Es lebe Star Trek

Björn Sülter

 

 

 

Es lebe Star Trek

Ein Phänomen, Zwei Leben

 

Franchise-Sachbuch präsentiert von SYFY

Impressum

 

Originalausgabe | © 2018

in Farbe und Bunt Verlags-UG (haftungsbeschränkt)

Kruppstraße 82 - 100 | 45145 Essen

 

www.ifub-verlag.de

 

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch die der Übersetzung, des Nachdrucks und der Veröffentlichung des Buches, oder Teilen daraus, sind vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlags und des Autors in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Alle Rechte liegen beim Verlag.

 

Herausgeber: Mike Hillenbrand

verantwortlicher Redakteur: Björn Sülter

Lektorat: Florian Kaiser

Korrektorat: Telma Vahey

Cover-Gestaltung: Eileen Steinbach

E-Book-Erstellung: Grit Richter

 

 

Die »Star Trek«-Serien sind eingetragene Warenzeichen von CBS Paramount Television und CBS All Access, die »Star Trek«-Filme sind eingetragenes Warenzeichen von Paramount Pictures.

 

»Es lebe Star Trek - Ein Phänomen, Zwei Leben« ist in keiner Weise mit CBS Television, CBS All Access und Paramount Pictures assoziiert. »Es lebe Star Trek - Ein Phänomen, Zwei Leben« gibt gesammelte Meinungen des Autors, von »Star Trek«-Fans und »Star Trek«-Experten wieder.

If you can dream it, you can do it.

Vorwort

 

Unglaublich, aber wahr: Ich schreibe ein Vorwort für mein erstes Sachbuch über Star Trek. Im zarten Alter von acht Jahren betrat ich eine wunderbare Welt, die mich seitdem nie wieder losgelassen hat. Und nach über dreißig Jahren, die ich mich nun bereits mit dem Thema befasse, wurde es für dieses Buch doch auch höchste Zeit, oder?

 

Die Begeisterung für das Schreiben an sich begann für mich während der Grundschulzeit. Mit ersten Kurzgeschichten lotete ich die hintersten Ecken meiner Phantasie aus, schrieb später auch Songtexte und versuchte mich schließlich sogar an kurzen Romanen. In Sachen Star Trek lieferte ich während der 1990er-Jahre Rezensionen im Rahmen von Trek Dinnern ab. Diese entstanden auf der Schreibmaschine, wurden beim Kaufmann um die Ecke vervielfältigt und fanden so ihren Weg zu den Treffen. Mit der Verbreitung des Internets wechselte ich auf meine eigene kleine Plattform: Planet Trek. Dass diese nicht bis zum heutigen Tag überlebt hat, ist in der Rückschau gar nicht so schlimm. Oder sagen wir es ehrlich: Es ist besser so! Bunte Animationen, blinkende Logos und kaum lesbarer Content waren Kinder der damaligen Zeit. Den Namen der Seite sollte ich dann allerdings fast zwanzig Jahre später doch noch einmal verwenden: für meinen ersten eigenen Podcast Planet Trek fm. Auf diese Weise schließen sich im Leben Kreise.

 

Ab dem Jahr 2000 schrieb ich mal für diese und mal für jene Internetseite - erst auf Deutsch, dann auch auf Englisch. Bis ich schließlich bei Serienjunkies landete und damit eine Kette von Ereignissen in Gang setzte, deren Wucht mir bis heute oft noch surreal vorkommt. Auf einmal sollte ich hier und dort Artikel liefern, Anfragen aus dem Printbereich kamen hinzu, der Fernsehsender SYFY holte mich als Experten an Bord, und ehe ich mich versah, wurde das Schreiben und Sprechen über dieses unvergleichliche Genre zu meinem Tagwerk. Zugegeben: Mehr als einmal habe ich in dieser Zeit »Ihr wollt mich doch alle auf den Arm nehmen!« gedacht. Doch das wollten sie nicht. Sie wollten nur, dass ich weiterschreibe. Und wie Forrest Gump einfach immer weitergelaufen ist, schrieb ich immer weiter.

 

Fakt ist: Ich wollte mich immer mit Star Trek, dem Genre an sich und Medien befassen und habe mir zudem vor einigen Jahren in einem Anfall von Größenwahn geschworen, irgendwann einmal ein Buch zu diesem Thema zu veröffentlichen. In diesem Punkt sei auch unbedingt mein lieber Freund Nick Wilder erwähnt, der mir mit seiner wunderbaren Lebenseinstellung immer wieder Inspiration und Glauben an mich selbst vermitteln konnte: If you can dream it, you can do it. Du hattest absolut recht, Nick! Danke!

 

So richtig glauben konnte ich es - ganz der Skeptiker - aber natürlich dennoch lange Zeit nicht. Doch nun - mit Abschluss der Arbeiten an Es lebe Star Trek und dem Näherrücken der Veröffentlichung - muss ich es wohl akzeptieren: Mein Name ist Björn Sülter, ich bin 41 Jahre alt und Star-Trek-Sachbuch-Autor. Verrückt!

 

Eine Unterhaltung aus der Episode Far Beyond the Stars (Star Trek: Deep Space Nine) fasst die Entstehung dieses Buches dabei ganz wunderbar zusammen.

 

Lene: Tell him the good news, Albert.

Albert: Oh, it‘s nothing.

Kay: Nothing? He sells a novel and he says it‘s nothing.

Benny: A novel. Albert, congratulations!

Albert: Thank you.

Benny: Robots?

Albert: What else?

 

Was für Albert die Roboter sind, ist für mich immer schon Star Trek gewesen. Autoren wie Ralph Sander, Thomas Höhl, Torsten Dewi, Mike Hillenbrand oder Christian Humberg haben mich über die Jahre begleitet, mir in Sachen Trek wunderbaren Lesestoff geliefert und mich inspiriert. Ihnen mit diesem Werk nachzufolgen, empfinde ich als Ehre.

 

Bei der Frage, wovon es konkret handeln sollte, kam mir übrigens sofort ein Schlagwort in den Sinn: Fans! Denn was wäre Star Trek ohne das Fandom? Seit den 1970er-Jahren waren es immer wieder die begeisterten Zuschauer, die den Mythos am Leben gehalten und sich ebenso an den verschiedenen Serien und Filmen erfreut haben, wie sie dies aber auch zugleich zerreden konnten. Ein kritischer Diskurs ist Teil der Fankultur von Star Trek, und ohne diese Beharrlichkeit und Leidenschaft wäre das Franchise mit Sicherheit niemals derart rüstig über die Schwelle von fünfzig Jahren gesprungen.

 

Der zweite für mich wichtige Punkt war die Unterscheidung der zwei Leben von Star Trek - vom klassischen hin zum modernen, das 2009 seinen Anfang nahm. Ich spreche in diesem Zusammenhang gerne von Star Trek 1.0 und Star Trek 2.0 - aus diesem Denken entstand auch die Unterteilung des Buches in das erste und das zweite Leben.

