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Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2017 Verlag Anton Pustet
5020 Salzburg, Bergstraße 12
Sämtliche Rechte vorbehalten.

Lektorat: Renate Emminger
Layout, Grafik und Produktion: Nadine Kaschnig-Löbel

Auch als Hardcover erhältlich: ISBN 978-3-7025-0875-3
eISBN 978-3-7025-8049-0

www.pustet.at

Reinhard Kriechbaum

Borstenvieh
und
Donauwalzer

Geschichten und
Bräuche rund um
den Jahreswechsel

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INHALT

VORWORT

GLÜCK OHNE ENDE

Glücks-Fänger oder versteckte Teufelshörner?

Sieben Punkte müssen es sein

Evas kleine Erinnerung ans Paradies

Borstenvieh und Schweinespeck

Wer fürchtet sich vorm Schwarzen Mann?

Fliegenvernichter oder Psycho-Droge?

Wer den Cent nicht ehrt …

KALENDERGESCHICHTEN UND EIN WENIG ZEIT-GESCHICHTE

Der heilige Silvester

Schalten und walten

Musste es überhaupt der 1. Jänner sein?

ISO 8601 ist das Maß aller Dinge

Ein Blick in den Mandlkalender

DER ABSCHIED VOM ALTEN JAHR

Prangerschützen

Sternschießen rund um Salzburg

Nicht nur Schall, auch Rauch bitte!

Mehr Licht!

Vom Rummelpottlaufen, Hulken und Kenknern

Besuch vom Altjahrsesu

Sebastiani-Brunnensingen

Sylveschter Trösche

Die Schuppel der Chlausen

Die Trychler: Trommeln und Schellen

Achetringele

Einsatz der Wurstekommission

Neujahrsbock, Pelzböcke und Strohbären

Der große Sterngang

Im Guinness-Buch der Rekorde

Zwischen den heiligen Bergfeuern

SCHLAG MITTERNACHT

Pummerin und Dicker Pitter

Die Sektkorken knallen lassen

Vom Zuprosten, Anstoßen und Auf-Holz-Klopfen

Der Urknall

Höchste Zeit fürs Bleigießen!

Wo die Schuhspitze hinschaut

Das Wettrennen ums Neujahrsbaby

BLOSS KEINEN KATER ZU NEUJAHR!

„Wiener, seid froh / Oho, wieso?“

Neujahrsgeigen

Neujahrsanblasen

Junge Schreihälse

Neujahrsbesuch vom Bären

Neujahrsbopp, Stutzweck, Neujahrsstriezel

Silvesterkarpfen oder Schweinskopf?

Pfeffern oder Fitzeln

Trinken wir ein „Joarschdröpken“!

Vom Aperschnalzen „drent“ und „herent“

Paschen um die Neujahrsringe

DIE NACHHUT

Die Sache mit den Neujahrsgeschenken

Allerlei über Perchten

Von Schnabelperchten bis zu den Raunachtlern

Sie sind die Schönsten weit und breit

Die Reverenz der Tafelperchten

Winter und Sommer liegen im Clinch

Die Glöcklerläufe

Könige als Heerscharen

Bärzeli und Harder-Potschete

Den Bock zum Glückstier machen

Chalandamarz

Woklapnica

Silvesterlauf statt Neujahrssprung

Wir haben Silvester hinter uns

Nachbemerkung

VORWORT

The same procedure as every year? Ja, jedes Jahr das Gleiche, gerade zum Jahreswechsel. Aber die meisten Leute wollen Silvester natürlich nicht als „Dinner for One“ begehen. Aus dem Film stammt das Zitat.

Die Wiederholung ist das Wesen aller Bräuche. So wünschen wir immer wieder aufs Neue „einen guten Rutsch“. Damit soll niemand aufs Glatteis geschickt werden! Auf solches begeben wir uns nämlich sprachgeschichtlich mit diesem Glückwunsch. Die Formulierung kommt aus dem Jiddischen: „Rosch ha-Schana“ heißt das jüdische Neujahrsfest. „Rosch“ (das Haupt, in übertragenem Sinn der Anfang) wurde verballhornt zum „Rutsch“. Ein guter Jahresanfang also.

