Von Kört in Das Quaken der Nachtigall

Katharina Fiona Bode

 

Von Kröt, P.I. in

Das Quaken der Nachtigall

Eine Novelle Noir

Impressum

 

Copyright © 2019 Art Skript Phantastik Verlag

Copyright © 2019 Katharina Fiona Bode

 

1. Auflage 2019

Art Skript Phantastik Verlag | Salach

 

Lektorat » Daniel Huster

 

Gestaltung » Art Skript Phantastik Verlag

Illustration für Cover & Innenseiten: Daniel Huster

 

Auch als Print-Buch erhältlich

 

Der Verlag im Internet » www.artskriptphantastik.de

 

Alle Personen und Handlungen sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit realen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

 

 

 

In Liebe für die beeindruckend faszinierende Froschfamilie, Herrn Gruselig & alle, die liebevoll gegen die Windrichtung quaken.

Katharina Fiona Bode

 

wurde 1990 in einem Sauerländer Kreißsaal geboren. Gegenwärtig teilt sie sich eine Wohnbibliothek mit ihrem Freund und dem Bilingu-Aal Wordsworth Weirdworld. Nach ihrem BA-Abschluss in Kunstgeschichte und Komparatistik (falls es nicht doch in Hyperspaceroutenplanung war) absolvierte sie den Master in Teddybärologie (oder Literaturwissenschaft?). Sie kann sich noch ziemlich genau daran erinnern, bereits im Mutterleib Geschichten an ihre Behausung gekritzelt zu haben.

Nach ihren Erasmus Emmerich Steampunk- (und weiteren Fantasy-) Kurzgeschichten erschien im Juli 2016 ihr Debütroman »Erasmus Emmerich und die Maskerade der Madame Mallarmé«, mit dem sie beim Seraph 2017 auf die Shortlist der drei besten Debüts gewählt wurde. Der Roman wurde beim Art Skript Phantastik Verlag veröffentlicht und enthält zudem die beim Deutschen Phantastik Preis 2016 mit dem 2. Platz ausgezeichnete Kurzgeschichte: »Erasmus Emmerich & der zinnoberrote Zinnsoldat«.

2017 folgte das altersgrenzenlose Geschichtenbuch: »Der Schneckenreiter - Die Stadt der Uhren« mit Illustrationen von Joerg Schlonies, sowie in Kürze die Novelle Noir »Von Kröt, P.I. in: Das Quaken der Nachtigall«.

Mehr ist stets in Bearbeitung; das Schreiben eine Dauerbaustelle.

 

Weitere Informationen zur Autorin unter:

https://katharinabode.blogspot.de

www.facebook.com/KatharinaFionaBode

Vorwort: Brief aus dem Archiv

 

Geneigte, gebeugte und gegrämte Leser,

 

geben Sie nicht auf! Zum allerersten Mal gewähre ich Ihnen Einblick in mein Leben. Ich präsentiere Ihnen eine gelungen inszenierte Mischung aus Memoiren und den spannendsten Fallakten meiner Karriere. Sie dürfen aus meinem Fundus reichhaltiger Erfahrung schöpfen und davon profitieren. Ziehen Sie Ihre Lehren, wenn Sie einmal nicht weiter wissen.

Dieses Ihnen vorliegende Werk wird sich als wegweisendes Handbuch auf dem Gebiet der Privatermittlungen etablieren. Also bitte, greifen Sie zu, nehmen Sie, was Sie brauchen, um Ihrer Klienten habhaft zu werden und jeden Fall in Windeseile zu lösen. Lernen Sie vom Meister, dem schärfsten P.I.1 der Geschichte.2

In Kurzgeschichtenlänge hatte ich Ihnen bereits einen Fall aus meiner späteren Laufbahn zugänglich gemacht,3 nun bekommen Sie mich in der vollen Bandbreite zu spüren. Ich rekapituliere kapitelweise einen der ersten Fälle aus der mittleren Anfangszeit meiner Karriere, zu einem Zeitpunkt zu dem ich noch gar nicht wusste, wie großartig ich mich in meinem beruflichen Zweig noch machen würde.4
Aber seien Sie gewarnt, es folgt ein schonungsloser Zeitzeugenbericht, Schuldbekenntnis aus den schlüpfrigsten und schmierigsten Winkeln meiner Wohnung und der Verbrechenswelt darum herum.

