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Fußnoten

Vgl. etwa seinen Brief an Helene von Nostitz vom 23. Januar 1914, in: Hugo von Hofmannsthal / Helene von Nostitz, Briefwechsel, hrsg. von Oswald von Nostitz, Frankfurt a. M. 1965, S. 129.

Vgl. Mathias Mayer / Julian Werlitz (Hrsg.), Hofmannsthal-Handbuch: Leben – Werk – Wirkung, Stuttgart 2016, S. IX.

Wolfgang Riedel, »Homo Natura«. Literarische Anthropologie um 1900, Berlin / New York 1996, S. 1.

Ernst Osterkamp, »Die Sprache des Schweigens bei Hofmannsthal«, in: Hofmannsthal-Jahrbuch 2 (1994) S. 111137, hier S. 111.

Vgl. dazu H. Stefan Schultz, »Hofmannsthal and Bacon. The sources of the Chandos Letter«, in: Comparative Literature 13 (1961) S. 115, und vor allem Wolfgang Riedel, »Homo Natura«. Literarische Anthropologie um 1900, Berlin / New York 1996, S. 13 f.

Vgl. dazu Philipp Rippel, »Francis Bacons allegorische Revolution des Wissens«, in: Francis Bacon, Weisheit der Alten, aus dem Lat. und Engl. übertragen und mit Anmerkungen versehen von Marina Münkler, Frankfurt a. M. 1990, S. 93127.

Tarot vermutet, dass Hofmannsthal die 1884 erschienene Übersetzung der Schrift De Sapientia Veterum und der Apophthegmata benutzt hat. Vgl. Rolf Tarot, Hugo von Hofmannsthal – Daseinsform und dichterische Struktur, Tübingen 1970, S. 368.

Bomers verweist in diesem Zusammenhang auf die Poesieauffassung Bacons, nach der gilt: »Poesis est genus doctrinae« (»Poesie ist eine Art der Belehrung«). Chandos führe also auf diese Art das Programm seines Lehrers fort (vgl. Jost Bomers, Der Chandos-Brief – Die Nova Poetica Hofmannsthals, Stuttgart 1991, S. 35). Zwar erfüllt das Vorhaben des Lords diese Definition, aber bei ihm hat die Belehrung selbst poetischen Charakter. Bacon betreibt eine Allegorese solcher Texte, formuliert sie aber nicht selbst wiederum als poetischen Text.

Vgl. Friedrich Hölderlin, Über die Verfahrungsweise des poetischen Geistes, in: Ders., Sämtliche Werke. Große Stuttgarter Ausgabe. Bd. VI.1, hrsg. von Friedrich Beißner, Stuttgart 194385, S. 241. Vgl. zu den in der Literatur der Jahrhundertwende immer wieder thematisierten (keineswegs allein an Novalis orientierten) monistischen Vorstellungen Monika Fick, Sinnenwelt und Weltseele. Der psychophysische Monismus in der Literatur der Jahrhundertwende, Tübingen 1993. Zu Hofmannsthal und zum Chandos-Brief vgl. ebd. S. 335353.

Enzyklopädistik: Novalis entwirft in seinem Allgemeinen Brouillon (17981799) den Plan, durch eine Zusammenstellung von Analogien zwischen den einzelnen Wissenschaften eine übergreifende ›höhere‹ Wissenschaft zu entwickeln. »Enzyklopädistik« meint dabei eher die Suche nach einem System. Vgl. dazu: Novalis: Werke. Hrsg. und kommentiert von Gerhard Schulz. 3. Aufl. München 1987. S. 781.

Novalis, Schriften. Die Werke Friedrich von Hardenbergs. Bd. II, dritte, nach den Handschriften erg., erw. und verb. Aufl., hrsg. von Paul Kluckhohn / Richard Samuel [u. a.], Stuttgart 197788, S. 650 f. Vgl. allgemein zu Hofmannsthals Verhältnis zu Novalis: Johannes Endres, »Hofmannsthal und Novalis: Zur Ambivalenz des Erbes«, in: »Blüthenstaub«: Rezeption und Wirkung des Werkes von Novalis, hrsg. von Herbert Uerlings, Tübingen 2000, S. 311337.

Hofmannsthal übernimmt hier offensichtlich Überlegungen Nietzsches. Dieser schreibt in Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne über den menschlichen »Begriffshimmel«: »Man darf hier den Menschen wohl bewundern als ein gewaltiges Baugenie, dem auf beweglichen Fundamenten und gleichsam auf fliessendem Wasser das Aufthürmen eines unendlich complicirten Begriffsdomes gelingt; freilich, um auf solchen Fundamenten Halt zu finden, muss es ein Bau, wie aus Spinnefäden sein, so zart, um von der Welle mit fortgetragen, so fest, um nicht von dem Winde auseinander geblasen zu werden.« (Friedrich Nietzsche, Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne, hrsg., komm. und mit einem Nachwort versehen von Kai Sina, Stuttgart 2015, S. 116 f.) Vgl. allgemein zur Bedeutung dieser Nietzsche-Arbeit für den Brief Mario Zanucchi, »Nietzsches Abhandlung Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne als Quelle von Hofmannsthals Ein Brief«, in: Jahrbuch der deutschen Schiller-Gesellschaft 54 (2010) S. 264290. Mindestens ebenso bedeutsam wie diese Schrift Nietzsches ist die 1873 entstandene Abhandlung Die Philosophie im tragischen Zeitalter der Griechen. Hier finden sich sogar zwei der Beispiele, an denen Chandos seine Unsicherheit demonstriert, nämlich Geist und Körper. Über Parmenides heißt es dort, er habe die »in ihren Folgen verhängnisvolle erste Kritik des Erkenntnisapparats« ›vollzogen‹, als er »die Sinne und die Befähigung, Abstractionen zu denken, also die Vernunft, jäh auseinanderriss; als ob es zwei durchaus getrennte Vermögen seien, hat er den Intellect selbst zertrümmert und zu jener gänzlich irrthümlichen Scheidung von ›Geist‹ und ›Körper‹ aufgemuntert, die, besonders seit Plato, wie ein Fluch auf der Philosophie liegt. […] Nur in den verblasstesten, abgezogensten Allgemeinheiten, in den leeren Hülsen der unbestimmtesten Worte soll jetzt die Wahrheit, wie in einem Gehäuse aus Spinnefäden, wohnen […].« (Friedrich Nietzsche, Werke. Bd. X: Schriften und Entwürfe 1872 bis 1876, Leipzig 1896, S. 53 f.; in diesem Band findet sich auch die Abhandlung Über Wahrheit und Lüge).