Für den nicht minder verbreiteten Wunsch „Prosit Neujahr“ nehmen wir bei den alten Römern eine Anleihe. „Pro sit“, es möge gut sein, es soll gedeihen, sagen wir in der Sprache des Gaius Iulius Caesar. Dabei sind wir uns gar nicht so bewusst, dass er es war, der den Jahresanfang am 1. Jänner als erster „amtlich“ verordnet hat. Er hat damals den Kalender mit der Einführung von regelmäßigen Schaltjahren in Ordnung gebracht. So einigermaßen jedenfalls.

Gibt es zu Silvester und Neujahr denn mehr Bräuche als Bleigießen und Raketenschießen? Wir müssen zugeben, dass wir selbst überrascht waren von der Vielzahl unterschiedlicher Rituale und Gepflogenheiten, Umzüge und Maskeraden, auf die wir bei der Arbeit an diesem Buch gestoßen sind. Und es gäbe noch viel, viel mehr! Altes, wie es seit Generationen eingebürgert ist, und Neues, das der gegenwärtigen urbanen Betriebsamkeit entspricht: ein bunter Mix, ein Bild unserer Zeit.

Reinhard Kriechbaum

GLÜCK OHNE ENDE

Das Glück is a Vogerl,

gar liab, aber scheu,

es lasst si schwer fangen,

aber fortg’flogn is glei.

Karl Kratzl (1852–1904) ist der Komponist dieses populären Wienerlieds. Das Glück ist also ein Vogerl – und wenn wir auf unsere Silvesterbräuche schauen, dann sind seine Freunde Kleeblatt und Fliegenpilz, Glückspfennig und Hufeisen, Marienkäfer und Schwein. Und nicht zu vergessen auf den Rauchfangkehrer. Wollen wir auf Holz klopfen, dass mit all ihrer Hilfe auch im neuen Jahr alles gut geht!

Zu Silvester und Neujahr hilft man da schon gerne nach: Die Wirtschaftskammer Österreich kann mit Zahlen aufwarten: Zwischen 10 und 25 Euro gebe der Österreicher für die kleinen Glücksbringer aus. Das Verschenken von Glücksbringern sei speziell in Österreich der Brauch und in anderen Ländern gar nicht so verbreitet, heißt es bei der Wirtschaftskammer.

In den letzten zehn, fünfzehn Jahren hat sich jedenfalls ein eigener Geschäftszweig entwickelt. Das Marktfahrergewerbe – nicht weniger als 4 700 Unternehmerinnen und Unternehmer! – steht im ganzen Land „Gewehr bei Fuß“. Ob zuerst das Angebot oder die Nachfrage da war, kann man schwer ausmachen. Nicht nur in Großstädten trifft man an den Tagen vor Silvester auf Dutzende Verkaufsstände.

Essbar können die Glücksbringer sein – mit Vorliebe sind sie aus Marzipan und Schokolade – aber auch Kunsthandwerk aus Keramik, Holz oder Glas wird angeboten. An Dutzendware und Plastik-Kitsch, auch an Plüschtieren fehlt es nicht an den Ständen. Allein in Österreich werden über zehn Millionen solcher Klein-Glücksbringer verkauft. Dass dafür mehr Geld ausgegeben wird als für Knallkörper und Raketen, verblüfft.

Glücks-Fänger oder versteckte Teufelshörner?

Wie man ein Hufeisen richtig aufhängt und warum es wirklich echt sein sollte

Haben Sie schon einmal im Morgengrauen zu Neujahr einen Hirsch röhren hören? Das galt unseren ländlichen Vorfahren als Glückszeichen fürs kommende Jahr. Die Chancen für Stadtbewohner stehen gar nicht gut – sie müssen sich wohl nach anderen, leichter erreichbaren Glücksbringern umsehen.

Ein Hufeisen vielleicht? Auch das hat meist einen Pferdefuß, es sei denn, das eiserne Ding ist von einem solchen heruntergefallen: Ein Glück spendendes Hufeisen darf keinesfalls gekauft werden, es will gefunden sein. Auch nicht sehr aussichtsreich auf Asphaltstraßen.

