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Maria Kleinmeister

Ein Tolpatsch findet die Liebe





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Vorwort

 

 

Bevor ich euch meine eigentliche Geschichte erzähle, hier noch ein kurzer Überblick. Ich heiße Sonja, bin achtundzwanzig Jahre alt, kleine 1,68m groß, habe stahlblaue Augen und straßenköterblonde, schulterlange Haare. Bin im großen und ganzen eher eine graue Maus, fühle mich trotz alledem so wie ich bin pudelwohl. Seit vier Wochen arbeite ich nun schon in dem Verlag M+T (Mode + Tageszeitung) oder auch ‚Max Tanner‘, er ist der Senior-Inhaber. Wie schon der Name sagt, gibt es hier nicht nur Modezeitschriften und Tageszeitungen, sondern auch Comics und Wochenzeitungen und so weiter. Mein Traum war es schon immer als Journalistin für das Tagblatt zu schreiben.

 

Ich wollte spannende Ereignisse, ebenso Tatsachenberichte aus unserer Umgebung schreiben. Hätte auch nichts dagegen, die Art von Artikel zu verfassen, die über die Vorkommnisse in und aus der Welt berichten. Genau das wäre mein Lebenstraum gewesen. Auch Erfahrungsberichte über die Machtspiele, welche von den Banden- kriegen ausgehen. Interessant wären ebenfalls die Euro-Krisen, mitsamt den politischen Steuerverschwendungen. Oder wie wäre es mit den sklavenähnlichen Verhältnissen, die sich vor unserer eigenen Haustür abspielen, wenn nicht sogar in den eigenen vier Wänden. Das wäre zumindest bei meinem Einstellungsgespräch der Plan gewesen.

 

Es begann vor vier Wochen, es war ein weiterer schöner Sommertag. Meine Vorfreude auf das Vorstellungsgespräch wuchs, bis meine Mutter anrief. Ab da ging alles drunter und drüber. Was soll ich sagen, dieser Tag und die darauffolgenden waren mein zweitschlimmster Albtraum. Ich kam zu spät zu meinem wichtigsten Termin. Und dann schnappte mir auch noch so ein Mistkerl von Schönling meinen Traumjob weg. Und zu meinem Pech kam noch hinzu, dass ich stattdessen in der Abteilung für Mode und Kosmetik gelandet war. Gerade ich, wo ich keine Ahnung von dem ganzen Kram habe. Wenn ich geahnt hätte, die ich hier lande, hätte ich mir vielleicht dreimal überlegt, ob ich nicht doch besser im Bett geblieben wäre. Nur dann hätte ich nicht das Wichtigste im Leben gefunden. Aber ich greife vor ...

Wie alles begann ...

 

Für mein Vorstellungsgespräch wollte ich ganz besonders gut aussehen. Dafür wählte ich eine Haartönung in dunkelrot, um richtig verführerisch und sexy auszusehen. Dies war auch die Meinung meiner besten Freundin Caro. Sie war gerade mal wieder im Lande und wollte unbedingt mitkommen, um mich dabei zu beraten. Wir fuhren in die Stadt und besorgten für mich extra ein schickes Kostüm. Wir waren stundenlang von einem Modegeschäft ins nächste geflitzt. In jedem hatte ich unzählige Kleider, Hosenanzüge und Kostüme anprobiert, um endlich im siebten Geschäft einen Traum in weiß und schwarz zu entdecken.

 

Es war ein Blazer und ein passender, knielanger Rock in cremeweiß mit schwarzen Nadelstreifen. Dazu die passenden High Heels mit acht Zentimeter Absatz. In diesen mörderischen Schuhen konnte ich zwar überhaupt nicht laufen, aber Caro meinte, ich hätte ja noch einen Tag zum Üben. Die hatte gut reden, sie lief ja jeden Tag in solchen Schuhen herum.

Leider musste sie am nächsten Tag wieder nach Frankreich auf eine Architektenkonferenz. Sie ist Architektin und im Thema Häuserplanung eine geniale Koryphäe. Darum wurde sie für ganz spezielle Aufträge gerne gebucht, was auch der Grund war, warum sie ständig beruflich unterwegs war. Zu meinem Leidwesen sahen wir uns dadurch nur sehr selten.