So kann man natürlich der Überzeugung sein, dass keine Sprache die ›Eigenschaften‹ Gottes angemessen zu beschreiben vermag, aber gleichwohl an Gott als höchster Sinninstanz festhalten.

Wolfgang Riedel spricht in diesem Zusammenhang von einer Krise der Begriffssprache (vgl. Wolfgang Riedel, »Homo Natura« – s. Anm. 3 – S. 3 f.). Damit hat sich der performative Widerspruch zwischen der Behauptung einer Sprachkrise und ihrer wortmächtigen Darstellung weitestgehend erledigt. Ein Widerspruch wäre es allenfalls dann, wenn Chandos theoretisch-begrifflich orientierte Interpretationen seines Zustands präsentieren würde.

Es kann kein Zweifel sein, dass auch hier Friedrich Nietzsche Pate gestanden hat. So wird im Abschnitt »Die vier großen Irrthümer« aus der Götzen-Dämmerung etwa vom »Irrthum einer falschen Ursächlichkeit« gehandelt: »Das sogenannte ›Motiv‹: ein andrer Irrthum. Bloss ein Oberflächenphänomen des Bewusstseins, ein Nebenher der That, das eher noch die antecedentia [also die Vorbedingungen] einer That verdeckt, als dass es sie darstellt. Und gar das Ich! Das ist zur Fabel geworden, zur Fiktion, zum Wortspiel: das hat ganz und gar aufgehört, zu denken, zu fühlen und zu wollen!« (Friedrich Nietzsche, Die Götzen-Dämmerung, in: Ders., Kritische Studienausgabe. Bd. II, hrsg. von Giorgio Colli / Mazzino Montinari, München 1999, S. 909 f.)

Hugo von Hofmannsthal, Sämtliche Werke. Bd. 37: Aphoristisches, Autobiographisches, Frühe Romanpläne, hrsg. von Rudolf Hirsch / Anne Bohnenkamp [u.a.], Frankfurt a. M. 2015, S. 136.

Vgl. dazu allgemein Karl-Heinz Bohrer, Zur Vorgeschichte des Plötzlichen. Die Generation des ›gefährlichen Augenblicks‹, in: Ders., Plötzlichkeit. Zum Augenblick des ästhetischen Scheins, Frankfurt a. M. 1981, S. 4367, bes. S. 54 f.

Vgl. zur Komposition dieser Passage und ihrer mythologischen Reminiszenzen Timo Günther, Hofmannsthal: »Ein Brief«, München 2004, S. 39 f.

Vgl. Friedrich Nietzsche, Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben, hrsg. von Günther Figal, Stuttgart 2009, S. 8 f.: »Dies zu sehen geht dem Menschen hart ein, weil er seines Menschenthums sich vor dem Thiere brüstet und doch nach seinem Glücke eifersüchtig hinblickt – denn das will er allein, gleich dem Thiere weder überdrüssig noch unter Schmerzen leben, und will es doch vergebens, weil er es nicht will wie das Thier. Der Mensch fragt wohl einmal das Thier: warum redest du mir nicht von deinem Glücke und siehst mich nur an? Das Thier will auch antworten und sagen, das kommt daher dass ich immer gleich vergesse, was ich sagen wollte – da vergass es aber auch schon diese Antwort und schwieg: so dass der Mensch sich darob verwunderte.« Oder: »Dann sagt der Mensch ›ich erinnere mich‹ und beneidet das Thier, welches sofort vergisst und jeden Augenblick wirklich sterben, in Nebel und Nacht zurücksinken und auf immer erlöschen sieht. So lebt das Thier unhistorisch: denn es geht auf in der Gegenwart, wie eine Zahl, ohne dass ein wunderlicher Bruch übrig bleibt, es weiss sich nicht zu verstellen, verbirgt nichts und erscheint in jedem Momente ganz und gar als das was es ist, kann also gar nicht anders sein als ehrlich. Der Mensch hingegen stemmt sich gegen die grosse und immer grössere Last des Vergangenen: diese drückt ihn nieder oder beugt ihn seitwärts, diese beschwert seinen Gang als eine unsichtbare und dunkle Bürde, welche er zum Scheine einmal verläugnen kann, und welche er im Umgange mit seines Gleichen gar zu gern verläugnet: um ihren Neid zu wecken. Deshalb ergreift es ihn, als ob er eines verlorenen Paradieses gedächte, die weidende Heerde oder, in vertrauterer Nähe, das Kind zu sehen, das noch nichts Vergangenes zu verläugnen hat [...].« (Ebd., S. 9 f.)