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Tiroler Heimat

Zeitschrift für
Regional- und Kulturgeschichte
Nord-, Ost- und Südtirols

Begründet von Hermann Wopfner

Herausgegeben von Christina Antenhofer
und Richard Schober

82. Band 2018

Universitätsverlag Wagner

Inhaltsübersicht

Editorial

Aufsätze

WALTER LANDI
Das religiöse Leben von Stadt und Diözese Trient
im 13. Jahrhundert

KONSTANTIN GRAF VON BLUMENTHAL
Hugo von Velturns († 1267),
qui se pro nobis et ecclesia nostra tutorem
et murum inexpugnabilem exposuit
(Teil 1)

ADRIAN KAMMERER
Ein weltliches Trennungsurteil durch den Kaiser?
Überlegungen zum Tiroler Eheskandal

MAXIMILIAN SINGER
Die Eheschließung der Margarete von Schwangau.
Die Grafschaft Tirol, König Sigismund
und Oswald von Wolkenstein

MANFRED TSCHAIKNER
Der Innsbrucker Hexenprozess von 1485 und die
Gegner des Inquisitors Heinrich Kramer: Erzherzog Sigmund,
Dr. Johannes Merwart und Bischof Georg Golser

MARGRET FRIEDRICH
Hoher Besuch aus China an der Universität Innsbruck
im Jahr 1705. Ein Beitrag zu einer europäisch-chinesischen
Verflechtungsgeschichte in der Frühen Neuzeit

HANSJÖRG RABANSER
Dipauli(ana). Ein Sammler. Eine Sammlung

Themenschwerpunkt
(Arbeits-)Migration in Nord- und Südtirol
zusammengestellt von Eva Pfanzelter

EVA PFANZELTER
Einleitung: Migrationsgeschichten dies- und jenseits des Brenners

KURT GRITSCH
Migration und Migrant_innennetzwerke in Südtirol:
Spezifika einer historischen Sonderentwicklung

GERHARD HETFLEISCH
Migration in transnationalen Kontexten.
Die Anwerbung von Filipinas in den 1970er-Jahren
durch Missionare der St.-Josefs-Missionsgesellschaft
von Mill Hill zu Brixen und Absam

MARCEL AMOSER
Caritas und Migration im Bundesland Tirol und in Südtirol

Besprechungen

Albert Fischer, Das Bistum Chur, Bd. 1: Seine Geschichte
von den Anfängen bis 1816 (JOSEF RIEDMANN)

Von Preußenland nach Italien: Beiträge zur kultur- und
bildungsgeschichtlichen Vernetzung europäischer Regionen,
hg. von Mark Mersiowsky / Arno Mentzel-Reuters
(JULIA HÖRMANN-THURN UND TAXIS)

Michael Forcher, Erzherzog Ferdinand II. Landesfürst von Tirol:
Sein Leben. Seine Herrschaft. Sein Land (ELENA TADDEI)

Barbara Stollberg-Rilinger, Maria Theresia:
Die Kaiserin in ihrer Zeit.
Eine Biographie (ERIKA KUSTATSCHER)

Die Thun-Hohenstein’schen Universitätsreformen 1849–1860:
Konzeption – Umsetzung – Nachwirkungen, hg. von Christof
Aichner / Brigitte Mazohl (ERIKA KUSTATSCHER)

Michael Span, Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
(ANDREAS OBERHOFER)

Florian Huber, Grenzkatholizismen: Religion, Raum
und Nation in Tirol 1830–1848 (KURT SCHARR)

Vormärz: Eine Geteilte Geschichte Trentino-Tirols.
Una storia condivisa Trentino-Tirolese, hg. von Francesca Brunet /
Florian Huber (KARIN SCHNEIDER)

Akten zur Südtirol-Politik 1945–1958, Bd. 2: Keine Einigung
mit Trient und Sondierungen zwischen Bozen, Rom und Wien 1947,
hg. von Michael Gehler (EVA PFANZELTER)

„Säuberungen” an österreichischen Hochschulen 1934–1945:
Voraussetzungen, Prozesse, Folgen, hg. von Johannes Koll
(INA FRIEDMANN)

Landschaftslektüren: Lesarten des Raums von Tirol bis in die
Po-Ebene, hg. von Markus Ender / Ingrid Fürhapter / Iris Kathan /
Ulrich Leitner / Barbara Siller (JOHANN HOLZNER)

Krieg in der Region, hg. von Reinhard Baumann /
Paul Hoser (WOLFGANG WEBER)

Architekturführer Innsbruck. Architectural Guide Innsbruck,
hg. von Christoph Hölz / Klaus Tragbar / Veronika Weiss
(CHRISTOPH BERTSCH)

Max von Esterle: Karikaturen und Zeichnungen.
Bildband, im Auftrag des Forschungsinstituts Brenner-Archiv
der Universität Innsbruck hg. von Christine Riccabona
(SIGURD PAUL SCHEICHL)

Georg Jäger, Kaltes Grab am steilen Berg: Heuzieher-Unglücksfälle
zwischen 1600 und 1945 in Tirol. Ein historisch-volkskundlicher
Beitrag zur Berglandwirtschaft und Mensch-Umwelt-Problematik
im Ostalpenraum (ROMAN SPISS)

Reimmichl Volkskalender 2018, red. von Birgitt Drewes
(TIMO HEIMERDINGER)

Johann Knoll, Thomas Bertagnolli, Karl C. Berger, Georg Keuschnigg,
Tirol unter alten Dächern: Museum Tiroler Bauernhöfe.
Bildband (ANDREA ASCHAUER)

Matthias tanzt: Salzburger Tresterer on Stage.
Kunst und Wissenschaft im Dialog. Ausstellungskatalog,
hg. von Ulrike Kammerhofer-Aggermann (ANNA ENGL)

Kulturen an den ‚Peripherien’ Mitteleuropas (am Beispiel
der Bukowina und Tirols), hg. von Andrei Corbea-Hoisie /
Sigurd Paul Scheichl (HANS HEISS)

Abstracts

Autorinnen und Autoren dieses Bandes

Editorial

Der diesjährige Band der Tiroler Heimat weist zwei Schwerpunkte auf: Zum einen widmen sich fünf Beiträge Themen des Mittelalters, zum anderen bieten drei Beiträge in einer eigenen Sektion Ergebnisse neuester Forschungen zur Migration im Bundesland Tirol und in Südtirol. Einende Klammer ist – wie es das diesjährige Bild am Umschlag zum Ausdruck bringt – die historische Region, in der Menschen mit sehr unterschiedlichem Hintergrund ihre Spuren hinterließen, sie in diese Landschaft einschrieben, ähnlich der Handschrift auf der historischen Postkarte. Einende Klammer sind aber auch allgemein Menschen in Bewegung, aus verschiedenen Gründen – auf Reisen, anlässlich von Hochzeiten, aus religiösen Motiven, zur Durchführung eines Prozesses oder aktuell gefasst unter dem Stichwort Migration. Bis nach China oder auf die Philippinen reichen die Lebenswege, die in diesem Band nachgezeichnet werden.