 

Man mag dazu stehen, wie man will: Die neuen Kinofilme und eine neue Fernsehserie haben definitiv frischen Wind in die altehrwürdigen Hallen gebracht und beschäftigen uns Fans wieder mit den gezeigten Themen, umsetzungsbedingten Erfolgen und Fehltritten.

Das Wichtigste ist jedoch, dass wir Fans wieder in einem Boot sitzen und über unser liebstes Hobby sprechen: Es lebe Star Trek!

 

Mein Dank gilt allen, die auf so vielfältige Weise dazu beigetragen haben, dass ich die Chance zu diesem Buch erhalten habe und diesen Weg in den vergangenen Jahren gehen durfte.

 

Sei es Lenka Hladikova von Serienjunkies, die mir die erste Tür geöffnet hat, Manuel Weis von Quotenmeter und Sebastian Lorenz von Robots & Dragons, bei denen das Abenteuer ungebremst weiterging, Markus Rohde von der GEEK!, Thomas Jeschke & Dirk Bartholomä vom FedCon Insider oder Monika Sersea-Bratic von SYFY – ihr alle habt mir einen langen Korridor an Türen gezeigt und wart sogar noch beim Öffnen behilflich. Ich freue mich auf viele weitere tolle Erlebnisse mit euch!

 

Und dann ist da auch noch Mike Hillenbrand, der vom Autor, den ich immer gerne gelesen habe, zum Podcast-Gast und schließlich zum Verleger dieses Buches, Ratgeber, Freund und Geschäftspartner wurde.

 

Zum Gelingen des Buches haben aber auch noch zwei andere Menschen beigetragen, die mich mit ihren Anmerkungen über Monate piesacken durften und so am Ende ein entscheidender Faktor wurden. Florian Kaiser ist immer meine Wunschlösung für das Lektorat gewesen – und nun, am Ende der Arbeiten, ist mir noch viel klarer, warum. Nicht nur bügelte er gnadenlos meine Fehler aus, schliff Sätze um, bot Alternativen an und wies mich auf Schwächen hin, mit seinem unverwechselbaren Humor versüßte er mir auch noch die teilweise harte Arbeit. Wenn man weiß, dass man tausende Anmerkungen durchgehen muss, kann so etwas sehr viel wert sein! Danke Florian, dieses Buch wäre nicht dasselbe ohne dich! Die zweite Person ist meine Korrektorin Telma Vahey, die noch einmal einen ganz anderen Ansatz an den Tag legte, kontrovers hinterfragte und mir so die Chance gab, Formulierungen zu überdenken und das Buch weiter zu verbessern. Ihr zwei seid wirklich ein Dreamteam für mich!

 

Last but not least ist dieses Buch allerdings in erster Linie den zwei Menschen gewidmet, die mir in meinem Leben am meisten bedeuten: meiner Frau Juliane und meiner Tochter Leni-Seleya, die mich inspirieren und an mich glauben. Sie geben meinem Leben Sinn, meinem Alltag Freude und mir selbst die Kraft für alle Prüfungen des Lebens.

 

Dieses Buch ist für euch.

 

Björn Sülter im August 2018

I. Ein Universum voller Möglichkeiten

 

Was ist Star Trek? Bei diesen vier Worten handelt es sich zwar rein sachlich um eine simple Frage, in Wirklichkeit steckt aber mehr dahinter.

 

Für Trekkies taucht die Frage zum Beispiel immer dann auf, wenn es darum geht, gutes von schlechtem Star Trek abzugrenzen oder um mit der Antwort zu verdeutlichen, was die Serien und Filme ihres Lieblingskosmos im Vergleich zu anderen Produkten aus dem Bereich der Phantastik zu etwas Besonderem macht. Es handelt sich allerdings auch um eine Frage, die sich Menschen stellen, deren Berührungspunkte mit diesem Phänomen über 700 Fernsehepisoden und dreizehn Kinofilmen zum Trotz eher gering ausfallen. Diese fragen sich gerne: Was sind das für Leute, die sich falsche Zähne ankleben, Latexmasken aufsetzen, fremde Sprachen lernen und auf Conventions den Worten ihrer Idole lauschen?

 

Wie erkläre ich so einem Menschen die Faszination von Star Trek? Zunächst einmal greift bei mir an dieser Stelle eine simple Abwehrreaktion: Nein, nicht alle Fans sind Verrückte, die als Klingonen verkleidet um die Häuser ziehen und gepanschten Blutwein trinken. Und nein, diese Verrückten sind auch eigentlich gar nicht wirklich verrückt. Man kann seiner Leidenschaft auf viele verschiedene Arten Ausdruck verleihen. Man kann lediglich die Episoden und Filme schauen, Comics oder Romane lesen, Raumschiffe sammeln, zeichnen oder bauen, kann Uniformen schneidern, eigenes Make-up designen oder ganze Masken erstellen, kleine oder große Fantreffs organisieren und besuchen, einfach nur darüber sprechen oder den Vorträgen von anderen lauschen. Oder aber man kann mit dem Schreiben beginnen und durch das Nachdenken über und die Beschäftigung mit Star Trek eine Leidenschaft entwickeln. Und obwohl ich immer gerne geschrieben habe, hat mich Star Trek letztlich zum Schreiben gebracht.

 

Star-Trek-Fan zu sein, bietet uns ein Universum voller Möglichkeiten.

 

Wir lernen etwas über uns, andere, die Welt da draußen, warum wir hier sind, wohin wir gehen und was noch auf uns warten könnte. Wir lernen, offen mit den Besonderheiten der verschiedenen Kulturen umzugehen, Unterschiede zu akzeptieren und willkommen zu heißen, nicht vorschnell zu urteilen und uns nie wichtiger zu nehmen als das große Ganze: Das Leben in all seiner Vielfalt.

 

Bei den Vulkaniern heißt das: Infinite Diversity in infinite Combinations (IDIC). Unendliche Mannigfaltigkeit in unendlicher Kombination. Das ist auch Teil des Taufspruchs meiner Tochter, die ihren zweiten Vornamen Seleya nicht ohne Grund erhalten hat. Ihr möchte ich einen Teil der Werte mitgeben, die ich aus Star Trek gelernt und für mich adaptiert habe. Ihr möchte ich zeigen, dass es unser Leben erleichtert und bereichert, wenn wir einander zuhören, aufeinander zugehen, friedlich nach Lösungen suchen und Konflikte annehmen, aber auch fair beilegen.

 

Seit mehr als fünfzig Jahren begleitet Star Trek die Menschen im Fernsehen und Kino, in Büchern und Zeitschriften, im Internet, auf Conventions und Fantreffs sowie im Alltag und in unseren Gedanken. Ich freue mich, dass ihr euch entschieden habt, mich durch die zwei Leben dieses Phänomens zu begleiten.

 

Es zieht sich von Star Trek 1.0, welches sich von 1966 bis 2005 zieht, bis zum heutigen Star Trek 2.0, das mit den Reboot-Kinofilmen 2009 seinen Anfang nahm und aktuell durch Star Trek: Discovery in Serienform fortgesetzt wird. Zwei Phasen, die sich zwar deutlich unterscheiden, allerdings doch mehr gemeinsam haben, als man vielleicht auf den ersten Blick annehmen würde.

