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Dorian Hunter Band 95: Kampf der Schiedsrichter

Der Posten des Schiedsrichters der Schwarzen Familie war noch nie so heiß umkämpft: Mit einem zweiten Eidesstab versucht Olivaro die derzeitige Amtsinhaberin Salamanda Setis zu stürzen und ihren Posten einzunehmen. Aber Salamanda hat noch immer die Unterstützung des Fürsten der Finsternis persönlich. Kann er die Herausforderung trotzdem gewinnen?

 

 

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Olivaros Sterbelied

 

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Band 94

 

Olivaros Sterbelied

 

von Simon Borner und Susan Schwartz

nach einem Exposé von Susanne Wilhelm

 

 

© Zaubermond Verlag 2018

© "Dorian Hunter – Dämonenkiller"

by Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt

 

 

Titelbild: Mark Freier

eBook-Erstellung: Die eBook-Manufaktur

 

www.Zaubermond.de

 

Alle Rechte vorbehalten

 

 

Was bisher geschah

 

Der ehemalige Reporter Dorian Hunter hat sein Leben dem Kampf gegen die Schwarze Familie der Dämonen verschrieben, seit seine Frau Lilian durch eine Begegnung mit ihnen den Verstand verlor. Seine Gegner leben als ehrbare Bürger über den gesamten Erdball verteilt. Nur vereinzelt gelingt es Dorian, ihnen die Maske herunterzureißen.

Bald kommt Hunter seiner eigentlichen Bestimmung auf die Spur: In einem früheren Leben schloss er als französischer Baron Nicolas de Conde einen Pakt mit dem Bösen, der ihm die Unsterblichkeit sicherte. Der Pakt galt, und als de Conde selbst der Ketzerei angeklagt und verbrannt wurde, wanderte seine Seele in den nächsten Körper. Im Jahr 1713 wurde er als Ferdinand Dunkel in Wien Zeuge, wie Asmodi, das Oberhaupt der Schwarzen Familie, von einem Nachfolger verdrängt wurde, der sich fortan Asmodi II. nannte. Ihn kann Dorian schließlich töten.

Nach vielen Irrungen nimmt Lucinda Kranich, die Schiedsrichterin der Schwarzen Familie, die Rolle des Asmodi an. Niemand weiß, dass sie in Wirklichkeit hinter dem wiedererstandenen Fürsten steckt. Und letztendlich wird ihre Maskerade Wirklichkeit. Dass Lucinda sich einen Teil Asmodis einverleibt hat, um seine Macht zu erlangen, wird ihr zum Verhängnis. Der in ihr schlummernde Asmodi übernimmt die Kontrolle über ihren Körper und ersteht so tatsächlich wieder auf.

Den Posten des Schiedsrichters nimmt die babylonische Vampirin Salamanda Setis an, die noch ein sehr persönliches Hühnchen mit Dorian zu rupfen hat. Gleichzeitig gelingt es Dorian mithilfe seiner Tochter Irene, ganz Großbritannien von Dämonen zu befreien. Allerdings sind Salamanda und Asmodi bereits dabei, einen Gegenschlag zu planen. Um ihn zu verhindern und Salamanda als Schiedsrichterin zu stürzen, muss Dorian sich erneut mit Olivaro verbünden.

 

 

Erstes Buch: Olivaros Sterbelied

 

Olivaros Sterbelied

 

von Simon Borner

nach einem Exposé von Susanne Wilhelm

 

 

Kapitel 1

 

Alle wussten es. Niemand konnte es verhindern.

Und tief in ihrem Innern wollten sie es auch nicht.

»Ich sag das jetzt nicht laut«, hörte Dave Franco die Stimme des anderen Logenbruders hinter sich. »Denn Wände haben manchmal Ohren, und meine Meinung entspricht nicht gerade dem, was die Anführer unserer Bruderschaft aktuell hören wollen. Aber ich lasse mir den Mund nicht verbieten. Und ich lasse mir nicht vorschreiben, was ich denken soll. Klar? Also, ganz leise und ganz ehrlich: Von mir aus soll der Typ verrecken! Je jämmerlicher, desto besser! Jeder Tag, an dem er die Augen aufschlägt, ist ein Tag, an dem unsere Gemeinschaft ihre Ideale verrät. Das ist meine Meinung.«

Die zweite Stimme klang entsetzt, widersprach aber nicht. »Psst. Um Himmels willen, wenn Magnetto das hört …«

»Magnetto kann mich mal!«, schimpfte Stimme eins. Nun wurde sie doch lauter. »Verraten und verkauft hat der uns! Die Magische Bruderschaft Londons ist ein heiliger Bund, mein Freund. Aber unser ach so verehrter Großmeister macht ihn unheilig, weil er vor Dorian Hunter kuscht, anstatt auf den Tisch zu hauen. Eine Schande ist das, hörst du? Eine gottverdammte Schande.«

Franco hatte genug gehört. Der Praktikus der Magischen Bruderschaft drehte sich um und ging zurück. Die Stimmen kamen aus einem offen stehenden Zimmer im Obergeschoss des Logengebäudes. Durch puren Zufall hatte Franco es soeben im Flur passiert. Und nun trat er ein.

