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E-book 055

© Saphir im Stahl

Titelbild: Foto (Archiv Andromeda)

eISBN: 978-3-96286-018-9

Das Wappen dient als Bildzitat und ist kein hoheitsrechtlicher Verstoß.

Vorwort

Liebe Leser,

das vorliegende Buch Aschaffenburger Klosterbilder ist der Nachdruck eines Buches aus dem Jahr 1908. Pater Sigismund Lorenz aus Aschaffenburg schrieb die Geschichte des Kapuzinerklosters auf und veröffentlichte sie mit Hilfe von Dr. Werbun (vormals Schippner’sche Druckerei. Der Erlös der Bücher sollte einem erneuten Aufbau des Kapuzinerklosters zukommen.

Um die Zukunft zu gestalten, muss man die Vergangenheit kennen. So heisst es oft, doch ist selten jemand bereit, die Geschichte aus Sicht der Vergangenheit zu sehen. Wie sah man die Geschichte damals. Aus heutiger Sicht ist vieles „verklärt“.

Mit diesem Buch, wie auch vielen anderen der Reihe „Historisches Deutschland“, will der Herausgeber die Geschichte wieder lebendig werden lassen. In vielen Büchern, so wie diesem, finden sich Bilder. Den alten Bildern wurden neue Fotos gegenübergestellt. Auf diese Weise ist es möglich die Örtlichkeiten neu zu erfahren.

An dieser Stelle ein Danke an Susanne Giesecke, Jörg Ritter und Martin Stricker für einen gelungenen Fototermin in Aschaffenburg.

Herausgeber
Erik Schreiber

Aschaffenburger
Klosterbilder

aus der Geschichte der Kapuziner

zu Aschaffenburg 1620 - 1908

Dem Volke erzählt von
P. Sigismund Lorenz
aus Aschaffenburg

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Inhaltsangabe

I. Die Stadt am Mainstrande

II. Die Kapuziner

III. Bei Sankt Michael

IV. Auf den Schutz

V. Der Retter der Stadt

VI. Die Stiftskanzel

VII. Der terminierende Bruder

VIII. Kurfürst und Kapuziner

IX. Stille Tugend

X. Altarblumen

XI. Allerlei Gäste

XII. Freud und Leid

XIII. Die höchste Not

XIV. Neues Leben

XV. Provinzial und Feldpater

XVI. Eine neue Kapuzinerkirche

Textbemerkungen

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Kapuzinerkloster-Kirche St. Elisabeth in Aschaffenburg.

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I.
Die Stadt am Mainstrande.

Lieblich liegt Aschaffenburg da auf sanfter Höhe am schönen Mainstrande, im Halbkreise von den waldgeschmückten Hügeln der letzten Ausläufer des Spessart umgeben, während nach Westen die grosse Mainebene den Blick in die Ferne schweifen lässt. Mag der Wanderer von welcher Seite nur immer der Stadt sich nähern, so ist es vor allem ein Gebäude, das unwiderstehlich das Auge des Wanderers fesselt, es ist die gewaltige, vieltürmige, ehemalige Residenz der Kurfürsten von Mainz. Dieser Prachtbau ist der Mittelpunkt, um den Stadt und Land, Hügel und Ebene, Wald und Fluss, die herrliche, abwechslungsvolle, einzig schöne Umrahmung bilden. Derjenige, welcher der Landschaft diesen schmucken Mittelpunkt gegeben, er ist und bleibt einer der grössten Wohltäter Aschaffenburgs, sein Name sollte nie vergessen werden, es ist Johannes Schweickhardt (Suicardus) von Cronberg, der in den Jahren 1604 - 1626 in den Mainzer Landen Bischofstab und Fürstenschwert samt Kurhut trug.