 

Und wie in vielen beliebten Episoden ist somit auch dieses Buch eigentlich eine Zeitreise. Es geht weit zurück in die Vergangenheit zu den Ursprüngen und führt uns nicht nur in die Gegenwart, sondern ebenfalls darüber hinaus. In diesem Zusammenhang ist es dann auch meine ganz persönliche Zeitreise mit Star Trek, von der ich euch erzählen möchte. Denn eines ist in Bezug auf Star Trek so viel mehr als nur eine Floskel:

 

Nur der Himmel ist die Grenze.

Das erste Leben

Star Trek 1.0

 

II. Star Trek

Mit dem Planwagen ins All

 

Fakten

 

US-Erstveröffentlichung: 1966 bis 1969

US-Premiere: 8. September 1966 auf NBC

Deutscher Titel: Raumschiff Enterprise

Deutsche Premiere: 27. Mai 1972 im ZDF

Staffeln: 3

Episodenzahl: 79 + The Cage

Titelmusik: Alexander Courage

Hauptdarsteller: William Shatner (James T. Kirk), Leonard Nimoy (Spock), DeForest Kelley (Leonard McCoy), James Doohan (Montgomery Scott), George Takei (Hikaru Sulu), Walter Koenig (Pavel Chekov), Nichelle Nichols (Uhura) u. a.

 

Der Macher

Gene zum Erfolg

 

Auch wenn das Wortspiel in der Überschrift ganz hübsch ist, die Gene zum Erfolg im TV-Business waren Eugene Wesley »Gene« Roddenberry wahrlich nicht in die Wiege gelegt worden.

 

Geboren wurde er am 19. August 1921 in El Paso, Texas. Sein Vater Eugene Edward befand sich mit seinen 24 Jahren just auf dem Sprung vom Militär in den Job eines Polizisten, seine Mutter Caroline Glen Golemon war zum Zeitpunkt seiner Geburt gerade 17 Jahre jung und entsprach dem damals gültigen Prototyp der kleinbürgerlichen Hausfrau, die Haus und Kinder hütete, alles in Schuss hielt und abends noch den heimkehrenden Ernährer der Familie umsorgte. Gemeinsam mit seinen Geschwistern Robert Leon (geboren 1924) und Doris Willowdean (geboren 1925) wuchs der kleine Gene auf diese Weise größtenteils unbeschwert in Los Angeles auf und wurde von seiner sanften und verständnisvollen Mutter und dem strengen sowie prinzipientreuen Vater sicher durch die politisch und wirtschaftlich unruhigen Zeiten gebracht.

 

Schon mit zwölf Jahren träumte der von Asthma geplagte Junge jedoch auch von fremden Welten und las gerne Kurzgeschichten (sogenannte »Pulps«) wie Jason Carter of Mars oder Tarzan. Die Ikonen dieser billig produzierten Veröffentlichungen von Autoren wie H. P. Lovecraft, Jack London, Isaac Asimov oder Tennessee Williams wurden zu seinen Helden - doch auf die Idee, selber zu schreiben, kam Roddenberry erst später durch seine Englischlehrerin.

 

So verfolgte er nach seinem Abschluss am Los Angeles City College zunächst eindeutig den Karriereweg seines Vaters und interessierte sich sowohl für die Polizeiarbeit als auch für die Konstruktion von Flugzeugen. In der Zwischenzeit war aus dem kleinen Jungen ein stattlicher und attraktiver Mann geworden, der sowohl die Ruhe und Sanftmütigkeit seiner Mutter als auch die Geradlinigkeit seines Vaters besaß. Gene war genau genommen ein gelebter Episodentitel aus Star Trek: The Next Generation: The Best of Both Worlds.

 

Doch begann nach seiner Hochzeit mit Eileen Anita Rexroat und dem Erlangen einer Pilotenlizenz zunächst seine Karriere beim United States Army Air Corps. In den Nachwehen von Pearl Harbour flog er unzählige Kampfeinsätze und verarbeitete seine Eindrücke in Gedichten und Liedtexten. Hochdekoriert wechselte er in den zivilen Flugverkehr zu Pan Am und lernte auf diese Weise die Vielfalt der Welt kennen und schätzen. Bei seinen Aufenthalten in aufregenden neuen Ländern griff der junge Mann immer häufiger zum Stift und entdeckte endgültig seine eigentliche Leidenschaft: Das Ersinnen von phantastischen Geschichten. Als er 1948 das Interesse am Fliegen verlor, zog er mit seiner Ehefrau und der ersten gemeinsamen Tochter Darleen zurück in das Haus seiner Eltern nach Los Angeles. Und obwohl er eigentlich plante, auf den beginnenden Siegeszug des Fernsehens aufzuspringen und Drehbuchautor zu werden, verschlug es ihn zunächst an einen weiteren bekannten Ort: Er heuerte bei der Polizei an - genauer gesagt, beim Los Angeles Police Department, wo auch einst sein alter Herr einst gearbeitet hatte.

 

Gene war kein Phantast - das hatte er von seinem Vater gelernt. Er erkannte, dass man für die Verwirklichung eines Traumes Zeit und Geduld brauchte und in erster Linie für das Auskommen seiner Familie zu sorgen hatte. Doch arbeitete er im Hintergrund weiter an der Erfüllung seiner Wünsche, schrieb Reden für den Polizeichef und knüpfte Kontakte zu Fernsehproduktionen, die sich mit dem Polizeialltag befassten. Roddenberry analysierte in diesem Zuge auch jahrelang beharrlich Drehbücher und verglich sie mit dem fertigen Produkt, was ihn zu der Überzeugung brachte, bessere Arbeit abliefern zu können.

 

Über den Posten eines Technical Advisors bei der TV-Serie Mr. District Attorney gelangte er schließlich ans Ziel seiner Träume: Er verkaufte unter Pseudonym sein erstes Drehbuch. Dass außerdem noch seine zweite Tochter Dawn geboren wurde, macht das Jahr 1954 zu einem absoluten Highlight. Nur zwei Jahre später war es dann soweit: Gene Roddenberry kündigte seine Stelle beim Los Angeles Police Department und war ab diesem Moment hauptberuflich mit dem Schreiben beschäftigt - zunächst jedoch mit wechselhaftem Erfolg. Viele seiner Ideen wurden abgelehnt, einige zwar auch für gut befunden, jedoch nie verwirklicht. Gene lernte, dass man als Drehbuchautor die Fäden nicht in der Hand hielt, und orientierte sich nebenbei auch in Richtung Produktion. So kam 1963 mit The Lieutenant endlich ein erster Achtungserfolg zustande. Die Serie über das Militär in Friedenszeiten lief zwar nur eine Staffel, war aber Roddenberrys Eintrittskarte, um endlich ernstgenommen zu werden. Leonard Nimoy, Walter Koenig, Nichelle Nichols, Ricardo Montalbán und Majel Barrett (die später seine zweite Ehefrau wurde) waren alle als Darsteller Teil der Serie, und auch Gary Lockwood, der den Titelhelden spielte, sollte später noch wichtig werden - eine Art Vorabcasting für Roddenberrys nächstes Projekt sozusagen. Mit Marc Daniels, Art Wallace und Vincent McEveety standen hier ebenfalls hinter der Kamera bereits spätere Weggefährten bereit.