Den Auftakt macht WALTER LANDIS Überblicksbeitrag zum religiösen Leben der Stadt und Diözese Trient im 13. Jahrhundert. Betrachtet werden die zentralen Institutionen, die Rolle von Wallfahrten, die Einführung neuer Orden und generell von Reformen bis hin zur Bekämpfung der so genannten Häresien der Katharer und Dolcinianer. KONSTANTIN GRAF VON BLUMENTHAL widmet sich in einem umfangreichen biographischen Beitrag, dessen erster Teil hier abgedruckt ist, dem Leben Hugos von Velturns und damit einer herausragenden Persönlichkeit aus einer der mächtigsten Familien der Hochstifte Brixen und Trient. Zentrale Meilensteine waren seine Ehe mit Elisabeth von Eppan und damit die Verwandtschaft mit Bischof Egno von Trient, die Ehe seiner Tochter mit dem Neffen Bischof Brunos von Brixen sowie seine eigene Ernennung zum Hauptmann von Trient. Eine Eheschließung bzw. vielmehr deren Auflösung steht im Zentrum des Beitrags von ADRIAN KAMMERER. In einer quellennahen Untersuchung geht er der alten Kontroverse hinsichtlich der Frage nach der Scheidung der ersten Ehe von Margarete „Maultasch“ nach. Insbesondere untersucht er die Frage, ob Kaiser Ludwig IV. selbst ein Scheidungsdekret kraft seiner eigenen imperialen Autorität erließ. Die Wichtigkeit einer Heiratsverbindung ist ebenso Kern des Beitrags von MAXIMILIAN SINGER, der die Anbahnung der Hochzeit zwischen Oswald von Wolkenstein und Margarete von Schwangau untersucht. Betrachtet wird die Bedeutung der Eheschließung für Oswald im Kontext dynastischer Auseinandersetzungen sowie höfischer und feudaler Strukturen im Hoch- und Niederadel Schwabens und Tirols.

MANFRED TSCHAIKNER bietet in seinem Beitrag eine neue Beurteilung der Geschehnisse am Innsbrucker Hexenprozess von 1485 und bewertet dabei die Rolle Erzherzog Sigmunds als Opponent von Heinrich Kramer als wesentlich bedeutender wie gemeinhin von der Forschung vertreten: Der Verteidiger Dr. Merwart, der das Verfahren zu einem schnellen Ende brachte, war wohl vom Hof des Erzherzogs ernannt worden oder hatte zumindest dessen Unterstützung. MARGRET FRIEDRICH zeichnet anhand eines Ausschnitts aus dem Diarium der Fakultät für Katholische Theologie der Universität Innsbruck den Besuch des „Procurator Sinense“ Caspar Castner nach, der für die Promotion seines Bruders aus Rom kommend nach Innsbruck reiste und sich danach wieder nach China begab. Dies ist Anlass für einen weiteren Blick auf die Verbindungen zwischen Europa und China über die jesuitische Mission und die daraus resultierenden kulturellen Transfers. Weit gereist ist auch der Protagonist des Beitrags von HANSJÖRG RABANSER, Andreas Alois Dipauli. Nachdem Rabanser in den letzten beiden Bänden der Tiroler Heimat Reisebeschreibungen Dipaulis edierte und kommentierte, liefert er nun eine biographische Skizze und gibt Einblicke in Dipaulis berühmte Sammlung der Bibliotheca Tirolensis (heute Dipauliana).

Ein eigener Themenschwerpunkt widmet sich schließlich der Migration im Bundesland Tirol und in Südtirol, mit Beiträgen, die Ergebnisse eines Forschungsprojektes präsentieren und von EVA PFANZELTER zusammengestellt wurden. Zunächst behandelt hier KURT GRITSCH die Frage, ob Migration und Migrationsvereinigungen in Südtirol der Norm entsprechen oder einen Spezialfall darstellen. Über den Vergleich mit Organisationsformen im Bundesland Tirol entlang ausgewählter Parameter wird dabei eine genauere Überprüfung von Ähnlichkeiten in einer gemeinsamen europäischen bis hin zu einer globalen wirtschaftlichen Entwicklung vorgenommen. GERHARD HETFLEISCH beleuchtet anschließend die spezielle Geschichte der Rekrutierung von Filipinas für katholische Institutionen im westlichen Österreich seit den frühen 1970ern und das transnationale Netzwerk, das sich daraus entwickelte. MARCEL AMOSER erarbeitet schließlich einen Vergleich der Rolle der Caritas als Beratungs- und Unterstützungsorganisation für MigrantInnen im Bundesland Tirol und in Südtirol. Dabei wird insbesondere augenfällig, dass in Tirol die Caritas bereits in den 1960ern etabliert war, nicht zuletzt aufgrund der zahlreichen MigrantInnen aus dem früheren Jugoslawien, während sie in Südtirol erst in den 1990er-Jahren aktiv wurde.

CHRISTINA ANTENHOFER / RICHARD SCHOBER

Das religiöse Leben von Stadt und Diözese Trient im 13. Jahrhundert

WALTER LANDI

„... in montibus illis inter gentes rudes et credulas“

Benvenuto da Imola, Comentum super Dantis Aldigherij Comœdiam

Einleitung – 1. Pfarreien und Seelsorge – 2. Hospitäler und Leprosorien: Die praktische Seite der christlichen Caritas – 3. Die Ritterorden – 4. Wallfahrten und Wallfahrtsorte – 5. Das zönobitische Leben augustinischer und benediktinischer Prägung – 5.1 Frauenklöster und gemischte Kommunitäten – 6. Klausen und Einsiedeleien – 7. Die Bettelorden – 7.1 Die Franziskaner – 7.2 Die Dominikaner – 7.3 Die Klarissen – 7.4 Die Dominikanerinnen – 7.5 Die pastorale Mission der Bettelorden in Trient – 8. Neue Regel und alte Konventualen: Humiliaten und Eremitaner als Reformorden – 9. Die Bruderschaften, die Konversen und das Phänomen der Tertiaren. – 10. Doktrin und Irrlehre: Zwischen Ketzern und Inquisitoren – 10.1 Der Inquisitionsprozess des Fra Alberto da Bassano um 1332/33 – 11. Die Disziplin des weltlichen Klerus – Fazit

Einleitung

Die Geschichtsschreibung hat sich mehrmals und in vertiefter Weise mit der Historie des bereits im 4. Jahrhundert als eigenständiger Bischofssitz bezeugten Trient beschäftigt, nicht zuletzt aufgrund der politischen Rolle der dortigen Bischöfe als geistliche Fürsten. Dabei standen aber eher ihr politisches Wirken als ihre pastorale Tätigkeit und die religionsgeschichtlichen Aspekte ihrer Diözese im Vordergrund. Das ist wohl der naheliegende Grund für einen bis heute fehlenden Überblick zum religiösen Leben und zur Religiosität von Stadt und Diözese Trient im Mittelalter.1 Einen solchen zumindest für das 13. Jahrhundert zu erarbeiten, als die Trienter Quellenlage im Vergleich zu den früheren Jahrhunderten eindeutig zunimmt, ermöglicht es doch, ein gewisses Bild zu rekonstrieren. Ein solches Unterfangen bedeutet zunächst eine Auseinandersetzung mit der Geschichte der kirchlichen Institutionen der Stadt und der Diözese Trient, innerhalb welchen sich die Religiosität der Gläubigen und vor allem die Obhut des bischöflichen Magisteriums entfaltete. Es gilt aber auch die verschiedenen Aspekte der Seelsorge und des religiösen Lebens sowie die noch aufspürbaren Erscheinungsformen der damaligen Frömmigkeit inklusive mancher doktrinellen Verfehlungen herauszuarbeiten, welche die christlichen Gemeinden der Diözese Trient in Gegensatz zu der von der kirchlichen Hierarchie vertretenen Ortodoxie brachten und erschütterten.