Seitdem Aschaffenburg unter Erzbischof Willegis (077 - 1011) an Mainz gekommen war, wurde die Stadt von den Mainzer Erzbischöfen gehegt und gepflegt als ein kostbares Kleinod ihrer Lande. Gern und oft hielten die Mainzer Kurfürsten hier Hof und erhoben sie mit Ausgang des Mittelalters zu ihrer Winterresidenz. 1) Aber in den Wirren und Kämpfen des 16. Jahrhunderts verlor die Stadt ihren Glanz, ihren Reichtum, ihr Ansehen. Zwar blieb Aschaffenburg in den Religionswirren der Reformation dem katholischen Glauben treu, indem die Stiftsgeistlichkeit an der neuen Lehre keinen Anteil nahm. Der Erzbischof von Mainz stellte ihr, dankbar hierüber, ein glänzendes Zeugnis aus. 2) Aber furchtbar musste die Stadt im schmalkaldischen Kriege leiden. Im Dezember des Jahres 1546 wurde die Stadt zum Teile abgebrannt. Damals wurde auch die vor einigen Jahren erbaute Kirche zum hl. Grabe und das nebenan befindliche Beguinenklösterlein zerstört. Die Nonnen erfuhren von dem „viehischen, schmalkaldischen Volke“ arge Misshandlungen. Brennend, sengend, mordend zog im Jahre 1552 Markgraf Albrecht von Brandenburg den Main abwärts nach Aschaffenburg.