 

Zu einem geschichtsträchtigen Tag kam es dann im Frühjahr 1964, an dem Roddenberry seine Idee für Star Trek an die Writers Guild of America schickte. Seine Vision: Ein Raumschiff, das 200 Jahre in der Zukunft mit einer kunterbunt zusammengemischten Besatzung verschiedener Kulturen unterwegs war, um zu Forschen und um zur Deeskalation intergalaktischer Krisen beizutragen. Witzig war in diesem Zusammenhang, dass Roddenberry in den Jahren zuvor immer wieder an dieser Idee herumgeschraubt hatte und sie einmal auf einem Kreuzfahrtschiff, dann wieder auf einem Luftfahrtschiff hatte spielen lassen. Gemein war all diesen Szenarien allerdings, dass es immer um das Erforschen exotischer Orten und das Erleben von Abenteuern ging. Das letzte noch fehlende Puzzlestück fand er offenbar ausgerechnet in seiner frühesten Kindheit, als er gebannt einer Radiosendung gelauscht hatte, in der eine »Vereinte Föderation der Planeten« Schiffe ins All schickte. Gene Roddenberry hat diese Inspirationsquelle übrigens nie bestritten. Der Anfang war gemacht.

 

If man is to survive, he will have learned to take a delight in the essential differences between men and between cultures. He will learn that differences in ideas and attitudes are a delight, part of life‘s exciting variety, not something to fear.

― Gene Roddenberry

 

Der Start

Die Geschichte vom doppelten Pilotfilm

 

Bei CBS hatte Roddenberry mit seinem Vorstoß keinen Erfolg. NBC hingegen beauftragte die Produktion eines Pilotfilms und wählte aus drei Exposés The Cage (das vorher The Menagerie hieß) aus.

 

Nun musste sich Roddenberry seine Besatzung zusammenschustern. Aus dem frühen Entwurf mit Robert T. April und der USS Yorktown machte er einen gewissen James Winter, um schließlich bei Captain Christopher Pike zu landen. An dessen Seite stellte er entgegen dem Zeitgeist eine Frau als stellvertretende Kommandantin. Von einer mutigen Entscheidung sprachen die einen; böse Zungen behaupteten jedoch, Roddenberry hätte an dieser Stelle schlicht seine damalige Freundin und spätere Ehefrau in der Serie unterbringen und nicht unbedingt die Welt verändern wollen. Erstaunlich war auch, dass der Captain persönlich noch in den ersten Minuten von The Cage seinen ersten Offizier demontierte. Erst sagte Pike, er könne sich keine Frauen auf der Brücke vorstellen, dann äußerte er gegenüber seiner Number One, sie sei irgendwie anders.

 

Neben den weiteren Figuren stach insbesondere der Außer-irdische Mr. Spock aus dem Cast heraus - als Halb-Vulkanier sollte er der Serie eine exotische Note verleihen und deutlich machen, dass man sich in einer fernen Zukunft befand, in der neben den Menschen eben auch andere Spezies die Bühne betreten hatten.

 

Neben Jeffrey Hunter alias Captain Pike und Majel Barrett als Number One wurde ein gewisser Leonard Nimoy an Bord geholt. Der Sender hegte zunächst große Zweifel ob des »satanischen Äußeren« der Figur, musste sich durch die spätere Beliebtheit aber eines Besseren belehren lassen.

 

Als am 12. Dezember 1964 der Startschuss für die Dreharbeiten zu einem mehr als ambitionierten Stück Science-Fiction fiel, konnte niemand ahnen, was schon im Februar 1965 über die Produktion hereinbrechen würde. Die Verantwortlichen bei NBC schauten sich den fertigen Pilotfilm an und senkten kollektiv den Daumen. Bis heute wird gerne erzählt, dem Sender sei das Ergebnis zu verkopft gewesen. Dabei handelt es sich allerdings nicht um die ganze Wahrheit. Zwar fehlte es den Entscheidungsträgern wirklich an etwas simplerer Action, die damals verbreitet und beliebt war, den restlichen Pilotfilm bewertete man jedoch als durchaus gelungen und hatte gar keine Probleme mit den philosophischen Untertönen. Die Sorge der Studiobosse bezog sich viel eher auf die Produktionsfirma DESILU, die den Ruf genoss, zu teuer zu produzieren und sich nicht an Absprachen zu halten. Exakt das war nämlich auch hier geschehen. Das eigentlich auf rund 400.000 Dollar angesetzte Budget und die geplanten acht Drehtage wurden mit über 600.000 Dollar Einsatz und zwölf Tagen deutlich überzogen. Auch die Laufzeit hielt sich nicht an die üblichen 45 Minuten und landete stattdessen bei deren 60. Den Verantwortlichen bei NBC war jedoch auch bewusst, dass man sich für das komplexeste Exposé entschieden und es DESILU somit nicht gerade leicht gemacht hatte. So geschah etwas, das es vorher noch nie gegeben hatte. NBC erteilte am 26. März 1965 den Auftrag, einen zweiten Pilotfilm zu realisieren.

 

So positiv und unerwartet diese Nachricht für DESILU und Roddenberry auch war, so lang war der damit verbundene Rattenschwanz. Ehe sich der Autor und Produzent versah, war seine komplette Besetzung den Bedingungen der Geldgeber zum Opfer gefallen. Pike, Number One, Dr. Boyce, sie alle mussten samt ihrer Darsteller gehen, und Roddenberry stand wieder (fast) am Anfang. Eine Ausnahme bildete hier allerdings Jeffrey Hunter, der schlicht keine Lust mehr hatte, weiterhin die Rolle des Captain Pike zu spielen. Wie Number One sollte auch Mr. Spock eigentlich gestrichen werden, doch hier intervenierte der Erfinder der Serie. Für Roddenberry löste sich das Problem dafür aber auch auf eine sehr charmante Art und Weise: Er behielt den Vulkanier an Bord und heiratete Majel Barrett. Wie er selber später ironisch sagte, wäre das Gegenteil auch eher ungünstig gewesen.

 

Neben Mr. Spock, der ein paar Wesenszüge von Barretts Figur erhielt, setzte Roddenberry nun allerdings ebenfalls auf einen anderen Typ Captain. Der Sender hatte sich einen weniger nachdenklichen Helden gewünscht. Das Ergebnis: Der dynamische Cowboy James T. Kirk. Mit Uhura, Sulu, Scotty, Yeoman Rand und Dr. Piper komplettierte er den Cast und fand in Nichelle Nichols, George Takei, James Doohan und Grace Lee Whitney Schauspieler, die auch nach dem zweiten Pilotfilm noch an Bord blieben.