Folgen Sie mir hinein ins tiefste Moloch, meiner Stadt, (G)Rim City, dem Parkett ruchloser Schurkerei, in der mein galanter Leib für Ihr und sein leibliches Wohl Sorge trägt. Gepresst in die Rolle des Schutzengels sämtlicher Weichteile und –tiere diesseits der Stadtgrenzen, sowie Rächer der Enterpelten.5

 

»Aller Gram hat seinen Anfang. Meiner beginnt in Grim(m6).«

- Von Kröt, P.I., autodiducktischer7 Dichter

 

1

 

Am Fall der kursierenden Fälschungen von Tante Ommas hausgehäkelten Platzdeckchen mochte ich mir die Zähne ausbeißen, aber immerhin hatte ich ein probates Mittel gegen die Geißel aller Moorleichenkröter8 gefunden: ein Bad in schaumigem Schlammpagner und importiertem Instantsoda.

So saß ich denn, die Beine auf dem Schreibtisch hochgelegt, in meiner Bürobadewanne und weichte ein. Einst war die Wanne glatt und weiß gewesen, heute wirkte sie etwas angeschlagen. Risse zogen sich über die verfärbte Keramik, doch im Gegensatz zu manchem Windhund von Informanten hielt sie dicht. Das alte Schätzchen stand halbwegs aufrecht, neigte sich jedoch schräg nach hinten wie ein Betrunkener, der mit der Zunge versucht einen Stern vom Firmament zu fischen, und bildete somit eine bequeme Sitzschale. Zugegeben, eine sehr feuchte zwar, aber dafür eine auf Rollen!

Ich glotzte auf das Messingschild, das mich als Roderich von Kröt, Private Investigator9 auswies, und paffte eine meiner besonders korpulenten Zigarren. Langsam fielen mir die Augen zu. Während ich im erkaltenden Wasser planschte und mich allmählich fühlte wie ein zu lang gezogener Teebeutel, sprich ein nasser verschrumpelter Runzelsack mit aufgequollener Füllung, warf die Abendsonne davon gänzlich ungetrübt ihre letzten Strahlen durch das Jalousiengitter und schnitt den schummrigen Raum in gelb-schwarze Streifen.
Schmatzend zog ich an meinem Glimmstängel und wartete darauf, dass der Telefonapparat klingelte, um mich endlich in meinem verfluchten Fall weiterzubringen. Als es stattdessen kurz und hart gegen die Tür pochte, zuckte ich zusammen, dass die aufgescheuchten Wellen über meinem Blähbauch Kreise schlugen.

Meine Lider glitten nach oben wie eingerostete Rolltore und meine Glubschaugen erblickten einen verschwommenen Umriss durch die gelblich getrübte Milchglasscheibe der Bürotür, die sich damit farblich perfekt in meine stilistisch einwandfreie Komposition glorreicher Bahnhofsinnenausstattung einfügte.10
Das schnelle Pochen war über meine gedankliche Fußnotenabschweifung derweil zu einem dröhnenden Hämmern angeschwollen, bis mir endlich einfiel »Herein!« zu quaken. Ich nahm die schwimmhäutigen Füße vom Schreibtisch, rollte ein Stück in meiner Wanne vor, faltete die Hände über dem Bauch und starrte durch das Glas.

Eine kurvenreiche Silhouette zeichnete sich davor ab. Nackt, wie Vater und vor allem Mutter Von Kröt mich schuf, harrte ich des Dings, das da kommen mochte, und hoffte, dass es jung war.11

»Ja?! Wird das noch was?«, blaffte ich, während bereits mein Kropf anschwoll. Ich sah schon vor mir wie die Gestalt die Tür schwungvoll aufstieß, in ihrem Kleidchen hereinweihte, blondes gewelltes Haar ausschüttelte und sich mit übergeschlagenen, meterlangen Beinen auf meinem Schreibtisch niederließ.12

In der Realität griff sie nach dem Messingknauf und … rüttelte daran. Rüttelte noch ungestümer. Rüttelte weiter, bemüht die Tür aufzuziehen, obwohl sie hätte drücken müssen. Ich zählte die Sekunden des Vorspiels und genoss jede Einzelne. 3 … 4 … Letztlich würde die Besucherin ihren Irrtum schon bemerken und es aus eigenen Kräften schaffen. Das taten sie fast alle. Irgendwann. 7 … 8 … zählte ich weiter. Nicht die Schnellste, aber auch nicht die Langsamste, die bei mir rüttelte.