An diesem Abend ging ich extra zeitig ins Bett, um pünktlich bei dem Vorstellungsgespräch einen guten Eindruck zu hinterlassen. Jeder sagt ja immer, der erste Eindruck ist der entscheidende, oder so ähnlich. Die Aufregung wegen des kommenden Tages machte mir einen Strich durch die Rechnung, erst gegen vier Uhr morgens war ich eingeschlafen. Gegen sieben Uhr klingelte mein Wecker. Hundemüde schlug ich nach dem Störenfried. Gähnend blinzelte ich auf die Uhr…, was, schon aufstehen? War doch gerade erst eingeschlafen.

Halb ausgeschlafen schlich ich ins Bad, um mich für den wichtigen Termin aufzuhübschen. Routiniert nahm ich die Haartönung, die schon auf dem Waschbecken bereitstand. Mischte die Komponenten zusammen, verteilte sie in meinen straßenköterblonden Haaren und stellte die Eieruhr auf 30 Minuten. Während die rote Farbe einwirken sollte, wollte ich frühstücken und gemütlich einen Kaffee trinken.

Auf einmal klingelte das Telefon, und meine Mutter war dran. Ach, wäre ich doch nie ans Telefon gegangen. Sie sprach immer wie ein Wasserfall, bei ihr kam man nur zu Wort, wenn sie mal Luft holte. Selbst das klang immer wie das Röcheln einer Kettenraucherin. Sogar in den Pausen, wenn meine Mutter Luft holte, musste man ganz schnell mit dem Sprechen sein.

„Hallo mein Kind, hab ich dich geweckt?“

„Nein Mama, wollte ge…“, weiter kam ich nicht.

 

Schon fing sie an, und der Wasserfall rauschte über meinen Gehörgang hinweg. Wie immer ging es um meine kleine Schwester. Sie hatte sich im letzten Monat verlobt, und die zwei wollten bald heiraten. Meine Mutter war deswegen ganz aus dem Häuschen und viel aufgeregter als Lisa, meine Schwester. Ja, meine kleine, perfekte Schwester und ihr perfekter Verlobter, die waren schon ein seltsames Paar. Ich würde ihren Macker nicht geschenkt haben wollen. Außer ich darf vor dem Traualtar ganz laut und deutlich ‚nein‘ sagen. Und anschließend langsam hinausstolzieren, dabei in die verdutzten Gesichter der Gäste blicken. Sowas wollte ich schon immer mal tun.

 

Während des Telefonates überhörte ich die Eieruhr für die Einwirkzeit meiner Tönung. Als meine Mutter auf die Hochsteckfrisur samt Schleier meiner Schwester zu sprechen kam, schreckte ich hoch.

"Ähm… sorry Mama… ich muss mich fertigmachen, hab doch gleich das wichtige Vorstellungsgespräch.“

„Ja, mein Kind, streng dich an, dass du den Job sicher bekommst. Du kommst doch am Sonntag zum Mittagessen zu uns? Deine Schwester Lisa und ihr Verlobter Robert sind auch da.“

„Och Mama… hatte da schon…“

„Sonja, willst du uns den Sonntag vermiesen?“, jammerte sie wie ein sterbender Schwan, dass man einfach nicht absagen sagen konnte.

„Nein, Mama…“, seufzte ich ergeben.

„Ihr könnt euch dann wegen der Brautjungfernkleider besprechen. Rosé wäre doch ganz schick.“

Oh Hilfe, bloß nicht Rosé, eine schlimmere Farbe gibt es nicht. „Ich bin am Sonntag da.“ Schnell legte ich auf, damit ich mir nicht noch eine Tirade über meine Kleidung anhören musste oder über das, was ich am Sonntag anziehen sollte. Schnell lief ich ins Bad, um mir die Tönung aus den Haaren zu waschen und sie zu föhnen. Ein Blick in den Spiegel… und ich ließ vor Schreck einen lauten Schrei los. „Ah… Sch…“

Meine Haare waren nicht bordeauxrot wie auf der Packung beschrieben, sondern babyrosa. Wie konnte das nur passieren. Das sollte ein verführerisches Rot werden und kein babyrosa. Mit dem cremeweißen Kostüm sah ich ja jetzt aus wie ein Parfait mit Schlagsahne. Ich muss mich verbessern, es gab eine noch schlimmere Farbe als Rosé, und das war meine jetzige Haarfarbe. Mist, und jetzt hatte ich auch keine Zeit mehr, um es noch zu ändern.