»Eine Schande, ja?«, fuhr er die beiden Männer im Raumesinneren an. »Ein unheiliger Bund?«

Die Brüder zuckten zusammen wie auf frischer Tat ertappte Ganoven. Franco kannte sie vom Sehen, wusste aber nicht ihre Namen. Einer war stämmig und hatte dunkle Haut, einer war rothaarig und stubenhockerblass. Mit Zuhörern hatten beide sichtlich nicht gerechnet.

»W… Was?«, stammelte der Stämmige. Franco schätzte ihn auf Mitte Vierzig. »Da müssen Sie sich verhört haben, denn …«

»Sparen Sie sich die Lügen, ich glaube sie ohnehin nicht.« Franco trat auf den Mann zu. Ihm gehörte die Stimme Nummer eins also. »Sie sind ein ganz Schlauer, hm? Sie wissen’s besser als der Großmeister und seine Vertrauten, hm? Sie schämen sich für die Bruderschaft, der Sie Ihr gesamtes Leben gewidmet haben?« Eine Pause. »Nur zu. Geben Sie es ruhig zu, dass es so ist. Ich habe Ohren, Mann! Ich weiß, wie Sie denken.«

Der Stämmige verschränkte trotzig die Arme vor der Brust. Er stand am Fenster des kleinen Zimmers, und durch die Scheibe konnte Franco die Sonne über London aufgehen sehen. »Verdammt richtig – und das wird man ja wohl noch sagen dürfen! Wo sind wir denn, wenn wir jetzt schon Dämonen aufnehmen und gesund pflegen? Unsere Erzfeinde, verflucht noch mal!«

Der zweite Mann hatte seinen Mut wiedergewonnen und nickte nun kräftig. »Genau.«

Franco seufzte. Er verstand die zwei Brüder gut, das war ja das Schlimme. Auch er war wenig begeistert davon, dass sich der Dämon Olivaro in der Obhut seiner geliebten Londoner Loge befand. Mehr noch, dass diese Loge den Auftrag hatte, Olivaro mit allen Mitteln am Leben zu erhalten! Koste es, was es wolle.

Es widersprach allem, an das Franco glaubte.

Dennoch wusste er, dass es das Richtige war. Zumindest in dieser Situation.

»So leid es mir für Sie beide tut, wir werden Olivaro retten«, sagte er den zwei Brüdern. »Wir werden alles in unserer Macht Stehende versuchen, um seinen Tod aufzuschieben. Dieser Aufgabe dienen wir – ihr allein.«

»Und die Barriere?« Der Rothaarige schob das Kinn vor. »Was ist mit der? Unsere Brüder an der Front brauchen jede Hilfe, die sie kriegen können, um die Mächte der Finsternis von einer Invasion abzuhalten. Und wir? Wir hocken hier und messen Fieber bei einem Dämon!«

»Dorian Hunter hat uns darum gebeten«, betonte Franco. Auch ihn begeisterte es wenig, die Brüder an der Magischen Schutzbarriere allein zu lassen. Dass die Londoner Zentrale deswegen so spärlich besetzt war, machte ihn ebenfalls nervös. Doch die Umstände ließen sich nun einmal nicht ändern. Man musste sie nehmen, wie sie kamen. Und man musste versuchen, sie zu meistern – immer und mit aller Kraft. »Ihm gefällt es genauso wenig wie uns. Aber er versteht, welchen Nutzen Olivaro für unsere gemeinsame Sache hat. Er braucht diesen Dämon noch – lebend! Also werden wir ihn am Leben erhalten, Brüder. Wir alle. Selbst wenn es das Letzte wäre, was wir auf Erden tun.«

Die Männer schwiegen. Sie sahen zu Boden, und ihre Mienen verrieten, wie ungern sie dem Praktikus zustimmen wollten.

Doch Franco ließ nicht locker. »Verstanden?«

Schweigen.

»Verstanden?«, wiederholte er strenger.

Nun nickten die zwei Brüder. »Verstanden«, murmelte der Stämmige. Es klang, als hätte er sich lieber die Zunge herausgerissen, als dieses eine Wort zu sagen.

»In Ordnung.« Franco beschloss, es dabei zu belassen. Mehr durfte er vermutlich nicht erwarten. Im Grunde hatten die Männer ja recht. »Schön, dass wir das klären konnten. Ich schlage vor, Sie widmen sich jetzt wieder Ihren Arbeiten, anstatt hier Klönschnack zu halten. Und behalten Sie Ihre private Meinung von jetzt an tatsächlich lieber für sich. Sie hilft nämlich niemandem, klar?«

Sprach’s, drehte sich um und verließ den Raum. Er hatte gehörige Wut im Bauch, aber nicht nur auf die zwei Männer. Sondern vor allem … auf sich selbst.

