der »Kunde 2.0« hat andere Ansprüche und andere Erwartungen als frühere Kundengenerationen. Der Kunde von heute ist selbstbewusst und legt Wert auf Qualität. Man könnte vom »mündigen« Kunden sprechen. Das liegt nicht zuletzt an den veränderten Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten. Verließ man sich vor noch nicht allzu langer Zeit vertrauensvoll auf seinen Bankberater oder Versicherungsvertreter, auf den Verkäufer oder den Fachmann als verlässliche Informationsquelle, ist das heute anders. Heute können sich Kunden alle relevanten Informationen leicht im Internet beschaffen. Ob zu Autos, Turnschuhen, Handyverträgen, Strompreisen, Versicherungen, Konten, Anlageprodukten, Druckern, Müslis, Weinen, Küchen oder Kachelöfen – zu allem finden Sie heute Informationen im Internet. Gerade bei immateriellen Produkten und Dienstleistungen, bei denen es um Verträge geht, haben Kunden heute dank der Vergleichsportale die Möglichkeit, Inhalte, Risiken und Kosten von Verträgen direkt zu vergleichen. Vergleichsportale boomen und sind in vielen Branchen schon zu einer der wichtigsten Informationsquellen und zu einem relevanten Wettbewerbsfaktor geworden.

Daher ist es wichtig, dass sowohl die Produktbeschreibungen als auch die Vertragsunterlagen einfach und verständlich gefasst sind. Denn wenn ein Kunde Inhalte nicht versteht, dann liegt oft der Gedanke nahe, dass der Anbieter etwas zu verbergen hat. Transparenz zeigt sich in der Sprache. Einfache, klare, übersichtliche und verständliche Informationen geben dem Kunden ein Gefühl von Transparenz. Dies kann ein entscheidender Wettbewerbsfaktor sein, gerade bei Vergleichsportalen oder anderen Online-Informationsquellen.

Aber auch über die Verständlichkeit hinaus ist die Sprache eines Unternehmens entscheidend für die Kundenbindung. Eine der Marke und dem Unternehmen angepasste Sprache sorgt für Identifikation und Wiedererkennung. Das beginnt bei der Ansprache der Kunden, wie z. B. das konsequent verwendete »Du« bei IKEA, und hört bei der Tonalität im Beschwerde- und Forderungsmanagement auf. Sprache hat die Aufgabe, eine Bindung zum Kunden herzustellen und zu festigen. Eine Corporate Language regelt nicht nur die Verständlichkeit, sondern im besten Fall auch die vielen weiteren Eigenschaften der Unternehmenssprache. Im Mittelpunkt steht immer der Kunde, der Bürger oder die Öffentlichkeit. Und dies sollte sich auch in der Sprache widerspiegeln. Denn mit der Sprache zeigen Sie, ob Sie auf Augenhöhe mit dem Kunden sind oder von oben nach unten mit ihm bzw. sogar nur über ihn kommunizieren.

Gerade auch der Umgang mit negativen Sachverhalten wie Ablehnungen oder Beschwerden ist entscheidend für die Kundenbindung und die Wahrnehmung Ihres Unternehmens. Daher werden wir diesen sensiblen Aspekt »positive Wortwahl« in Kapitel 5.1.2 ausführlich darlegen. Festhalten wollen wir an der Stelle: Ihr Kunde hat sich verändert. Er ist selbstbewusster geworden. Er stellt höhere Ansprüche an Sie und vor allem an Ihre Kommunikation.

2.2.3     Kosten sparen

Verständlichkeit spart Unternehmen Zeit und Geld. Unverständliche Kommunikation hingegen ist reine Ressourcenverschwendung. Experten gehen von einem jährlichen Schaden durch unverständlicher Texte in Höhe von einer Milliarde Euro aus.3 Die tatsächliche Zahl liegt wohl deutlich höher. Trotzdem wird Unverständlichkeit als Kostenfaktor weiterhin stark unterschätzt. Oder schlimmer noch: Dieser Kostenfaktor ist überhaupt nicht bekannt. Das Controlling in Ihrem Unternehmen weiß genau wie viel Blatt Klopapier oder wie viele Kaffeebohnen verbraucht wurden. Das Controlling weiß genau, wie hoch die Heizkosten waren oder welcher finanzielle Schaden durch Krankheit der Mitarbeiter entstanden ist. Aber gibt es im Unternehmen auch Berechnungen wie viel unverständliche Kommunikation kostet?

Stellen Sie sich einmal folgende, ganz alltägliche Situation vor: Sie verschicken an alle Ihre Kunden ein Schreiben mit wichtigen Informationen, beispielsweise eine jährliche Abrechnung. Was passiert, wenn diese Abrechnung kompliziert geschrieben wurde und viele Kunden deshalb die Information nicht verstehen?

Dies soll ein Rechenbeispiel verdeutlichen: Ein Unternehmen sendet jährlich eine Standardabrechnung an 50.000 Empfänger. Wenn nur jeder 5. Empfänger Fragen zu der Rechnung hat und beim Unternehmen nachfragt, und jedes Gespräch im Schnitt 10 Minuten dauert, dann verbringen Ihre Mitarbeiter 833 Stunden mit Klärung offener Fragen – das entspricht mehr als 100 Arbeitstagen! Und das nur, um eine Information nochmals verständlicher zu vermitteln, wegen der die Abrechnungsbriefe überhaupt verschickt wurden. Dabei war das Ziel ursprünglich, den Empfänger mit wenig Aufwand zu informieren und gegebenenfalls zum Handeln im Sinne des Unternehmens zu motivieren, also etwa eine Zahlung vorzunehmen oder einen Tarif zu wechseln. Wohlgemerkt: Die Mehrzahl der Fragen taucht nur deshalb auf, weil Inhalte unverständlich und nicht in einer dem Kunden verständlichen Sprache formuliert sind. Selbst wenn die Mitarbeiter in der Zeit Blumen gießen oder den Schreibtisch aufräumen würden, wäre die Zeit sinnvoller investiert als in die Beantwortung unnötiger Fragen. Und stellen Sie sich einmal vor, was man mit dieser Summe an Arbeitstagen im Unternehmen produktiv bewegen könnte.

Wir halten fest: Das in dem Beispiel beschriebene Unternehmen, würde durch eine einfache Maßnahme, nämlich einer verständlichen Abrechnung, über 100 Arbeitstage einsparen. Wenn wir einen Arbeitstag mit 400 Euro kalkulieren, dann sparen Sie in diesem Fall durch eine verständlich formulierte Abrechnung über 40.000 Euro ein. Da sind die Kosten für die Optimierung der Abrechnung eine sehr gute Investition.

Zu dieser Einsparung kommt noch ein weiterer wichtiger Aspekt. Neben den Rückfragen, die direkte Kosten verursachen, entstehen noch indirekte Kosten: