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Michael Bohne
Sabine Ebersberger
(Hrsg.)

Synergien nutzen
mit PEP

Die integrative Kompetenz
der Prozess- und Embodimentfokussierten
Psychologie
in Psychotherapie, Beratung
und Coaching

2019

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Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats des Carl-Auer Verlags:

Prof. Dr. Rolf Arnold (Kaiserslautern)

Prof. Dr. Dirk Baecker (Witten/Herdecke)

Prof. Dr. Ulrich Clement (Heidelberg)

Prof. Dr. Jörg Fengler (Köln)

Dr. Barbara Heitger (Wien)

Prof. Dr. Johannes Herwig-Lempp (Merseburg)

Prof. Dr. Bruno Hildenbrand (Jena)

Prof. Dr. Karl L. Holtz (Heidelberg)

Prof. Dr. Heiko Kleve (Witten/Herdecke)

Dr. Roswita Königswieser (Wien)

Prof. Dr. Jürgen Kriz (Osnabrück)

Prof. Dr. Friedebert Kröger (Heidelberg)

Tom Levold (Köln)

Dr. Kurt Ludewig (Münster)

Dr. Burkhard Peter (München)

Prof. Dr. Bernhard Pörksen (Tübingen)

Prof. Dr. Kersten Reich (Köln)

Prof. Dr. Wolf Ritscher (Esslingen)

Dr. Wilhelm Rotthaus (Bergheim bei Köln)

Prof. Dr. Arist von Schlippe (Witten/Herdecke)

Dr. Gunther Schmidt (Heidelberg)

Prof. Dr. Siegfried J. Schmidt (Münster)

Jakob R. Schneider (München)

Prof. Dr. Jochen Schweitzer (Heidelberg)

Prof. Dr. Fritz B. Simon (Berlin)

Dr. Therese Steiner (Embrach)

Prof. Dr. Dr. Helm Stierlin (Heidelberg)

Karsten Trebesch (Berlin)

Bernhard Trenkle (Rottweil)

Prof. Dr. Sigrid Tschöpe-Scheffler (Köln)

Prof. Dr. Reinhard Voß (Koblenz)

Dr. Gunthard Weber (Wiesloch)

Prof. Dr. Rudolf Wimmer (Wien)

Prof. Dr. Michael Wirsching (Freiburg)

Themenreihe »Reden reicht nicht!?«

hrsg. von Michael Bohne, Gunther Schmidt

und Bernhard Trenkle

Reihengestaltung: Uwe Göbel

Umschlagfoto: © Anton Balazh – stock.adobe.com

Satz: Drißner-Design u. DTP, Meßstetten

Printed in Germany

Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck

Erste Auflage, 2019

ISBN 978-3-8497-0305-9 (Printausgabe)

ISBN 978-3-8497-8195-8 (ePUB)

© 2019 Carl-Auer-Systeme Verlag

und Verlagsbuchhandlung GmbH, Heidelberg

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Inhalt

Geleitwort

Vorwort

1PEP – State of the Art

Michael Bohne

1.1Als PEP laufen lernte

1.2Klopftechniken im Fokus der Forschung

1.3PEP – Weit mehr als eine Zusatztechnik!

Teil I: Psychodynamische Ansätze

2Embodimentverfahren in der Psychodynamischen Psychotherapie

Amelie Jüttemann-Lembke

2.1Theoretische Grundlagen

2.2Integration von Prozess- und Embodimentfokussierter Psychologie (PEP)

2.3Fallbeispiel: Vertrauen finden

2.4Resümee

3PEP als wirksame Bereicherung der Behandlung bei komplexen Traumafolgen

Anke Nottelmann

3.1Warum PEP bei komplexen Traumafolgen?

3.2Integrativer Behandlungsansatz in der Traumatherapie

3.3Integration von PEP in den Behandlungsprozess

3.4Fallbeispiel I: Traumaverarbeitung mit PEP

3.5Fallbeispiel II: Ego-State-Therapie und Selbstwerttraining

3.6Resümee

4Bindungsbasierte Beratung und Therapie nach K. H. Brisch – Mit PEP und BBT zu einer sicheren Bindung während Schwangerschaft, Geburt und Elternschaft

Claudia Chodzinski

4.1Grundlagen der Bindungsbasierten Beratung und Therapie

4.2Integration von PEP in die Bindungsbasierte Beratung und Therapie

4.3Fallbeispiel: Elsa und die Kraft der zwei Herzen

4.4Resümee

Teil II: Behavioral-kognitive Ansätze

5Unbedingte Selbstakzeptanz – PEP und die Rational-Emotive Verhaltenstherapie

Natalie Langosch

5.1Theoretische Grundlagen der Rational-Emotiven Verhaltenstherapie

5.2Grundbegriffe, Interventionstechniken und Therapieziele

5.3Integration von PEP in die REVT

5.4Fallbeispiel: Ich möchte meinem Mann wieder vertrauen können

5.5Resümee

6Embodimenttechniken in der Verhaltenstherapie – VT 4.0

Evelyn Beverly Jahn

6.1Einleitung

6.2SBT und PEP als Verhaltenstherapie 4.0 am konkreten Beispiel einer Patientin

6.3Resümee: SBT und PEP – ein echter Mehrwert!

Teil III: Humanistische Ansätze

7PEP und seine Anwendung im personzentrierten Ansatz von Carl R. Rogers

Brigitte Seelmann-Eggebert

7.1Theoretische Grundlagen und Geschichte des personzentrierten Ansatzes

7.2Integration von PEP in den personzentrierten Ansatz

7.3Fallbeispiel: Abschied von nicht erfüllten Wünschen

7.4Resümee

8»Wer allein arbeitet, der addiert, wer zusammenarbeitet, der multipliziert« – PEP in der Positiven Psychotherapie nach Nossrat Peseschkian

Richard Werringloer

8.1Theoretische Grundlagen der Positiven Psychotherapie

8.2Integration von PEP in die Positive Psychotherapie

8.3Fallbeispiel: Neustart ins Leben

8.4Resümee

9Transaktionsanalyse mit PEP

Adelheid Krohn-Grimberghe

9.1Theoretische Grundlagen der Transaktionsanalyse

9.2Integration von PEP in die Transaktionsanalyse

9.3Fallbeispiel: Ich bin so, wie ich bin, und singe so, wie ich sing!

9.4Resümee

Teil IV: Systemische Ansätze

10Lösungen auf der Spur – Wie PEP die lösungsfokussierte Psychotherapie bereichert und beschleunigt

Stefanie Kirschbaum

10.1Historie der lösungsfokussierten Psychotherapie

10.2Theoretische Grundlagen und Praxis der lösungsfokussierten Psychotherapie

10.3Integration von PEP in die lösungsfokussierte Psychotherapie

10.4Fallbeispiel: Zusammenspiel von Lösungsfokus und PEP

10.5Resümee

11PEP und Hypnotherapie – Ein starkes Team

Cornelia van Eys

11.1Theoretische Grundlagen der Hypnotherapie

11.2Integration von PEP in die Hypnotherapie

11.3Fallbeispiel: PEP macht den Weg frei

11.4Resümee

12Provokativer Ansatz und PEP

Charlotte Cordes und E. Noni Höfner

12.1Theoretische Grundlagen des Provokativen Ansatzes

12.2Integration von PEP in den Provokativen Ansatz

12.3Fallbeispiel I: Emotionale Verstrickungen in der Paarberatung

12.4Fallbeispiel II: Angst vor einer Augenoperation

12.5Resümee

13Systemische Aufstellungsarbeit – Mit PEP aus der Verstrickung

Helmut Eichenmüller

13.1Theoretische Grundlagen der Aufstellungsarbeit

13.2Integration von PEP in die Aufstellungsarbeit

13.3Fallbeispiel I: Die belgische Puppe

13.4Fallbeispiel II: »Auch wenn mein Opa ein Verbrecher war …«

13.5Resümee

14Stärke statt (Ohn-)Macht – Neue Autorität mit PEP im systemischen Elterncoaching

Martin Lemme

14.1Was ist Präsenz?

14.2Haltungs- und Handlungsaspekte der Neuen Autorität und von PEP

14.3Resümee

Teil V: Weitere therapeutische Ansätze

15Neuropsychologische Therapie mit PEP

Tobias Gräßer

15.1Theoretische Grundlagen der neuropsychologischen Therapie (NPT)

15.2Integration von PEP in die Neuropsychologische Therapie

15.3Zwei Fallbeispiele

15.4Resümee

16Zwischen diagnostischer Suche und therapeutischer Intervention – PEP in der Kunsttherapie

Sabine Ebersberger

16.1Grundlagen der Kunsttherapie

16.2Integration von PEP in die Kunsttherapie – Das Spektrum ihrer Wirkfaktoren

16.3Resümee

Teil VI: Ansätze aus dem Bereich Coaching und Beratung

17Das Zürcher Ressourcen Modell – Integration von PEP am Beispiel arbeitsbezogener Themen

Denise Grauwiler

17.1Theoretische Grundlagen

17.2Integration von PEP in das ZRM

17.3Fallbeispiel: Einmal kurz die Löwenmähne schütteln

17.4Resümee

18Gummibänder beklopfen – Autonomie und Selbstwirksamkeit fördern! Transaktionsanalytisches Konfliktlösungscoaching mit PEP

Oliver Watzal

18.1Theoretische Grundlagen

18.2Integration von PEP in das transaktionsanalytische Konfliktlösungscoaching

18.3Fallbeispiel: Vom passiven Problemopfer zum selbstwirksamen Lösungstäter

18.4Resümee

19PEP als ideale Ergänzung der Theorie der Persönlichkeits-System-Interaktionen

Stefan Schmid

19.1Theorie der Persönlichkeits-System-Interaktionen (PSI) von Julius Kuhl

19.2Integration von PEP in die PSI

19.3Fallbeispiel: Selbstakzeptanz als Kraftquelle

19.4Resümee

20Selbstverantwortung stärken – Selbstklärung mit PEP in der Mediation

Carla van Kaldenkerken

20.1Geschichte der Mediation

20.2Was ist Mediation?

20.3»Extended mediation« – Erweiterung der Mediation durch die Integration von PEP

20.4Resümee

Literatur

Über die Autoren

Über die Herausgeber

Geleitwort

Solange wir zurückdenken können, hat unsere Spezies versucht, sich selbst – auch als Teil der Natur – besser zu verstehen. Diese Bemühungen ruhen zum Teil in sich selbst und zum anderen sind sie mit dem Ziel verbunden, sich von körperlichen und seelischen Leiden zu befreien. Der Wunsch, Erkrankungen zu heilen, hat die Beobachtung des eigenen Erlebens wie auch die Suche nach Möglichkeiten der Einflussnahme intensiviert. Auf diese Weise wurde schon vor vielen Tausend Jahren entdeckt, dass Pflanzen als Heilmittel genutzt werden können und dass heiße oder kalte Waschungen eine erstaunlich belebende Wirkung auf Körper und Seele entfalten.

In jüngerer Zeit, im Zuge der Aufklärung, wurden nicht nur mittelalterliche Weltverständnisse und Vorstellungen über Bord geworfen, sondern auch das Menschenbild änderte sich grundlegend. Einzug hielt ein sehr mechanisches Verständnis über den Menschen, und die ungreifbare (im wahrsten Wortsinn) Seele des Menschen wurde nun praktisch und theoretisch vom Köper getrennt. Gedanke und Geist waren nun nicht mehr Teil einer organischen Materialität, sondern die Denkfähigkeit unserer Spezies wurde zum größten Vorzug gegenüber allen anderen Lebensformen stilisiert und zudem konsequent entkörperlicht. Tiere behielten ihren Körper, aber diese hatten auch keinen Geist, den sie in die Waagschale der impliziten Bewertung einbringen konnten.

Vor diesem Hintergrund entwickelte sich ein Bemühen, die seelischen Leiden der Menschen durch Sprache und Gespräch ebenso zu heilen, wie es mithilfe von Säften und Pillen bei körperlichen Beschwerden schon möglich war. Der »seelische Apparat« sollte und konnte durch ein geschicktes Sprachnetz, durch Deutung und Assoziation von Fehlfunktionen befreit werden. Seelenärzte und später die therapeutisch tätigen Psychologen nutzten in ihren theoretischen und praktischen Ansätzen die Ergebnisse der experimentellen Verhaltensforschung, die ihrerseits von einer strikten Trennung psychischer und körperlicher Prozesse beseelt war. Am Gipfelpunkt dieser Entwicklung und unterstützt von der wirkungsmächtigen Hirnforschung, etablierte sich in den Zünften der heilenden Psychologie ein zerrissenes Menschenbild: Seele ohne Körper.