 

Das Krankenzimmer lag im Halbdunkel. Die Vorhänge standen nur einen schmalen Spalt offen, und wenig Licht fiel ins Innere. Zwei Personen standen um das schmale Bett herum, und auf all ihren Mienen zeigte sich die gleiche unbeschreibliche Mischung aus Sorge und Zorn.

»Er wird es nicht schaffen«, sagte Peter Magnetto schließlich. Der Großmeister der Londoner Dependance der Magischen Bruderschaft sah niedergeschlagen zu seinen Brüdern. Dann deutete er auf die zahlreichen medizinischen Monitore, die hinter dem Bett leise surrten und piepsten. »Diese Anzeigen beweisen es, aber man sieht es mit dem bloßen Auge. Olivaro wird sterben. Schneller, als es uns lieb ist.« Er seufzte. »Und ich glaube kaum, dass ich das gerade gesagt habe: Schneller, als es uns lieb ist.«

Dave Franco schluckte. Es tat weh, den obersten Bruder so ratlos zu erleben. »Was sagt das Labor? Was denken die Alchemisten?«

»Pff.« Magnetto schüttelte den Kopf. »Sie raufen sich die Haare, das denken sie. Sie wissen nicht mehr weiter.«

Der Großmeister ging zum Fenster und öffnete den Spalt ein wenig mehr. Warmes Vormittagslicht erhellte seine faltigen Züge. Franco fragte sich, wann Magnetto zuletzt geschlafen hatte. Es schien entsetzlich lange her zu sein, denn die Ringe unter den Augen des Logenleiters wurden nahezu stündlich dicker.

»Dieses Gift …« Magnetto atmete ächzend aus. »Es lässt sich nicht greifen. Verstehen Sie, Franco? Es ist wie kein anderes, das wir kennen und behandeln können. Unsere größten Experten stehen vor einem Rätsel, das sie unlösbar finden.«

Franco runzelte die Stirn. Nachdenklich sah er zum Bett.

Olivaro, der Dämon, hatte die Augen fest geschlossen. Sein Atem ging stockend, und seine Stirn war schweißnass. Er schlief und litt doch Höllenqualen, so viel war sicher. Und wenngleich er kein Mitleid von Franco erwarten durfte und auch keines wollte, empfand Franco in diesem Moment Mitleid – für Dorian Hunter!

»Unlösbar inwiefern?«

»Das Gift lässt sich nicht isolieren«, erklärte Magnetto. »Es ist zwar nachweislich in Olivaros Körper – in stattlichen Mengen, sogar! –, aber es mutiert ständig. Es macht eine genaue Identifikation unmöglich, weil es immer wieder seine Zusammensetzung ändert. Ganz ohne Fremdeinfluss.« Er seufzte wieder. »Ganz ehrlich, so eine perfide Magie habe ich selten gesehen. Wie soll man ein Gift behandeln, dass man nicht identifizieren kann?«

Gar nicht, verstand Franco. Genau das war wohl der Plan hinter Olivaros Zustand. Und dieser Plan geht auf.

»Und doch kann niemand außer ihm den neuen Eidesstab erschaffen«, fuhr der Großmeister fort. »Hunter braucht Olivaros Hilfe, wenn er siegen will. Er braucht diesen Stab. Je länger ich den Zustand des Dämons aber verfolge, desto größer werden meine Zweifel. Schafft Hunter es noch rechtzeitig zurück nach London? Oder stirbt Olivaro, ohne den Stab erschaffen zu haben?«

Franco nickte. »Wo ist Hunter inzwischen, wissen wir das?«

Magnetto schüttelte den Kopf, doch es war der Dämon selbst, der antwortete.

»Am Arsch ist der«, knurrte die tiefe Stimme vom Bett herüber. Olivaro war schwach und fiebrig, doch sein Hass brannte noch immer heller als jedes Fieberfeuer. »Und da gehört er auch hin. So wie ihr alle.«

»Sie sind ja doch wach«, bemerkte Magnetto trocken. »Wie schön.«

Olivaro öffnete blinzelnd die Augen. Sie waren glasig, und ihr Blick schien ins Leere zu gehen. »Und ob das schön ist«, sagte er keuchend, gefolgt von einem gewaltigen Hustenanfall. Franco stand zwar direkt am Bett, half dem Dämon aber nicht. »Und ich komme nicht umhin, mitzubekommen, wie gern Sie mich hier haben. So viel Gastfreundschaft werde ich Ihnen sicher bei Gelegenheit vergelten.«

Das war eine Drohung, aber eine leere, das wusste Franco. Olivaro stand vermutlich nie wieder auf. Auch dem Dämon musste das inzwischen klar sein. Doch Franco verstand auch seinen Hass. Niemand war mit dieser Situation zufrieden – nicht die Bruderschaft, nicht Olivaro.

Der Großmeister seufzte, dann sah er zu Franco. »Kommen Sie, Dave. Lassen wir ihn eine Weile allein.«

»Ha!«, ächzte der Dämon. »Wie aufmerksam …«

Sie ließen ihn reden. Schweigend traten die zwei Brüder aus dem Zimmer, und Franco schloss die Tür hinter ihnen. Im Flur des Logenhauses war es still und heller. Das, fand der Praktikus, war schon mal ein Anfang.