 

Aus verschiedenen Exposés wählten die Senderverantwortlichen ein zweites Mal und entschieden sich für Where No Man Has Gone Before, das vor allem eines war: simpler gestrickt und actionreicher. Im Juni 1965 begann man also abermals mit den Dreharbeiten. Das Budget wurde zwar erneut überzogen (355.000 Dollar gegenüber geplanten 215.000 Dollar), und man benötigte auch einen Tag länger als gewünscht; das Resultat jedoch überzeugte NBC. Nach mehreren Tests mit wechselndem Publikum bestellte der Sender zunächst 13 Episoden.

 

Es gab noch einen weiteren Grund zur Freude: Roddenberry musste zumindest auf Druck des Senders diesmal keine erneute Umbesetzung vornehmen. Da er jedoch selber mit Dr. Piper unzufrieden war, holte er DeForest Kelley an Bord und besetzte ihn als Dr. Leonard McCoy, dessen Spitzname »Pille«, den wir deutschen Fans schnell lieben gelernt haben, sich deutlich von dem Original »Bones« (»Knochen«) unterschied.

 

Mit Kirk, Spock, McCoy, Scotty, Sulu und Uhura als Stamm-besetzung startete Roddenberry also in die restliche erste Staffel - und somit auch in den Anfang einer ausdauernden Erfolgsgeschichte.

 

Die Schauspieler

Hauen, Stechen, Stolpersteine

 

So positiv wir Fans heute auf unsere Idole schauen, so schwierig gestaltete sich für die Darsteller seinerzeit die Zusammenarbeit an der Serie und den Kinofilmen. Wie so oft im Leben begann alles mit dem lieben Geld. William Shatner war zu Beginn der Serie zum Star auserkoren worden und erhielt pro Woche 5000 Dollar. Dazu kamen Bonuszahlungen wie etwa eine Gewinnbeteiligung und Honorare für Wiederholungen. Betrachtet man diese Zahl ohne Kontext, mag sie dem geneigten Fan noch gar nicht weiter zu denken geben. Schaut man allerdings auf die Werte der anderen Stammschauspieler, regt sich vermutlich direkt eine Augenbraue. So erhielt Leonard Nimoy nur knapp ein Viertel dieser Summe. Die restlichen Darsteller mussten sich mit 600 bis 850 Dollar pro Episode begnügen - dazu gab es keine Garantien, dass sie in allen Episoden würden auftreten können. Von einer Ensembleshow konnte also schon zu Beginn keine Rede sein.

 

Während man bei Sulu, Uhura, Scotty und McCoy noch auf den Status als Nebendarsteller verweisen konnte, sah die Sache bei Nimoy gänzlich anders aus. Man musste den TV-Start der Serie gar nicht abwarten, um zu realisieren, wie prominent seine Figur in den Drehbüchern eingesetzt werden würde. NBC jedoch zeigte sich in dieser Angelegenheit stur und vertröstete den Schauspieler samt seines Agenten auf das Ende der ersten Staffel. Erst dann wäre man dazu bereit, die entsprechenden Gespräche zu führen.

 

Leonard Nimoy mag somit eine ganze Weile still vor sich hin gebrütet haben. Als er aber anhand der zunehmenden Fanpost den Status und die Beliebtheit von Spock auch visuell eindeutig belegen konnte, wendete sich schnell das Blatt. Nimoy ließ die Verantwortlichen nun immer deutlicher spüren, was in seinem Kopf vorging, und genoss es, seine Berge an Fanpost vor den Augen des Teams zu seinem Trailer zu schleppen. Dem Vernehmen nach wäre er zu diesem Zeitpunkt fast aus der Serie gekippt worden. Seitens DESILU wurden in der Drehpause nach dem ersten Jahr sogar bereits Ersatzdarsteller gecastet, und auch Roddenberry war nicht sicher, ob sein Star zur zweiten Staffel zurückkehren würde. Dass man sich schließlich doch noch einigte, war dann auch nicht so selbstverständlich. Mit deutlich erhöhten Bezügen von 2500 Dollar für die zweite und 3000 Dollar für die dritte Staffel pro Woche, einer schöneren und größeren Garderobe sowie Geld für die Beantwortung seiner Fanpost stellte man Nimoy zufrieden, sorgte auf diese Weise allerdings direkt für das nächste Problem.

 

Der eigentliche Star der Serie, ein gewisser Mr. Shatner, spürte nun den Atem seines Konkurrenten deutlicher als zuvor. Oder um es mit anderen Worten auszudrücken: Die Popularität der Figur und das Gehabe des Kollegen störten ihn massiv. Der Kirk-Darsteller war besorgt um sein eigenes Standing, was zu einer Art Kleinkrieg am Set führte, der für keinen Beteiligten ein Vergnügen gewesen sein dürfte. Eine beliebte Anekdote ist, dass William Shatner den Fauxpas des Sprechers einer Parade gerne und sooft es nur ging, benutzte, um seinen Kollegen am Set zu ärgern und bloßzustellen. Dieser Sprecher hatte Nimoy aus Versehen als »Leonard Nimsey« bezeichnet. Ein gefundenes Fressen für kleine Nadelstiche.

 

Es ist nicht endgültig zu klären, wie sich die beiden Streithähne letztlich zusammengerauft haben. Sei es die Version, dass Roddenberry Shatner eines schönen Tages überzeugen konnte, dass ein starker Co-Star auch für den eigenen Status gut sei, oder die Variante, dass man begann, Kirk und Spock als Team zu schreiben und so beide Positionen zu stärken. Fakt ist: Es gelang. Auf diese Weise erhielt man nicht nur mehr Ruhe am Set, sondern auch ein funktionierendes Duo, das mit Dr. McCoy sogar nach und nach zu einem Trio ausgebaut wurde. Ende gut, alles gut? Mitnichten. Wer ahnt bereits den nächsten Streitpunkt?

 

Richtig geraten! Mit der zunehmenden Fokussierung auf Kirk, Spock und McCoy drängten die Autoren die restlichen Figuren sukzessive in den Hintergrund. Für Nichelle Nichols war diese Erfahrung derart unerträglich, dass sie sogar zeitweise mit dem Gedanken spielte, ihre Rolle hinzuschmeißen. Dank eines Treffens mit Martin Luther King auf einer Party - eine der wohl am häufigsten erzählten Anekdoten aus der Geschichte von Star Trek - erkannte sie jedoch den Stellenwert ihrer Figur und blieb. Glücklich wurde sie mit der Einbeziehung von Uhura aber nie mehr. Dazu trug auch eine neue Erfindung der »großen Drei« bei, die 1967 Einzug in die Serienproduktion hielt: Der Probentisch. Angeblich soll William Shatner höchstselbst diesen Tisch eingeführt haben, um in den Drehpausen die Verteilung von Dialogsequenzen und die allgemeine Richtung der Figurenzeichnungen zu diskutieren. Dass hierbei natürlich primär Shatner, Nimoy und Kelly ihre Meinung kundtaten, versteht sich von selbst. So rannen den anderen Darstellern zunehmend ihre ohnehin raren Wortbeiträge durch die Finger, und mehr als nur ein Drehbuchautor oder Regisseur reagierte verstimmt auf die ständigen Diskussionen und Änderungen am Material durch die Schauspieler.

