Die Ganz-zu-Anfang-Geschichte

Wie die Katze in Stackeln an der Kruke einen Hausstand gründet

Ganz zu Anfang, gleich nach Pfingsten, kommt die Katze auf dem Bahnhof an.

Alle Leute steigen aus.

»Verzeihung«, sagt die Katze zum Aufsichtsbeamten, der gerade vor ihrem Abteilfenster steht, »warum steigen hier alle Leute aus? Ich möchte nach Hamburg.«

»Dieser Zug«, sagt der Aufsichtsbeamte und zeigt mit dem Finger auf das Abteilfenster, aus dem die Katze ihren Kopf streckt, »dieser Zug endet hier, meine Dame.«

»Vielen Dank für die Auskunft!«

 

Die Katze setzt also ihren Hut auf, nimmt ihre Handtasche und steigt auch aus.

»Ein hübscher Name für einen Ort«, sagt sie zu sich selber. »Stackeln – an der Kruke! Das wackelt richtig auf der Zunge.«

Dann geht sie ins Bahnhofsgebäude, betrachtet sich im großen Spiegel und putzt sich ein wenig, und anschließend macht sie einen Spaziergang. Elf schlägt die Bahnhofsuhr.

Sie hat übrigens keinen kleinen Hut. Es ist ein Strohhut mit einem sehr breiten Rand. Und oben ist er, je nach der Jahreszeit, mit etwas Schönem besteckt und benäht. Heute zum Beispiel mit einer kleinen, künstlichen Pfingstrose.

Flott sieht sie aus!

Und so besichtigt sie die Stadt und die Kruke. »Hübsch! Sehr hübsch!«, sagt sie, während sie über den Marktplatz geht.

Die Kruke ist ein bescheidener Fluss. Das hat die Katze nicht anders erwartet. Man kann die Kruke nicht mit der Elbe vergleichen. Zwei Meter breit ist sie im Ganzen.

Ja. Da hat sie recht.

 

Auch die Stadt ist nicht groß. Man gerät beim Spazierengehen schnell an ihr Ende. Und das Ende, an das die Katze gerät, heißt Backpflaumenallee.

Es ist die letzte Straße in dieser Richtung. Still, mit wenigen Häusern, und links und rechts stehen alte Pflaumenbäume. Und am stillsten ist die Straße da, wo das letzte Haus steht. Vor dem Haus bleibt die Katze stehen.

Jetzt liest sie wieder ein Schild. Es hängt an der Gartenpforte und sieht schon reichlich alt aus. Verregnet und verkratzt:

Danach macht die Katze die Gartenpforte auf, geht durch den Vorgarten und klinkt an der Haustür. Abgeschlossen!

Sie geht ums Haus herum, zum Hof, klinkt an der Hintertür. Da! Offen! Noch drei Schritte weiter, und die Katze ist in der Küche.

Und danach besichtigt sie das ganze Haus.

Zuerst die Speisekammer, gleich bei der Küche. Sehr geräumig! Schön kühl! Dann geht sie von der Küche in die Diele. Die reicht bis zur vorderen Haustür und hat einen bequemen Spiegel, in dem man sich von Kopf bis Fuß sehen kann. Sehr wichtig für Katzen! Und von der Diele kommt man schließlich in einen kleinen Flur und kann hier links und rechts der Reihe nach alle Zimmertüren aufmachen. Links, auf der Hofseite: die Badezimmertür, die Schlafzimmertür und die Tür zur Kofferkammer. Rechts, auf der Straßenseite: die Musikzimmertür. Und vom Musikzimmer geht man ins Wohnzimmer. Und vom Wohnzimmer wieder in die Diele.

Und alle Zimmer sind möbliert! Sonst wüsste man ja, wenn man hineinsieht, gar nicht, was für ein Zimmer es sein soll.

Von der Diele führt eine Treppe nach unten: in den Keller. Und genau drüber eine nach oben: in den ersten Stock. Es ist also, alles in allem, ein großes Haus. Ein richtiges, großes, angenehmes Familienhaus.

Allerdings kann man im ersten Stock nicht wohnen. Alle Zimmer sind da voll mit Kartons, bis an die Decke. Und in den Kartons sind Filzpantoffeln. In jedem ein Paar. Der ganze erste Stock wird nur von Filzpantoffeln bewohnt.