»Wo ist Hunter inzwischen?«, fragte er seinen Meister erneut. Und er fragte sich, ob er die Antwort wirklich hören wollte. Ob es überhaupt eine gute Antwort darauf gab. »Wissen wir das?«

Magnetto schüttelte den Kopf. »Dandan Oilik, wenn alles gut läuft, aber wir können nur hoffen.«

Franco verstand. Die Lage in London war ernst. Doch die Lage an vorderster Front mochte sogar noch ernster sein. Und hier wie da drohten sie zu scheitern. Sie alle miteinander.

 

Dorian Hunter wusste längst nicht mehr, wo er sich befand. Viel zu eintönig und immer gleich wirkte die Umgebung auf ihn, und die sengende Hitze machte ihm das Fortkommen nicht gerade leichter. Die Taklamakan-Wüste hatte den Dämonenkiller wieder. Und diesmal schien sie ihn nicht mehr hergeben zu wollen.

Diesmal wurde sie ihm zum Grab.

»Ich bin hier schon mal gestorben«, knurrte Hunter. Es war niemand da, der ihn hörte. Dennoch verspürte er den Drang, sich den Dünen, der Weite und dem endlos scheinenden Sand zu erklären. Sich zu schützen. »Hörst du? Hunderte Male bin ich hier schon gestorben. Und? Es hat nichts geändert. Absolut gar nichts.«

Es würde auch heute nichts ändern. Das versprach er sich selbst. Dafür würde er kämpfen. Zur Not bis weit über den Tod hinaus.

Ächzend schleppte er sich weiter, dem Horizont und der Sonne entgegen. Es half ja nichts. Die Zeit drängte.

Auch wenn Hunter am liebsten nie an seinem Ziel angekommen wäre …

Dandan Oilik. So hieß die verfallene Ruinenstadt. Irgendwo weiter vorn musste sie liegen, stummes Relikt eines längst vergessenen Zeitalters. Sie war das Ziel von Hunters Reise und seine letzte Hoffnung. Doch sie war auch sein Albtraum!

Weit mehr als eine Ewigkeit hatte Hugo Bassarak in Dandan Oiliks Ruinen verbracht. Er war mit einer Reisegruppe aus China unterwegs in den Westen gewesen, und in der verfallenen Stadt hatten unheimliche Dschinnen die Reisenden angegriffen. Hunter wusste noch genau, wie plötzlich die dämonischen Kreaturen über sie gekommen waren. Wie schnell die anderen Menschen gestorben waren, so schnell wie Fliegen. Und unendlich grausam.

Mathis Marchand, der französische Kaufmann mit den großen Ambitionen. Aaltje deVries, die Erbin aus den Niederlanden, die sich in einem Männerberuf hatte behaupten wollen. Wilhelm Kesselbar, der bedauernswerte Deutsche. Pierre Duval, der verschlagene Seidenhändler, dessen Gier größer gewesen war als sein Verstand. Und Fu Long, der ebenso mutige wie weise Chinese.

Sie alle waren durch die Hand der Dschinnen gefallen, vor Hunters entsetzten Augen. Er hatte es nicht verhindern können.

Nur, sie waren nicht bloß ein Mal gestorben. Oh, das bei Weitem nicht! Denn das Schicksal war ein mieser Verräter.

Hunter zog ein Schauer über den Rücken, trotz der gnadenlosen Hitze, als er an jene Tage in der Taklamakan zurückdachte. Ein bizarrer Zauber hatte über den Ruinen von Dandan Oilik gelegen. Die Stadt im Wüstensand war eine Falle gewesen, in der sich die Zeit immer wieder aufs Neue auf den Startpunkt hatte zurückdrehen lassen. Wieder und wieder hatte das Grauen dort von vorn begonnen, und nur Hugo Bassarak hatte es gewusst. Mehr noch: Er hatte es verschuldet. Jedes einzelne Mal.

Um seine Gefährten vor dem Tod durch die Dschinnen zu retten, hatte er die besondere Magie dieses Ortes genutzt und die Zeit zurückgestellt. Es war ihm auch gelungen, doch stets nur bis kurz vor dem Angriff der Wüstendämonen. Ewigkeiten lang hatte er immer wieder dieselbe grauenvolle Szene durchlitten, das Gemetzel an seinen Begleitern miterlebt, um sie geweint und getrauert. Er hatte es nie verhindern können, was er auch versuchte.

Dandan Oilik wurde stets aufs Neue zu ihrem Grab … und zu Hugo Bassaraks entsetzlichem Gefängnis. Zu einem Verlies jenseits der Zeit, in dem nur der Wahnsinn ihm noch Gesellschaft leistete.

Irgendwann hatte Bassarak einfach aufgegeben. Die vielen fruchtlosen Anstrengungen, der ewig gleiche Tag der Schrecken … Niemand konnte all das lange ertragen, ohne dabei zugrunde zu gehen. Auch Bassarak war zugrunde gegangen. Er hatte einen Teil seiner Menschlichkeit verloren.