Illustration

Das Hochstift Trient und der diözesane Zuständigkeitsbereich der Fürstbischöfe von Trient (aus Iginio Rogger [Hg.], Monumenta liturgica ecclesiae Tridentinae saeculo XIII antiquiora, Bd. 1: Testimonia chronographica ex codicibus liturgicis [Collana di monografie edita dalla Società Trentina di Scienze Storiche XXXVIII/1], Trento 1983, Abb. 1).

1. Pfarreien und Seelsorge

Neben der Kathedrale, die mit großer Wahrscheinlichkeit zur Zeit Bischof Manasses (934–948) von ihrem alten Sitz bei Santa Maria Maggiore an die Basilika des Heiligen Vigilius verlegt worden war,2 stellen zunächst die Altpfarren das erste effiziente Instrument für die Ausübung der Seelsorge und die Spendung der Sakramente dar. Im 13. Jahrhundert sind diese seelsorglichen Aspekte in Stadt und Diözese Trient durch ein bereits vollständiges Netz von Pfarreien gewährleistet, deren erste urkundliche Spuren aus karolingischer Epoche auf die Zeit der ersten Einführung des für den italienischen Raum typischen Systems der plebs cum cappellis zu datieren sind,3 wie das Beispiel der Altpfarre Kaltern augenscheinlich macht.4 All diese Seelsorgestellen sind bis ins 12. Jahrhundert Pfarreien bischöflicher Kollation (ecclesiae regulares) und entzogen sich dadurch dem Zugriff von Laien, sowohl unter weltlichen (Zehnt) wie unter geistlichen Aspekten (Fehlen von Spuren früherer Eigenkirchen). Bis Mitte des 13. Jahrhunderts fehlen zudem Pfarreien, die Klöstern oder bestimmten Orden einverleibt gewesen wären (Patronatsrecht).5 Die Vogtei über einzelne Pfarreien konnte hingegen in den Händen von Hochstiftsvasallen liegen.6

Während einzelne Pfarreien zumeist ab dem 12. Jahrhundert gelegentliche Erwähnung finden, ist ihre Gesamtzahl im Papstzinsregister pro negotio Regni Sicilie von 1295 verzeichnet. Hier werden bereits an die 70 Pfarreien aufgezählt, die als solche über ein eigenes Taufbecken und einen eigenen populus verfügten, der ebendort sakramental und liturgisch gebunden sowie verwaltungsmäßig zur Zahlung des Zehnten verpflichtet war.7 Dazu kamen nach derselben Quelle noch weitere sieben Seelsorgeräume, die noch im 13. Jahrhundert im Entstehen waren und von Stadtkirchen und Hospitälern auf dem Lande abhängig waren sowie von einer spärlichen Zahl von Kapellen, die gerade auf dem Weg in die Eigenständigkeit waren. Bis zur Emanzipation von ihrer Mutterkirche lassen sich bei den letztgenannten Kirchen nicht selten Friedhöfe ausmachen, wobei aber das Bestattungsrecht oft umstritten war. In Sonderfällen werden Messen dort in excurrendo gefeiert.8 Nur die Beharrlichkeit mancher ländlicher Gemeinden erwirkte, dass entlegene Kapellen mit eigenen, residierenden Priestern besetzt und späterhin zu eigenen Pfarrsitzen erhoben wurden.9 Aus dem 13. Jahrhundert ist der beispielhafte Fall von Rumo überliefert, dessen Bewohner 1234 vom Bischof erreichten, dass einer der drei Priester der Mutterkirche zu Revò abwechselnd bei ihrer Kapelle seinen Sitz hatte und dort die Sakramente spendete.10 Innerhalb der Urpfarre von Lagaro (Villa Lagarina) sind capellani bei ihren Filialkirchen ab Ende des 13. Jahrhunderts belegt, wenngleich nur bei jenen, die mit einem eigenen Benefizium ausgestattet waren.11

Von manchen Kapellen lassen sich auch genaue Weihedaten ausmachen, die mit der Übernahme von seelsorglichen Funktionen in Verbindung gebracht werden können oder zumindest auf die Frömmigkeit der einzelnen Stifter oder der dort lebenden Bevölkerung zurückzuführen sind. Aus der Zeit Bischof Konrads von Beseno (1188–1205) datiert die Weihe des Severinaltars in der gleichnamigen Kapelle in Völlan, die zur Pfarre Lana gehörte.12 Aus dem 12. Jahrhundert kennt man acht ältere Fälle: die Burgkapelle von Hocheppan, die am 29. Juni 1131 geweiht wurde und auf die Religiosität der Burgherren hinweist,13 sowie die zwei ebenfalls von Bischof Altmann von Trient (1124–1149) geweihten Kirchen, nämlich die bereits damals als Pfarre zu interpretierende Kirche Santa Maria in Cavalese und jene des Heiligen Elisäus im nahegelegenen Tesero: Die Erstgenannte wurde am 17. Mai, die andere am 18. Mai 1134 geweiht.14 Eine ganze Reihe von Kirchen und Kapellen bei Bozen wurde hingegen von Bischof Salomon 1180 konsekriert: die Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt, St. Johann im Dorf, St. Martin in Kampill, St. Paul und St. Laurentius in Rentsch sowie St. Nikolaus.15

Zwischenstufen zwischen Pfarreien und Diözese konnten in manchen Talschaften Archipresbyterate darstellen, zu deren Wirkungsbereich – wie beispielsweise bei jenem am Nonsberg – bis zu zehn Pfarreien gehören konnten und die mit den Archidiakonaten anderer Diözesen des süddeutschen und oberitalienischen Raums vergleichbar sind.16 Sowohl die Ernennung der Erzpriester als auch jene der Pfarrer und Hilfspriester lag in der Hand des Bischofs und nicht in jener der Priesterkollegien, welche die einzelnen Pfarreien der Diözese betreuten. Dieses Vorrecht wurde 1228 von Bischof Gerardo Oscasali (1224–1232) bekräftigt, der dementsprechend den Diözesanklerikern der Landpfarreien untersagte, selbständig decanos, archipresbiteros und confratres unter sich zu wählen oder zu ernennen.17 Noch in den Jahren 1229 und 1240 wurde dieses Dekret erneuert, um dessen Einhaltung einzuschärfen:18 Die Abhängigkeit vom Bischof ex officio war damals unbestritten, aber der Erlass solcher Verbote verrät in eindeutiger Weise, wie sich gerade damals Gegegenbestrebungen innerhalb der Priesterkollegien regten.