Die strenge Fokussierung auf die Sprach- und Denkebene des Menschen verdrängte lange Zeit die elementare Einsicht, dass der Mensch ein dreidimensionales, ein körperliches Wesen ist. Aber trotz wissenschaftlicher Evaluationen und vereinigter akademischer Lehrstuhlkräfte zeigten sich nach einigen Jahrzehnten die eklatanten Schwachstellen dieser Konzeption. Sie zeigten sich besonders dann, wenn von gängigen Konventionen unabhängige Behandlungsversuche unternommen wurden, unter Einbeziehung der körperlichen Erlebenswelten von Patienten.

Mehr und mehr wird und wurde der etablierte Therapiebetrieb mit methodischen Perspektiven konfrontiert und mit erstaunlichen Behandlungsergebnissen. Die einst vom Mainstream eher belächelten körpertherapeutischen Interventionsmethoden sind zahlreicher geworden, und in die undurchlässigen Mauern der impliziten Schulen haben sich Risse und Öffnungen eingearbeitet. Unterstützt wird diese Perspektiverweiterung auf die Körperlichkeit unserer Spezies durch eine zunehmende Anzahl wissenschaftlicher Publikationen, Lehrbücher, Symposien und Tagungen. Nunmehr ist es kaum noch möglich, die essentiellen Wirkungen körpertherapeutischer Interventionen bei der Behandlung zu leugnen. Den Stein der Weisen hat hierbei freilich noch niemand gefunden. Aber es befinden sich immer mehr Behandler und Behandlerinnen im Gespräch darüber, wie die Körperlichkeit des Menschen in einem psychologischen Behandlungskontext sinnvoll und zum Wohle der Patienten einbezogen werden kann.

Der vorliegende Band ist ein schriftliches Zeugnis dieser produktiven Auseinandersetzung, und es ist ihm eine breite Aufmerksamkeit in den verschiedenen Fachkreisen zu wünschen. Die einzelnen Beiträge zeigen eindrucksvoll, dass die Konzepte der Prozess- und Embodimentfokussierten Psychologie (PEP) bei sehr verschiedenen Störungsbereichen erfolgreich eingesetzt wie auch in verschiedene therapeutische Verfahren integriert werden können. Diese Bandbreite reicht von psychodynamischen, verhaltenstherapeutischen, systemischen bis hin zu neuropsychologischen Behandlungsverfahren. Überdies hat sich ein beachtliches Anwendungsspektrum im Bereich Coaching und Beratung entwickelt, was ebenfalls in diesem Band durch verschiedene Beispiele dokumentiert wird. Die Bandbreite der Beiträge zeigt nicht nur die grundsätzlich konzeptionelle Integrierbarkeit von PEP in bestehende Behandlungsinstrumente, sondern sie lässt auch erahnen, dass die integrativen Potenziale noch lange nicht erschöpft sind. So ist zu erwarten, dass die Suche nach den besten interventionellen Methoden zur Behandlung oder Beratung auch mit diesem Band nicht abgeschlossen, sondern um wichtige Anregungen, Hinweise und Fragen bereichert sein wird.

Prof. Dr. Martin Grunwald
Leipzig, im April 2019

Vorwort

Die Idee zu diesem Sammelband geht auf ein Gespräch der Herausgeber im Sommer 2017 zurück. Damals sind wir darauf gestoßen, dass es viele psychotherapeutische Praktiker und Coachs gibt, die Spannendes darüber berichten, wie sie die Prozess- und Embodimentfokussierte Psychologie (PEP®) als Interventionstechnik in ihre Arbeit integrieren. Nachdem PEP bereits in dem Buch »Klopfen mit PEP« (Bohne 2010, 4. Aufl. 2019) in den Kontext unterschiedlicher Indikationen gesetzt wurde, fehlte bislang eine Zusammenstellung, wie PEP in psychotherapeutische oder Coachingmethoden integriert wird. Und voilà, die Idee für dieses Buch war geboren!

Die Umsetzung eines solchen Vorhabens war nur mit Unterstützung kompetenter Kolleginnen und Kollegen aus unterschiedlichen Fachrichtungen realisierbar, die ihr jeweils spezifisches Fachwissen in das Gesamtgefüge des Buches einfließen ließen. Entstanden ist ein Band, der zugleich als Anwenderbuch und theoriegeleitetes Fachbuch konzipiert ist. Um beide Ansprüche zu erfüllen, zeigen die Autoren, wie sie PEP in ihre therapeutischen und Coachingansätze einbinden, und illustrieren dies mit Falldarstellungen. Die Beiträge gehen auch auf die historische Entwicklung des jeweiligen therapeutischen und Coachingansatzes ein und skizzieren kurz deren theoretischen Grundlagen. Dies ermöglicht nicht nur eine praktische, sondern auch eine theoretisch-konzeptionelle Verankerung von PEP als Zusatztechnik in unterschiedlichen psychotherapeutischen und Coachingansätzen.

Betonen möchten wir, dass alle im vorliegenden Buch vorkommenden Therapieformen und Coachingmethoden erprobte, theoriegeleitete Verfahren sind. Die praktischen Illustrationen in den Fallbeispielen veranschaulichen, wie eine Integration von PEP möglich ist, keineswegs ist damit aber gemeint, dass es nur so gehen kann. Alle fallbezogenen Angaben sind selbstverständlich so weit modifiziert und verfremdet, dass die Anonymität der betroffenen Personen gewahrt bleibt.

Das vorliegende Buch richtet sich an alle PEP-interessierten Ärzte, Psychologen, Psychotherapeuten und Coachs und kann als eine Inspirationsquelle verstanden werden, wie sich PEP in Therapie, Coaching und Beratung integrieren lässt. Dem aufgeschlossenen Laien bietet es einen fundierten Überblick der PEP im Kontext von Psychotherapie und Coaching. Dabei werden im Buch die grundlegenden Techniken und Begrifflichkeiten der PEP, sofern sich die Autoren der Beiträge darauf beziehen, meist nur kurz angesprochen. Die eingehende Darstellung und Diskussion der Techniken und Begrifflichkeiten der PEP kann in »Klopfen mit PEP« (Bohne 2019) nachgelesen werden.1

Der einführende Text (Michael Bohne, Kapitel 1) beschreibt die neuesten Entwicklungen der PEP und zeigt auf, welche diagnostischen und interventorischen Muster zur PEP gehören. Auch auf die jüngste Studienlage zu den Klopftechniken ganz allgemein wird kurz eingegangen.