 

Nach der Besichtigung streckt die Katze eine Weile den Kopf aus dem Bodentreppenfenster. Sie sieht auf den Hof hinunter. Auf einen Holzstoß mit Hauklotz. Und hinterm Hof auf einen kleinen Obst- und Gemüsegarten mit Johannisbeersträuchern und einem Apfelbaum. Der Garten ist zwar gänzlich verwildert. Das Gras wächst, wo es will. Aber dafür ist alles weiß bestreut mit Apfelblütenblättern.

Das gefällt der Katze sehr.

Hinter dem Garten kommt der Zaun. Und hinter dem Zaun kommen Wiesen. Und ganz in der Ferne sieht man ein kleines Birkenwäldchen. Und da links, hinter dem Nachbarhaus, weidet tatsächlich eine Kuh!

»Allerliebst«, sagt die Katze. »Besonders bei Sonnenschein. Hier ist gut wohnen.«

Und dann geht sie die Treppen wieder hinunter, hängt ihren Hut an den Garderobenhaken in der Diele, bringt die Handtasche ins Schlafzimmer, holt sich einen Liegestuhl aus der Kofferkammer, stellt ihn vor die offene Hintertür und setzt sich hinein. Und danach isst sie ihren Reiseproviant: Leberpastete mit Mandeln und Korinthen. Und schließlich sonnt sie sich.

 

»Aha!«, sagt die Katze zu sich. »Melkzeit!« Und schon kommt auch eine junge Frau mit Schemel und Eimer aus dem Nachbarhaus. »Wie bestellt!«, sagt die Katze. »Milch direkt von der Kuh und gleich hinterm Haus!« Geht in die Küche, holt einen kleinen Topf aus dem Schrank und macht sich auch auf den Weg zur Kuh. Durch die hintere Gartenpforte.

»Guten Abend, meine Damen!«, sagt sie zur Frau und zur Kuh, als sie alle drei auf der Wiese zusammentreffen. »Das war wieder ein Wetter heute, nicht wahr? Nichts wie Sonne! Ich glaub fast, wir bekommen einen schönen Sommer dies Jahr.« Und hat im Handumdrehen ein Schwätzchen in Gang gebracht. Für den Fall, dass die beiden sich langweilen sollten beim Melken. Und schwatzt und schwatzt, und wer die Katze nicht kennt, der weiß gar nicht, wie herrlich sie schwatzen kann. Sie ist berühmt deswegen.

Hinterher, als das Melken zu Ende ist, will die Katze ein bisschen Milch kaufen. Aber die junge Frau schenkt ihr die Milch. Den ganzen Topf voll. Aus lauter Freundschaft. So herrlich hat die Katze geschwatzt.

 

Drei Tage später, nachmittags, als die Katze sich gerade wieder sonnt, schließt jemand vorne die Haustür auf. Patt patt! kommt einer durch die Diele und dann in die Küche. Ein dicker Mann mit einem Glatzkopf.

»Natürlich nicht«, sagt die Katze und lächelt bezaubernd. »Was denken Sie von mir? Die Hintertür war offen. Aber setzen Sie sich doch! Holen Sie sich einen Küchenstuhl!«

»So?«, schnauft der Dicke. »Die Tür war offen? Und da gehen Sie einfach rein? In ein fremdes Haus? Ohne zu fragen?«

»Wen sollte ich fragen?«, sagt die Katze und lächelt. »Es steht ja keine Adresse auf dem Schild. Vorne, an der Gartenpforte.«

Jetzt fängt der Dicke an zu schreien. »Und was machen Sie hier! Himmelkruzitürken! Das ist mein Haus!« Und läuft dabei ganz rot an im Gesicht.

»Ich probier es«, sagt die Katze.

»Was machen Sie?«

»Ich probier das Haus. Ob es mir passt. Ich wohn zur Probe. Verstehen Sie? Und ich muss sagen, das Haus gefällt mir. Ich bin entschlossen, es zu mieten.«

Oh! Da wird der Dicke aber sehr viel freundlicher!

»Warum sagen Sie das nicht gleich?«, knurrt er, geht in die Küche, holt sich einen Stuhl und setzt sich neben die Katze.

»Gestatten Sie, dass ich mich vorstelle? Mein Name ist Maulwisch. Direktor Maulwisch. Jeder kennt mich in

»Das freut mich«, sagt die Katze. »Ich bin die Katze mit Hut.«

Und jetzt plaudern sie miteinander.