 

So stritt, kabbelte und diskutierte man sich also untereinander dem Ende der gemeinsamen Serie entgegen. Vielleicht war dies auch der Auslöser für einen gänzlich anderen Ansatz in den frühen 1970er-Jahren. Doch dazu kommen wir später.

 

Die Welt

Wettlauf zu den Sternen

 

In den Nachwehen des Zweiten Weltkrieges und der Zeit des Kalten Krieges hatten sich die USA längst wieder zu einer gesunden und florierenden Gesellschaft entwickelt. Wie auch in der Sowjetunion richtete man den eigenen Fokus zunehmend auf ein neues, großes Ziel: als erste Nation einen Menschen auf den Mond zu bringen. Es war John F. Kennedy, der im Mai 1961 öffentlich den Druck erhöhte und erklärte, noch vor Ende des Jahrzehnts das Ziel erreichen zu können. Es wurde ein Wettlauf, der bis heute seinesgleichen sucht.

 

War der Amerikaner John Glenn 1962 noch der erste Mensch gewesen, dem eine Mehrfachumrundung der Erde gelungen war, hatten die Russen 1966 bei der ersten weichen Landung einer Sonde (Luna 9) die Nase vorn. Das Jahr 1967 wurde dann durch Rückschläge geprägt: Erst verloren die USA drei Astronauten bei einem Brand während eines Bodentests, dann stürzte der russische Kosmonaut Komarow wegen eines defekten Fallschirms beim Wiedereintritt ab. Doch am 21. Juli 1969 war es soweit - mehr als eine halbe Milliarde Menschen weltweit saßen wie gebannt an den Fernsehschirmen, als Neil Armstrong seinen ikonischen Ausspruch tätigte und als erster Mensch den Erdtrabanten betrat, ironischerweise zu einem Zeitpunkt, als Star Trek nach nicht einmal drei Jahren bereits wieder abgesetzt worden war. Die letzte Episode lief gut einen Monat vor dem erfolgreichen Abschluss der Apollo-11-Mission.

 

Doch wussten die Menschen nun, was alles möglich war. Das Weltall war endgültig keine abstrakte Größe mehr; es war erreichbar geworden. Eine Serie, die sich mit der Erforschung dieser unendlichen Weiten befasste, wäre in diesem Moment sicherlich genau das Richtige gewesen. Dumm gelaufen? War Star Trek also seiner Zeit schlicht einige Jahre voraus gewesen? Der Erfolg der Wiederholungen in den Folgejahren schien genau diese These zu belegen.

 

The human race is a remarkable creature, one with great potential, and I hope that ‚Star Trek‘ has helped to show us what we can be if we believe in ourselves and our abilities.

― Gene Roddenberry

 

Was die Auflösung der Grenzen zwischen Geschlecht oder Herkunft anging, war die Serie in ihrer Darstellung ihrer Zeit ebenfalls weit voraus. So muss man die Einbeziehung der Charaktere Uhura, Sulu und Chekov als eindeutige Folge der politischen Entwicklungen in den USA rund um den Civil Rights Act von 1964 ansehen. Zwar war mit diesem rein rechtlich die Basis für eine durch Vielfalt geprägte Raumschiffcrew in ferner Zukunft bereits gelegt worden; dennoch war der Vorstoß im Rahmen einer Fernsehserie noch immer eine kleine Revolution. Roddenberry hatte sich schon früh auf diese Form der Präsentation festgelegt und dem Vernehmen nach wie ein Wolf darum gekämpft.

 

Nicht wenige Zuschauer fühlten sich aber durch den Japaner, den Russen oder gar die schwarze Frau auf der Brücke beleidigt oder reagierten zumindest mit Unverständnis. Die Besetzung der Rolle der Uhura mit der Afroamerikanerin Nichelle Nichols war zudem eine in doppeltem Sinne gewagte Entscheidung, nicht nur wegen des offensichtlichen Aspekts, eine Frau als Teil der Brückencrew zu etablieren, sondern natürlich auch aufgrund ihrer Herkunft. Einige Fernsehstationen im Süden der USA drohten gar, die Serie wegen ihrer Beteiligung nicht auszustrahlen. Bis heute zitieren nicht wenige Prominente Nicholls als Inspiration für Leben und Karriere. Whoopi Goldberg, die beliebte Schauspielerin der Guinan aus Star Trek: The Next Generation, erzählt (über den Einfluss von Star Trek) gerne eine Geschichte aus ihrer Kindheit, um zu verdeutlichen, welchen Einfluss Star Trek auf sie hatte. Als sie neun Jahre alt war und die Classic-Serie im Fernsehen ausgestrahlt wurde, lief sie sofort aufgeregt durch ihr Elternhaus und rief ihre Familie zusammen. Dass man dort eine farbige Frau sehen konnte, die keine Bedienstete war, sondern eine wichtige Funktion auf der Brücke eines Raumschiffs innehatte, zeigte der kleinen Whoopi, dass sie alles würde erreichen können, wenn sie es nur wollte. Dass sie später die Rolle der Guinan spielen durfte, ist eine wunderbare Wendung des Lebens.

 

Sicher kann man Gene Roddenberry unterstellen, mit seinen Entscheidungen auf bereits fahrende Züge aufgesprungen zu sein; dennoch halte ich sein Vorgehen für den visionären und mutigen Versuch, Blockaden in den Köpfen des Otto-Normal-Bürgers aufzubrechen oder zumindest brüchig werden zu lassen - und natürlich auch für den cleveren Ansatz eines kreativen Vordenkers, ein erfolgreiches, weil Aufsehen erregendes Produkt auf den Markt zu bringen. Denn so sehr Roddenberry Visionär war, so sehr war er auch Geschäftsmann. Eine Kombination, die sich weder ausschließt noch einen Widerspruch darstellt und sehr anschaulich und plausibel erneut auf das zurückgreift, was ihn auch nach eigener Aussage am meisten geprägt hat: seine Kindheit und sein Elternhaus.

 

Das Genre

Kampf der Nische

 

Das Science-Fiction-Genre fand in den 1950er- und 1960er-Jahren in Kino und TV durchaus statt - ihm war allerdings (bislang) kein allzu großer kommerzieller Erfolg beschieden. Filme wie Forbidden Planet (1954) oder die äußerst charmanten Serien Space Patrol (1950-1955) und Rocky Jones, Space Ranger (1954) taugten zwar definitiv als Inspirationsquellen für Gene Roddenberrys Ansatz, waren jedoch mit einer Produktion wie Star Trek nicht vergleichbar (gewesen). Einzig Lost in Space (1956-1958) ist nicht nur durch die Kinoumsetzung von 1998 auch heute noch ein Begriff.