 

Verstört kramte ich im Kleiderschrank nach einem dunklen Schal oder Kopftuch, um die Haare darunter zu verbergen. Trotz der 30°, die draußen allmählich herrschten, schlüpfte ich in das Kostüm und die High Heels, die zwar modisch schick, aber nicht gerade bequem waren. Ich sehnte mich nach meinen Sneakern, die gut eingelaufen und super bequem waren. Ein Blick auf die Uhr sagte mir, ich hatte 30 Minuten bis zu meinem 10-Uhr-Termin. Sehr gut, dann schaffte ich ihn doch noch rechtzeitig. Mit einem letzten prüfenden Blick in den Spiegel, der neben der Garderobe hing… „ja, das müsste so gehen“… stöckelte ich nun das Treppenhaus hinunter zu meinem Wagen.

 

Endlich im Auto, steckte ich den Schlüssel ins Zündschloss und … es passierte nichts, bis auf ein komisches Ruckeln und Pfeifen. Ich versuchte es einige Male und mit gutem Zureden: „Komm, mein Kleiner, lass mich jetzt nicht in Stich… Bitte…“

Aber alles Bitten und Flehen half nicht. Der Wagen wollte einfach  nicht anspringen, und nun erlosch auch noch die Anzeige am Armaturenbrett. Ganz Klasse…

Scheinbar hatte die Batterie oder die Lichtmaschine das Zeitliche gesegnet. Verärgert stieg ich wieder aus und schloss ab. Kurz entschlossen nahm ich mein Handy und überlegte. Caro brauchte ich nicht anzurufen, die war ja heute nicht erreichbar und würde erst übermorgen wieder aus Frankreich von der Architektenkonferenz zurückkommen. Also rief ich mir ein Taxi. Die Dame am anderen Ende meinte, in 30 Minuten sei das nächste Taxi frei.

Ich schaute auf die Uhr. Noch 22 Minuten. Ich käme also viel zu spät. So sprintete ich in meinen neuen High Heels zwei Blocks weiter zur Bushaltestelle. Dort sah ich, wie eben der Bus in die Haltestelle einfuhr. Nun hatte ich echt mal Glück, er wartete auf mich, als ich dem Fahrer zurief: „Halt, ich will auch noch mit!“ Meine Füße brannten schon nach dem schnellen Spurt wie Feuer. Deshalb freute ich mich, dass ich für wenige Minuten einen Sitzplatz ergattert hatte. So konnten sich meine leidenden Füße etwas erholen.

Sechs Haltestationen weiter stieg ich aus. Kaum stand ich auf dem Gehweg, musste ich einer jungen Mutter mitsamt Kinderwagen ausweichen. Der Schritt zurück war ein Fehler, dabei blieb ich mit einem Absatz im Gullydeckel hängen, knickte um und… der Absatz brach ab. Er steckte, getrennt von mir und meinem Schuh, in dem kleinen Loch fest. Verzweifelt versuchte ich, ihn rauszuziehen, er jedoch weigerte sich vehement.

Ein pickeliger Junge um die fünfzehn Jahre in schlabbriger Jeans und übergroßem Shirt mit einem Kaffee-to-go-Becher kam auf mich zugeschlendert und grinste mich belustigt an. Wie ich mich hier zum Esel machte. Ich schaute grimmig zu ihm auf, als er, seinen Kaffee schlürfend, neben mir stehen blieb und fragte: „Kann ich Ihnen helfen, Miss?“

Ich erhob mich und übersah dabei seine rechte Hand mit dem Kaffeebecher, den ich schwungvoll mit meinem Arm streifte. Mit einem kaum hörbaren Geräusch fiel ihm der Becher aus der Hand, und der Kaffee floss über mein cremeweißes Kostüm. Ah… Na toll, jetzt gab es zum Parfait mit Schlagsahne auch noch Kaffee. Wo bekomme ich jetzt so kurzfristig was Frisches zum Anziehen her? Ein Blick auf die Uhr sagte mir, dass ich keine Zeit mehr zum Umziehen hatte. Ich musste so einen verzweifelten Anblick geboten haben, dass mich der junge Mann total verdattert und belustigt ansah und sich erbarmte. Er bückte sich, holte meinen Absatz aus dem Gullydeckel und reichte ihn mir.

„Hier bitte, Miss, sorry für den Kaffeefleck“, schulterzuckend verzog er leicht den Mund. Oh, der Bursche hatte doch etwas Anstand. Nur das half mir jetzt auch nicht weiter.