In Teil I, der sich den psychodynamischen Ansätzen widmet, wird die Integration von PEP in die Psychodynamische Psychotherapie (Amelie Jüttemann-Lembke, Kapitel 2), in die Traumatherapie (Anke Nottelmann, Kapitel 3) und in die Bindungsbasierte Therapie und Beratung nach K. H. Brisch (Claudia Chodzinski, Kapitel 4) dargestellt.

In Teil II, der den Blick auf behavioral-kognitive Ansätze richtet, erklären die Beiträge die Verbindung von PEP mit der Rational-Emotiven Verhaltenstherapie (Natalie Langosch, Kapitel 5) und mit Embodimenttechniken in der Verhaltenstherapie (Evelyn Beverly Jahn, Kapitel 6).

Die Einbindung von PEP in den personzentrierten Ansatz von Carl R. Rogers (Brigitte Seelmann-Eggebert, Kapitel 7), in die Positive Psychotherapie (Richard Werringloer, Kapitel 8) und in die Transaktionsanalyse (Adelheid Krohn-Grimberghe, Kapitel 9) zeigt der Teil III über humanistische Therapieansätze.

PEP-Interventionen als Zusatztechnik für systemische Ansätze werden in Teil IV jeweils im Kontext der lösungsfokussierten Psychotherapie (Stefanie Kirschbaum, Kapitel 10), der Hypnotherapie (Cornelia van Eys, Kapitel 11), des Provokativen Ansatzes (Charlotte Cordes und E. Noni Höfner, Kapitel 12), der systemischen Aufstellungsarbeit (Helmut Eichenmüller, Kapitel 13) und der Neuen Autorität (Martin Lemme, Kapitel 14) diskutiert.

Darüber hinaus wird in Teil V die Integration von PEP in die neuropsychologische Therapie (Tobias Gräßer, Kapitel 15) und in die Kunsttherapie (Sabine Ebersberger, Kapitel 16) vorgestellt.

Coachs zeigen und diskutieren in Teil VI, wie Verbindungen von PEP zu dem Zürcher Ressourcen Modell (Denise Grauwiler, Kapitel 17), dem transaktionsanalytischen Konfliktlösungscoaching (Oliver Watzal, Kapitel 18), der Theorie der Persönlichkeits-System-Interaktionen (Stefan Schmid, Kapitel 19) und der Mediation (Carla van Kaldenkerken, Kapitel 20) hergestellt werden kann.

Wie die Lektüre des vorliegenden Buches aufzeigt, kann PEP in den unterschiedlichsten Ansätzen zu einer deutlichen Prozesserleichterung und -beschleunigung und somit zu einer Prozessoptimierung führen. Die Autoren sind ja allesamt begeisterte Anwender ihrer jeweiligen Ansätze – sie erachten die PEP als Bereicherung und Erleichterung.

Auf ausdrücklichen Wunsch des Verlags verwenden wir bei Personenbezeichnungen die männliche Schreibweise, obgleich jeweils beide Geschlechter gemeint sind. Damit sollen Doppelnennungen, typografische Lösungen mit Sternchen oder Unterstrich oder das große »I« zugunsten der besseren Lesbarkeit vermieden werden. An Stellen, an denen die jeweilige Geschlechtszugehörigkeit von Bedeutung ist, wird sprachlich differenziert.

Besonderer Dank gilt abschließend all jenen, die dazu beigetragen haben, dass dieses Buch entstehen konnte: zunächst allen Autorinnen und Autoren, die ihre Beiträge nach unseren Vorgaben in Bezug auf Struktur, Inhalt und Umfang verfasst und sich geduldig mit unseren Überarbeitungswünschen auseinandergesetzt haben; weiter den Verantwortlichen im Carl-Auer Verlag, Matthias Ohler, Dr. Ralf Holtzmann, Klaus W. Müller, die an das Projekt geglaubt und uns über die verschiedenen Entstehungsphasen hinweg kontinuierlich und kompetent begleitet haben; und last but not least unserem Lektor Markus Pohlmann, der mit großer Sorgfalt unseren Texten den letzten Schliff gegeben hat. Dafür danken die Herausgeber.

Michael Bohne, Sabine Ebersberger
Hannover und München, im März 2019

1Verweise auf das Basiswerk beziehen sich stets auf die aktuelle 4. Auflage 2019. Dabei wurde auf Seitenangaben weitgehend verzichtet zugunsten ganzer Kapitel, deren Nummerierung in der 3. und 4. Auflage unverändert geblieben ist.

1PEP – State of the Art

Michael Bohne

Beim Verfassen dieses Textes ist es circa zehn Jahre her, dass ich 2008 das PEP-Konzept aus den Klopftechniken heraus entwickelt habe. Woher das Klopfen kommt, wie es funktioniert, wieso ich PEP daraus entwickelt habe, wie PEP genau funktioniert und was man alles beachten sollte, wenn man mit PEP arbeitet, habe ich an anderer Stelle detailliert beschrieben (Bohne 2008, 2011, 2019). Dies alles möchte ich deshalb an dieser Stelle nicht wiederholen. Hier geht es mir eher darum aufzuzeigen, welche größeren Linien in der Entwicklung von PEP wichtig waren und welche diagnostischen und interventorischen Muster zu PEP gehören.

Dieses Vorgehen wird Leser, die eine gewisse Vorliebe an Mustererkennung haben, interessieren und vielleicht sogar faszinieren, es wird aber manche Leser, die eher konkrete Beispiele für ein gutes Verständnis brauchen, gegebenenfalls etwas frustrieren. Solche Leser werden in meinen anderen Büchern und in den Kapiteln der anderen Autoren dieses Bandes auf ihre Kosten kommen, denn es ist unter anderem das Ziel dieses Buches, sehr dezidiert aufzuzeigen, wie PEP in die verschiedensten Methoden integriert werden kann.