Der Feind lagerte im Leiderer Feld und verlangte 100.000 Gulden Brandgeld. Als die Gelder nicht schnell genug eingingen, zündete man das Schloss, die Häuser der Adeligen und Geistlichen beim Abzuge an und nahm Geiseln mit. 3) Furchtbar litt das arme Bauernvolk, viele Dörfer und Einzelhöfe verschwanden und es blieb nur noch der Name davon übrig. Aschaffenburg war verödet, ganze Strassen lagen in Trümmern. Im Jahre 1566 sah Graf von Zimmern die Ruinen. Er schreibt in seiner Chronik über den Brandenburger folgendes: „Zu Aschaffenburg hat er die herrliche alte Reichskanzlei verbrannt, die nimmer mag widerum restaurirt werden und schad, dass der Ursache halb ihme sein schändliches Haupt nit ist mit einem Britt abgestossen worden.“ Infolge dieser schlimmen Zeitverhältnisse nahm die Verwilderung der Sitten zu, die Vernachlässigung des Gottesdienstes wuchs, der Mangel an eifrigen, frommen Seelenhirten wurde immer grösser. Wohl hatte zur Hebung des religiösen Lebens Kurfürst Sebastian von Heusenstamm (1545 - 1555) im Jahre 1549 eine Reihe heilsamer Verordnungen erlassen. Allein traurig klagt er, die unruhigen, mit Krieg und Aufruhr erfüllten Zeiten verhinderten alle guten Verordnungen und das Jahrhundert sei derart, dass es die Menge der Laster kaum mehr ertragen könne, dass es aber auch keine Heilmittel annehmen wolle. Wenn Gott nicht helfe, wurde die Kirche im Mainzer Lande dem Untergange entgegengehen. 4) In dieser traurigen Zeit vergassen die Kurfürsten die Stadt Aschaffenburg nicht. Kurfürst Daniel von Homburg (1555 - 1582) kaufte einige Häuser in der Webergasse und baute sich dort eine bescheidene Residenz, während das alte Schloss in Ruinen blieb. Auch sein Nachfolger Wolfgang von Dalberg (1582 - 1601) weilte in Aschaffenburg und liess mehrere Neubauten aufführen. Aber der eigentliche Retter und Helfer der Stadt wurde der Kurfürst Johannes Schweickhardt. Auf den Ruinen des alten Schlosses liess er in den Jahren 1604 - 1614 von Meister Georg Riedinger das jetzige prachtvolle Schloss, das er nach seinem Namen Johannesburg nannte, aufführen. In einem neueren Werke wird über diesen Bau geschrieben: „Die Terassenanlage des Aschaffenburger Schlosses ist eines der mächtigsten und wirkungsvollsten Werke seiner Zeit, dem sich in Deutschland kein ähnliches an die Seite stellen kann. Die Anlage des Schlosses besticht durch die Schönheit ihrer Lage sowie durch ihre Massenwirkung und gewährt in dem bunten Mainsandstein der Landschaft ein ebenso imposantes als anziehendes Architekturbild“. Freilich bedauerte der Kurfürst noch in seinem Testamente, dass er einen solch' grossartigen Schlossbau aufführte und damit seine Untertanen beschwerte. Allein bei seiner Wahl wurde er zum Bau eines Residenzschlosses in Aschaffenburg verpflichtet. 