„Ja, schon gut, kann jetzt eh nichts mehr dran ändern. Ich muss leider weiter, und habe es eilig. Danke, dass du mir den Absatz rausgezogen hast.“ Ich nahm den Schuhabsatz entgegen.

„Keine Ursache, Miss“, grinsend schlenderte der Teeny weiter. Ich drehte mich um und lief, besser gesagt, humpelte, mit nur einem intakten Schuh zum Verlag. Die Fußgänger, die mir begegneten, sahen mich komisch an, eine ältere Dame fragte sogar, ob ich überfallen worden sei. Sah ich wirklich so schlimm aus? Ich verneinte die Frage und lief rasch weiter.

 

Endlich vor dem Verlag angekommen, stand ich etwas unschlüssig vor den heiligen Toren meines Traumjobs. Kurz überlegte ich, ob ich in diesem Zustand reingehen sollte. Oder doch besser wieder nach Hause ins Bett gehen und die Decke über den Kopf ziehen? Jetzt war eh schon alles egal, ich nahm jeden Funken Mut zusammen und ging trotz des Debakels hinein.

Die Eingangshalle war sehr imposant, große Glasflächen zeigten zur Straße. Im vorderen Bereich war der Empfang und rechts daneben die Fahrstühle, von denen drei zu sehen waren. Links ging es zu einem Konferenzraum, davor stand ein Wegweiser, dieser zeigte in Richtung einer Kantine.

Aufmerksam sah ich mich ganz erstaunt um, bis ich ein leises Räuspern hörte. Verwirrt drehte ich mich in die Richtung, aus der das Geräusch kam, es war die Dame am Empfang. Als ich etwas verschämt wegen meines Aufzugs auf sie zuging, rümpfte sie die Nase und sah mich leicht verächtlich an.

Aber ich hob tapfer den Kopf und sagte: „Ich bin Sonja Seidel und habe einen Termin bei Frau Meißner.“

„Einen Moment“, sagte sie mit heller Stimme. Kurz darauf meinte sie: „Tut mir leid, aber Frau Meißner ist gerade in einer wichtigen Besprechung.“

„Ich weiß! Hätte ja jetzt mein Vorstellungsgespräch. Könnte ich bitte trotz Verspätung kurz mit ihr reden?“ Ihr Namensschild wies die Empfangsdame als ´Mara Mayer` aus. „Bitte, Frau Mayer, lassen Sie mich zu Frau Meißner vor.“

Frau Mayers prüfender Blick senkte sich erneut auf ihren Bildschirm, dann meinte sie: „Tut mir wirklich leid, Frau Seidel, aber die Stelle ist bereits vergeben.“

Die Fahrstuhltüren glitten auf, und Frau Meißner trat freudestrahlend mit einem gutaussehenden Mann aus dem Lift. Ich hörte, wie sie zu ihm sagte: „Es freut mich sehr und auf eine gute Zusammenarbeit, Herr Bayer.“

Neiiin, das durfte doch nicht wahr sein! Jetzt hatte so ein Möchtegernjournalist meinen Job bekommen? Wie soll ich das nur meiner Mutter erklären, dass ich diesen Job nicht bekommen habe. Ich kann sie jetzt schon wieder reden hören: Schau dir deine Schwester an, wie erfolgreich sie mit ihrer eigenen Kleider- Boutique ist. Du schaffst es nicht einmal, für ein Bewerbungsgespräch pünktlich anwesend zu sein.

 

Ja, meine kleine Schwester hat einen kleinen Klamottenladen für Kleidergrößen 32 bis 40. Wer kann da schon einkaufen gehen? Barbie?

Ich starrte die beiden an, wie Frau Meißner ihm lachend und freudestrahlend die Hand reichte. Der Mann nickte und ergriff sie.

Der neue Job

 

Besonders die Meißner schaute diesen Herrn Bayer mit gierigen Augen an. Sie zog ihn regelrecht mit ihren Blicken aus. Er lächelte sie ja auch zu charmant an… ich könnte… arg…

Dann drehte er sich um, und unsere Blicke trafen sich. Wow, der Typ sah echt heiß aus und erst seine… Wahnsinn, was hat der für schöne Augen! Er dürfte anfang- bis Mitte dreißig sein. Auch sein Körper, der in legeren Jeans, einem Shirt und Sakko steckte, konnte sich ebenfalls sehen lassen. Er war gut einen Kopf größer als ich, schlank mit breiten Schultern. Der Traum von vielen Frauen.