1.1Als PEP laufen lernte

Zu Beginn war es mir lediglich wichtig, die Klopftechniken zu entmystifizieren und der wissenschaftlichen Untersuchbarkeit zuzuführen, hatte ich doch beobachtet, dass viele psychotherapeutisch arbeitende Kolleginnen und vor allem Kollegen erhebliche Ressentiments gegenüber den Klopftechniken hegen. Manchen waren die Klopftechniken zu esoterisch, was ich gut nachvollziehen konnte, andere hatten die Überzeugung, sich neue psychotherapeutische Methoden erst und nur dann anzuschauen, wenn sie wissenschaftlich hinreichend untersucht und bestätigt sind, was ich, mit Verlaub, etwas befremdlich finde. Wenn wir alle im Feld so eingestellt wären, dann hätte sich nie etwas Neues entwickelt und würde sich auch in Zukunft nichts Neues entwickeln. Es braucht die neugierigen und mit dem Vorhandenen etwas unzufriedenen, erfahrenen und gut ausgebildeten Praktiker, die sich in die Feldforschung stürzen und das Neue mit dem Bestehenden vergleichen, die um Erkenntnisse ringen, die integrieren und wieder verwerfen. Das alles findet weit vor der Durchführung wissenschaftlichen Studien statt.

Denn was soll man denn untersuchen, wenn noch gar nicht klar ist, wie eine Neuerung genau aussieht, wo sie klinisch überzeugt und wo eher nicht? Meine persönliche Beobachtung ist aber auch, dass erfahrene Praktiker ohnehin offen für neue Ansätze sind. Es sind eher die Vertreter bestehender Methoden und Schulen, die bisweilen der Überzeugung sind, man müsse nichts Neues mehr erfinden, da man ja schon etwas Gutes habe. Hier wird das Gute der größte Feind des Besseren. Nichtsdestotrotz möchte ich in Kapitel 1.2 in diesem Kapitel auf die jüngsten Forschungsergebnisse zu den Klopftechniken eingehen.

Die Klopftechniken funktionierten häufig ziemlich gut, schnell und im Vergleich zu »Eye Movement Desensitization and Reprocessing« (EMDR) sogar deutlich schneller und besser. Jedoch profitierten die Klienten in 10–20 % der Behandlungssituationen kaum oder gar nicht vom Klopfen, was ich beim EMDR auch schon immer beobachtet hatte. Anstatt nun vom Klopfen begeistert zu sein, war ich lediglich zufrieden, denn es drängte mich herauszufinden, warum es diese 10–20 % Nonresponder gab, die schon die Urväter und Väter der Klopftechniken, Callahan, Diamond oder Gallo, erwähnt hatten (Gallo, pers. Mitt.). Da mich sämtliche vorhandenen Erklärungen nicht überzeugten, machte ich mich selbst auf die Suche und fand nach einigem Forschen und Experimentieren die tatsächlichen Gründe. Es lag daran, dass die Nonresponder in diesen Momenten eine Blockade an Bord hatten, die einer Verbesserung der klinischen Symptomatik im Wege stand. Diese Hemmnisse habe ich die Big-Five-Lösungsblockaden genannt:

Selbstvorwürfe

Fremdvorwürfe

Erwartungshaltungen an andere

Altersregression

Parafunktionale Loyalitäten.

Parafunktionale Loyalitäten beziehen sich entweder auf Loyalitäten zu anderen Menschen oder Wertesystemen oder auf intrapersonale Loyalitäten, also auf die Ego-State-Ebene.

Nach einer weiteren Experimentierphase entdeckte ich, wie sich diese Loyalitäten, die ja in der Psychotherapie durchaus bekannt sind, recht zügig und tief greifend transformieren lassen. Die Transformation parafunktionaler Loyalitäten stellt eine Herausforderung dar, da sie häufig unbewusst sind. Somit war es nötig, ein Tool zu entwickeln, welches in der Lage war, parafunktionale Loyalitäten zu überwinden. Dies war die Geburtsstunde des Kognitions-Kongruenz-Tests bzw. -Tools. Mit diesem Instrument ist es möglich, durch das Aussprechen dezidierter Testsätze psychodynamisch und systemdynamisch relevantes Material hochzuspülen und mittels Selbstbestätigungsinterventionen und ressourcenfokussierter Affirmationen, sogenannter Kraftsätze, zu transformieren. Zu diesen parafunktionalen Loyalitäten gehört auch das Phänomen des »(Rest-)Symptoms als letzten Zeugen« dafür, dass man selbst oder seine Familie, seine ethnische oder religiöse Gemeinschaft etwas Belastendes, Schwieriges oder Schlimmes erlebt hat. Dieses Phänomen erklärt häufig, warum jemand von Psycho- oder Traumatherapie gar nicht oder nicht hinreichend profitiert. Das Kognitions-Kongruenz-Tool hat sich für viele Anwender als große Bereicherung, Vereinfachung und Beschleunigung der tiefenpsychologischen, transgenerationalen sowie systemischen Behandlungsaspekte erwiesen.

Komplettiert wird das PEP-System durch das eigens konzipierte Selbstwerttraining, das für meine Arbeit als Auftrittscoach unabdingbar ist und das für mich auch in der Psycho- und Traumatherapie nicht mehr wegzudenken ist. Als Basis für PEP dienen darüber hinaus

eine dezidierte Anliegen- und Auftragsklärung,

die Berücksichtigung von Kunde-Klagender-Besucher nach Steve de Shazer,

eine Haltung von Leichtigkeit, Zuversicht und Humor sowie

die Nutzung von vokalem und visuellem Bonding und

die vielseitige Nutzung von Reframings jeglicher Art.

Eine Neuerung, die PEP viel eleganter gemacht hat, sei hier noch erwähnt. Während wir in der PEP in den ersten Jahren bis etwa 2016 ausschließlich mit Selbstakzeptanzübungen gearbeitet haben (»…, liebe und akzeptiere ich mich so, wie ich bin«) und mit der Verdünnungstechnik (z. B. »…, wäre es vermutlich heilsam, wenn ich mich einfach mal achte und schätze, so, wie ich bin«), hat sich durch die Anregungen Gabriela von Witzlebens die Varianz der selbstbezüglichen Ich-Aussagen deutlich erweitert. Der PEP-Anwenderin und Psychotherapieentwicklerin war aufgefallen, dass es immer wieder Klienten gab, die zwar sagen konnten »ich liebe und akzeptiere mich so, wie ich bin«, die jedoch den Sinn dieser Aussage nicht erkannten, bzw. denen diese Formulierung redundant oder unstimmig vorkam (von Witzleben 2014, 2019). Diese Menschen profitierten jedoch sehr, wenn sie ein nach von Witzleben anderes Kernbedürfnis in einer Affirmation stärkten, wie z. B. das Bedürfnis nach Sicherheit/Überblick (»…, bleibe ich in Sicherheit/behalte ich den Überblick«) oder nach Autonomie (»…, bestimme ich was gut für mich ist/gehe ich meinen ganz eigenen Weg/nehme ich mir den Raum, den ich brauche«). Diese Anregung hat mich in der klinischen Arbeit sehr überzeugt und hat die selbstbezüglichen Ich-Aussagen um viele Facetten bereichert. Da es bei den neuen Formulierungen nun aber nicht um Selbstakzeptanz geht, musste ein neuer Begriff her. Mir erschien der Begriff Selbstbestätigung am besten zu passen. Jemand bestätigt sich in einem seiner Kernbedürfnisse selbst. Somit stellt die Selbstakzeptanz nur eine (wenn auch wesentliche) Form der Selbstbestätigung dar. Alle Selbstbestätigungen werden mit einer haptischen Stimulation (kreisendes Reiben unter dem linken Schlüsselbein) kombiniert. Diese Intervention hat sich sprachlich auch als »das Kurbeln« etabliert.