Bassarak fand seinen Ausgang, irgendwann nach vielen weiteren Tagen, die doch stets nur derselbe Tag gewesen waren. Er fand die Lösung und rettete sich und seine Gefährten. Für Aaltje, Mathis und die anderen war gar nichts geschehen, denn sie hatten sich nicht an ihre vielen Tode erinnert. Sie waren so unschuldig und ahnungslos gewesen wie zuvor.

Doch Bassarak hatte sich verändert. Eine Ewigkeit in der Falle der Dschinnen hatte ihn mürbe gemacht, böser und verschwiegener. Die anderen Mitglieder der Gruppe bekamen damals Angst vor ihm und verstießen ihn bei der erstbesten Gelegenheit. Bis heute wusste der Dämonenkiller nicht genau, was aus ihnen wurde. Und wenn er ehrlich zu sich war, wollte er es auch nicht wissen.

Am liebsten würde ich all das vergessen, dachte Hunter nun. Noch immer schleppte er sich durch die erbarmungslos heiße Taklamakan. Dandan Oilik und seine Schrecken.

Doch das durfte er nicht. Alles hing davon ab, dass er an diesen verfluchten Ort zurückkehrte. Und von Olivaro.

Halte durch, du elender Dämon!, beschwor Hunter den hitzeflirrenden Himmel über sich. Ich komme wieder, also halte durch!

Er wusste nicht, ob er das Versprechen halten konnte. Aber ihm blieb keine Wahl. Wenn er scheiterte, war alles vorbei.

In einer Sandmulde machte er eine Pause. Die Westseite des tiefen Lochs spendete ihm ein wenig Schatten, und schnaufend nahm er einen tiefen Zug aus seiner Wasserflasche. Sein ganzer Körper schmerzte. Zum vielleicht tausendsten Mal nahm Hunter seine Ausrüstung in Augenschein.

Neben der Flasche und einigen Nahrungsmitteln führte er kleine Gefäße aus Ton und Metall mit sich. Magische Zeichen waren in ihre Seiten geritzt, genauso wie er es aus Hugo Bassaraks Erinnerungen kannte. Die Zeichen konnten Dschinnen einfangen. Kam ein Dschinn mit einem derart verzierten Gefäß in Berührung – und längst nicht jedes Material eignete sich dafür –, so wurde er in dessen Innerem gefangen. Das, fand Hunter, war schon mal ein Anfang.

Auch einige Dämonenbanner fanden sich in seiner Tasche. Diese konnten die Wüstenteufel zwar nicht vernichten, hielten sie aber leidlich gut auf Abstand. Und manchmal musste man nehmen, was man kriegen konnte – oder etwa nicht?

Der letzte Gegenstand in seinem Gepäck war die alte Schriftrolle. Hunter hatte sie erst kürzlich gefunden – im Grab von Aso persönlich. Und niemand Geringeres als Olivaro hatte die beiliegende Übersetzung der Schrift für ihn angefertigt. Hunter hatte lange überlegt, ob er dieses Gepäckstück überhaupt brauchte. Es enthielt nur wenig neue Informationen über Feuerschädel und Dschinnen. Aber er hatte es trotzdem eingepackt, denn er hoffte, dass ihm unterwegs vielleicht noch ein Nutzen dafür einfiel.

Bislang hoffe ich aber vergebens. Seufzend verstaute der Dämonenkiller die Sachen wieder in der Tasche. Dann stand er auf. Der Weg nach Dandan Oilik mochte noch immer lang sein. Und Olivaros Uhr tickte immer lauter.

Er durfte sich nicht ausruhen. Jede Sekunde zählte.

Etwa eine Stunde später fand er die Stadt. Dandan Oiliks verfallene Mauern ragten am Horizont in den Wüstenhimmel empor wie die Gebeine eines Toten, über dem die Geier kreisten. Der Zahn der Zeit hatte ihnen nichts von ihrer entsetzlichen Kälte genommen. Dorian Hunter war endlich am Ziel. Er hatte es hierher geschafft. Einmal mehr fragte er sich, ob das etwas Gutes war, und einmal mehr fand er darauf keine Antwort.

Nicht drüber nachdenken, sagte er sich, straffte die Schultern und hielt direkt auf die Ruinenstadt zu. Einfach bloß machen. Weitermachen.

Doch tief in seinem Inneren glaubte er, Hugo Bassaraks heisere Schreie von damals erneut durch die erbarmungslose Wüste wehen zu hören, klagevoll und verzweifelt wie die mitternächtlichen Rufe eines Ghouls.

 

Er hatte sich geirrt. Das bemerkte er sofort, als er zwischen den verfallenen Mauern umherstreifte. Der Zahn der Zeit hatte an Dandan Oilik gewütet, oh ja. Überall sah Hunter Spuren des Verfalls. Die Stadt, in die es Hugo Bassarak vor Jahrhunderten verschlagen hatte, war einst unter einer Art magischen Kuppel gefangen gewesen, die ihren weiteren Verfall stoppte. Nun schien von solch einer Magie aber nichts mehr übrig zu sein. Wenn jetzt der Wind um diese Bauten pfiff und Sand gegen sie peitschte, dann nahmen sie auch Schaden. Der Zauber von damals war vorbei.