Das bischöfliche Magisterium wird von den Trienter Oberhirten bis in das dritte Viertel des 13. Jahrhunderts direkt ausgeübt, und das trotz der immer größer werdenden Verpflichtungen, die den Bischöfen spätestens seit 1027 als Inhaber des Trienter Komitats (comitatus sive marca sive ducatus Tridentinus) zukamen. Aufgrund der Verwicklung in weltliche Geschäfte führten sie dann einen eigenen Vikar in spiritualibus für geistliche Belange ein.19 Diese Erneuerung geht auf Bischof Egno von Eppan (1250–1273) zurück, der aufgrund langjähriger Kriege gegen Ezzelino III. da Romano und Meinhard II. von Tirol sein Bistum jahrelang nicht betreten konnte und letztlich im Exil 1273 in Padua verstarb. Von insgesamt 23 Episkopatsjahren war er zehn Jahre seiner Diözese fern.20

2. Hospitäler und Leprosorien:
Die praktische Seite der christlichen Caritas

Während die Seelsorge durch die Pfarreien erfolgte und das bischöfliche Magisterium bereits im 13. Jahrhundert durch einen Weihbischof verwaltet wurde, oblagen die karitativen Aufgaben der Diözesankirche vor allem einer Reihe von Hospitälern, die über das ganze Diözesangebiet verteilt waren.21 Die meisten von ihnen lagen im Etschtal und an den Pässen bzw. entlang wichtiger Verkehrswege: Madonna di Campiglio,22 San Martino in der Trienter Vorstadt,23 San Tom(m)aso bei Riva,24 um nur einige zu nennen. Dabei handelte es sich nicht nur um Xenodochien, sondern auch um Armenhäuser, Krankenhäuser, Waisenhäuser und Altenheime. Ihnen war die Herberge der Kranken und Alten zugewiesen, sie betreuten die schulische Ausbildung der Jugend, waren Kollektoren für fromme Stiftungen und Zentren der Religiosität und des gottgeweihten Lebens der Talbewohner so wie in den meisten Gebieten des oberitalienischen Raumes.25 Die Frömmigkeit manch solcher Einrichtungen findet nicht von ungefähr ihren Nachklang auch in den zeitgenössischen Quellen, wie im Falle des bereits 1184 erwähnten Hospizes von Unserer Lieben Frau im Walde, deren magna relligi(o) et hospitalit(as) in einem Privileg Bischof Konrads von Beseno hervorgehoben werden.26

Solche Einrichtungen waren noch bis Anfang des 13. Jahrhunderts – gleich wie die Pfarreien – von bischöflicher oder domkapitularischer Kollation und unterstanden direkt dem bischöflichen Schutz. Das implizierte eine konsequente Eximierung der Spitäler vom ländlichen Pfarrverband und eine ausnahmslose Ausschaltung etwaiger Patronatsrechte seitens lokaler Adliger, selbst im Falle adliger Stiftungen.27 Manchen Spitälern wurde sogar die Pfarrei unterstellt, der sie territorial angehörten, wie beispielsweise im Falle von Lengmoos.28 Bisweilen intervenierte das Domkapitel, damit die Errichtung eines Hospizes zu keiner Beeinträchtigung der Pfarrrechte einer eigenen Pfarrei führte. Das ist etwa beim Hospiz von San Martino in der Trienter Vorstadt der Fall. 1197 erwirkten nämlich die Domherren vom Bischof, dass das neue Hospiz doch dem Pfarrverband der städtischen Kirche von Santa Maria Maggiore unterstellt blieb, die ihnen 1147 von Bischof Altmann anvertraut worden war.29 Anderen gelang es hingegen, diese seelsorgerlichen Rechte zu erlangen, was letztendlich zur Spaltung älterer Pfarrsprengel führte: Dies ist bei St. Florian an der Etsch der Fall, dem sich Landstriche unterstellten, die früher zwei verschiedenen Pfarreien angehörten (Margreid mit Kurtinig sowie Salurn mit Laag).30

Die Beweggründe für die Stiftung solcher Hospitäler konnten verschiedener Art sein und verschieden konnten auch die Stifter sein. Manche Spitäler gingen auf fromme Stiftungen von Laien zurück,31 etwa die 1202 erfolgte Gründung des Bozner Spitals an der Eisackbrücke durch den dominus Girold von Bozen und dessen Frau Mathilde.32 Noch älter sind jenes von San Tomaso Becket bei Riva, das 1194 von Ulrich von Arco am Weg zwischen Arco und Riva gestiftet und dem Bistum übergeben wurde,33 sowie jenes bei der nahe gelegenen Kirche Sant’Adelpreto (später Santa Caterina), das von einem Bruder Ulrichs, Friedrich von Arco, gestiftet wurde. Beide Spitäler wurden vermutlich als Sühne der Brüder für ihre Mittäterschaft bei der Ermordung des (danach als selig verehrten) Bischofs Adelpret von Trient († 1172) gegründet.34 Der dortige conversus, der das Spital leitete, und die dortigen conversae werden 1224 erwähnt.35

Das Spital von Campiglio wurde hingegen von einem gewissen Raimund gestiftet, der in den ersten Ablassbriefen des 13. Jahrhunderts als vir nobilis bezeichnet wird,36 und auch der erste frater, der ebendort residierte, Oprando von Madruzzo, gehörte dem Adel an.37 Andere Spitäler wurden mit versöhnenden Absichten gegründet: Gräfin Adelheid von Eppan stiftete – wenngleich in der angrenzenden Diözese Brixen – das Spital zu Sterzing anlässlich des Aufbruches ihres Mannes Hugo IV. von Taufers zum Tatarenkreuzzug.38

Illustration

Abb. 1: Die ehemalige Spitalskirche San Tomaso zwischen Arco und Riva del Garda in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts. Trento, Soprintendenza per i Beni storico-artistici, librari e archivistici.