Noch ein paar letzte Male wurde am Knauf geruckelt, bis das Schloss endlich ein Einsehen mit der Störenfrida hatte, klickte, und die Tür derart überschwänglich aufschwang, dass sie gegen das Bücherregal hinter sich krachte. Von der Wucht erzitterte die Scheibe – ein hohes Klirren – sprang beinahe heraus, hielt sich aber durch Aufgebot gläserner Willenskraft und Disziplin gerade noch im Rahmen, und vor mir stand, voilá: ein Duracellhase in Uniform, auf dessen Brust das Emblem von DHDingsda13 prangte. Immerhin war der langohrige Bursche blond.14 Da überreichte er mir schon ein schmuddeliges Paket und hielt mir den Wisch zum Unterschreiben vor die Glubschaugen.
»Verschlammt und zugedreckt!«15

Damit gab ich unvermittelt einen Eindruck wieder, der sich auch im Inneren des Päckchens fortsetzen sollte.
Meine Tür schlug hinter den Kurierlöffeln zu, da riss ich bereits das Packpapier von meiner Sendung und starrte hinein.
»Ein Glas Schleim?«

Im Karton thronte inmitten von Schaumstofffliegen ein gläsernes Behältnis gefüllt mit einer dickflüssigen, braunen Brühe.16
Ich nahm das Gefäß zwischen meine Schwimmhäute, beäugte es durch zusammengekniffene Lider und ließ den Inhalt hin und her schwappen. Zäh kroch er von einer Seite zur anderen. Meine Pupillen folgten der Bewegung der Substanz. Träge. Schlabberspuren zeichneten ihren Weg nach. Es bestand kein Zweifel: Schleim. Jemand hatte mir ein Glas Glibberschleim per Express zugesandt.

Ja, ich erkannte sofort die Dringlichkeit mit der es mir jemand aus einem innersten Wunsch heraus geschickt haben musste. Er hatte sich offenbar berufen gefühlt, meine Notsituation einer gänzlich schleimlosen Existenz zu lösen. Ich Ignorant hingegen war schon auf dem Sprung ins Badezimmer, um es dort einem – nämlich meinem – dringlichen inneren Wunsch folgend das Klo hinunter zu spülen, als mir der unscheinbare, einmal gefaltete Haftnotizzettel in dem Verpackungsmaterial auffiel. Ich klappte ihn auf. Rosarote Buchstaben stachen mir ohne Vorwarnung in die Augen. Bei den Schaumstofffliegen hätte ich es ahnen, nein, bereits wissen müssen. Der Schleim stammte von … dramatische Pause17 … Ende der dramatischen Pause … retardierendes Moment. Und ... äh ...Was wollte ich sagen? Oh, jetzt ist der Spannungsaufbau dahin. Also von vorn: Der Schleim stammte von … Trommelwirbel … Meiner eigenen schleimigen Mutter.

Damit waren mein persönliches wie auch das Schicksal des unschicklich verschickten Schleims besiegelt. Wir wurden verdammt, zu ewiger Koexistenz. Denn Geschenke meiner Mutter konnte man nicht einfach wegschütten, das Klo hinunterspülen und nach Hinzufügen der Kanalisationsanalen für immer vergessen. Oh nein! Nicht wenn einem die Unversehrtheit seiner Schwimmhäute am Herzen lag.18 Die Geschenke meiner Mutter pflegte sie bei ihren Schrott19 sei Dank seltenen, aber dafür unangekündigten Besuchen kontrollieren zu wollen.
Daher trug ich das Glas vorsichtig zu seinem schönen, sonnenbeschienen neuen Stammplatz auf meinem Fenstersims, halb verborgen hinter den dort munter in einem Kochtopf verdorrenden Grashalmen und betrachtete mein Werk einen Zungenschlag lang.

»Ach, Mammie.«

Dann drückte ich der Notiz einen Schmatzer meiner wulstigen Lippen auf, bevor ich sie ungelesen im Papierkorb verschwinden ließ. Der Karton folgte ihr auf selbigem Pfade nach.
Schließlich wurde es Zeit sich vom mütterlichen Schleim zu lösen und in die ruch- aber sicher nicht geruchlose Geschäftswelt als Superkröter in Sachen Ermittlungen zurückzukehren, sprich in den Sumpf der stinkenden Verbrecherwelt.

Ich schlüpfte also in eine zerknitterte Anzughose, die ich dafür anscheinend extra in eine Ecke gestopft hatte, warf mir meinen Trenchcoat20 über den Arm, setzte den filzigen Fedora auf mein Haupt und schlurfhüpfte pünktlich zum Sonnenuntergang am Horizont21 entlang.