Die Erkenntnis beruhigte Hunter mehr, als er es sich erklären konnte. Die unheimliche Macht der Dschinnen hatte also Grenzen, und sogar ihre Zeitschleifen waren nicht für die Ewigkeit gebaut. Auch wenn sich das Leben in ihnen wie tausend Ewigkeiten anfühlte. Das Leben … und das Leiden.

Wieder verscheuchte er die Erinnerung. Bassaraks Tage lagen hinter ihm. Heute hatte er neue Aufgaben zu erfüllen, und denen half er nicht, wenn er die Wunden der Vergangenheit leckte, verdammt!

Machen, nicht denken!

Also machte er. Suchend sah er sich nach dem Eingang in den unterirdischen Tempel um. Auch ihn kannte er aus Bassaraks Zeit in dieser Ruinenstadt noch sehr genau. Dort unten, in einem von allen guten Geistern und aller Hoffnung verlassenen Altarraum, lagerten die Feuerschädel, die Olivaro benötigte, um den neuen Eidesstab anzufertigen. Hunter hatte nicht vor, den Ort ohne einen von ihnen zu verlassen.

Nur: Wo anfangen? Der Wüstenwind hatte auch Dandan Oiliks Aussehen gehörig verändert, und die alten Orientierungspunkte waren kaum noch wiederzuerkennen. Zudem musste Hunter vorsichtig vorgehen, denn jeden Augenblick konnte einer der hiesigen Dschinnen sein Erscheinen bemerken und ihn angreifen. Alles war möglich – erst recht hier draußen im gottverlassenen Nichts.

Auch wenn hier seit Hugos Zeiten mehrfach archäologische Ausgrabungen stattgefunden hatten, ohne dass es Meldungen über spektakuläre Tode gegeben hätte. Irgendetwas hatte sich seit damals spektakulär geändert.

Ratlos strich Hunter um die verfallenen Bauten. Nichts drang an seine Ohren. Nicht einmal der Wind rührte sich noch. Die Stille war ohrenbetäubend.

Dann stutzte er. Erklang da nicht ein Lachen? Und kannte er es nicht genau?

Du spinnst, tadelte er sich. Deine Phantasie spielt dir Streiche. Du bist überanstrengt und müde, weiter nichts.

Er wusste, dass es so war. Doch das änderte nichts. Denn mit einem Mal stand Aaltje deVries vor ihm.

Die Holländerin war immer noch wunderschön. Ihre weite Kleidung war sandfarben, und ihr Haar wogte in einem Wind, der gar nicht da war. Genau wie sie selbst nicht da war.

»Du hast uns sterben lassen«, sagte die junge Unternehmerin. Hass lag in ihrem Blick. »Mitten in der Wüste. Du wusstest als Einziger von uns, wer diese Dämonen waren. Du hattest schon früher gegen Wesen wie sie gekämpft – und gewonnen! Und doch … Wir starben wie die Fliegen, Hugo. Wieder und immer wieder. Und du hast nichts dagegen getan!«

Hunter ging weiter. Sie war nicht real. Da sprach nur sein Unterbewusstsein zu ihm, sein Schuldkomplex. Er war zurück in Dandan Oilik, an einem Ort, den er fürchtete wie kaum einen anderen. Und die Geister der Vergangenheit erwachten in seiner Phantasie.

Im nächsten Bauwerk fand er Pierre Duval. »Sie elendes Stück Dreck!«, fuhr der verschlagene Franzose ihn an. »Ohne Sie wäre ich heute reich, wissen Sie das? Hätten Sie mir nicht verboten, einen dieser Feuerschädel mitzunehmen …«

Hunter ignorierte auch ihn. Doch er musste schwer schlucken. Die Erinnerung schmerzte – vor allem die daran, wie wenig ihn seine alten Reisegefährten verstanden hatten. Wie wenig sie ihm glaubten … und wie viel Angst sie plötzlich vor ihm bekommen hatten.

Im letzten Ruinenbau stand Mathis Marchand.

Hunter blieb stehen. Nichts geschah. Der quirlige Franzose sagte kein Wort und sah ihn nur vorwurfsoll an.

»Und?«, fragte Hunter die doch bloß eingebildete Erscheinung schließlich. »Willst du auch mit mir schimpfen? Mir sagen, was für ein Monster ich doch war?«

Mathis schüttelte den Kopf. »Du bist zurückgekehrt. Das ist Strafe genug.« Dann trat er zur Seite. »Und jetzt … sieh

Mit einem Mal riss Hunter die Augen auf. Die Stelle, an der der falsche Franzose gestanden hatte! Das war der Eingang zum Tempel! Er erkannte die Stelle sofort wieder. Dort unten musste der Altarraum mit den Schädeln sein.