Weitere Spitäler lassen sich hingegen auf die direkte Initiative des Bischofs zurückführen. Ein solches ist das Hospiz von San Bartolomeo, das bei der frühmittelalterlichen Hofkapelle der bischöflichen Gastaldie von Romeno stand.39 Es taucht erstmals 1213 in den Quellen auf, als Iohannes Adelmote de Romeno, conversus ... ad celestia regna pervenire desiderans, alle seine Güter dieser Anstalt schenkte, damit die cohabitatores suprascripte capelle Sancti Thomei bebaut werden konnten.40 Das Spital war aber bereits lange in Betrieb und wurde damals von einer confraternitas betreut, die aus fratres und sorores bestand und von einem prior geleitet wurde.41 Eine Stiftung Bischof Friedrichs von Wangen (1207–1214) war hingegen Santa Margherita bei Ala. In der Gründungsurkunde wird dazu gesagt, wie nichil tam pium quam dignum in rebus umanis reperiatur quam latronum, raptorum homicidiorumque speluncas penitus exstirpare et in isdem locis basilicam et hospitale ad sustentamentum pauperum et ibidem transeuntium sustituere.42 Die Spitäler waren also nicht nur religiöse Orte für die Landbevölkerung, sondern auch als Schutz vor Räubern und Mördern gedacht wie etwa auch im Falle von Madonna di Campiglio: Der Platz wird nicht nur als desertus et inhabitabilis beschrieben, hervorgehoben wird auch wie die Leute in eo transeuntes despoliabantur et interficiebantur.43 Die Stiftung war erfolgt ad utilitatem omnium transeuntium in loco Campelli... ubi transeuntes variis periculis a predonibus opprimebantur.44

Die Ursprünge der meisten dieser Anstalten sind aber nicht mehr eruierbar. Einige Gründungen gingen jedenfalls auf den Beginn des 12. Jahrhunderts zurück wie im Falle des Hospizes am Tonale, das 1127 gestiftet wurde.45 Ihre Errichtung stand jedenfalls in Zusammenhang mit der Kirchenerneuerung des 12. Jahrhunderts sowie den neuen reformatorischen und pauperistischen Instanzen der Gläubigen, mit der neuen Sorge um die pauperes Christi und mit der neuen, massiven Einbringung der Laien ins Kirchenleben, wie sie gerade in jenem Jahrhundert zu beobachten sind.46

Einige Anstalten könnten allerdings sogar älter sein und zumindest auf das 11. Jahrhundert zurückgehen. Exemplarisch dafür ist das Spital von Sankt Florian zwischen Neumarkt a. d. Etsch und Laag.47 Obwohl die erste Erwähnung auf das Jahr 1188 datiert,48 scheint die Existenz der dortigen Spitalskirche dank einer indirekten Erwähnung im Chronicon Benedictoburanum bereits für 1053 verbürgt zu sein.49 Wer sie damals betreute, bleibt unklar, aber 1189 wird nur ein einfacher sacerdos sancti Floriani namens Bertold als rector des Hospizes bezeugt.50 Eine mit dem Spital verbundene fraternitas, der ein provisor et rector et administrator vorstand, wird etwas später, 1241, erwähnt.51 Nicht alle waren nämlich einem einzelnen Priester unterstellt. Einige Spitäler und Hospize blieben ihrer ursprünglichen fraternitas anvertraut, die nach der Augustinerregel lebte,52 und diesen stand wegen der bescheidenen Größe nur ein vom Bischof eingesetzter Prior vor.53 In manchen sind bis Ende des 13. Jahrhunderts auch gemischte fraternitates nachweisbar, die aus fratres et sorores bestanden:54 Dies ist bei Campiglio,55 aber auch bei San Bartolomeo56 der Fall.

Eine solche gemischte Ordensgemeinschaft betreute auch das Hospiz von San Nicolò bei Ravina (Trient),57 das eigentlich einer besonderen Art von Spitälern angehörte, den Leprosorien. Ihre Errichtung ist auf Beschlüsse des Dritten Laterankonzils zurückzuführen, das 1179 den Aussätzigen die Gründung eigener Heimstätten mit Kirche und Friedhof gewährt hatte.58 In allen diesen Leprosorien sind fratres et sorores bezeugt, die wohl als jene Aussätzigen zu interpretieren sind, die dort ihre letzten Lebensjahre in religiöser Gemeinschaft verbrachten. Die Chronologie der Leprosorien in der Diözese Trient bestätigt einen Zusammenhang mit besagtem Konzil: Die erste Erwähnung des bereits genannten collegium leprosorum Santi Nicolai bei Ravina geht nämlich auf das Jahr 1182 zurück,59 die Kirche wurde 1191 geweiht.60 Das erst ab Mitte des 13. Jahrhunderts bezeugte Leprosorium San Lazzaro (e Santa Giuliana) vor Trient, an der Brücke von Lavis,61 war auch nicht viel älter und trug dazu das typische Patrozinium jener Hospize, wo Leprakranke oder andere unheilbare Kranke untergebracht waren.62 Dasselbe gilt wohl für die erstmals 1270 erwähnte Anlage von San Biagio bei Romallo, die erst im 16. Jahrhundert in eine Einsiedelei umgewandelt wurde und die sich auf dem dossum sancti Lazari erhob.63 Dem heiligen Hilarius von Poitiers († 367),64 der ebenso wie Lazarus gegen Lepra angerufen wurde, war hingegen das Spital Sant’Ilario bei Rovereto geweiht, das 1197 durch Bischof Konrad von Beseno gegründet wurde, und zwar ad utilitatem leprosorum (ac pauperum) ibidem degentium.65 Für das Fortbestehen dieses Spitals sorgte eine eigene, direkt vom Hochstift abhängige Gastaldie, der neun Zinshöfe unterstanden und die mit eigenem Marktrecht beim Spital ausgestattet wurde.66

Eine strengere Disziplinierung des religiösen Lebens und eine allmähliche Klerikalisierung der Gemeinschaftsformen solch karitativer Anstalten wurden bereits ab Ende des 12. Jahrhunderts von den Bischöfen konsequent angestrebt, was auch zur Übertragung dieser Einrichtungen an bestimmte Orden oder zur Inkorporierung durch Klöster führte. Das betraf allen voran das 1183 südlich der Stadt Trient in der Nähe der Kirche von San Michele gegründete Spital zum Hl. Kreuz.67 Der Baugrund dafür wurde damals dem erst 1169 von Papst Alexander III. bestätigten Orden der italienischen Kreuzbrüder von Bischof Salomon (1173–1183) zwecks Neugründung übergeben.68 Nur einige Jahrzehnte später, 1215, wurde diesem Spitalorden durch Bischof Friedrich von Wangen auch das vermutlich in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts gestiftete Straßenhospiz San Leonardo bei Borghetto anvertraut.69 Anfang des 14. Jahrhunderts wurden die beiden Hospize von Unsere Liebe Frau im Walde und St. Florian zwei Chorherrenstiften der Diözese einverleibt: Ersteres, 1224 in ein Regularkanonikerstift umgewandelt,70 fiel 1321 an St. Maria in der Au. Dies erfolgte zu einer Zeit, als seine Hospizfunktionen bereits erloschen waren und es einem Kommendatarpropst übergeben worden war.71 Das zweite Spital ging 1317 an St. Michael an der Etsch. Auch dieses Hospiz hatte in den Jahrzehnten zuvor eine ähnliche Umwandlung durchgemacht wie jenes von Unsere Liebe Frau im Walde: Es war in eine Präbende für Domherren umgewandelt worden,72 hatte aber seine Spitalfunktionen beibehalten. In beiden Fällen werden in den Inkorporierungsurkunden Disziplinprobleme angedeutet, die das autonome Bestehen beider Einrichtungen nicht mehr ermöglichten.73