1.2Klopftechniken im Fokus der Forschung

Doch wie sieht es mit der Forschung zu den Kopftechniken und zu PEP aus? Ein paar klinische Untersuchungen geben Hinweise über das Wirkpotenzial der Klopftechniken. Drei Studien seien hier erwähnt.

In einer Metaanalyse von Clond (2016) wurden 14 randomisierte kontrollierte Studien (RCT-Studien) zu Angst als Outcome-Parameter untersucht. Eingeschlossen waren 658 Teilnehmer, darunter waren 293 in der Klopfgruppe, die mit Emotional Freedom Techniques (EFT) behandelt wurden, und 365 unbehandelte Probanden in der Kontrollgruppe. In sechs Studien gab es eine einzelne Sitzung, in acht Studien drei oder mehr Sitzungen. Die Effektstärke in der Klopfgruppe lag bei d = 1,23 (p < 0,001), war also klinisch hoch signifikant. Die größte Effektstärke mit d = 1,75 (p < 0,001) zeigte sich in der PTSD Patientengruppe mit einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS, Post-Traumatic Stress Disorder [PTSD]), die zweitgrößte in der Gruppe spezifischer Phobien mit d = 1,68 (p < 0,001). Allerdings wiesen die Studien verschiedene Schwächen bezüglich der Probandenrekrutierung und Durchführung auf. Dennoch gibt diese Metaanalyse Hinweise darauf, dass Klopftechniken in relativ kurzer Behandlungszeit Ängste signifikant reduzieren können. Am stärksten reagieren Ängste bei PTBS und bei spezifischen Phobien.

In einer von Church et al. (2013) durchgeführten Studie mit Veteranen aus verschiedenen Kriegen (inkl. 2. Weltkrieg) bekamen Patienten mit PTSD (gemäß PTSD Checklist – Military version [PCL-M] litten 100 % unter einer PTSD) 6 Stunden Klopftechnik (EFT). Danach zeigten nur noch 10 % der Patienten aus der Klopfgruppe die Kriterien einer PTSD. In der Kontrollgruppe mit allgemeinmedizinischer Versorgung hatten noch 96 % PTSD-Symptome. Nach Abschluss der Wartezeit erhielten diese Patienten ebenfalls 6 Stunden EFT-Klopftechnik. Danach zeigten nur noch 14 % der Veteranen Kriterien eine PTSD.

In einer Metaanalyse zu Klopfstudien (Sebastian a. Nelms 2017), in der sieben zugelassene RCT-Studien die Anforderungen der American Psychological Association (APA) der Division 12 erfüllten, betrug die Effektstärke aller sieben Studien d = 2,96 (p < 0,001). Da dieser Wert extrem hoch ist, hat man die Daten von zwei unabhängigen Statistikern durchrechnen lassen, die beide zum gleichen Resultat kamen.

Die Ergebnisse aller bisher vorliegenden Studien hat die US-amerikanische Veterans Administration (VA) dazu veranlasst, Klopftechniken (EFT) bei Veteranen zu empfehlen (Church 2017, o. S.):

»The approval means that VA therapists will be able to use EFT with their clients suffering from PTSD, depression, anxiety, pain and other conditions.«

Wie Pfeiffer (2018) in ihrem Übersichtsartikel beschreibt, haben verschiedene Studien der letzten Jahre gezeigt, dass die für immunologische Faktoren sowie die Kortisolregulierung verantwortlichen Gene von Patienten mit einer PTBS stärker exprimiert werden und dass Klopfen den Kortisolspiegel der klopfenden Probanden reduziert. Die Kortisolspiegel wurden laut Pfeiffer vor Beginn der Studie sowie nach zehn Klopftechniksitzungen erhoben und verglichen. Eine weitere Studie liefert erste signifikante Hinweise, wonach typische Gene bei klopfenden Probanden im Vergleich zur Kontrollgruppe weniger stark aktiviert waren (Church, Yount a. Brooks 2012).

Es gibt übrigens in der Forschung die Beobachtungen, dass Föten sich ab etwa der 15. Schwangerschaftswoche im Gesicht und am Kopf selbst berühren. Früher dachte man, dies geschehe zufällig aufgrund der Lage des Fötus im Uterus. Neueren Forschungen zufolge, die der Haptikforscher Martin Grunwald in seinem Buch »Homo hapticus« (Grunwald 2017) aufführt, berührt der Fötus sich umso häufiger selbst, je mehr Stress die Mutter hat. Wir »klopfen« also schon im Mutterleib gegen Stress!

Dies sind natürlich alles nur erste wissenschaftliche Hinweise, die jedoch deutlich das unterstützen, was erfahrene Kliniker seit einigen Jahren beobachten: Das Klopfen und noch mehr PEP (da letztere die Big-Five-Lösungsblockaden vergleichsweise leicht aufdeckt und behandelbar macht) funktionieren gut und schnell – auch bei PTBS. Hier gibt es aber noch erheblichen Forschungsbedarf.

1.3PEP – Weit mehr als eine Zusatztechnik!

Ich hatte mich initial um das Jahr 2009 herum dazu entschieden, PEP dezidiert als »Zusatztechnik« zu beschreiben, da ich sie selbst damals als solche wahrgenommen habe. Und auch wenn ich sehr früh bemerkt habe, dass in PEP weit mehr Potenzial steckt, habe ich die Bezeichnung Zusatztechnik aus Respekt und Wertschätzung vielen anderen umfassenden Psychotherapiemethoden gegenüber gewählt. Dieser Respekt und diese Wertschätzung sind ebenfalls ursächlich für die Konzeption dieses Bandes.