Doch nichts deutete mehr darauf hin. Die ganze Landschaft hatte sich seit damals gründlich verändert, und wo einst der Eingang war, lag nun nur Sand. Als hätte es diesen Tempel nie gegeben.

Aber er ist da, dachte Hunter. Das ist die Stelle.

Fragend drehte er sich zu Mathis um, doch die Gestalt war verschwunden. Er war allein. Hunter kniete sich in den Sand. Er tastete über den Boden, grub mit den Händen darin. Nichts. Keinerlei Hinweis darauf, dass das Erdreich hier ein Geheimnis barg.

Wie kann das sein?

Er hatte doch seine Erinnerungen. Er irrte sich nicht. Dies war die Stelle.

Mit einem Mal bemerkte er etwas Seltsames. Ein rotgoldenes Licht brannte plötzlich in seiner Tasche. Hunter stellte sie ab, öffnete sie – und wich erschrocken zurück! Die Schriftrolle leuchtete hell wie Feuer!

Es war der Stab aus Holz, um den das Pergament gewickelt war. Er glühte regelrecht und verströmte eine immense Hitze. Bald würde die Rolle Feuer fangen!

Entsetzt packte Hunter zu. Er zog die Rolle aus der Tasche – und ließ sie sofort fallen. Sie war einfach zu heiß.

Noch bevor der glühende Holzstab den Boden berührt hatte, verbrannte das wertvolle Pergament zu Asche. Nichts blieb von ihm übrig.

»Nein!«, keuchte Hunter. Panik wallte in ihm auf.

Dann landete der Stab im Sand oberhalb des Tempels. Und der Spuk begann!

 

Die Luft oberhalb des Stabes flirrte. Bunte Flecken zogen über sie, und für einen kurzen Moment war dem Dämonenkiller, als könne er in ihr die Unendlichkeit erkennen.

Dann erschien die Königin. Aso war so schön und unnahbar wie am Tag, als er ihr zum ersten Mal gegenüberstand. Sie stand aufrecht, stolz und stark. Doch im Blick ihrer dunklen Augen lag eine rätselhafte Güte und Weisheit, die Hunter sich nicht erklären konnte.

Ohnehin konnte er sich nur wenig von dem erklären, was er da sah. Er konnte bloß staunen.

»Wenn du das hier siehst«, sagte die flirrende Königin, »hast du eine meiner Schriftrollen bei dir. Ich kenne dich nicht, daher vermag ich nicht zu sagen, ob ich sie dir freiwillig mit auf deinen Weg gab oder ob du sie mir stahlst. Doch ich weiß eines, mein unbekannter Geselle: Du hast sie an einen Ort gebracht, an dem schwarze Magie regiert!«

Hunter schluckte trocken. Die Königin hatte eine Art Botschaft aufgezeichnet! Einmal mehr staunte er über die Weitsicht dieser beeindruckenden Frau.

Aso fuhr fort: »Jetzt wird eines von zwei Dingen geschehen. Du könntest vernichtet werden – ohne Gnade und auf grausamste Art und Weise. Denn ich teile mein Wissen nicht mit dämonischen Dieben!« Ihre Miene wurde wieder freundlicher. »Doch falls ich dir die Rolle aus freien Stücken schenkte, so wird sie dir nun von Nutzen sein. Sie wird dich Wissen lehren, wie du es dir nicht hättest vorstellen können. Sie wird dir die Augen öffnen.«

Hunter hielt den Atem an. Was geschah hier? Sorgenvoll sah er zum glühenden Holzstab, von dem die eigenartige Projektion ja ausging. Wusste dieses kleine Artefakt tatsächlich zwischen Freund und Feind zu unterscheiden? Er konnte nur darauf hoffen. Andernfalls wäre er verloren – und mit ihm auch der große Kampf.

»Lehn dich zurück und lass es geschehen«, sagte die Botschaft der Königin. »Du kannst nichts mehr dagegen tun. Mein Zorn … oder mein Wissen … gehört nun ganz allein dir.«

Die Königin verschwand. Gleichzeitig wurde das Licht, das der Stab ausstrahlte, immer heller. Hunter wich einen Schritt zurück, schloss stöhnend die geblendeten Augen – und zuckte zusammen, als der Stab vor ihm explodierte!

Die magische Detonation war wie eine gewaltige Druckwelle. Hunter wurde gepackt, verlor den Boden unter den Füßen und flog mehrere Meter nach hinten, bevor er unsanft im Sand landete. Staub, Dreck und Steinbrocken regneten auf ihn herab. Fassungslos öffnete er die Augen und sah voraus.

Das Licht kam über ihn wie eine Flut.

Und mit einem Mal sah er alles!

 

 

Kapitel 2

 

Im Inneren des Labors herrschte Weltuntergangsstimmung. Niedergeschlagen beobachtete Dave Franco, wie die Wissenschaftler und Alchemisten mehr und mehr den Mut verloren. Seit Tagen arbeiteten sie nun schon allein an dieser einen Sache. Und sie waren keinen Schritt weiter als am ersten Tag.