Wieso wurde das Hufeisen überhaupt zur Allzweckwaffe gegen Dinge, die uns Verdruss bereiten? Darüber streiten, wie so oft in der volkskundlichen Forschung, die Gelehrten. Die einen führen die geöffnete Kreisform ins Treffen: Der geschlossene Kreis stand im Volksglauben zumeist für Schutz. Dies ist der magische Gedanken-Ursprung von Halsreifen und anderem ringförmigen Körperschmuck. Von außen Kommendes sollte abgewehrt werden. Im Falle einer runden Form, die auf einer Seite offen ist, handelt es sich hingegen um eine Art „Pforte“, durch die das Glück Einlass findet. Deshalb muss man mit dem Hufeisen auch korrekt umgehen: Es gehört mit der Öffnung nach oben an die Wand gehängt oder an den Türsturz genagelt, denn andersrum würde das Glück „auslaufen“. So denken jedenfalls viele Leute.

Aber das ist nur eine von einander widersprechenden Anweisungen in Sachen Hufeisen-Positionierung. In einer anderen Lesart heißt nämlich: Bloß nicht die beiden Metallenden nach oben schauen lassen! Man könnte die Assoziation zu Teufelshörnern wecken und hätte damit den Teufel fast im Wortsinn „an die Wand gemalt“ – in dem Fall eben gehängt. Und wird auch manchmal der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben, so wollen wir das Glück auf keinen Fall verscheuchen.

Noch eine Variante gibt es zum Ausrichten des Hufeisens: Ein nach rechts offenes Hufeisen könnte man als Buchstaben C lesen und Christus meinen. Also so, wie die Heiligen Drei Könige C+M+B an die Tür schreiben, womit nicht die Namen Caspar, Melchior und Balthasar gemeint sind, sondern der Segenswunsch: „Christus mansionem benedicat“, Gott schütze das Haus. Aber das Hufeisen als verkapptes Christus-Symbol: Da haben gewiss die wohlmeinenden Katecheten das Glücksrad ein gutes Stück in ihre Denkrichtung gedreht!

Eine ganz banale Erklärung für die Glück spendende Kraft des Hufeisens: Weil handgeschmiedet, waren Hufeisen teuer. Wer eines fand und fürs eigene Pferd verwenden konnte, war gut dran.

Durchaus einleuchtend ist die Erklärung, dass ein Pferd eben ein edles und kostbares (Arbeits-)Tier ist, ein Symbol für Stärke und Kraft. Ein Ding, das ein Pferd schützt, kann doch nur ein Glücksbringer sein.

Wer sich das Beschlagen der Pferdehufe ausgedacht hat, darüber gibt es auch nur Mutmaßungen. Die Ägypter haben ihren Tieren „Hipposandalen“ aus Bast oder Leder mit Stricken oder Riemen ans Bein gebunden. Die Römer haben dann Bronze oder Eisen verwendet, aber auch diese Tritthilfen mit Riemen festgebunden. Möglicherweise sind die Kelten im 2. oder 1. Jahrhundert vor Christus auf die Idee gekommen, das Metall an die Hufe zu nageln – aber warum haben das die Römer dann nicht flugs übernommen? Auch bei den Galliern findet sich nichts Hufeisenartiges als Grabbeigabe. In der Völkerwanderungszeit waren wohl die Hunnen mit beschlagenen Pferden unterwegs. So konnte man einigermaßen sicher über lange Strecken galoppieren. In Mitteleuropa scheint sich das Beschlagen eher zögerlich durchgesetzt zu haben. Karl der Große kannte Hufeisen ziemlich sicher noch nicht.

Wo gehört ein Glück bringendes Hufheisen hin? Über der Eingangstür ist es wohl am Platz – verbunden mit der Hoffnung, es möge doch dem Teufel auf den Kopf fallen, wenn er versucht, in Menschengestalt Einlass ins Haus zu finden. Also nicht festnageln, bloß lose an einen Nagel hängen!

Man kann das Hufeisen als Glücksbringer auch vom Material her greifen. Dem Eisen wurde Zauber bannende Kraft zugeschrieben, das ist uralter Aberglaube. Schon im Alten Testament (Buch Numeri) ist eine hübsche Geschichte nachzulesen: Da schickte Gott aufmüpfigen Israeliten Giftschlangen als Strafe. Nachdem die Menschen ihre Fehler eingesehen hatten und Reue übten, gab Gott Moses den Befehl, eine metallene Schlange anzufertigen und an einer Fahnenstange zu befestigen. Wer künftig auf diese Schlange blicke und von einem echten Tier gebissen werde, müsse nicht sterben.