Dadurch, dass die PEP-Tools in vielen klinischen Situationen und bei verschiedensten Herausforderungen, wie z. B. Ängsten, Depressionen, Traumafolgestörungen, chronischen Schmerzen und in der Suchtmedizin hilfreich sind und entweder andere Methoden spürbar bereichern oder sogar allein gut anwendbar sind, kam von vielen PEP-Anwendern immer häufiger der Hinweis, PEP sei für sie weit mehr als eine Zusatztechnik. Die Big-Five-Lösungsblockaden, der Kognitions-Kongruenz-Test (KKT) und das Selbstwerttraining vermitteln vielen Kollegen den Eindruck, mit PEP über eine vollständige Methode zu verfügen.

Im Laufe der Zeit haben immer mehr Kursteilnehmer festgestellt und zurückgemeldet, dass sie für die Behandlung vieler Störungen, wie z. B. Ängste, Panikattacken, Depressionen und Typ-I-Traumata, nicht mehr brauchten, als in PEP drinsteckt. Damit will ich nicht sagen, dass man in nur neun Tagen eine umfassende Psychotherapiemethode erlernen kann, zumal ich selbst alle möglichen Fortbildungen besucht und von ihnen profitiert habe. Mehr als PEP, so die Teilnehmer, hätten ihnen jedoch die anderen Methoden auch nicht geboten, eher sogar weniger. Dies liegt vermutlich daran, dass PEP eine Kombination verschiedenster Ansätze darstellt. Für mich ist es eine Art »psychotherapeutischer Brühwürfel«. Aus meiner Sicht braucht es bei besonderen Herausforderungen jedoch noch weit mehr als PEP, so z. B. im Bereich der Behandlung von komplexen Traumafolgestörungen oder bei Bindungsstörungen. Aber genau dort reichen viele andere Ansätze, die sich ohne Probleme als Methoden beschreiben lassen, auch nicht aus!

Somit bin ich heute der Meinung, dass die Funktion von PEP je nach Blickwinkel und Anwendungsfeld von einer innovativen und hilfreichen Zusatztechnik bis hin zu einer eigenständigen Methode reicht. Um dies ohne Widerstand so sehen zu können, empfiehlt es sich, sich mit den Phänomenen Komplexitätsreduktion und »Simplicity« (Maeda 2007) zu beschäftigen. Wir kennen es ja aus unendlich vielen anderen Bereichen, dass ehemals langwierige und aufwendige Produkte und Methoden durch sogenannte disruptive Entwicklungen plötzlich viel einfacher und smarter daherkommen und weit besser wirken als alte Versionen. Die Zukunft wird zeigen, als was sich PEP im Feld etabliert und als was es sich in den Studien darstellt.

Teil I: Psychodynamische Ansätze

2Embodimentverfahren in der Psychodynamischen Psychotherapie

Amelie Jüttemann-Lembke

2.1Theoretische Grundlagen

Die Anfänge der Psychoanalyse und die sich daran anschließende Entwicklung hat Mertens (2010, 2011, 2012) ausführlich beschrieben. Er liefert einen Überblick zu verschiedenen psychoanalytischen Schulen, theoretischen Ansätzen und den sich daraus ableitenden therapeutischen Haltungen bis zu den heute verwendeten psychodynamischen Therapievarianten. Einbezogen sind die klassischen Ansätze, die Objekt- und Selbstobjekttheorien, die Bindungsforschung, die neuropsychologischen Erkenntnisse bis hin zu modernen Formen der intersubjektiven, relationalen psychoanalytischen Therapie.

Psychodynamische Psychotherapie ist nicht mehr vorrangig an der klassischen Psychoanalyse, sondern an postmodernen Entwicklungen orientiert, und neue Konzepte und Techniken werden zunehmend integriert. Dadurch soll das psychodynamische Grundkonzept jedoch nicht aufgelöst werden und in beliebig anzuwendenden Techniken untergehen. Es gilt, das psychoanalytische Erbe zu bewahren und möglichst effektive Behandlungen in begrenzter Therapiezeit durchzuführen, ohne psychoanalytische Prinzipien zu verabsolutieren. Offenheit für klinische Aufgaben und für therapeutische Weiterentwicklungen soll beibehalten, die Integration anderer hochwirksamer Verfahren vorangetrieben werden.

Psychodynamische Konzepte beschreiben den ätiopathogenetischen Zusammenhang von Persönlichkeitsentwicklung und psychischer Störung, die zugehörigen inneren Kräfte, die Strukturierung des psychischen Systems, die Bedeutung unbewusster Vorgänge sowie Prozesse von Internalisierung, Identifizierung und Introjektbildung aus früheren Beziehungserfahrungen (Tress, Kruse u. Ott 2004).

Psychodynamisches Verstehen bedeutet, der psychodynamisch arbeitende Therapeut versucht, Mitteilungen zu erfassen, die in Form von Narrativen oder symbolisch verschlüsselt in Träumen, Szenen oder als Auslassungen vorliegen. Und im Sinne von »Verstehen heißt antworten« (Bodenheimer 1992) geht es um die Aufnahme komplexer, eben auch teilweise unbewusster Aspekte, um das Bemühen, Zusammenhänge herzustellen, den Patienten tiefer zu verstehen. Der Patient lernt sich im Spiegel dieser Mitteilungen kennen.

Psychodynamisches Handeln wird von Shelder (2011) anhand von sieben zentralen Schwerpunkten psychodynamischer Psychotherapien beschrieben:

1.Fokussieren auf Emotionen und Gefühlsausdruck: Der Patient wird ermutigt, die Palette seiner Gefühle in Worte zu fassen und über die intellektuelle Einsicht hinaus emotionale Einsicht zu erlangen.

2.Vermeidungstendenzen untersuchen: Der Patient wird aufmerksam gemacht auf Verhalten, bei dem er belastende Gefühle und Gedanken zu vermeiden versucht (im Sinne von Abwehr).

3.Wiederkehrende Themen identifizieren: Mit dem Patienten wird an sich wiederholenden Mustern des Verhaltens, Erlebens, der Beziehungsgestaltung gearbeitet, wenn diese zunehmend dysfunktional, belastend oder selbstschädigend sind.

4.Lebensgeschichtliche Erfahrungen erörtern: Dysfunktionale Muster werden auf frühere lebensgeschichtliche Erfahrungen hin untersucht, die bis heute wirksam sind und aus denen es sich zu befreien gilt – die Zukunft wird so verändert gestaltet.