 

Star Trek war der Versuch, eine ernsthafte und wissenschaftlich zumindest pseudo-fundierte Serie über die Erforschung des Alls landesweit und mit einer fast einstündigen Lauflänge auf den TV-Schirm zu bringen; abseits von anderen Vorreitern des Genres wie The Twilight Zone und den beliebten Kurzgeschichten und Comicheften dieser Zeit also durchaus ein Wagnis. Nebenbei bemerkt: Ebenfalls im Jahr 1966 lief in Deutschland die heute als Kult geltende Reihe Raumpatrouille Orion.

 

Die Serie

Ungeliebt und verschmäht

 

Captain‘s log, Stardate 1312.4. The impossible has happened. From directly ahead, we‘re picking up a recorded distress signal, the call letters of a vessel which has been missing for over two centuries. Did another Earth ship probe out of the galaxy as we intend to do? What happened to it out there? Is this some warning they‘ve left behind?

― James T. Kirk

 

Mit diesen Worten, gesprochen von William Shatner alias Captain James T. Kirk, begann am 8. September 1966 die Ausstrahlung von Star Trek in den USA. Ort der Handlung: Die U.S.S. Enterprise NCC 1701 - ein Raumschiff, unterwegs auf einer 5-Jahres-Mission im Weltall, mit dem Ziel, neue Zivilisationen und neues Leben zu entdecken und zu erforschen und dorthin zu gehen, wo noch nie ein Mensch zuvor gewesen war.

 

Anders als bei anderen SF-Serien und -Filmen dieser Zeit wurde der Fokus bei Star Trek weniger auf Weltraumkämpfe und böse Aliens gelegt als vielmehr auf inspirierende Unterhaltung, die einen Ausblick auf eine positive Zukunft der Menschheit geben sollte.

 

Das Triumvirat aus Kirk, Spock und McCoy zelebrierte Freundschaft und Herzlichkeit und zeigte einen tiefen Respekt für die gesamte Crew. Dies hatte zur Folge, dass jeder Zuschauer gerne Teil davon gewesen wäre. Konflikte zwischen den Hauptfiguren waren, einer Regel von Gene Roddenberry folgend, nicht erwünscht. Diese sollten - wenn nötig - nur von außen hineingetragen werden.

 

Zu diesen positiven Umgangsformen gesellten sich aber auch noch andere Aspekte. So waren die Episoden ein Spiegel ihrer Zeit und der gesellschaftlichen und politischen Sorgen und Probleme, mit denen wir Menschen auf unserer blauen Kugel zu kämpfen hatten (und haben). Star Trek bemühte sich seit jeher, Missstände anzusprechen, Auswege aufzuzeigen, Hoffnung zu spenden und die Zuschauer für ihre Umwelt zu sensibilisieren.

 

Stets waren die Figuren offen für Neues, interessiert an wissenschaftlichen Entdeckungen, fasziniert von den Möglichkeiten, die Reisen ins All mit sich brachten, begegneten neuem Leben und neuen Zivilisationen mit Respekt und setzten die erste Direktive der Sternenflotte so gut es ging um. Ausnahmen bestätigten die Regel - oft setzte sich vor allem bei Captain Kirk eine Cowboy-Mentalität durch, die zwar charmant war, allerdings besagte Erste Direktive konterkarierte.

 

Star Trek war in der Grundkonzeption immer eine Utopie. Man zeigte eine Erde, die Frieden gefunden hatte und existierte, um das Individuum und den Rest der Menschheit zu verbessern.

 

In diesem Mix findet sich die Ursuppe, aus der Star Trek zu dem Phänomen werden konnte, das es heute noch ist. Generationen von Menschen ließen sich von den vermittelten Werten und dem Entdeckergeist inspirieren und suchten sich ihren Lebensweg auf Trek-Art: Nur der Himmel ist die Grenze. Oder anders ausgedrückt: Ich kann alles erreichen, wenn ich es nur von ganzem Herzen möchte und etwas dafür tue.

 

Zum Stab der Serie gehörten außergewöhnlich talentierte Autoren wie D. C. Fontana, Harlan Ellison, Theodore Sturgeon, Gene L. Coon oder David Gerrold, die für einige der feinsten Momente der Serie sorgten.

 

Für eine lange Lebensdauer reichte das jedoch nicht: Die letzte Episode lief am 3. Juni 1969, also nur etwas mehr als zweieinhalb Jahre nach Ausstrahlung der ersten. Star Trek hatte für den Moment also keinen allzu großen Eindruck hinterlassen. Wer konnte schon ahnen, was daraus in den folgenden Jahrzehnten noch werden würde?

 

Was Star Trek auszeichnet – natürlich neben den gut ausgearbeiteten Charakteren – ist die Fähigkeit, Geschichten mit einer Botschaft zu erzählen, dabei aber dank des SF-Umfelds so gut wie immer ohne den mahnend erhobenen Zeigefinger auszukommen. Der Zuschauer wird auf diese Weise zum Nachdenken angeregt, ohne ihm dabei ein schlechtes Gewissen einzureden.

― Ralph Sander (Autor von »Das Star Trek Universum«)

 

Staffel 1 (1966/1967)

Die beste Staffel aller Zeiten?

 

Zunächst startete man aber voller Elan ins Abenteuer. Beachtung finden muss dabei natürlich die besondere Situation mit dem Pilotfilm. Ursprünglich hatte man bekanntermaßen The Cage als solchen gedreht, sich dann jedoch umentschieden. Where No Man Has Gone Before wäre der Nachfolger gewesen und hatte der Serie die Staffelbestellung eingebracht. Dennoch entschied der Sender, zunächst das simplere The Man Trap zu bringen. Eine vielleicht ganz richtige Entscheidung.

 

Die Episode war für die Serie ein guter Start. Die Figuren funktionierten in Sachen Humor und Chemie aus dem Stand heraus und retteten auf diese Weise über den generischen und redundanten Plot hinweg. NBC wählte somit aus den zur Verfügung stehenden Episoden einen zwar wenig anspruchsvollen, dafür allerdings durchaus unterhaltsamen Startpunkt, gespickt mit Abenteuer, guten Sprüchen und ausreichend Abwechslung. Trotzdem wäre die ursprünglich gewählte Episode gleichermaßen geeignet gewesen.

 

Denn Where No Man Has Gone Before ist nach heutigen Maßstäben vor allem eines: erstaunlich frisch und aktuell. Die Dramaturgie war flüssig, die Dialoge mehrheitlich gut, die Charakterzeichnungen überzeugend und die technischen Aspekte - gemessen an der Zeit der Entstehung - absolut überzeugend. Natürlich waren Einbußen bei der Tiefe der Ausarbeitung der aufgeworfenen Fragen vorhanden, einige Sequenzen wirkten redundant, einige wenige Dialoge und Schauspielerleistungen steif oder unbeholfen. Dennoch wäre Star Trek  hier ebenso mit einer heute noch sehenswerten, weil selbstbewussten und durchaus anregenden Episode ins Abenteuer gestartet.