»Ich wundere mich«, sagt die Katze, »dass Ihr Schild da draußen, am Gartentor, so alt und verregnet aussieht. Als ob es schon lange da hängt. So ein hübsches Haus müsste doch längst vermietet sein. Stimmt’s?«

»Ja«, sagt der Maulwisch und seufzt. »Stimmt genau! Und ich sag’s Ihnen lieber gleich: Das Haus steht schon seit zehn Jahren leer. Kein Mensch will es mieten.«

»Zehn Jahre?«, ruft die Katze. »Wie merkwürdig! Spukt es denn in dem Haus?«

»Gewissermaßen. Sozusagen.« Und der Maulwisch seufzt wieder, diesmal tief. »Es ist mein Geburtshaus, wissen Sie? Ich bin hier aufgewachsen. Und ich habe leider keine glückliche Kindheit gehabt. Und leider wissen das auch die Leute. Darum will hier keiner mieten. Wer möchte schon in einem Haus wohnen,

»Was steckt in den Wänden?«

»Die unglückliche Kindheit!«

Darüber denkt die Katze eine Weile nach. Und weil auch der Maulwisch nachdenkt, sagen sie eine Weile gar nichts.

»In Ihnen steckt sie auch noch ein bisschen«, sagt die Katze schließlich. »Sie gucken so sauer.«

»Sauer?« Der Maulwisch greift sich hastig mit den Fingern ins Gesicht, als ob man das Sauergucken anfassen könnte. »Ach was!«, sagt er dann ärgerlich. »Jeder guckt so, wie er muss! Überhaupt ist das alles lange her. Alte, unangenehme Geschichten! Jedenfalls hab ich nicht die geringste Lust, sie Ihnen zu erzählen.«

Und deshalb redet er jetzt von etwas anderem.

»Mein Vater war übrigens Filzpantoffelmacher. Daher stammen die Filzpantoffeln im ersten Stock. Leider sind sie aus der Mode gekommen. Man kann sie nicht mehr verkaufen. Und irgendwo muss man sie ja unterbringen. Ich warte einfach, bis sie wieder in Mode sind. Es stört Sie doch hoffentlich nicht.«

»Nicht im Geringsten«, sagt die Katze. »Mir genügt das Erdgeschoss. – Machen Sie auch Pantoffeln? Ein bisschen modernere vielleicht? Aus Leder?«

»Ich?« Der Maulwisch reißt die Augen auf vor Erstaunen. »Pantoffeln? Ich bin Brauereidirektor, meine Verehrteste!« Und dabei bläst er sich auf, dass der Stuhl unter ihm

»Ach! Da gratulier ich aber!«, sagt die Katze.

 

Danach sprechen sie wieder vom Haus.

»Ich wollte es eigentlich abreißen lassen«, sagt der Maulwisch. »Dann hätte der Ärger ein Ende gehabt. Man könnte zum Beispiel ein Mietshaus bauen an dieser Stelle. Das bringt Geld! Aber ich trau mich einfach nicht. Ich bin zu ängstlich, wissen Sie? Nur keine großen Pläne, sag ich immer. Nachher geht irgendwas schief damit, und dann ist der Ärger größer als vorher.«

»Ja. So was gibt’s«, sagt die Katze. »Aber darüber brauchen Sie sich jetzt keine Sorgen mehr zu machen. Das Haus ist ja so gut wie vermietet.«

»Und vor der unglücklichen Kindheit in den Wänden fürchten Sie sich nicht? Auch nicht nachts?«

Da lacht die Katze. »Nachts, Herr Direktor, fürchten sich Katzen nie«, sagt sie. »Nur am Tag manchmal. Hauptsache, das Haus fällt nicht ein. Alles andere überlassen Sie nur mir. Man muss so ein Haus nur richtig bewohnen. Verstehen Sie? Spaßig vor allem! Das ist das ganze Geheimnis. Spaßige Leute müssen es spaßig bewohnen! So was krempelt ein Haus vollständig um. Hinterher ist es dann wie neu.«

»Soso. Was Sie nicht sagen! Sind Sie denn eine spaßige Person?«

»Ich hoffe, Sie können auch die Miete zahlen für ein so großes Haus«, sagt jetzt der Maulwisch. »Haben Sie einen ordentlichen Beruf? Oder vielleicht ein Vermögen?«