In vielen Kulturen schrieb man dem Metall wegen seiner spiegelnden Oberfläche die Fähigkeit zu, Geister zu vertreiben. Der Dichter Vergil erzählt, dass man aus Neapel Heuschrecken mit Hilfe einer eisernen Nachbildung vertrieben habe, Plinius versuchte Ähnliches mit Fliegen. Auch die Germanen glaubten an den Abwehrzauber, der von Eisen ausgeht. Und ihnen galt obendrein das Pferd als besonderes Lebewesen, war es doch das heilige Tier Wodans.

Wie auch immer: Echt muss das Hufeisen sein, sonst ist es mit dem Glück nicht so weit her. Nur ein Eisen, das wirklich auf einen Pferdehuf geschlagen war, überträgt die Kraft des Tieres auf den glücklichen Finder.

Sieben Punkte müssen es sein

Das Vögelchen der Freya und ein willkommenes Geschenk der Gottesmutter Maria

Gleich vorweg: Wir reden hier vom „klassischen“ Marienkäfer, von jenem, den die Zoologen Coccinella septempunctata getauft haben. Vom Siebenpunkt-Marienkäfer also. Nicht von seinen Hochstapler-Kollegen mit bis zu 24 Punkten, und auch nicht von jenem armseligen Käferlein mit läppischen zwei Punkten, der es einst trotzdem auf eine DDR-Briefmarke gebracht hat. Aber das war vielleicht der grafischen Übersichtlichkeit geschuldet. Schon gar nicht reden wir von den unterschiedlich gefärbten und gepunkteten fernöstlichen Exemplaren, die sich in den vergangenen zehn Jahren auch in Mitteleuropa breit gemacht haben und Käfer-Sachverständigen Stirnrunzeln bereiten ob des ökologischen Gleichgewichts.

Unser Herz schlägt für den Siebenpunkt-Marienkäfer. Bevor wir auf die Gottesmutter Maria als Namenspatronin zu sprechen kommen, sollten wir nicht auf jenen Namen vergessen, den ihm die alten Germanen gegeben haben: Vom „freya-fugle“ sprachen sie, also dem Vögelein der Göttin Freya. Der Marienkäfer passt gut zur Göttin der Fruchtbarkeit und des Frühlings, des Glücks und der Liebe. In England heißt der Marienkäfer auch „Ladybird“. Damit ist die Gottesmutter gemeint.

Mit dem Himmel muss so einer ja zu tun haben, der in kardinalspurpurner Färbung und mit sieben Punkten herumfliegt! Die Siebenzahl steht für die vier Kardinalstugenden Gerechtigkeit (iusticia), Mäßigung (temperantia), Tapferkeit (fortitudo) und Weisheit (sapientia) plus den drei theologischen Tugenden Glaube (fides), Hoffnung (spes) und Liebe (caritas). Seit Gregor dem Großen, also seit dem 6. Jahrhundert, gehören all diese guten Eigenschaften zusammen. Die ersten vier Tugenden hat schon Plato aufgezählt.

Als Geschenk Marias haben die Bauern den Marienkäfer wahrscheinlich deshalb empfunden, weil sie seine Nützlichkeit erkannten: Blattläuse zählen zu seinen Lieblingsspeisen (bis zu 40 000 Blattläusen soll er im Lauf seines einen Lebensjahres den Garaus machen), und auch den Mehltau, einen Pilzschädling, hält der Marienkäfer für eine Delikatesse. Er trägt also wesentlich bei zum ökologischen Gleichgewicht auf den Pflanzenstängeln und Blättern. Zwei Dutzend verschiedene Namen gibt es allein im deutschen Sprachraum für ihn. Frauenkäfer, Muttergotteskäfer heißt er beispielsweise. In protestantischen Gegenden, wo man keine spezielle Marienverehrung kennt, ist man auf allgemeinere Namen wie Herrgottskäfer, Gotteskäfer, Jesuskäferlein, Herrgottswürmchen, Herrgottssöönken oder Himmelskäferlein ausgewichen. Die Verbindung der Farbe Rot mit Herz und Liebe war der Volkstümlichkeit gewiss nicht abträglich.