5) Während eines Teiles des Jahres hielt der Kurfürst seinen Hof in Aschaffenburg, jetzt kam wieder Leben in die Stadt. In den „Aschaffenburger Geschichtsblättern lesen wir: „Das ganze buntbewegte Treiben, wie es naturgemäss mit der Person des vornehmsten Fürsten des alten Reiches sich verknüpfen musste, konzentrierte sich in der Stadt. Die Stadt war Sitz des Reichskanzlers (der jemalige Kurfürst war Kanzler des Reiches) und mehr denn in unserer Zeit musste jeder, der bei Kaiser und Reich etwas durchsetzen wollte, sich der Zustimmung des obersten Reichsbeamten versichern. So herrschte denn viel Leben in Aschaffenburgs Mauern; ein stetes Kommen und Gehen von Gesandtschaften in- und ausländischer Fürsten bot tagtäglich ein Bild von wechselndem Reize. 6) So hob Johannes Schweickhardt die Stadt in politischer Beziehung, er hob sie aber auch nach der sozialen und religösen Seite hin. Im Löhrgraben liess er durch Riedinger, wie gewöhnlich angenommen wird, in dem Jahre 1607 ein neues Spital bauen. Schon im Jahre 1612 berief er die Jesuiten zur Aushülfe in der Seelsorge nach Aschaffenburg, baute ihnen 1619 die heute noch bestehende Kirche und ein Kollegium und übertrug ihnen den höheren Unterricht „damit sie die ahngehente zarte Jugent allhier undt umbgelegenen Städten, Flecken undt Dorfschaften in Dreyen Scholis Grammaticis unterweisen möchten“. 7) Jetzt berief der Kurfürst noch einen anderen Orden in die Stadt, die Kapuziner, damit sie in der Seelsorge aushelfen sollten, während die Jesuiten sich vollständig der Erziehung der Jugend weihen konnten. So gab der Kurfürst der Stadt am Mainstrande ihren Glanz und ihr Ansehen wieder durch den Bau der majestätischen Johannesburg; er machte sie zum Mittelpunkte der höheren Bildung im Obererzstifte durch Gründung eines Gymnasiums; er schuf in ihr eine neue Stätte der Barmherzigkeit für Kranke und Presthafte durch den Neubau des Elisabethenspitals; er gab ihr auch eine neue Stätte der Andacht durch die Berufung der Kapuziner.

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Ansicht der Stadt Aschaffenburg.

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Welches Leben war jetzt in der Stadt am Mainstrande! Der Hof mit den vielen Beamten gab den Bürgern reichen Verdienst. Das Geschäftsleben blüthe auf. Vornehme Geschlechter alten Adels wie die Ingelheim und Ostein, die Dalberg und Erthal, die Fechenbach und Wambold, die Bassenheim und Gemmingen, die Echter und Schönborn liessen sich in der Stadt nieder und bauten sich kleinere oder grössere Palais. Da war auf den Strassen ein buntbewegtes Leben. Der Kurfürst fuhr einher in stolzer Carosse, die von vier Pferden gezogen wurde, die Adeligen begleiteten ihn hoch zu Ross in reicher, malerischer Tracht. In reichem Schmucke kamen die Bürger mit Ihren Frauen und Töchtern. Frohe Studenten durchzogen die Stadt Öfters im Tage, wenn vom hohen Stiftsturme die Glocken riefen, gingen die Stiftsherren in ihren wallenden Mänteln zum Chorgebete in die Stiftskirche. Einige Jesuiten im schwarzen Talar und breitkrämpigem Hute stehen gerade am Auslagefenster des Buchdruckers Balthasar Lippen und bewundern das herrliche Titelblatt eines Foliobandes „Postilla d. i. Auslegung der Evangelien von Johann Hesselbach. Gedruckt in Aschaffenburgk 1622 bei Balthasar Lippen“. Und wer sind jene dort, die wir sehen, Männer, barfuss, in braunem Habit mit langer Kapuze und wallendem Barte? Es sind Kapuziner.