»Ich habe mehrere Berufe«, antwortet die Katze. »Das ist sicherer. Im Ganzen drei: Kammerjägerin, Kunsthäklerin und Gesellschaftsdame. Ich nehme immer das, was sich gerade bietet. Wie hoch ist denn die Miete?«

»Tausend Mark.«

»Oho! Ist das nicht ein bisschen teuer? Für ein Haus mit unglücklicher Kindheit in den Wänden und halb voll Filzpantoffeln?«

»Aber es ist möbliert. Und hat ein Musikzimmer. Und das Klavier ist kaum benutzt. – Also gut. Weil Sie es sind: fünfhundert Mark.«

»Vielen Dank!«, sagt die Katze und lächelt wieder ganz bezaubernd. »Aber eigentlich tue ich Ihnen ja einen Gefallen, wenn ich das Haus miete. Es ist ein unglückliches Haus, keiner will es haben, und ich soll es Ihnen glücklich wohnen. Das muss man natürlich auch bedenken. Hinterher ist Ihr Haus ja das Doppelte wert. Außerdem darf ich darauf hinweisen, dass meine bloße Anwesenheit die Mäuse vertreibt. Das ist eine besondere Begabung von mir. Ich ziehe ein, und alle Mäuse ziehen aus! Auf der Stelle! Ich brauche gar nichts weiter zu tun. Das ist auch noch ein Vorteil für Sie.«

»Dreihundertfünfzig Mark!«, ruft der Maulwisch. »Und

»Okay«, sagt die Katze und lächelt.

»Dann bitte ich, die Summe jeweils am Ersten des Monats auf mein Bankkonto zu überweisen. Es hat mich sehr gefreut. Ich wünsche Ihnen viel Spaß in diesem Haus.« Und danach macht der Maulwisch, dass er wegkommt.

Draußen auf der Straße schüttelt er mehrmals den Kopf. »Das ist ja eine erstaunliche Person! Ein Glück, dass ich gleich gegangen bin. Die hätte mir am Ende das ganze Haus für nichts abgeschwatzt. Da muss man sich ja in Acht nehmen.«

 

Am nächsten Tag geht die Katze auf Arbeitsuche.

»Gibt es hier in der Stadt einen größeren Mühlenbetrieb?«, fragt sie die Leute unterwegs.

»Ja«, sagen die Leute, »in der Butzemannstraße. Da rechts!«

Als die Katze in der Butzemannstraße angekommen ist, geht sie direkt ins Büro vom Mühlenchef. Ihren Hut hat sie auf dem Kopf, und die Handtasche hat sie überm Arm.

»Guten Morgen!«, sagt sie zum Chef. »Sie haben eine Mühle, hör ich. Dann schlafen Sie vermutlich schlecht.«

»Wieso?«

»Wegen der Mäuse. Sie haben Mäusesorgen. Das geht allen Müllern so. Maus im Haus: Schaden im Laden, sagt das Sprichwort. Scharenweise sind die Müller schon ins Elend

»Moment mal!«, sagt der Mühlenchef. »Machen Sie mal ’ne Pause! Sie reden mir ja die Knöpfe von der Jacke. Ich hab ja bereits zwei Katzen! Erfolgreiche Mäusefängerinnen, alle beide! Die eine ist weiß, die andere gescheckt, falls es Sie interessiert.«

»Sehr interessiert mich das«, sagt die Katze. »Zum Beispiel: Was machen Ihre Katzen mit den Mäusen, wenn sie sie gefangen haben?«

»Sie fressen sie. Was denn sonst? Sie ernähren sich davon.«

»Soso! Dann müssen ja immer reichlich Mäuse im Haus sein! Sonst hätten Ihre Katzen ja nicht genug zu fressen. Würden Ihnen die Ohren vollheulen, Tag und Nacht, mit leeren Mägen. Hab ich recht?«

»Jaja«, sagt der Mühlenchef. »Schon möglich.«

»Und so was nennen Sie erfolgreich? Wenn die Mäuse gar nicht weniger werden? – Bei mir ist das vollständig anders. Ich geh nur einmal durchs Haus und schon ist es mäusefrei. Alle Mäuse ziehen aus. Auf der Stelle. Hinterher mach ich nur noch Kontrollgänge. Jeden dritten Tag ungefähr.«