Auf eine so lange Geschichte wie er kann kein anderer Glücksbringer zurückblicken: In Laugerie-Basse, einer jungpaläolithischen Fundstätte in der Dordogne (Frankreich), hat man nicht nur die „Schamlose Venus“ gefunden (sie gab einem Typus steinzeitlicher Venusfiguren den Namen), sondern auch einen gerade fingernagelgroßen, aus Mammutelfenbein geschnitzten Marienkäfer. Eine Bohrung lässt drauf schließen, dass das Ding an einem Band um den Hals getragen wurde: ein 20 000 Jahre alter Talisman!

Evas kleine Erinnerung ans Paradies

Oxalis tetraphylla ist zwar grün und vierblättrig, aber leider kein echter Glücksklee

Charakteristische Merkmale der Gattung Klee sind dreifiedrige Blätter, lesen wir in Wikipedia und werden so gleich mal ein ganz klein wenig desillusioniert. Vierblättrig muss der Glücksklee schließlich sein. Die Quote von eins zu 10 000, von der man in Wikipedia auch wissen will, ermuntert uns keineswegs zur Suche – aber der vierblättrige Klee will sowieso gefunden, nicht aktiv gesucht und schon gar nicht im Blumenladen gekauft sein! Immerhin: Wenn man es verschenkt, gilt das gekaufte Pflänzlein als Glücksbringer. Aber irgendwie rauben uns die Botaniker gleich wieder die Freude: Den Glücksklee (Oxalis tetraphylla), der sich im Handel findet, rechnen sie zur Gattung des Sauerklees (Oxalis) – und das ist für sie gar kein echter Klee.

Frommer Legende nach nahm Eva aus dem Paradies ein vierblättriges Kleeblatt mit in die ihr unwirtlich erscheinende echte Welt. Bevor wir das Pflänzlein nun quasi „über den grünen Klee“ loben, braucht es schon eine kleine Einschränkung. Wie öfters bei den Glücksbringern ist die Sache mit den vier Blättern nämlich gar nicht so eindeutig. Das Kleeblatt muss nicht paradiesische Erinnerung sein, es hat in der christlichen Symbolik auch das Kreuz repräsentiert. Aber auch als Bild für die vier Evangelien hat man es schon hergenommen. Das lässt uns wieder hoffen.

Aber sonst hat man weder im Christentum noch in heidnischen Kulturen auf die Vierzahl gar nicht so großen Wert gelegt. Es durften gerne drei Blätter sein und war dann für die Dreifaltigkeit ein symbolhaftes Accessoire. Der heilige Patrick in Irland soll den Menschen dort die Dreifaltigkeit eben anhand eines solchen Klees erklärt haben. Der Shamrock (irisch „seamróg“, das heißt kleiner Klee) ist so nicht nur zum Tribut des Heiligen, sondern auch eine Art Landessymbol geworden. Nicht zufällig tragen viele Irish Pubs diesen Namen. In den zarten Stängel und die drei Blätter kann man übrigens auch wieder die Kreuzesform hinein deuten. Einen Kreuzstab in genau dieser Form soll Patrick einer Schlange in den Rachen gestoßen haben.

Mit dem Klee halten es jedenfalls nicht nur die christlichen Iren, die diese innige Beziehung wohl den keltischen Druiden abgeschaut haben. Diese haben zur Abschreckung böser Geister aber sehr wohl auf den vierblättrigen Klee Wert gelegt. Im spätantiken Perserreich stand der dreiblättrige Klee für die Götterdreiheit von Mithra (Mihr) neben Ahuramazda (Ohrmazd) und Anahita (Anahid).

Der Engländer John Melton hat in seinem Buch „Astrologaster“ (1620) mit Astrologie und Aberglauben abgerechnet. Er schreibt höchst ironisch: „Wenn ein Mann über die Felder gehend ein vierblättriges Blatt findet, wird er nach einer Weile auch irgendein gutes Ding finden.“

Man kann nur mutmaßen, wie der Klee zum Glücksbringer-Image kam. Vielleicht liegt es nicht zuletzt daran, dass Klee sehr dicht wächst. Hobbygärtner wissen ein Lied davon zu singen, wenn der Klee ins Kraut schießt. So galt der Klee als Pflanze, in der sich Vitalität spiegelt.

In einem Buch von 1571, „Der alten Weyber Philosophy“, heißt es: „Welcher ein Kleeblatt mit vier Blettern findet, der sol das in wirden halten, sol sein Lebenlang glückselig und reich sein.“ Schöne Aussichten – aber um Himmels Willen Hände weg von fünfblättrigen Kleeblatt (das ohnedies noch viel seltener vorkommt als das vierblättrige): Das bringt Unglück.