 

Plötzlich fiel mir mein Aufzug wieder ein. Gleichzeitig merkte ich, wie es in mir glühend heiß wurde vor Scham. Ich sah bestimmt megaschaurig aus, wie ein Flaschengeist, der sich verflogen hatte. Mit jeder Menge Kaffeeflecken auf dem Kostüm, mit nur einem Schuh an den Füßen und… oh je... mein Tuch auf dem Kopf war auch verrutscht, und meine babyrosa Haare lugten hervor. Ich stand auf der Stelle wie versteinert da und lief feuerlöscherrot an. Hilfe, nein, wieso kommt er ausgerechnet jetzt zu mir her? Mist, wo ist das nächste Mauseloch, wo ich mich verstecken kann?

Mit seiner melodischen und tiefen Stimme sprach er mich leicht amüsiert an. „Hm, nette Haarfarbe, welcher Farbton ist das? Der würde auch gut in meine Küche passen.“

Erst jetzt wachte ich aus meiner Schockstarre auf und fuhr ihn megawütend an. Nicht nur, dass er den Job bekommen hatte, den ICH wollte, nein, er flirtete eben auch noch mit Frau Meißner. Moment, das klang ja fast so, als ob ich eifersüchtig wäre. So ein Blödsinn, ich bin doch nicht eifersüchtig? Nein, auf den ganz gewiss nicht.

Darum antwortete ich spitz: „Die Farbe heißt wildkatzenrosa, ist eine Spezialmischung.“
Herr Bayer sah mich erstaunt an und lachte amüsiert auf. „Sind Sie denn eine Wildkatze?“ Musste er ausgerechnet auch noch ein sehr charmantes Lachen besitzen?

„Ich antworte nicht auf solche Fragen“, gab ich verschnupft zurück.

„Schade, aber das würde ich selber gerne herausfinden. Sowas macht mich erst richtig neugierig“, raunte er mir leise zu. Grinsend drehte er sich um und ging Richtung Ausgang.

So ein Idiot… Ich sah ihm gerade hinterher, als mein Blick auf seinen knackigen Hintern fiel… mhm… er war echt ein Sahnestückchen. Nur leider war der nichts für mich. Denn welcher Typ von seiner Klasse würde sich mit einer kleinen grauen Maus abgeben, wenn er mehr als drei graue Zellen im Kopf hat, nämlich keiner.

„Wer sind Sie denn?“, hörte ich, eine weibliche Stimme fragen. Ich drehte mich langsam zu dieser um, und Frau Meißner stand genau vor mir. Sie war eine Frau Mitte vierzig und in ihrem Kostüm perfekt gestylt. Sie musterte meine Aufmachung und zog angewidert ihre kleine, perfekte Nase kraus.

„Oh… Guten Tag, Frau Meißner… Ich hatte auf dem Herweg einen kleinen Unfall.“ Vergeblich versuchte ich, einen lässigen und selbstbewussten Eindruck abzugeben. Leider gelang es mir nicht so ganz wie erhofft. Wenn ich mir ihren Gesichtsausdruck so betrachtete. „Ich bin Sonja Seidel, wir hatten heute einen Termin wegen der Journalistenstelle.“

„Ah ja, genau. Ich hatte Sie früher erwartet, Frau Seidel. Tut mir leid, die Stelle ist bereits vergeben.“ Sie musterte mich noch kritischer. „Ich hätte allerdings eine andere Stelle, in einer Abteilung, die wie maßgeschneidert zu Ihnen passen würde. Letzte Woche ist eine Kollegin aus bestimmten Gründen gegangen. Der Posten wäre somit frei. Weil Ihre Bewerbungsunterlagen so vielversprechend aussahen, könnte ich mir vorstellen, Ihnen diese andere Stelle anzubieten“, überlegte sie laut.

„Ja?“ Etwas enttäuscht, aber doch glücklich, einen Fuß in die heiligen Hallen zu bekommen, jubilierte mein kleines Herz. Ich ließ es mir jedoch nicht anmerken und versuchte mein Pokerface beizubehalten.