»Donnerwetter!«, staunt der Chef. »Ist das auch wahr?«

»Und Sie fressen die Mäuse gar nicht?«

»Natürlich nicht!!«, ruft die Katze und wird richtig ein bisschen giftig über so viel Dummheit. »Ich fang sie ja gar nicht! Wozu auch? Sie schmecken ja nicht mal! Milchspeisen, Leberpastete, Ei mit Zucker geschlagen, das ist mein Geschmack!«

Jetzt ist der Mühlenchef überzeugt. »Also gut«, sagt er. »Meinetwegen. Fangen Sie an! Aber ohne Verpflegung! Sie sind mir zu leckermäulig. Außerdem hab ich ja noch die beiden anderen Katzen auf dem Hals. Die haben ihr Bestes getan, ich kann sie nicht wegschicken, und jetzt muss ich sie füttern.«

»Dafür können Sie künftig gut schlafen«, sagt die Katze. »Alle Mäusesorgen sind weg. Das ist doch die Sache wert! Übrigens verdienen sich kluge Katzen allemal ihr Essen. Stellen Sie sie in der Küche an! Ich werde Ihren Katzen Kochunterricht geben. Was sagen Sie dazu?«

»Gar nichts. Mir schwirrt der Kopf. Es ist alles so schnell gegangen.«

 

Einige Tage später, morgens früh, als die Katze ihren Kaffee trinkt und nebenbei aus dem Fenster sieht, kommt es ihr vor, als sei irgendetwas zu viel auf dem Hof.

Richtig! Da sitzt jemand! Dicht beim Holzstoß! Ein Huhn!

»Warum schreien Sie denn so?«, ruft die Katze und streckt ihren Kopf aus dem Küchenfenster. »Es ist doch ein hübsches Ei. Meinen Glückwunsch! Es ist Ihnen gut gelungen.«

»Ja? Finden Sie?«, ruft das Huhn zurück. »Ich lege jeden Morgen ein Ei. Wollen Sie dies hier kaufen?«

»Gerne«, ruft die Katze. »Kommen Sie nur herein! Hier durch die Tür! Bringen Sie das Ei gleich mit!«

Das Huhn kommt also in die Küche, und die Katze schenkt ihm Kaffee ein. Und dabei stellen sie sich vor.

»Ich heiße Dudel«, sagt das Huhn. »Marianne Dudel. Man kann aber auch Dudelhuhn zu mir sagen, wenn man will.«

Und danach nehmen sie einen Schluck Kaffee zusammen.

»Was wollen Sie übrigens haben für Ihr Ei?«

»Was gerade im Haus ist. Etwas Nahrhaftes.«

»Wie denken Sie über Weizengrütze?«

»Weizengrütze? Das ist meine Lieblingsspeise!«

 

Das Dudelhuhn bekommt also eine Portion Weizengrütze. Und die Katze schlägt sich das Ei mit Zucker. Und dann schwatzen sie miteinander. Das heißt: Die Katze schwatzt, und das Dudelhuhn kakelt. Aber es klingt wunderbar zusammen.

Es dauert auch nicht lange, da sind sie dicke Freunde. Und noch etwas später, da machen sie schon gemeinsam Pläne.

Man könnte zum Beispiel jeden Tag so ein Tauschgeschäft machen. Der eine mit Ei und der andere mit Grütze. Und wenn man’s richtig bedenkt, kann man gleich ganz zusammenbleiben. Das Haus ist groß und leer, viel zu groß für eine einzelne Katze. Hauptsache, man mag sich!

Das Dudelhuhn geht also gar nicht mehr weg. Im Augenblick hat es sowieso kein Zuhause, ist dauernd auf der Wanderschaft und sehnt sich nach einem ruhigen Plätzchen. Und gemütliche Küchen liebt es über alles, genau wie die Katze. Da auf dem Fensterbrett könnte das Dudelhuhn schlafen. Und morgens legt es das Ei gleich auf den Küchentisch.

Nach dem Frühstück fangen die beiden zusammen an, das Haus zu putzen. Staub klopfen, Staub saugen, Staub wischen.

Das wird ein herrliches Leben, Leute! Die beiden haben sich gesucht und gefunden.