Ich streckte meine Glieder, doch die letzten Strahlen versprachen keine Erwärmung meines Amphibienleibs, so kalt ratterte mein Verstand bereits wieder bei der Arbeit. Nur hier und dort wurde er durch dem merkwürdigen Nebel abgelenkt, auf den ich unterwegs stieß. Seit Kurzem erst hatte das Gewaber geistlosen Gespenstern gleich Einzug in unsere Stadt gehalten und trieb sich nun mit Vorliebe oftmals fetzenweise über Gullis herum, hing wie gaffende Gardinen vor fremden Fenstern oder waberte den Stadtbewohnern hinterher. Ich machte mir eine geistige Notiz daheim im Lexikon einmal Stalkernebel, Voyeurdunst und Bespenstigung22 nachzuschlagen. Sollte sich bei der Recherche nichts ergeben, war ich ja möglicherweise einem ganz neuen wissenschaftlichen Phänomen auf der Fährte, ja regelrecht in die Spur geraten, während ich ganz unschuldig meinen aufrichtigen Ermittlungen nachhüpfte.23

»Hey«, rief ich den Dunstschleiern entgegen. »Nehmt die feuchten Griffel von meinem Revers! Na, na, nicht so aufdringlich. Nu mal langsam mit den jungen Unken!« So häufig wie an diesem Abend waren mir die wabernden Wanderer noch nie begegnet, und schon gar nicht dermaßen eng auf die Pelle gerückt. Ich konnte mich ja kaum ihrer Avancen erwehren. Rotteten sich in dieser verfluchten Gegend jetzt sogar schon Nebelschwaden zu Gangs zusammen? Es ging wahrlich bergab mit uns.

Ach, Rim City. Diese Stadt war wie eine Klippe. Nur standen wir schon so lange mit den Rücken zum Abgrund, dass wir gar nicht mehr wussten, ob wir nicht schon längst den Boden unter den Füßen verloren hatten. Abgetragen wie mein Trenchcoat, von innen regelrecht ausgehöhlt, sodass uns nur noch ein Zögern in der Luft am freien Fall hinderte.
Dermaßen wenig trennte uns schon damals nur noch vom G vor unserem Stadtnamen. Doch ahnte ich zu dem Zeitpunkt noch nicht, dass diese Transformation24 unmittelbar bevorstand und am Ende des Falls bereits vollständig vollzogen sein würde.

Aber mein Verstand greift vor, so weit waren wir noch nicht.25 Einige meiner außerordentlichen Fähigkeiten wurden benötigt. Ich setzte wie so oft auf meine schärfste Waffe; meine 9 mm-Kompetenz in Konzentration und Kapitulation. Rekapitulation für‘s Erste. Ein Kröt musste ja nicht gleich die allerstärksten Geschütze auffahren. Ein oder zwei Geheimwaffen26 durfte sich der Ärmel vorbehalten. Aufgeben konnte ich am Ende immer noch.27

Beim Hochschieben aus der Stirn glitten meine Finger routiniert über den rauen Filz des Hutes, ein vertrautes Gefühl, das mir Sicherheit verlieh. Zunächst rief ich mir wieder ins Gedächtnis, was ich eigentlich über den Fall bisher schon in Erfahrung gebracht hatte. Das Lädchen um die Ecke mit Namen Tante Ommas, genau genommen eine Kette mit einem Tante Ommas an jeder Ecke der Stadt verkaufte so ziemlich alles. Ihre Spezialität und gleichsam der geschäftserhaltende Kassenschlager bestand jedoch aus Tante Ommas hausgehäkelten Platzdeckchen.

Irgendein Scherzkobold hatte nun ausgerechnet jene billig imitiert, mit Tante Ommas Etiketten versehen und diese Kopien wiederum massenhaft in Umlauf gebracht. Klarer Fall von Platzdeckchenbetrug. Doch es kam noch schlimmer. Denn leider lösten sich die Billigversionen bei Kontakt mit Tante Ommas Glatzenpolitur oder – weitaus weniger überraschend – Feuer Nullkommanichts in Luft auf. Ersteres hatte allerdings zu Klagen gegen Tante Omma – die Inhaberin, nicht den Laden – und Letzteres zu benebelten Klägern geführt.
Rein äußerlich waren die nachgehäkelten Platzdeckchen aber nicht von den Originalen zu unterscheiden. Um also einem Massenhäkeldeckizid28 bei bürokratischer Überprüfung oder der eigenen Pleite vorzubeugen, hatte sich Tante Omma persönlich um Hilfe an mich gewandt.