3. Die Ritterorden

Älter sind hingegen die Beispiele des ersten Bozner Spitals am Fuße des Virgls, das – wie bereits erwähnt – kurz vor seiner ersten Nennung vom Ehepaar Girold und Mathilde aus Bozen gegründet worden war, und jenes des Spitals in Lengmoos, dem bereits Bischof Friedrich von Wangen 1211 die Pfarrei Ritten inkorporiert hatte.74 Die erste Anstalt wurde 1202,75 die zweite 1237 dem Deutschen Orden übertragen.76 In beiden Fällen handelte es sich um Neugründungen,77 die mehr oder weniger von Anfang an vom Bistum diesem Orden übergeben wurden. Diese Schenkungen erfolgten in einer Zeit besonderer Zuwendungen an diesen Ritterorden, dessen Besitz sich „an der Etsch und im Gebirge“ in jenen Jahrzehnten dermaßen erweitern sollte,78 dass es bereits um die Mitte des 13. Jahrhunderts zur Errichtung einer entsprechenden Ballei mit Sitz im erwähnten Spital an der Eisackbrücke bei Bozen kam.79 Die Schenkung des Patronatsrechts über die Pfarrei Wangen durch Adalbero von Wangen – um nur die Erwerbungen zu nennen, die das Trienter Diözesangebiet betrafen – erfolgte 1229,80 jene über die beiden Kapellen von St. Peter und St. Magdalena bei Eppan durch Ulrich III. von Taufers im Jahre 1269.81 Bereits auf 1215 datiert hingegen die Schenkung der Kapelle St. Margarethe in Lana (und jene der Kirche von Tschars im Vinschgau im Churer Bistumsgebiet) durch Kaiser Friedrich II.,82 der dem Deutschen Orden 1219 auch die Pfarrkirche von Sankt Leonhard in Passeier schenkte.83 Der Beweggrund für solche Stiftungen an den Deutschen Orden ist in der Religiosität zu suchen, die mit dem Geist der Kreuzzüge zusammenhing.84 Spätestens seit der Teilnahme von Bischof Altmann am Zweiten Kreuzzug (1147–1149) und jener des Bischofs Friedrich von Wangen am Fünften Kreuzzug (1217–1221)85 waren auch im Trienter Hochstiftsgebiet Trienter milites in Kontakt mit dem Heiligen Land gekommen. Bereits Dietmar von Eppan, einer der prominentesten Vertreter der Trienter Ministerialität, war 1174/77 ins Heilige Land gezogen.86 Ulrich III. von Eppan und Wilhelm I. von Flavon nahmen am glücklosen Kreuzzug Heinrichs VI. von 1197 teil;87 der Flavoner wahrscheinlich auch am Vierten Kreuzzug (1202–1204).88 Der Graf von Eppan sollte hingegen 1217 zusammen mit Albert III. von Tirol, Nikolaus I. und Heinrich II. von Enn erneut das Kreuz nehmen, an der Belagerung von Damiette teilnehmen und den Tod Bischof Friedrichs in Akkon miterleben.89 Dementsprechend stifteten Angehörige von Trienter Adelsgeschlechtern mit einem gewissen Eifer an die Ritterorden, welche die Heiligen Stätten behüteten, und zwar nicht nur an den Deutschen Orden. Dabei sei an den bischöflichen Vicedominus Peter von Malosco erinnert, der in seinem Testament nicht nur diesen bedachte, sondern auch die Johanniter und die Templer,90 sowie an die Edelfreie Agnes von Salurn, die Gemahlin des oben genannten Nikolaus I. von Enn, die 1224 als Letzte ihres Geschlechts verstarb.91 Für ihr Seelenheil ordnete sie in ihrem Testament zahlreiche Legate an. Dabei bedachte sie nicht nur die Kathedrale des Hl. Vigilius und das Hospital Santa Croce in Trient, die Kirche St. Florian bei Laag, die Hospize San Nicolò und San Martino bei Trient, die Andreaskirche in Salurn, das Chorherrenstift St. Michael an der Etsch, die Bauhütte der Johanneskirche in Cembra sowie die Pfarrkirche Santa Maria und die Kapelle San Pietro in derselben Ortschaft. Agnes stiftete auch dem Ritter- und Hospitalorden vom Hl. Johannes zu Jerusalem und ebenfalls jenem der Templer. Es sei dahingestellt, ob beide Testierenden, sowohl Agnes als auch Peter, einer der von Templern abhängigen confraternitates angehörten, deren Mitglieder letztendlich nur zur Schenkung von Gebrauchsgütern (Waffen, Pferden u. ä.) und Sonstigem verpflichtet waren, entweder bei Eintritt in die Bruderschaft oder eben ad mortem oder auch durch regelmäßige Spenden von Almosen und Gütern auf Lebenszeit.92 Wenn man aufgrund dieser confraternitates auch im Etschland eine Präsenz der Miliz annimmt, muss man sich mit der Frage nach der möglichen Existenz einer Niederlassung dieses Ordens (Häuser, Landgüter oder Komtureien) auseinandersetzen, dies vor allem an den bedeutendsten Straßenrouten, wo sich solche Anwesen im regelmäßigen Abstand eines Tagesmarsches verteilten. Eine solche Präsenz der Templer an den Wegen, die von den Alpenpässen nach Genua oder Venedig führten, ist nämlich gesichert.93 Nur im Etschtal lässt sich keine Niederlassung von ihnen ausmachen,94 bis auf eine einzige, uns bislang unbekannte Ausnahme, die uns gerade in jenes Gebiet führt, in das Agnes von Salurn eingeheiratet hatte und wo einst ein wichtiger Handelsweg abzweigte, der über das Fleimstal und den Rolle-Pass ins Primör und die Valsugana führte und von dort nach Feltre und weiter nach Venedig. Im Jahr 1327, also nur wenige Jahre nach der Aufhebung des Templerordens (1312), wird nämlich eine domus ... in loco dicto ad Templum und zwar in plebe de Egna supra et yuxta villam de Sancta Maria urkundlich erwähnt: Diese domus ist wegen seiner auffälligen Bezeichnung in der Tat als ehemaliger Besitz der Templer zu interpretieren, und zwar in eindeutiger Analogie zu anderen den Templern gehörenden Häusern (domus, mansiones) und Kirchen in angrenzenden Regionen, die selbst nach der Auflösung dieses Ordens weiterhin durch das Epitethon ad Templum bezeichnet wurden.95 Im besonderen Fall handelt es sich wohl um den noch bestehenden Tempelhof in der Vill (bei Neumarkt a. d. Etsch), dessen Name sich in die besagte Namenstradition einreiht und in dessen Umfeld sich auch einige der ältesten Besitzungen der Edelfreien von Enn konzentrierten, in deren Geschlecht genannte Agnes eingeheiratet hatte.96 Dass der dortige Tempelhof ursprünglich der vormals ennischen Burg Caldiff zinspflichtig war, wie 1420 ausdrücklich überliefert,97 legt zusätzlich die Vermutung sehr nahe, dass es sich im Falle dieser Niederlassung der Templer um einen Hof handelte, der ihnen von den Edelfreien von Enn gestiftet worden war – vielleicht gerade von Nikolaus I. und Heinrich II., jenem Brüderpaar, das am Fünften Kreuzzug teilgenommen hatte.98

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Abb. 2: Friedrich von Wangen in einer Miniatur des sogenannten Codex Wangianus, eines von ihm 1208 angelegten Kartulars des Trientner Hochstifts. Der thronende Bischof sitzt auf einem Faldistorium und trägt das Schwert und das Pastorale als Insignien seiner weltlichen und geistlichen Funktionen. Auf der weißen Kasula erkennt man das rote Kreuz, das ihn als Kreuzritter ausweist. Als solcher starb er am 6. November 1218 in Akkon und wurde in der dortigen Kirche des Deutschen Ordens begraben. AStTn, APV, Codex Wangianus Minor, fol. 59v.