II.

Die Kapuziner.

Cappuccini, Cappuccini, so riefen die Kinder in dem italienischen Städtchen Camerino, als sie zum erstemale Ordensmänner mit Bart und langer, spitzer Kapuze durch die Strassen ziehen sahen. Seitdem ist der Name jenen Ordensmännern geblieben. Kapuziner, Kapuziner, so mögen auch die Aschaffenburger Kinder gerufen haben, wie sie es heute noch tun wenn sie einen Kapuziner sehen, als im Jahre 1620 P. Marian mit einigen Brüdern nach Aschaffenburg kam. Was ist denn ein Kapuziner? Woher stammen sie?

Es war im Jahr 1525, als aus dem Stamme des Franziskusordens ein neuer Ast hervorsprosste und bald zu grosser Blüte heranwuchs. Papst Clemens VII. bestätigte den neuen Ordenszweig, und die Kinder von Camerino, wo das erste Klösterlein stand, gaben ihm den Namen. Schnell breitete sich der neue Orden aus. Mit Beginn des siebenzehnten Jahrhunderts kamen die Kapuziner auch nach Deutschland. Im Jahre 1600 wurden vom Bayernherzog und nachmaligen Kurfürsten Maximilian die ersten Kapuziner nach München berufen. Dieser Orden breitete sich mit einer geradezu staunenswerten Schnelligkeit in Deutschland aus. Bald entstanden Provinzen in der Schweiz, in Tyrol, in Steiermark, in Vorder- und Niederösterreich, in Böhmen, in Franken, in Bayern, in dem Rheinlande. In jenen trüben und schweren Zeiten, wo Sittenlosigkeit und Irrglaube mächtig um sich griffen, waren die Kapuziner im Verein mit den Jesuiten ein gewaltiger Schutz der deutschen Katholiken, ein wahrer Gottessegen. „Waren es die Jesuiten , welche in jenen, den Glauben so gefährdenden Zeiten durch die Macht ihres Geistes und durch ihre Beredsamkeit die höheren Stände an der Mutterkirche festhielten, so übten die Kapuziner durch die Einfachheit ihres Lebens, durch ihre Armut, durch ihre heilige Strenge, durch ihre ganz dem niederen Volke angepasste Wirksamkeit einen weitgehenden Einfluss auf die niederen Stände aus.“ 9) Wir brauchen uns also nicht zu verwundern, wenn der Erzbischof von Mainz, Johannes Schweickhardt, sich bemühte, die Kapuziner für seine Länder zu gewinnen. Er erkannte in diesen einfachen, seeleneifrigen, demütigen Männern die rechten Hilfstruppen, um dem katholischen Volke in den Kämpfen und Wirren jener Zeit das hohe Gut des katholischen Glaubens zu bewahren. Schon im Jahre 1608 stellte er an P. Hieronymus von Castello Feretto, den Generalvicar des Kapuzinerordens, die Bitte, ihm Kapuziner nach Mainz zu senden. Aber es traten solche Hindernisse und Schwierigkeiten ein, dass erst im Jahre 1618 ein Kapuzinerkloster in Mainz konnte gegründet werden. Endlich gelang es dem Kurfürsten im Jahre 1620, auch in seiner geliebten Stadt Aschaffenburg, seiner zweiten Residenzstadt, wie die Hauschronik des Aschaffenburger Klosters schreibt, den bärtigen Söhnen des hl. Franziscus eine Niederlassung zu schaffen. Seit dem Jahre 1620 wohnen und wirken die Kapuziner ununterbrochen in Aschaffenburg. Die Kapuziner sind mit der Stadt ganz verwachsen. Die Geschichte des Kapuzinerklosters in Aschaffenburg ist ein Stück der Geschichte dieser Stadt. Wer kann aussprechen, wieviel Gnade, Segen und Trost im Laufe dieser langen Zeit vom Kapuzinerkloster in so manches Aschaffenburger Herz und so manches Aschaffenburger Haus und weithinaus in die ganze Umgebung der Stadt ausgeströmt ist? Das weiss der liebe Gott allein. Aschaffenburg ehrt und liebt seine Kapuziner. Der beste Beweis hiefür ist der, dass im Laufe dieser Zeit bis auf heute hundertsiebzehn geborene Aschaffenburger bei den Kapuzinern eingetreten sind. Unter diesen finden sich vierundachtzig Patres aus den angesehensten Familien der Stadt. Der verstorbene Prälat Hettinger, selber ein Kind der Stadt Aschaffenburg, hat wohl die idealste und schönste Form gefunden, um die Liebe und Verehrung Aschaffenburgs für den heiligen Franziscus und seine Söhne auszusprechen, wenn er schreibt: „Der Name des hl. Franziscus war einer der ersten Klänge, die mein aufdämmerndes Bewusstsein vernahm und die silberklare Stimme des Klosterglöckchens, das am stillen, lauen Vorabende des Portiunculafestes zur Mette rief, die Scharen der heranwallenden Andächtigen, die mit frischen, kräftig duftenden Kränzen umwundenen Altäre, sowie die ernste Gestalt des Guardians der Kapuziner in meiner Heimat, P. Karl Prechtel, mit seinem schneeweissen Barte und den klugen Augen, tauchte wie ein liebliches Bild aus längst vergangenen Tagen mir in der Erinnerung auf. Der Zauber von Poesie, der über den Gestalten des hl. Franziscus und seiner Jünger liegt, das Ehrwürdige ihrer uralten Stiftung, der Friede, den wir athmen, wenn wir durch diese stillen Klostergänge wandeln, das Natürliche, heiter Offene, Anspruchslose, Menschenfreundliche ihres Umganges und das unter rauhem Habit oft so kindliche Herz ist es vor allem, was das katholische Volk zu ihnen hinzieht. Manzoni hat in seinem „fra Cristoforo“ dieses Walten und Wirken der Franziskaner und Kapuziner mit unübertroffener Naturwahrheit gezeichnet; er ist uns der Typus für viele, die heute noch in Liebe zu Gott und den Menschen, in den Mantel der Demut gehüllt und den Augen der grossen Welt unbeachtet, helfend und tröstend durch das Leben gehen. Das sind sie, das sollen sie sein, die Söhne des hl. Franziscus mit ihrem Bart und ihrer Kapuze, die Kapuziner.