Kaum dass ich mich des Falls angenommen und entschieden hatte, selbst Proben zu sammeln und Tests an den Deckchen zu vollstrecken, waren plötzlich alle vom Markt verschwunden, einschließlich der Originale. Nirgendwo konnte man mehr öffentlich hausgehäkelte Platzdeckchen beziehen. Ein Skandal, dessen Ausmaße das Antlitz unserer Stadt zu beflecken drohte und dessen Folgen sich ein anständiger Kröter gar nicht vorstellen mochte.

Es traf sich also, dass ich Unanständigkeit schon immer den Vorzug gegeben hatte. Rim City konnte in Kürze gänzlich ohne Platzdeckchen dastehen. Nicht auszudenken, was sich in den bis dato friedlichen Haushalten binnen Tagen für Horrorszenarien abspielen würden. Dem heimischen Familienidyll, das nur auf ein solches Deckchendebakel gewartet hatte, um sein wahres Gesicht zu enthüllen, kam dieser Vorwand doch gerade recht. Bald schon würden alle Bewohner die günstige Gelegenheit nutzen, um wie Raubstinktiere29 übereinander herzufallen. Eine Gesellschaft, die endlich in die Massenhysterie verfiel, auf die sie schon so lange wartete! Doch selbst in Anbetracht dieser Zukunftsvision zwang ich mich zu einem kühlen Kopf, denn einer musste ihn ja bewahren. So galt Ratio als Gebot der Stunde.30

Alle Tante Ommas-Filialen waren in ein und derselben Nacht ausgeraubt worden, und es fehlten nur die Platzdeckchen sowie alle Häkelgarnvorräte. Doch selbst wenn Tante Omma sich neues Material organisieren konnte, was sie sicher nicht vermochte, war es ihr unmöglich, schnell genug nachzuhäkeln, damit sich alle Bewohner rechtzeitig eindecken konnten.
Da offiziell nirgends in Rim City mehr Platzdeckchen zu bekommen waren, bat ich einen Informanten sich auf dem Schwatzmarkt31 nach welchen umzuhören und sich dann bei mir zu melden. Auf just jenen Anruf hatte ich gewartet, als der flotte Duracellhase mich mit Mutters Schleim behelligt hatte.

Zum Stand der Ermittlungen ließ sich demnach zusammenfassend festhalten: ich hatte nichts. Ergo würde ich nicht darum herumkommen den unseligen Etablissements selbst einen Besuch abzustatten und mich auf die erschöpfende Spurensuche vor Ort zu begeben, um einen Hinweis auf Täter, Verbleib (von ihm und der Ware) sowie Motiv einzusammeln. Mein Kropf blähte sich, als würde mir übel. Statt meines Mageninhalts brach sich aber bloß Entrüstung in einem knatternden Quaken Bahn. Noch war es nicht so weit, meiner Paradedisziplin mit der Flinte zu frönen – ich bevorzugte ohnehin Revolver und Zigarren –, nein, es bestand noch Hoffnung. Immerhin blieb mir das Wissen darum, wer das Opfer war. Niemand Geringeres als ich selbst, an dem nun die ganze mühselige Ermittlungsarbeit hängen blieb. Ach ja, und natürlich Tante Omma, deren guter Ruf und damit ihre gesamte Existenzgrundlage nun am seidenen, oder vielmehr wollenen Faden hingen.

Dabei schien es noch gar nicht so lange her zu sein, dass ich überhaupt in dieses Geschäft eingestiegen war. Zwar mit einem Knall, aber dennoch. Ich hatte schließlich gerade mal ein paar geschlagene32 Wochen meine Lizenz oder liecence33, wie man unter uns Branchenfachleuten quakt, erworben, und war, wenn kröt so wollte34, quasi noch grün ums Froschmaul. In Anbetracht dessen sollte ein wenig Unterstützung bei den Grübeleien nicht nur erlaubt, sondern sogar überaus ratsam sein. Ich suchte also schleunigst das passende Umfeld auf, um meine Kombinationsfähigkeit anzukurbeln, und beschloss für den Anfang, geronnene Milch höchster Fettstufe mit Honig35 zu kombinieren.

 

2

 

Bei dem dazu auserkorenen Etablissement handelte es sich um die frisch eröffnete Teddybar36, die sich schon damals fest in den Pranken des einzigen Steiff-Barbären37 der Stadt befand. Allerdings standen ihm – dem silbernen Ohrknopf zufolge – die goldenen Zeiten erst noch bevor.

38
3940 Das Stimmengewirr umflutete mich als gleichmäßiges Summen, in das sich der dumpfe Schlag eines abgestellten Getränks mischte.