»Verdammt!«, zischte Claire Nichols. Die schwarzhaarige Magierin stand an einem Tisch, mehrere Erlenmeyerkolben, Objektträger und Hochleistungsmikroskope vor sich. Und sie ballte wütend die Faust. »Du dummes Stück …«

Franco trat zu ihr. Er kannte Nichols und schätzte sie. Sie verstand ihren Job. Entsprechend schlimm war es, ausgerechnet sie so ratlos und frustriert zu erleben.

»Keine Chance?«, fragte er vorsichtig.

Sie schüttelte den Kopf. »Dieses Gift ist ein einziges Mysterium. Was wir auch tun, es mutiert uns unter den Fingern. Wann immer ich glaube, es endlich verstanden zu haben, ist es ein komplett anderes Gift geworden, sobald ich ein Gegenmittel vorbereite. Das geht schneller, als man gucken kann. Schneller, als die Logik es erlaubt.« Sie seufzte. »So ein perfides Gift habe ich noch nie erlebt, Franco. Nicht auf dieser Erde.«

Er nickte. Er war ins Labor der Magischen Bruderschaft gekommen, weil er hoffte, die hart arbeitenden Kollegen würden seine Laune verbessern. Ihm die schwindende Hoffnung zurückgeben. Doch das Gegenteil war der Fall. Auch Nichols und ihre Mitstreiter verloren immer mehr den Glauben daran, dass sie noch siegen konnten.

»Olivaro wird sterben«, sagte die Alchemistin leise. »So leid es mir tut.« Ein Zögern. »Und es tut mir kaum leid.«

Er seufzte schmunzelnd. »Wir müssen ihn am Leben erhalten. Wenigstens bis Hunter zurückkommt. Es ist alles, was uns noch bleibt.«

»Das weiß ich doch«, sagte sie ein wenig schärfer als beabsichtigt. »Wir alle wissen das. Aber dieser Stoff da …« Sie deutete auf ihre Kolben und Träger. »Der ist uns über.«

Franco fasste einen Entschluss. »Wie wäre es, wenn wir dem Dämon ein Gegenmittel verabreichen? Eins derer, die ihr vorbereitet habt und die dann nicht mehr ganz passten. Einfach, um es mal auszuprobieren, meine ich. Vielleicht reicht das ja schon aus, um Olivaro ein bisschen mehr Zeit zu verschaffen. Es muss den Dämon ja nicht gleich heilen, Claire. Es hilft uns schon sehr, wenn wir ihn einfach ein bisschen stabilisieren könnten.«

Sie wirkte nicht überzeugt. »Ein Experiment? Am Patienten selbst? Das ist nicht sonderlich ethisch, Franco, – von sinnvoll gar nicht erst zu sprechen.«

Er zuckte mit den Schultern. »Wenn schon experimentieren, dann an einem Dämon, oder?«

Nun war sie es, die seufzte. »Auf deine Verantwortung.«

Sie legten sofort los. Nichols’ Truppe bereitete die Injektion vor und nahm dafür das aktuellste Mittel, das ihr vorlag. Dann gingen sie und Franco in Olivaros Zimmer.

Der Dämon war bei Bewusstsein. »Oh, die Kavallerie«, spottete er, doch seine Stimme zitterte vor Schwäche, und seine Laken waren schweißnass. »Ihr seid ein jämmerlicher Haufen von Versagern!«

Nichols gab ihm die Spritze.

Sofort verschlechterte sich sein Zustand! Das Mittel gab Franco gar nicht erst die Zeit, sich falsche Hoffnungen zu machen. Von einem Moment zum nächsten hustete Olivaro, dann übergab er sich auf den Zimmerboden.

»Um Himmels willen«, stöhnte Nichols und mühte sich, den Schaden zu begrenzen. Auch das gelang nur leidlich gut.

Nach einer gefühlten Ewigkeit lag der Dämon wieder ruhig und schlief. Schweiß prangte auf seiner Stirn, und sein Atem ging schwer und schnaufend.

»Keine Chance«, sagte Nichols leise. »Wie befürchtet. Wir haben die Situation eher verschlimmert als verbessert.«

»Es war ein Versuch«, sagte Franco niedergeschlagen. Doch die Enttäuschung saß tief.

Kurz nach diesem Debakel ging der Praktikus zu seinem Großmeister. Peter Magnetto trank gerade einen Tee, doch auch ihm schien jeglicher Mut abhandengekommen zu sein.

»Gibt es Neuigkeiten von Hunter?«

Magnetto schüttelte den Kopf. »Kein einziges Wort. Ich weiß nicht einmal, ob er noch lebt.«

»Das tut er«, sagte Franco. »Er muss einfach.«

Der Großmeister setzte die Tasse ab. Es schien ihm ohnehin nichts mehr zu schmecken. »Wir hörten aber von der Barriere«, berichtete er. »Coco Zamis ist aufgebrochen, heißt es. Sie sei unterwegs nach London, Dave. Zu uns.«