5.Schwerpunkt zwischenmenschliche Beziehungen: Das Selbstkonzept und die dysfunktionalen Persönlichkeitsanteile des Patienten treten im Kontext seiner Beziehungen deutlich hervor und werden gespiegelt. Es wird untersucht, wie sich psychische und somatische Störungen auf das Erleben und die Gestaltung von Beziehungen auswirken.

6.Therapeutische Beziehung fokussieren: Repetitive Beziehungsmuster des Patienten wirken sich auch auf die therapeutische Beziehung aus. Es bietet sich an, die Beziehungsproblematik des Patienten im psychotherapeutischen Miteinander zu erkennen und zu bearbeiten.

7.Erforschung des Fantasielebens: Wünsche, Ängste, Träume und Fantasien eröffnen Zugänge zu kreativen, unbewussten Bereichen, die als Ressourcen für ein vertieftes Selbstverständnis und eine Erweiterung der eigenen Fähigkeiten hilfreich sein können.

Ein tieferes Verständnis für das Zustandekommen aktueller Zustände und zurückliegender Beziehungserfahrungen erfordert Einsicht und die Fähigkeit zur Selbstreflexion, die wiederum Mentalisierungskompetenz voraussetzt. Die Verfügbarkeit von sprachlichem Ausdruck für das eigene Innere ist bei strukturellen Störungen sowie bei Traumafolgestörungen oft nicht ausreichend. Hier ist eine andere Arbeitsweise notwendig. Es gilt, weniger am aktuellen Konflikt als am Aufbau von Strukturen zu arbeiten, die eine zunehmende Mentalisierungsfähigkeit und einen selbstreflexiven Blick nach innen möglich machen (Wölleru. Kruse 2005).

Der Wissenschaftlicher Beirat zur Errichtung der Richtlinienpsychotherapien, die in Deutschland von den Kassen finanziert werden, konstatiert (2004, zit. in Rudolf 2011, S. 18):

»Die psychodynamische Psychotherapie gründet auf der Psychoanalyse und ihren Weiterentwicklungen. Die Behandlungsprinzipien der psychodynamischen Psychotherapie bestehen in einer Bearbeitung lebensgeschichtlich begründeter unbewusster Konflikte und krankheitswertiger psychischer Störungen in einer therapeutischen Beziehung unter besonderer Berücksichtigung von Übertragung, Gegenübertragung und Widerstand. Dabei wird je nach Verfahren stärker im Hier und Jetzt oder im Dort und Damals gearbeitet, die Stundeninhalte sind je nach Verfahren strukturierter (Technik: Fokussierung) oder unstrukturierter (Technik: freie Assoziation), und der Therapeut greift jeweils auf eine stärker aktive oder eher zurückhaltendere Interventionstechnik zurück.«

2.1.1Behandlung konfliktbedingter Störungen

Das psychodynamische Konfliktmodell geht von erheblichen biografischen Belastungsfaktoren aus. Die Folgen sind fehlende Verfügbarkeit von Grundkompetenzen, die ein Gefühl von Sicherheit und Identität sowie autonome Handlungsfähigkeit vermitteln. Wesentliches Bestimmungsmerkmal eines aktualisierten unbewussten Konflikts ist seine Polarität, die Spannung zwischen zwei Polen des unbewussten Erlebens. Störungen entstehen, wenn Grundkonflikte durch belastende Ereignisse aktualisiert werden und die Bewältigungsformen nicht mehr greifen. Der Patient entwickelt Symptome, sucht im günstigen Fall Behandlung auf (Rudolf 2011).

Der Arbeitskreis OPD (2006) beschreibt eine Systematik der wichtigsten Konflikte und legt eine operationale Verhaltensbeschreibung für die einzelnen Konflikte vor: Individuation versus Abhängigkeit, Unterwerfung versus Kontrolle, Versorgung versus Autarkie, und es wird ein passiver und aktiver Modus jeweils zwischen den Enden der Pole von Selbstwertkonflikt, Schuldkonflikt, ödipalem Konflikt und Identitätskonflikt beschrieben.

2.1.2Behandlung strukturbezogener Störungen

Bei strukturbezogenen Störungen steht die fehlende Verfügbarkeit von positiven Beziehungserfahrungen im Vordergrund. Daraus resultiert eine unzureichende Entwicklung von strukturellen Selbstkompetenzen mit entsprechenden psychischen Werkzeugen, dysfunktionale Bewältigungsmuster überwiegen. Diese Bewältigungsmuster sind narzisstischer, schizoider, histrionischer und zwanghafter Art und zeigen sich in unterschiedlichen Formen.

Die Behandlung von strukturellen Störungen bzw. von Patienten, deren störende strukturelle Anteile im Vordergrund stehen, ist komplexer. Es gilt zunächst, die Mentalisierungsfähigkeit zu entwickeln, damit die Patienten überhaupt in der Lage sind, eine reflexive emotional-kognitive Einsicht zu erreichen. Ziel ist der Aufbau von Strukturen mit Nachreifung auch im Sinne der sogenannten Nachbeelterung. Hierzu kommen an Persönlichkeitsstörungen angepasste psychodynamische Verfahren zur Anwendung, wie etwa die psychoanalytischinteraktionelle Methode von Heigl-Evers u. Ott (1998), die Psychodynamische Psychotherapie bei Borderline-Patienten nach Kernberg (1993), die Mentalisierungsgestützte Psychotherapie (Allenu. Fonagy 2009) und die strukturbezogene Psychotherapie nach Rudolf (2004).

2.1.3Behandlung traumatischer Störungen

Traumatische Störungen liegen einerseits als posttraumatische Belastungsstörung in der Folge von überwältigenden emotionalen Erfahrungen vor, andererseits als komplexe Traumafolgestörung. Dissoziatives Entleeren und emotional wieder Geflutet-Werden sind zu verstehen als (dysfunktionaler) Lösungsversuch, die nicht verarbeiteten traumatischen Erlebnisse zu bewältigen. Therapeutisch ist ein spezielles Vorgehen von Stabilisierung, Konfrontation und Integration von Bedeutung. Sowohl für Akut- als auch Komplextraumatisierung bei biografisch weit zurückliegenden Belastungserfahrungen in der Kindheit (körperliche und psychische Gewalt, sexueller Missbrauch) werden ähnlich wirksame therapeutische Prinzipien angenommen. Im Vordergrund