Die Katze wird ganz gerührt bei diesem Gedanken und küsst das Dudelhuhn mitten auf den Schnabel. »Sag du zu mir, Marianne!«

Und das Dudelhuhn küsst hinterher mit dem Schnabel die Katze.

»Au!«, ruft die Katze. »Das sticht!« Und darüber müssen beide so lachen, dass sie sich die Bäuche halten.

Später am Nachmittag hat das Dudelhuhn Lust aufs Kartenspielen. »Kennst du Dreimaldrei-ist-neune?«

Nein. So ein Spiel kennt die Katze nicht.

»Dann musst du es lernen«, sagt das Dudelhuhn. »Aber spielen können wir’s trotzdem nicht. Leider!«

»Warum denn nicht?«

»Man kann es nur zu dreien spielen. Das ist das Schwierige an der Sache. Uns fehlt die dritte Person.«

 

Ein paar Tage darauf, wieder morgens, als die Katze und das Dudelhuhn ihren Kaffee trinken, klopft plötzlich die dritte Person an die Hintertür.

»Herein!«, ruft die Katze. »Wenn’s kein Hund ist!«

Doch. Es ist ein Hund.

Er traut sich also nicht hinein, sondern stellt sich vors Küchenfenster und wartet, bis die Katze und das Dudelhuhn

»Guten Morgen!«, sagt er und legt die Pfote an den Mützenschirm. »Mein Name ist Knaak.«

»Sehr erfreut«, sagt die Katze. »Vermutlich sind Sie zur See gefahren. Man sieht es an Ihrer Mütze.«

»Jawohl«, sagt der Hund. »Tahiti, Rio de Janeiro, Neuseeland, um nur einiges zu nennen. Drei Jahre als Schiffbrüchiger auf den Kürbisinseln. Aber ich habe mich vorige Woche zur Ruhe gesetzt. Suche mir gerade eine kleine Beschäftigung auf dem Lande. Man möchte sich gerne nützlich machen. Aber Sie schätzen ja keine Hunde im Haus, wie man hört.«

»Nein! Ich bitt Sie!«, ruft die Katze. »Glauben Sie doch das nicht! Es war natürlich ein Scherz. Eine Redensart.«

»Dann bin ich beruhigt. Es wird leider viel geredet über unsereinen. Hund und Katz: große Hatz, sagen die Leute. Da darf man sich natürlich nicht wundern, wenn man als Hund schief angesehen wird.«

»Ja. So ist es«, sagt die Katze. »Aber ich pfeif auf das, was die Leute sagen.«

Jetzt bekommt der Hund Mut und hält eine kleine Ansprache. »Ich wollte noch erwähnt haben«, sagt er, »dass ich ein ausgesprochen friedlicher Hund bin. Jedenfalls im Hause. Nicht bei Dieben und Einbrechern. Nachts wach ich mehrmals auf und mach eine Runde ums Haus. Außerdem bin ich handwerklich geschickt. Haben Sie einen Wackelkontakt?

»Nicht im Geringsten!«, rufen Katze und Huhn wie aus einem Mund. »Wir haben ja auch immer das Fenster offen bei dem schönen Wetter.«

»Kennen Sie Dreimaldrei-ist-neune?«, fragt jetzt das Dudelhuhn.

»Ja. Kenn ich«, antwortet der Hund. »Das war zeitweise mein Lieblingsspiel. Ich erinnere mich, wir spielten es einmal auf einer Fahrt ums Kap der Guten Hoffnung. Der Bootsmann, der Koch und ich. Dabei war stürmisches Wetter! Allerdings haben wir meistens verloren.«

»Alle?«, fragt das Dudelhuhn erschrocken. »Alle haben verloren? Aber einer muss doch gewonnen haben! Einer gewinnt doch immer beim Kartenspiel!«

»Einer schon«, sagt der Hund. »Das ist wahr. Aber die andern beiden verlieren. Und wenn das Schiff stark geschwankt hat, mussten wir häufig die Karten fallen lassen. Da hatten wir alle verloren. Wir gaben das Spiel schließlich auf, weil Australien in Sicht kam. Da wollten wir gar nicht hin. Wir waren ganz vom Kurs abgekommen bei der ewigen Kartenspielerei.«

»Dann sind Sie unsere dritte Person, Kapitän!«, ruft die Katze. »Zu zweien kann man’s ja einfach nicht spielen! Wir

Und damit ist Kapitän Knaak schon so gut wie eingezogen.