„Ja, und zwar für die Kolumnen der Frauenzeitschrift „Die Frau von Morgen“. Denn Sie selbst könnten auch etwas mehr Stil ganz gut gebrauchen.“

War das jetzt als Beleidigung gemeint? Lieber nicht so genau darüber nachdenken. Laut sagte ich: „Wie würde meine zukünftige Aufgabe so aussehen? Und für welche Abteilung dürfte ich dann schreiben?“

„Wie schon gesagt, die Zeitschrift heißt: „Die Frau von Morgen“. Darin würden wir jeden Monat einen Artikel rausbringen über die Bedürfnisse und Wünsche der Frau. Von Make-up-Tipps, Mode, Schuhen oder Haar- Extension in den Achselhöhlen. Sie schreiben einfach nette Geschichten über das, was Frauen wollen. Es soll eine neue Rubrik in unserem Magazin werden, um es etwas aufzupeppen, damit wir zeigen können, wir sind besser als die Konkurrenz.“

Ich sah sie mit ganz großen Augen etwas verschreckt an. „Haar- Extension in den Achselhöhlen? Auf sowas stehen Frauen?“, fragte ich skeptisch.

Sie lachte nur. „Also, wollen Sie den Job oder nicht?“

Etwas unsicher willigte ich ein: „Ja, gern.“ Ich versuchte ein Lächeln, das bestimmt sehr kläglich ausfiel.

„Gut, dann kommen Sie morgen pünktlich um 9 Uhr in mein Büro, und ich zeige Ihnen alles. Aber diesmal ordentlich gekleidet.“

Ich nickte: „Ja, und Entschuldigung für meinen misslungenen Aufzug“.

Sie wandte sich um mit den Worten: „Das können Sie morgen ja wieder wettmachen mit einem adretten Erscheinungsbild und Pünktlichkeit.“ Mit einem geschmeidigen Gang schritt sie wieder zurück zum Lift.

Was war das eben? Erst dachte ich: es kann nicht sein, dass mir jemand meinen Traumjob vor der Nase wegschnappt. Und jetzt? …Ich glaub es kaum … ab morgen fange ich hier beim M+T Verlag an. Ich hab wieder einen Job. In mir kribbelte alles vor Freude. Am liebsten würde ich jetzt tanzen und die ganze Welt umarmen, aber das lasse ich besser. Sonst falle ich bei der Empfangsdame noch mehr in Ungnade.

Trotz der Freude stand ich verdattert einige Minuten da, bis die Dame vom Empfang mich aus dem Freudentaumel riss: „Na, jetzt haben Sie es doch noch geschafft, Glückwunsch.“

Ihr Lächeln erreichte ihre Augen nicht, ihr Blick versprühte eher eisige Kälte. „Ja, vielen Dank“, sagte ich dennoch freudestrahlend. Meine gute Laune konnte sie mir nicht verderben. Schwungvoll drehte ich mich um und humpelte mit nur einem Schuh hinaus auf den Gehweg.

Draußen atmete ich erst einmal richtig durch. Mit einem letzten Blick auf die Türe und dem innerlichen Freudentaumel „Ja, geschafft“, zog ich mir meinen anderen Schuh aus. Barfuß schwebte ich geradewegs zurück zur Bushaltestelle.

Auf dem Weg nach Hause ging mir der Vormittag erneut durch den Kopf. Ich seufzte: „Was für ein Tag.“ Nach so vielen Pannen und Missgeschicken hatte es heute doch noch eine glückliche Wendung gegeben.
Zu Hause angekommen machte ich gleich einen Termin beim Frisör, um meine Haare wieder in einen normalen Zustand bringen zu lassen. Das hätte ich besser gleich tun sollen.

Notiz an mich: Lieber sofort zum Profi gehen.

Ich bekam zum Glück auch umgehend einen Termin. Glück? Wo kam das denn auf einmal her? Egal, es fühlte sich jedenfalls sehr gut an, hoffentlich blieb es ein bisschen länger bei mir. Hatte vorher sogar noch etwas Zeit, um mich umzuziehen. Endlich wieder in Cargo-Jeans, Top und ausgelatschten Turnschuhen, rief ich die Werkstatt an, die mein Auto abholen sollte. Dann machte ich mich auf den Weg, um das letzte Missgeschick des Tages zu beseitigen.

Die Frisörin schlug die Hände über dem Kopf zusammen.