Welche Wirkung tut das Kleeblatt dem Volksglauben nach? Es schütze vor Zauber und Hexen, obendrein mache es „hellsichtig“, und man erkenne das „wahre Wesen“ einer Person oder Sache. Da bleiben Hexen nicht lange unentdeckt. Doch die Wirkung des Klees lässt sich noch steigern. Ein Trick macht aus dem Klee das Wundermittel schlechthin: Versteckt man ein Blatt ohne Wissen des Priesters unter dem Altartuch und wird darüber drei Mal die Messe gelesen, so verhindert es Hieb- und Stichwunden und hilft sogar gegen Blitzschlag. Die Bekanntschaft mit einer Mesnerin ist also sehr von Nutzen, will man zur glücksbringenden Tat schreiten.

Borstenvieh und Schweinespeck

Husten im Silvestergottesdienst galt einst als Unheil bringend. Nicht gehustet? Schwein gehabt!

„Ein kluger Mann verehrt das Schwein; / er denkt an dessen Zweck. / Von außen ist es ja nicht fein, / doch drinnen sitzt der Speck.“ So reimte Wilhelm Busch. Griechen, Römer und Germanen wussten das Schwein seit jeher zu schätzen, im Gegensatz zum Islam und zum Judentum, wo es bis heute als unrein gilt. „Harām“, sagt man auf Arabisch, im Gegensatz zu den reinen Speisen, die „halāl“ sind.

Im Volksglauben hat sich die Einstellung zum Borstenvieh gewandelt, denn es war zuerst keineswegs das Glücks-Vieh schlechthin. Der Teufel, so glaubte man, nehme gerne die Gestalt eines Schweins an. Diese Ansicht rührt von einer neutestamentlichen Bibelstelle her: Als Jesus Dämonen austrieb, fuhren sie in eine Schweineherde, was den armen Tieren nicht gut bekam. Sie stürzten sich ins Wasser. Davon berichten sowohl Matthäus, Markus als auch Lukas fast gleichlautend. Goethe lässt im „Faust“ zur Walpurgisnacht die alte Hexe Baubo auf einem Mutterschwein daher reiten. Traf in Schlesien ein Hochzeitszug auf ein Schwein, so deutete man dies als schlechtes Omen. Die Ehe werde unglücklich, sagte man.

Andrerseits hat das Schwein einst in der Volksmedizin eine große Rolle gespielt: Von der Linderung von Kreuzschmerzen bis zur Zeugung männlicher Nachkommenschaft – oft griff man zu „schweinischen“ Essenzen.

Der negative Beigeschmack in der christlichen Symbolik wich schließlich positiveren Erwartungen. „Mein idealer Lebenszweck ist Borstenvieh und Schweinespeck“, singt der Banater Schweinezüchter Kálmán Zsupán in der Operette „Der Zigeunerbaron“ von Johann Strauß Sohn.

Im Ersten Weltkrieg nahmen die Zeppelin-Luftschiffer lebende Ferkel als Maskottchen mit an Bord. Der Ausdruck „Schwein haben“ wird unterschiedlich erklärt. Bei Wettbewerbs-Spielen im ausgehenden Mittelalter war es oft so, dass der Letzte ein Ferkel als Trostpreis überreicht bekam. So kam er unverhofft doch noch mit etwas vergleichsweise Wertvollem nach Hause. Die Formulierung „Schwein haben“ könnte aber auch gar nicht von der Tierzucht kommen, sondern vom Kartenspielen: In Süddeutschland und Österreich heißt das Ass oft „Sau“. Wer eine solche Karte hat, dem ist das Glück offenbar hold. Dass es nicht zu verachten ist, Schwein zu haben – im Sinn von Glück ebenso wie im Wortsinn, also ein grunzendes Ferkel im Kober zu halten – das braucht man nicht eigens zu erklären. „Kaspel“ ist ein steirisches Dialektwort für Küchenabfälle, „g’Haspel“ sagt man im Schwäbischen: Was heute in die Biotonne kommt, wanderte in den Schweinestall. Die Tiere sind genügsame Allesfresser, dankbare Resteverwerter. Und sie werfen zweimal im Jahr bis zu zehn Ferkel. Davon und damit lässt es sich gut leben. Das Schwein ist übrigens das einzige Haustier, das eigentlich nur gehalten wird, um geschlachtet und gegessen zu werden – das sprichwörtliche „Arme Schwein“.