Von der Präsenz der Johanniter im Hochmittelalter innerhalb der Diözesangrenzen Trients sind noch weniger Spuren geblieben als von den Templern bzw. ist nichts Weiteres bekannt als die Erwähnung in den Testamenten der Agnes von Salurn und des Peter von Malosco. Noch auffälliger ist dieser Umstand im Vergleich zum angrenzenden und bereits zum Bistum Chur zählenden Vinschgau,99 wo dieser Orden über zwei Spitäler verfügte, die auf Stiftungen von Graf Albert III. von Tirol zurückgingen, nämlich über das Spital zum Hl. Medardus in Tarsch, das ihnen vor 1228 anvertraut worden war,100 und über jenes von St. Johann in Münstertal, das derselbe Graf im Juli 1218 vor den Mauern von Damiette gestiftet hatte.101 Die Tatsache, dass beide Spitäler im Vinschgau zum Johanniter-Großpriorat in Venedig gehörten,102 das von Anfang an auch für das Gebiet des Hochstiftes Trient zuständig war,103 legt jedoch sehr nahe, dass auch das trentinische Etschtal und die Valsugana, die immerhin nach Venedig führte, für den Orden von Interesse gewesen sein mussten und dass neben dem dritten Teil des Hauses des Peter von Malosco in der Stadt Trient wohl weitere Besitzungen der Johanniter vorhanden waren. Spuren möglicher Häuser und weiterer Legate an diesen Orden im 13. Jahrhunderts sind aber nicht auszumachen. Nicht umsonst werden auch die ersten Ritter dieses Ordens auf Trienter Diözesangebiet erst einige Jahrhunderte später bezeugt.104 Von allen anderen Ritterorden sind – dank der besseren Quellenlage und der stärkeren Präsenz innerhalb der Diözese – wiederum die Ritterbrüder des Deutschen Ordens die ersten Ordensritter aus dem Trienter Raum, die man namentlich festmachen kann: allen voran einige, auf deren Existenz bereits Sante Bortolami hingewiesen hat, nämlich ein gewisser Henricus de Tridento, der bereits 1254 als preceptor fratrum Alemannorum de Padua bezeugt ist, sowie ein frater Corradus de Bolçano, der 1271 in derselben Stadt belegt ist.105 Nur wenige Jahrzehnte später finden wir mehrere Mitglieder der Grafen von Flavon, die diesem Orden angehörten, namentlich Rambert (1269–1317; † 1333), Berthold (1302–1344; † vor 1351) und Philipp (1302–1351; † vor 1356).106

4. Wallfahrten und Wallfahrtsorte

Nicht nur die Kreuzzüge boten im Hochmittelalter Anlass zur Wallfahrt. Die neue Mobilität, die im Lauf des 11. Jahrhunderts dank der Entwicklung des Handels und der Erschließung neuer Handelswege einsetzte, formte einen neuen Kontext, in dem sich die Menschen damals bewegten. Die Größenordung des nun verstärkt einsetzenden Pilgerwesens ist nicht zu unterschätzen, denn quer durch alle Stände und unabhängig vom Bildungsgrad begaben sich viele auf eine Wallfahrt, und es taten dies nicht nur Männer. Ein Drittel der Wallfahrer waren Frauen, was letztendlich auch die gemischten Gemeinschaften an den oben erwähnten Straßenhospizen erklärt. Das wohl berühmteste Beispiel aus dem weiteren Untersuchungsraum (zwar aus der Churer Diözese, aber immerhin aus einem Gebiet unter der Oberlehensherrschaft der Trienter Bischöfe) stellt wohl die Edelfreie Uta von Tarasp dar, die Frau des Kreuzfahrers Ulrich III. († 1177), des Stifters der Benediktinerabtei Marienberg. Uta zog in monastico habitu zum Heiligen Grab nach Jerusalem und verstarb in der Ferne. Ihre dort erworbenen Schätze wurden von einer treuen Gefährtin namens Berntrudis († 1163) heimgebracht. Für diese erbaute Ulrich eine Klause, wo sie sich dem religiösen Leben weihte.107

Die Beweggründe für eine Wallfahrt konnten vielfältig sein, etwa die Einlösung eines Gelübdes, der Dank für eine Genesung oder für den glücklichen Ausgang einer Sache. Mancher Kranke setzte seine Hoffnung auf ein Wunder, das Gott an einem heiligen Ort wirken könnte.108 Die Wallfahrten führten den mittelalterlichen Menschen nicht nur nach Jerusalem und ins Heilige Land, sondern auch und vor allem nach Rom und nach Santiago de Compostela.109 Diese Stätten waren auch klassische Ziele für Pilger aus der Diözese Trient. Der Nachfolger Bischof Friedrichs, der Schwabe Adalpret von Ravenstein (1218–1223), zog wohl im letzten Jahr seines Episkopats nach Santiago de Compostela (ad Sanctum Jacobum).110 Dass dies auch für andere Pilger seiner Diözese anzunehmen ist, dafür bürgen Quellen für die angrenzende Diözese Brixen, wo solche Pilgerreisen bereits in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts bezeugt sind.111 Auch aus dem churischen Vinschgau sind Pilgerreisen nach Santiago bezeugt, wie im Falle des zur Stiftsvasallität von Chur gehörenden Hugo von Reichenberg, der um 1240/50, adeo visitatus volendo limina reliquias et domum sancti Jakobi apostoli de Galitia, eine bereits 1231 an das Johanniterspital im Münstertal getätigte Schenkung bestätigte.112 Nach Rom wallfahrte hingegen der Selige Heinrich von Bozen († 1314), der sich dann im Jahr 1300 auf dem Rückweg in den Norden in Treviso niederließ.113 Bereits 1230 hatte der Trienter Domherr Abelinus jeweils 20 Pfennige den beiden berühmtesten und größten Pilgerherbergen an der Via Francigena hinterlassen, nämlich dem Spital von Santo Spirito in Sassia (Rom) und dem 1070 gegründeten Spital von San Giacomo di Altopascio (Toskana).114

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Abb. 3: Der Wallfahrtsort San Romedio auf dem Nonsberg, Aufnahme Anfang des 20. Jahrhunderts. Trento, Soprintendenza per i Beni storico-artistici, librari e archivistici.