„Meine Liebe, wer hat Ihnen das nur angetan, na, der hatte aber einen schlechten Sinn für Humor. Sie sehen aus wie ein explodierter rosa Lolli“, sagte Rita, meine Frisörin des Vertrauens. Dabei zog sie eine ihrer perfekt gezupften Augenbrauen bis fast an den Haaransatz nach oben. Ich fand das jedes Mal aufs Neue erstaunlich, wie Rita das schaffte. Genau wie Caro, sie beherrschte den Trick ebenfalls. Hatte das mit dem einseitigen Augenbraunhochziehen auch schon x-mal versucht. Bei mir klappte es einfach nicht, es gingen jedes Mal beide mit hoch.

Rita ist eine hochgewachsene etwa 1,80m große, dunkelhäutige, rassige Brasilianerin. Sie lebt schon seit ihrer Kindheit im schönen Allgäu. Leidenschaftlich trägt Rita in ihrem Salon bunte wallende Kleider. Heute hat sie ein gelbgrünes (in den Landesfarben) Chiffonkleid an. Ihre dunklen Augen blitzen immer vor Freude, wenn sie an die Arbeit geht. Haareschneiden, Schminken und Stylen sind ihre Passion. Es fasziniert mich jedes Mal aufs Neue, wie sie den Kamm und die Schere schwingt, bis sie die perfekte Frisur vollendet hat, die zu dem jeweiligen Typ passt.

„Ja, es war heute einfach nicht mein Vormittag“, stimmte ich ihr zu.

Mitfühlend lächelte sie mich im Spiegel an: „Keine Sorge meine Liebe, das bekommen wir wieder hin.“

„Hoffentlich, morgen hab ich einen wichtigen Tag.“

„Haben Sie ein Date?“

„Nein, ich fange morgen bei meiner neuen Arbeitsstelle an, in einer Agentur.“

„Na, da müssen Sie natürlich perfekt aussehen, mal überlegen… Welcher Farbton passt am besten zu Ihnen? Mhm … ja… Cappuccino, der würde gut zu Ihren dunklen blauen Augen passen.“

„Cappuccino?“, fragte ich. „Also, den würde ich lieber trinken, anstatt ihn in den Haaren herumzutragen.“

Sie kicherte: „Nein, meine Liebe, das ist der Farbton, nicht das Getränk. Sarah, bringst du unserer Kundin bitte einen Cappuccino zum Trinken?“, rief Rita ihrer Kollegin zu.

„Ja, gerne“, klang es aus dem Nebenraum.

„Das ist aber nett, danke.“ Voller Vorfreude auf einen Kaffee beobachtete ich Rita, wie sie aus einer Vielzahl von Kartonstreifen einen passende Farbton aussuchte.

„Sehen Sie, so sieht der Farbton aus. Und wie gefällt er Ihnen?“ Sie reichte mir einen Papierstreifen, auf dem viele verschiedene farbenfrohe Haarbüschel aufgeklebt waren. Ihr Finger zeigte auf einen der dunkelblonden, über dem Cappuccino stand.

„Ja, die Farbe sieht gut aus.“

„Gut, dann bekommen Sie diese.“

Dreieinhalb Stunden später und 80 Euro weniger im Geldbeutel stand ich nach meiner Umwandlung auf dem Gehweg. Im Laden nebenan sah ich eine Sonnenbrille in der Auslage liegen, die mir auf Anhieb sehr gut gefiel. Zur Feier des Tages ging ich hinein und gönnte mir diese, die stolze 120 Euro kostete. Egal, das Leben konnte so schön sein. Kurz darauf stand ich wieder auf dem Gehweg. Dort brannte die Sonne heiß herunter, so beschloss ich spontan, ins nächste Café zu gehen. Ich nahm an einem Tisch Platz und bestellte mir einen Kaffee.

Was für ein wunderschöner Sommertag, ich hab wieder einen Job. Ist das Leben nicht schön? Es ist zwar nicht die Arbeit, die ich eigentlich wollte, aber jetzt konnte ich beweisen, dass ich besser bin als dieser eingebildete Schönling. Wer weiß, vielleicht bekomme ich in naher Zukunft doch noch meinen Traumjob. Die Chance steht genau vor mir, jetzt musste ich sie nur noch ergreifen und festhalten. Mit einem Finger schob ich mir meine neue Sonnenbrille auf der Nase zurecht und genoss die Sonne sowie endlich auch meinen verdienten Kaffee.

Plötzlich sprach mich eine sanfte männliche Stimme an.

„Ist der Platz hier noch frei?“