Im Laufe des Tages holt er seine Seemannskiste. Die hat er in der Molkerei untergestellt. Er ist nämlich mit dem Molkereiwagen gereist, von Bremerhaven nach Stackeln. Mehrmals umgestiegen natürlich, immer von einem Molkereiwagen auf den anderen.

»Und wo wollen Sie schlafen?«, fragt die Katze.

»Unter der Küchenbank, wenn’s den Damen recht ist.«

 

Zwei Wochen vergehen. Das Haus ist geputzt, der Hof gekratzt, der Garten gegraben. Wie bei ordentlichen Leuten.

Eines Nachmittags, als die Katze, das Dudelhuhn und Kapitän Knaak um den Küchentisch sitzen und Karten spielen, kommt der Maulwisch herein.

»Warum macht denn niemand auf?«, sagt er und guckt sauer. »Ich habe fünf Mal an der Vordertür geklingelt! Zum Glück hatte ich die Hausschlüssel bei mir.«

»Oh! Das tut mir leid«, ruft die Katze. »Wir haben die Klingel abgestellt, wissen Sie? Sie macht einen ganz nervös. Warum kommen Sie nicht einfach über den Hof? Wir sind ja sowieso meistens in der Küche.«

»Nervös? Wer klingelt denn dauernd bei Ihnen? In einer so stillen Straße?«

»Eigentlich keiner. Aber schon der Gedanke an die Klingel macht uns ganz krank.«

»Ja. Neuerdings. Wir sind jetzt zu dritt. Ich habe einen regelrechten Hausstand gegründet. Was sagen Sie dazu?«

»Ohne meine Erlaubnis?«

»Ich musste mich schnell entscheiden, und es war ja schließlich in Ihrem Interesse. Das Haus soll ja richtig bewohnt werden. Das ist von einer Person allein unmöglich zu schaffen. Es müssen mindestens drei sein. Eine kleine Familie gewissermaßen. Ich hab mich daher entschlossen, eine Pension aufzumachen. Darf ich vorstellen: Frau Dudel, Herr Knaak.«

»Es ist nicht zu fassen!«, sagt der Maulwisch und setzt sich.

Und dann lobt die Katze ihre Pensionäre.

»Frau Dudel legt jeden Morgen ein Ei, wischt Staub und trocknet Geschirr ab. Und Kapitän Knaak gräbt

»Lose Schuhsohlen?«, knurrt der Maulwisch. »Sie tragen doch gar keine Schuhe.«

»Stimmt! Aber wer weiß? So was kann sich ändern. – Kapitän Knaak ist übrigens zur See gefahren. Das sollte man auch noch erwähnen. Tahiti, Rio de Janeiro, Neuseeland und so weiter. Und auf dem Dachboden hat er eine alte Seemannskiste. Mit Vorhängeschloss. Ich bin überzeugt, da stecken noch Überraschungen drin. Walfischzähne. Alte Seeräuberpistolen. Oder vielleicht der Klabautermann. Hahahaha!«

Und die Katze lacht von ganzem Herzen.

»Hahaha!«, macht der Maulwisch, aber nur aus Höflichkeit. Und dann wird er gleich wieder sauer. »Was ich sagen wollte, Sie haben mir die Miete noch nicht überwiesen. Der Erste ist längst vorbei.«

»Ja«, sagt die Katze, »das ist richtig. Vorbei ist er. Wie unangenehm! Es muss an der Bank liegen.«

»Haben Sie denn überhaupt Geld auf der Bank?«

Die Katze denkt einen Augenblick nach. »Nein«, sagt sie dann und lächelt bezaubernd. »Ich glaube nicht. Ich hab alles abgehoben. Dann liegt es daran.«

»Macht nichts. Sie können’s mir auch bar geben.« Und dabei streckt der Maulwisch die dicke Hand aus.

Die Katze holt ihre Handtasche aus dem Schlafzimmer, sucht nach dem Portemonnaie, öffnet es und sieht hinein.

»Geben Sie’s her!«, knurrt der Maulwisch, nimmt das Geld und geht.

Draußen, auf der Straße, schüttelt er wieder mehrmals mit dem Kopf. »Unglaublich, dieses Mundwerk! Aber spaßig ist sie. Das muss man ihr lassen.«