 

Schaut man sich die Höhepunkte der Staffel an, nennen Fans immer wieder die gleichen Episoden. Und das völlig zu Recht! So findet man beispielsweise Balance of Terror auf fast jeder Liste. Diese Dreiviertelstunde war definitiv ein Highlight: Dank eines starken Feindes und einer mitunter herausragenden Atmosphäre entstand hier ein kammerspielartiges Duell zweier Kapitäne, die bereit waren, alles zu riskieren. In Sachen Star Trek eines der kohärentesten Drehbücher, eine der konsequentesten Dramaturgien und verdientermaßen eine der fünf besten Episoden der Serie.

 

Doch auch der mehr als originelle Abstecher in die Vergangen-heit der Erde gehört für mich dazu. Tomorrow is Yesterday begründete das Trek-Subgenre der Zeitreise-Episoden und spielte die später oft gehirnverdrehend komplizierte Thematik hier noch ausschließlich mit Witz und Ironie durch. Logiklöcher wurden kernig weggewischt und Gevatter Zufall hatte ständig seine Finger im Spiel. Nichtsdestotrotz ein großer Spaß und ein wichtiger sowie besonderer Moment der Trek-Historie, der auch heute noch Freude macht.

 

Der Auftritt des glorreichen Khan Noonien Singh ist ebenfalls immer wieder Gegenstand von Lobpreisungen – was ich zugegebenermaßen nicht wirklich nachvollziehen kann. Denn obwohl die Episode im Serienkontext originell und auf gewisse Weise reif daherkam, muss man den Ikonen-Status der Figur des Khan leider ehrlicherweise eher Ricardo Montalbáns Spiel beziehungsweise dem zweiten Kinofilm zuschreiben. Hier störte das Geplänkel mit der wenig professionellen McGivers sowie die Leichtfertigkeit, mit der man Khan erst willkommen hieß und später mitsamt seiner Crew zurückließ. Wenig Handlungstiefe führte aber auch zu wenig Angriffsmöglichkeiten: Space Seed war eine gemächlich-spannende, leidlich-anspruchsvolle Episode mit einem starken Gastdarsteller, dessen Background allerdings nur von Andeutungen lebte und viel zu wenig Ausarbeitung nach sich zog. Eine gute Dreiviertelstunde, die jedoch deutlich weniger brillant war, als man meinen könnte.

 

Dafür gab es dann aber am Ende der Staffel noch das große Über-Highlight, bei dem sich alle einig waren und sind. The City on the Edge of Forever war für die junge Serie ein Homerun, ein wunderbares SF-Konzept eingebettet in eine relevante, zeithistorisch interessante Geschichte, gespielt von starken Darstellern in glaubwürdigen Rollen. Die Serie war nie besser, nie dichter inszeniert, nie aussagekräftiger und nie emotional berührender. Für mich bis heute eindeutig die beste Episode der Classic-Serie und eine der besten Trek-Episoden überhaupt. Das war übrigens umso erstaunlicher, da es sich hierbei um eines der Drehbücher mit der kompliziertesten Entstehungsgeschichte der Serie handelte. Harlan Ellison hatte zunächst einen Entwurf eingereicht, der als unverfilmbar galt. Den Writers Guild of America Award gewann er dann auch ausgerechnet für das unverfilmte Originaldrehbuch - eine Ironie der Produktionsgeschichte, die Gene Roddenberry einmal süffisant kommentierte, in dem er sagte, dass es nicht schwer wäre, Preise zu gewinnen, wenn man vollkommen unverfilmbare Stoffe einreichen würden.

 

In den Bereich Guilty-Pleasure fallen für mich Episoden, die eigentlich keine herausragende Qualität besitzen, allerdings den Charme der Serie ausmachen. Hierzu gehören The Conscience of the King, The Return of the Archons, This Side of Paradise und Operation: Annihilate!.

 

Wirkliche Aussetzer gab es für mich in dieser ersten Staffel nicht – ein Umstand, der in Star Trek durchaus Seltenheit besitzt. Einzig für Arena konnte ich mich nie erwärmen, weiß jedoch, dass viele Fans in diesem Fall anderer Meinung sind.

 

In der Summe war die erste Staffel der Serie eine vorzügliche Ansammlung starker Episoden, die all jene Werte begründete, auf denen Star Trek zu einer so wunderbaren Angelegenheit wurde und die bis heute das Fundament des Franchises bilden.

 

Nicht verschwiegen werden darf aber, dass Gene Roddenberrys Baby zunächst gar kein großer Quotenhit war, wenn man ehrlich ist. Die erste Episode The Man Trap wurde am 8. September 1966 in den USA ausgestrahlt - die Kritiken waren allerdings gelinde gesagt verhalten, die Einschaltquoten kaum mehr als gutes Mittelmaß. Nach damaliger Zuschauerzahlenberechnung kam die komplette erste Staffel nur auf durchschnittliche Werte. Dennoch wollte NBC die Serie nach dem ersten Jahr vermutlich nicht direkt absetzen - die Wahrheit ist jedoch, dass in dieser Angelegenheit verschiedene Versionen existieren. Vorerst ging es aber weiter mit den Abenteuern der Crew um Captain Kirk. Man hatte sich rein inhaltlich und qualitativ in jedem Fall eine ideale Basis für die Fortführung geschaffen.

 

One day soon, man is going to be able to harness incredible energies, maybe even the atom … energies that could ultimately hurl us to other worlds in … in some sort of spaceship. And the men that reach out into space will be able to find ways to feed the hungry millions of the world and the cure their diseases. They will be able to find a way give each other hope and a common future. And those are the days worth living for.

― Edith Keeler (The City on the Edge of Forever)

 

Staffel 2 (1967/1968)

Die Probleme sickern durch

 

Die zweite Staffel hatte wieder viele wunderbare Momente zu bieten, die auf Drehbüchern von verlässlichen Autoren wie D. C. Fontana, David Gerrold, Gene L. Coon und Roddenberry persönlich basierten.

 

In Amok Time kam mit Walter Koenig als Pavel Chekov zudem ein neues Besatzungsmitglied an Bord und wurde schnell zum Fanliebling. Es heißt, die neue Figur sei deshalb Russen gemacht worden, weil er die Diversität erhöhen sollte. Dabei handelte es sich jedoch um PR-Blödsinn, denn ging es vielmehr um die Perücke, die er tragen sollte, damit er dem Sänger einer damals (und bis heute) recht bekannten Boyband ähnlich sehen und so jüngeres Publikum ansprechen sollte.

 

In Amok Time bekam man aber nicht nur Chekovs Haarpracht zu sehen, sondern auch erstmals Vulkan, die Heimatwelt von Spock. Später lernte man in Journey to Babel sogar noch dessen Eltern Sarek und Amanda Grayson kennen.

Mirror, Mirror ist bis heute ein unangefochtener Fanliebling – ob es an der Andersartigkeit der Charaktere liegt, die ihre bekannt-beliebten Rollen gegen den Strich bürsteten oder am Humor, den diese Situation erzeugte, ist letztlich allerdings absolut zweitrangig. Der erste Ausflug in das Paralleluniversum war sicher serienübergreifend nicht der beste, macht jedoch auch heute noch Spaß, und das ist schließlich die Hauptsache!

 

Spaß machte außerdem der erste Auftritt von Harry Mudd in der Episode I, Mudd