1324 vermachte ein gewisser Contolino, Wirt am Trienter Domplatz, testamentarisch Güter an das Kloster von Santa Maria in Roncesvalles (Navarra), an jenes von Saint’Antoine in Vienne (Provence), weiters an jenes von San Giacomo di Altopascio und an jenes von Santo Spirito in Rom sowie an das Passagium de Ultramare und an das Spital zum Heiligen Geist in Jerusalem. Sein Enkel Concio bestimmte 1348, während der ersten Pestwelle, dass an seiner Stelle ein geeigneter Mann auf den Weg nach Santiago geschickt werden sollte.115

Innerhalb der Trienter Diözesangrenzen war besonders die Wallfahrtskirche des Heiligen Romedius beliebt,116 die in der Region das wichtigste Ziel für fromme Stiftungen darstellte. Bereits seit dem 11. Jahrhundert war an sie eine eigene Bruderschaft gebunden, die für die Erhaltung des Kirchengebäudes zuständig war.117 Dazu kam die Grabstätte des Heiligen Vigilius in Trient, nämlich der ihm geweihte Dom neben der städtischen Bischofspfalz außerhalb des ehemaligen Stadtgebietes römischer Zeit. Hier hatte 397 Vigilius selbst die Überreste der drei Nonsberger Märtyrer Martyrius, Alexander und Sisinius bestattet.118 Im Laufe des 12. Jahrhunderts waren das Reliquiendepositum der Trienter Kathedrale und somit ihre Attraktivität als Wallfahrtskirche noch gestiegen, nachdem unter Bischof Altmann die sterblichen Überreste der Heiligen Maxentia von Maiano im Sarcatal hierher transferiert worden waren und in derselben Kirche auch die Leiche des 1172 von seinen Vasallen ermordeten Bischofs Adelpret beigesetzt wurde, der von Anfang an von der Trienter Kirche als Märtyrer verehrt wurde.119 Erst im Spätmittelalter kamen weitere Stätten hinzu, meistens Einsiedeleien und sonstige Anstalten, wie einige der oben genannten Spitalskirchen.120

5. Das zönobitische Leben augustinischer
und benediktinischer Prägung

Spärlicher als in anderen Diözesen fließen die Angaben über reguläre Klostergemeinschaften in früh- und hochmittelalterlicher Zeit, sodass bereits die Frage gestellt wurde, ob es berechtigt sei, von einem autochthonen zönobitischen Leben in der Diözese Trient zu sprechen.121 Die erste von direkten Quellen bezeugte Stiftung auf Trienter Gebiet datiert nämlich erst von 1145. Damals kam es zur Gründung des Augustinerchorherrenstiftes von St. Michael an der Etsch, nur wenige Kilometer nördlich der Stadt.122 Die neue Stiftung fügte sich in die reformatorischen Bestrebungen Erzbischof Konrads I. von Salzburg, deren Nachwirkungen auch im Trienter Gebiet zu spüren waren und in deren Rahmen der selbst aus dem süddeutschen Raum stammende Bischof Altmann das oberösterreichische Eigenkloster Suben einige Jahre zuvor reformiert hatte.123 1146 übergab derselbe Bischof die Kirche von San Lorenzo vor Trient an die Benediktiner des nur zehn Jahre zuvor gegründeten Klosters von Vallalta bei Bergamo.124 Diese ersetzten ebendort eine frühere, aber in den Quellen kaum fassbare Klostergemeinschaft, die nach späteren Quellen des 13. Jahrhunderts aus einer Kommunität von sanctimoniales bestanden haben soll.125 Tatsache ist, dass ebendort, wo die Benediktiner aus Vallalta ihre neue, um 1176 bereits fertig gestellte Klosterkirche erbauten,126 ein älterer Sakralbau stand, der nicht nur in der Urkunde von 1145 als bereits bestehend angeführt wird, sondern aufgrund des archäologischen Befundes dem 9./10. Jahrhundert zuzuschreiben ist.127 Erst um 1165 kam es hingegen zur Gründung eines zweiten Chorherrenstiftes innerhalb der Diözese, diesmal bei Bozen, nämlich St. Maria in der Au.128

Sonstige Spuren älterer Klostergemeinschaften benediktinischer und augustinischer Prägung sind, ebenso wie bei San Lorenzo, schwer nachzuweisen, aber gleichwohl vorhanden. Allen voran sei an eine wahrscheinliche Niederlassung von Benediktinern innerhalb der antiken Stadmauern von Trient erinnert, die bei der (abgegangenen) Kirche von San Benedetto vermutet werden darf, wo ihr wohl letzter Vertreter noch um die Mitte des 12. Jahrhunderts erwähnt wird.129 Anlässlich der um 1241 erfolgten Stiftung des Augustinerklosters von Santa Maria Coronata am Nonsberg (Cunevo) erfährt man von zwei älteren Klosterniederlassungen, wo man nach der vita communis lebte und die in der selbst nach der Augustinerregel strukturierten Neugründung aufgingen: jene der Heiligen Marcus und Marta bei Sanzeno und jene der Heiligen Peter und Bartholomäus zu Valdo bei Pergine (Letzteres jedoch bereits in der angrenzenden, bis knapp vor Trient reichenden Diözese Feltre).130 Von beiden kennt man sonst keine weitere urkundliche Erwähnung. Nur die Bücher und die liturgischen Geräte, die an die neue Stiftung kamen, werden 1245 in der päpstlichen Bestätigung für Santa Maria Coronata erwähnt.131 Von Mönchen war damals keine Rede mehr. Selbst Santa Maria Coronata erfreute sich aber keines langen Bestehens. In den politischen und militärischen Streit zwischen den Grafen von Tirol und den Grafen von Flavon involviert, löste sich die Klostergemeinschaft im Jahre 1283 auf und ihre Mitglieder wurden in die Gemeinschaft des Deutschen Ordens aufgenommen.132 Selbst ihre später gegründete Niederlassung innerhalb der Stadtmauern wurde von diesem Orden offeriert und in die zweite Kommende der Deutschordensritter innerhalb der Diözese Trient umgewandelt.133

Etwas schwieriger zu fassen ist die mögliche Existenz eines benediktinischen Priorats in San Nicolò bei Riva. 1284 verstarb ein gewisser Widoto, monachus an der Kirche von San Nicolò bei Riva (Monte Brione),134 den man eher als Einsiedler zu bezeichnen geneigt wäre. Einige Jahre zuvor ist aber von einem prior namens Jakobus die Rede (... frater Iacobus prior Sancti Nicolai de plebaticu Ripe),135 der jener Kirche 1273 vorstand, mit der nach der barocken Historiographie in der Tat ein Kloster verbunden gewesen sein soll, das 1294 endgültig aufgehoben wurde.136