III.

Bei Sankt Michael.

Es war Anno 1620 im schönen Monat Mai, als die ersten Kapuziner in die Stadt am Mainstrande kamen. Wie schön ist doch Aschaffenburg im Wonnemonat, wenn der Himmel sein azurblaues Gewölbe ausspannt. Aber die herrliche Gegend in ihrem duftenden, in bunten Farben schimmernden, blühenden Frühjahrgewande! In ihren schönsten Schmuck war die Stadt gekleidet, als die Kapuziner kamen, um in ihren alten Mauern ein erstes Plätzchen zum Wohnen und Wirken sich zu suchen. Und wo sollten sie dieses Plätzchen finden? Bei Sankt Michael. Mit schlichten Worten erzählt die Kapuzinerchronik den ganzen Hergang also: „Als Johannes Suicardus aus dem berühmten Geschlechte derer von Cronenberg, damaliger Erzbischof und Kurfürst von Mainz, den Verfall des Glaubens und die Gottlosigkeit der Erneuerer sah, fasste er den Entschluss die P. P. Kapuziner, die sich ihm durch ihren frommen Wandel und ihre Kanzelberedsamkeit empfohlen hatten, nach Aschaffenburg zu rufen. Demzufolge erliess er am 5. Mai 1620 ein Schreiben, worin ihnen die Aufnahme in seine Sommerresidenz zugesagt und bestätigt wurde. Man nahm diese oberhirtliche Sorgfalt mit allgemeiner Freude auf. Der Säcularclerus wurde dadurch aufs angenehmste überrascht und fühlte sich zur Dankbarkeit bewogen. Daher geschah es, dass der wohledle und hochwürdige Herr Johannes Bertz, damaliger Scholasticus an der Aschaffenburger Collegiastiftskirche, sein väterliches Haus, das an den Gottesacker der Pfarrkirche zu unserer lieben Frau und an die ebendort gelegene Kapelle des hl. Michael angrenzte, aus Liebe Christi und purer Freigebigkeit auf ewige Zeiten und unwiderruflich den Kapuzinern schenkte. Auch Sr. Eminenz der Kurfürst zeigte seine wohltätige Gesinnung, indem er vermöge seiner erzbischöflichen Machtvollkommenheit ihnen obgemeldete Kapelle übergab und sie zu ihrem Gottesdienste und ihren frommen Übungen bestimmte“. So die Chronik. Der Stiftungsbrief des Klosters, datiert vom 5. Mai 1620, säuberlich und deutlich auf Pergament geschrieben und mit dem grossen Siegel des Kurfürsten behangen, wird als kostbares Andenken an die Gründungsgeschichte des Aschaffenburger Kapuzinerklosters im dortigen Archive noch aufbewahrt. Der Kurfürst überreichte diesen Brief dem P. Michael von Innsbruck, der zum Zwecke der Gründung des Klosters vom Generalcommissar des Ordens, P. Cyprian von Antwerpen, von Bonn nach Aschaffenburg war gesandt worden. Das geschah in der kurfürstlichen Residenz. Auf dem Kapitel zu Köln am 11. Sept. 1620 wurde alsdann P. Marian von Würzburg als erster Superior des neuen Klosters aufgestellt. So war denn das Kapuzinerkloster in Aschaffenburg glücklich gegründet. Und merkwürdig! Der Gründer des Klosters hiess Michael und die Kapelle des Klosters war ein altes, dem hl. Erzengel Michael geweihtes Kirchlein. S. Franziskus war ein grosser Verehrer des heiligen Erzengels Michael und unter S. Michaels Schutz haben seine Söhne, die Kapuziner, ihre erste Niederlassung in Aschaffenburg gefunden. So waren jetzt die Kapuziner bei „S. Michael“ in Aschaffenburg. Uralt war dieses kleine Michaelskirchlein, das an jener Stelle stand, wo jetzt das Presbyterium der Muttergottespfarrkirche steht. Es wird schon in einer Urkunde des Jahres 1278 erwähnt 10) Freilich klein war das Kirchlein, klein das Klösterlein - ein kleines Samenkörnlein. Aber das kleine Senftkörnlein bei „Sankt Michael“ ist herangewachsen zu einem mächtigen, Frucht und Segen spendenden Baume, an dem seit Jahrhunderten, Tausende und Abertausende kostbare Seelenfrüchte gepflückt haben. Wo sind die mächtigen Mainzer Kurfürsten, die einst in Aschaffenburg Hof gehalten? Wo sind die Stiftsherren von S. Peter und Alexander mit all' ihren Gütern und Reichtümern? Wo sind die Jesuiten Aschaffenburgs mit all' ihrer Gelehrsamkeit? Vertrieben, verschwunden, vergessen sind sie alle. Wer redet noch von ihnen? Wer denkt noch an sie? Wieviel Aschaffenburger wissen noch etwas von ihnen? Aber immer noch blüht und bringt Frucht zum Heil und Segen der Stadt und Umgebung die kleine Pflanzung des heiligen Franziscus, die in Aschaffenburg ihren Anfang genommen am 5. Mai 1620 bei „Sankt Michael“.

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Kurfürst Johannes Schweickhardt.

IV.

Auf den Schutz.