Da wollen wir jetzt aber doch ein paar Zahlen nachschießen, weil der Schweinefleischkonsum nicht wenig aussagt über unseren Wohlstand: In den sechzig Jahren zwischen 1950 bis 2010 hat sich der Fleischverbrauch beispielsweise in Österreich verdreifacht, von 265 000 auf 780 000 Tonnen. Das hat Theresa Willerstorfer 2013 in ihrer Masterarbeit am Institut für Soziale Ökologie der Alpen-Adria-Universität (Klagenfurt/Wien) erhoben. Der Verbrauch von Schweinefleisch pro Kopf und Jahr habe sich mehr als verdoppelt und sei von 24 auf 58 kg angestiegen. Dies entspreche rund sechzig Prozent des konsumierten Fleisches. „Global 2000“ geht davon aus, dass der Verzehr von Fleisch in Österreich über 65 kg pro Kopf und Jahr liege.

Auch für Deutschland gibt es repräsentative Zahlen: Der Bundesverband der deutschen Fleischwarenindustrie geht von 53 kg Fleisch pro Person und Jahr aus, der Schweinefleischanteil ist mit 38,2 kg auch dort anteilsmäßig beachtlich. Höhere Zahlen – 61 kg – nennt das Statistik-Portal Statista. An die sechzig Millionen Schweine werden in Deutschland pro Jahr geschlachtet. Der Fleischkonsum in Deutschland ist deutlich niedriger als in Österreich. Hier wie dort geht der Verbrauch seit Jahren ganz leicht zurück – aber auf hohem Niveau. Rasant zugenommen hatte der Fleischverbrauch in den Jahren 1950 bis 1980. Bei allen Statistiken ist zu beachten, dass es natürlich einen Unterschied macht, ob die Zahlen von ernährungskritischen Institutionen oder von der Fleisch-Lobby kundgetan werden. „Fleischverbrauch“ ist auch nicht dasselbe wie tatsächlicher Verzehr.

„Wirft man einen Blick auf die ‚traditionelle österreichische Küche‘ im 20. Jahrhundert, spielte Schweinefleisch – vom Schweinsbraten über Rippchen bis hin zur Zubereitung von Hartwürsten – durchgehend eine wichtige Rolle“, schreibt Theresa Willersdorfer. „Im Unterschied zur Küche der Gegenwart, wurden in der Vergangenheit jedoch alle Teilstücke des Schweins verarbeitet: Gebackene Schweinsfüße, Hirn mit Ei oder geröstete Nieren waren ebenso Teil des Speiseplans wie die hochwertigen Fleischstücke.“

Was die Schweinefleischverbote bei Juden und Muslimen anlangt, gibt es dafür keine plausiblen Erklärungen, nur sehr vage Theorien. Mit gesundheitlichen Erwägungen lässt sich der Sache kaum beikommen. Warum in den Mosaischen Gesetzen (Deut 14,3–20) das Schwein ebenso wie der Hase verbotene Speisen sind, ist durchaus rätselhaft. Und eine Frage darf man in dem Zusammenhang schon auch stellen: Laut Markus hat Jesus die von ihm ausgetriebenen Dämonen eine Schweineherde geschickt. Zweitausend Tiere! Was mit denen wohl geschehen wäre, wenn sie sich nicht in den See Genezareth gestürzt hätten?

Wer fürchtet sich vorm Schwarzen Mann?

Es wäre ein Unglück, wenn der Schornsteinfeger wegbliebe, auch im Zentralheizungs-Zeitalter

Der Schornsteinfeger – oder wie man in Österreich sagt: Rauchfangkehrer – war nicht von Anfang an ein Glücksbringer. Entsprechend der Ruß-Schwärze setzte man ihn dem Teufel gleich. Es gibt Zeichnungen und Gemälde, auf denen der Teufel als Rauchfangkehrer mit Hörnern und Hufen dargestellt ist. Zwar traute man dem Rauchfangkehrer die Fähigkeit zu, Geister zu bannen – aber angeblich tat er es mit Hilfe des Teufels.